Führungskräfte brauchen eigene Kommunikationsinstrumente
Führungskräfte sollen Mitarbeiter führen, und diese Führung besteht zu rund 80 % aus Kommunikation. Damit Manager diese Aufgabe professionell angehen können, empfiehlt es sich, sie in Sachen Kommunikation speziell zu schulen. In vielen Unternehmen ist der Bereich der Führungskräftekommunikation in seiner Bedeutung noch nicht erkannt worden, sondern läuft bei der Kommunikationsabteilung unter „interne Kommunikation“ mit. Dabei gibt es eine Reihe effektiver Instrumente, die genau auf die Bedürfnisse der Chefetage zugeschnitten sind. Die Direktbank ING-DiBa hat ein solches Kommunikationsprogramm für Führungskräfte erfolgreich aufgebaut, erprobt und angewendet.
Werte und Kultur
Fakt ist: Es sind die Führungskräfte, die den größten Einfluss auf die Entwicklung eines Unternehmens haben. Die Mitarbeiter sind ohne Zweifel wichtig, ihr Einfluss auf die Unternehmensentwicklung ist jedoch weitaus geringer. Es sind die Manager, die Änderungen vorantreiben, erläutern und umsetzen. Erfolgreiche Führungskräftekommunikation baut auf zwei Säulen auf: erstens auf der Wertschätzung der Mitarbeiter, zweitens auf dem Change-Management, also dem Management von Veränderungsprozessen.
„Kaum eine andere Komponente der Unternehmenswirklichkeit ist so entscheidend für Erfolg oder Misserfolg wie die Führungsriege.“
Führungskräftekommunikation ist als Prozess zu verstehen, nicht als einmal erarbeitetes, starres Konzept, das mit den immergleichen Instrumenten und Formaten funktioniert. Im Zentrum der Führungskräftekommunikation sollten die Werte und die Kultur des Unternehmens stehen. Es ist Pflicht und Aufgabe der Manager, diese Werte vorzuleben und in ihre Teams weiterzutragen. Ein Leitbild, das vom CEO und den Kaderleuten nicht vorgelebt wird, ist sinn- und nutzlos. Aufgabe der Führungscrew ist es außerdem, für Vertrauen und Sicherheit zu sorgen – gerade in Zeiten des Wandels und der permanenten Weiterentwicklung.
Systematische Schulung
Die systematische Schulung der Führungskräfte braucht einen strategischen Rahmen, sie definiert die verschiedenen Zielgruppen (Führungskräfte unterschiedlicher Ebenen), wählt geeignete Instrumente aus und verknüpft diese sinnvoll mit einem angemessenen Zeit- und Budgetplan. Zu den häufigsten Instrumenten zählen die Führungskräftekonferenz, Meetings, Trainings, Workshops, Newsletters (gedruckt und online) und Intranetangebote. Dabei decken die diversen Instrumente verschiedene Ebenen und Themen ab, z. B. die Unternehmensphilosophie, das Leitbild und die Werte des Unternehmens, aber auch Aspekte wie Führungskultur, Themendefinition, Benchmarking und Best-Practice-Vergleiche sowie Zielerreichung und Feedbackkultur.
„Die Führungskräftekonferenz soll mehr sein als ein ,Nice to Have‘, in das man sich reinsetzen und zuhören kann.“
Der so genannten Live- oder Eventkommunikation kommt große Bedeutung zu. Sie transportiert nicht bloß Informationen, sondern schafft emotionalen Wert und dient als Plattform fürs Networking. Zur Livekommunikation zählen alle Maßnahmen, bei denen persönlich miteinander kommuniziert wird, z. B. Reisen, Konferenzen, Workshops, Trainings, Feiern, Messen, Roadshows usw.
Die Führungskräftekonferenz
Führungskräftekonferenzen finden meist in regelmäßigem Rhythmus statt, sei es jährlich oder zweijährlich. Die wichtigsten Gründe für die Wahl dieses Instruments sind:
- In der Führungskräftekonferenz können zentrale Unternehmensbotschaften vermittelt werden.
- Die Führungsebene kann auf gemeinsame Ziele eingeschworen werden.
- Wichtige Projekte können gemeinsam diskutiert und vorangebracht werden.
- Teambildung, Netzwerken und gemeinsames Erleben werden in einem Instrument kombiniert.
„Die Zielgruppe Führungskräfte gibt es in jedem Unternehmen, allerdings nicht als homogene Gruppe.“
Eine Führungskräftekonferenz beinhaltet die Elemente Information, Teambildung, Kommunikation und Inszenierung – mit wechselndem Schwerpunkt. Zu Beginn überwiegt meist der Informations- und Inszenierungsanteil. Später verlagert sich das Gewicht. Nicht jede Konferenz muss alles abdecken.
Fallbeispiel ING-DiBa
In den Jahren 2004–2008 führte die Direktbank ING-DiBa Führungskräftekonferenzen durch, deren Konzept jeweils auf Basis der vorangehenden Konferenz weiterentwickelt wurde. Die Vorgaben für die nächste Konferenz kamen von den beteiligten Führungskräften selbst. Jedes Konferenzthema mündete in ein Folgeprojekt, womit sichergestellt werden konnte, dass die Konferenzergebnisse direkt in die Praxis umgesetzt wurden. Zudem verknüpfte die ING-DiBa die Führungskräftekonferenz bereits früh mit einer jährlichen Mitarbeiterbefragung („Great Place to Work“), deren Ergebnisse jeweils die Themen der Konferenz nährten.
Der Start
Die Hauptthemen der ersten Konferenz waren die zentralen Unternehmenswerte, das Führungsverständnis und die Führungsphilosophie. Da es bei ING-DiBa einen Wechsel an der Führungsspitze gegeben hatte, wurde der ersten Rede des CEO besondere Aufmerksamkeit zuteil. Dieser griff das Motto der Konferenz – „Just a Fair Deal“ – auf und präsentierte es mit multimedialer Unterstützung. Anschließend sprach als Gastredner der Basketball-Nationalmannschaftstrainer Dirk Bauermann. Dazu ist zu sagen: Ein Prominenter bringt zwar einen Glamoureffekt in die Konferenz, aber nicht immer erreicht sein Beitrag auch die inhaltlich erwünschte Qualität. Wählen Sie daher Gastredner, die in Unternehmensthemen tatsächlich kompetent sind. Solche finden Sie häufig im Sportbereich oder unter Fernsehmoderatoren.
„Oft liegen die interessantesten Lerneffekte und Erkenntnisse nicht in den offensichtlichen oder geplanten Teilen des Projekts.“
Nach dem externen Input waren die Führungskräfte in diversen Workshops gefordert, sich mit aktuellen Themen (die aus der vorangegangenen Mitarbeiterbefragung resultierten) auseinanderzusetzen, Lösungswege zu entwickeln und diese anschließend zu präsentieren. Um die Themen der Konferenz nachhaltig zu verankern, erhielten alle Führungskräfte ein Buch geschenkt, das das Hauptthema in amüsanter und lesenswerter Weise darstellte.
Die zweite Konferenz
Im folgenden Jahr wurde das Konferenzformat beibehalten, jedoch um Sequenzen des so genannten Unternehmens- bzw. Businesstheaters ergänzt. Zum einen gab es eine Gruppenarbeit mit Theaterpädagogen und Schauspielern. Teams aus je zwei Führungskräften wurden gecoacht, um dann in dialogischer Form Unternehmensthemen auf kritische Art zu präsentieren. Dieses Instrument kam unterschiedlich gut an. Insbesondere den jüngeren, unerfahrenen Managern behagte es wenig, auf der Bühne vor dem Plenum agieren zu müssen. Des Weiteren führten Schauspieler ein „Spiegel-Theater“ auf, das im Lauf der Konferenz von ihnen erarbeitet wurde und Sprache, Besonderheiten und Umgang der Führungskräfte miteinander kritisch widerspiegelte.
Die dritte Konferenz
Die Mitarbeiterbefragung „A Great Place to Work“ war das Hauptthema der nächsten Führungskräftekonferenz. Sie mündete in das Projekt „A Great Team to Work“, bei dem die Manager Checklisten für die tägliche Führungsarbeit erhielten . Neu an dem Format dieser Konferenz waren sowohl die Dauer als auch die beteiligten Ebenen: Zwei volle Tage lang waren alle Führungskräftelevel eingebunden. Die Manager hatten ganze Module der Veranstaltung inhaltlich selbst vorbereitet. Zehn ausgewählte Führungskräfte analysierten die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung. Unter Anleitung eines Coachs und Schauspielers präsentierten sie diese schließlich auf der Konferenz in unterschiedlichen Szenen, die an bekannte Fernsehsendungen angelehnt waren.
Die vierte Konferenz
Bei der nächsten Führungskräftekonferenz stand das Thema Teambildung im Mittelpunkt der nunmehr drei Tage umfassenden Veranstaltung. Neben Informationsmodulen war der Hauptbestandteil der Konferenz eine anspruchsvolle „Schnitzeljagd: Mission Possible “ durch mehrere Stadteile. 25 Teams hatten an der Vorbereitung (Entwicklung eines Reiseführers) und Umsetzung mitgewirkt. Die Führungsteams erlebten die gemeinsame Zugehörigkeit zum Unternehmen und entwickelten Teamgeist quer durch alle Standorte und über alle Abteilungen hinweg.
Die fünfte Konferenz
Teambildung und Unternehmenskultur standen im Zentrum der nächsten Konferenz, die mit viel Vorlauf komplett von den Führungskräften selbst vorbereitet wurde. Das anspruchsvolle Konzept umfasste die Ermittlung des Status quo des eigenen Führungsverhaltens und die Identifikation von 20 Unternehmen, die bereit waren, an einer gemeinsamen Untersuchung der Führungs- und Unternehmenskultur mitzuarbeiten. Diese Untersuchung wurde methodisch von der Bertelsmann-Stiftung begleitet. Die Führungskräfte erstellten mittels Checkliste eine umfassende Recherche zu den von ihnen besuchten Unternehmen. Der rund zweistündige Austausch mit dem jeweiligen Unternehmen war anhand eines Fragenkatalogs vorbereitet worden und brachte durchweg positive Resonanz. Auf der eigentlichen Konferenz wurden die Erkenntnisse vorgestellt und diskutiert sowie weitere Maßnahmen für die ING-DiBa daraus abgeleitet.
Schriftliche Führungskräftekommunikation
Ein wichtiges Instrument wie die Führungskräftekonferenz kann durch Print- und Onlineinstrumente (Internetportale, Blogs, Chats, Podcasts) wirkungsvoll unterstützt werden. Das bekannte Format des gedruckten Newsletters lässt sich z. B. effektvoll einsetzen, wenn die Teilnehmer ihn als Sonderausgabe direkt im Anschluss an die Konferenz erhalten. Anschließend kann er an alle Mitarbeiter versandt werden.
Erfolgsvoraussetzungen
Folgende Grundlagen müssen gegeben sein, um eine erfolgreiche Führungskräftekommunikation zu etablieren:
- Der Vorstand muss voll und ganz hinter dem Plan stehen, eine systematische Schulung aufzubauen. Ohne seine Überzeugung ist das Instrumentarium zu kostspielig und zeitaufwändig und würde ins Leere laufen.
- Unternehmenskommunikation und Personalabteilung müssen Hand in Hand arbeiten.
- Die Führungskräftekommunikation muss mit großer Präzision und Professionalität durchgeführt werden.
- Sie kann nur gelingen, wenn zuvor der Kommunikations-Status-quo im Unternehmen ermittelt wurde.
Dr. Achim Kinter ist Kommunikationsberater und ehemaliger Pressesprecher der Deutschen Bank. Dr. Ulrich Ott ist Leiter der Unternehmenskommunikation und Pressesprecher der ING-DiBa in Frankfurt am Main. Eliza Manolagas ist in der Unternehmenskommunikation der ING-DiBa AG tätig und betreut die Bereiche Interne Kommunikation und Gesellschaftliche Verantwortung.