Vertrauen rechnet sich
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war der Glaube an die Sicherheit des Flugverkehrs dahin. Sicherheitskontrollen verschlingen seitdem Unmengen an Geld und Zeit.
Das Beispiel zeigt, wie viel Misstrauen kosten kann. Zum Glück gilt auch das Gegenteil: Vertrauen zahlt sich aus. So ist es Warren Buffett kürzlich gelungen, ein Distributionsunternehmen von Wal-Mart für 23 Milliarden Dollar zu kaufen, ohne Berater und Anwälte zu involvieren.
„Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Kunden sehen, wie hoch unsere Integrität ist.“
Der Deal kam so schnell und günstig zustande, weil Buffett auf die Seriosität seiner Geschäftspartner und ihre Angaben vertraute. Oder der kleine Imbissstand in New York, bei dem die Kunden seit Neuestem das Geld für Donuts und Kaffee einfach in ein Körbchen legen: Er verkauft jetzt doppelt so viel wie zuvor, und das zeitraubende Nachzählen und Wechseln fällt weg.
„Heute gehen die Leute davon aus, das FedEx pünktlich liefern wird – weil FedEx schon immer pünktlich geliefert hat.“
Vertrauen lohnt sich – nicht nur Kunden gegenüber, sondern auch im Umgang mit Ihren Mitarbeitern. Angestellte, denen eine Aufgabe anvertraut und ein Ziel gesetzt worden ist, arbeiten viel motivierter. Das können Sie schon bei Kindern beobachten: Sie sind eifrig und zuverlässig bei der Sache, wenn sie die Verantwortung für kleine Haushaltarbeiten übernehmen dürfen.
Die vier Grundelemente der Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit beruht auf vier Elementen, die wie die Teile eines Baums aneinandergekoppelt sind:
- Die persönliche Integrität entspricht den Wurzeln des Baumes. Es ist eine Charakterfrage, dass Sie tun, was Sie sagen, dass Sie halten, was Sie versprochen haben, und dass Sie so handeln, wie Sie denken. Ehrliches, faires Verhalten hilft, Vertrauen aufzubauen, gerade dann, wenn es einmal zum eigenen Nachteil ist. Auch wer bereit ist, seine Einstellung überlegt zu ändern, gewinnt Vertrauen. Ein gutes Beispiel dafür ist Michail Gorbatschow.
- Die Absichten, die aus dieser festen Charaktergrundlage erwachsen, bilden den Stamm. Handeln Sie zum Besten Ihrer Mitarbeiter, Ihrer Kunden und Ihrer Firma. Fürsorge und Anteilnahme sind hervorragende Absichten, um Vertrauen zu gewinnen. Misstrauen hingegen entsteht, wenn rein egoistische Absichten verfolgt werden.
- Die Fähigkeiten, die Sie entfalten, sind die Äste und Zweige des Baumes. Wichtig ist die Bereitschaft, die eigenen Talente zu entwickeln, aber auch der Wille, Neues dazuzulernen. Fähigkeiten münden in Kompetenz, und diese macht Sie glaubwürdig.
- Die Ergebnisse – sozusagen die Früchte Ihres Handelns – sind das Resultat richtig eingesetzter Kompetenzen. Sie bestätigen das Vertrauen, das man in Sie gesetzt hat, und stärken es: Nichts macht glaubwürdiger als befriedigende Problemlösungen.
„Auch wenn Sie jemanden für aufrichtig halten, sogar für ehrlich, werden Sie ihm noch lange nicht uneingeschränkt vertrauen, wenn er keine entsprechenden Ergebnisse und Erfolge vorweisen kann.“
Mit einem anderen Bild lässt sich sagen: Vertrauen wirft Wellen. Aus einem inneren Kreis – dem Selbstvertrauen – ergibt sich das Beziehungsvertrauen, daraus das Organisationsvertrauen, das Marktvertrauen und schließlich das Gesellschaftsvertrauen.
Vertrauen in Beziehung zu anderen
Vertrauen ist keine abstrakte Größe, sondern zeigt sich konkret im Verhalten anderen gegenüber, im Umgang mit Geschäftspartnern, Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten, aber auch innerhalb der eigenen Familie und im Freundeskreis. Vertrauen ist universell, und daher sind auch die Grundsätze für Vertrauenshandeln allgemeingültig.
„Die Agenda, die besonders viel Vertrauen hervorruft, ist das ehrliche Streben nach dem beiderseitigen Vorteil, nach dem, was für alle Beteiligten das Beste ist.“
Es gibt 13 Regeln, wie man Vertrauen aufbauen kann. Die ersten fünf betreffen den Charakter:
- Seien Sie ehrlich und offen, auch wenn das Aussprechen einer Wahrheit manchmal wehtut. Faktenmanipulation, Halbwahrheiten und Missverständnisse machen argwöhnisch, Lügen und Täuschungen zerstören Vertrauen. Natürlich soll die Offenheit kein Freipass für Taktlosigkeiten sein.
- Zeigen Sie Respekt und Anerkennung, auch für Kleinigkeiten. Respekt ist nicht nur eine Sache der guten Kinderstube, sondern ein Führungsinstrument par excellence –eine positive Investition in jede Art von menschlicher Beziehung. Schließlich trägt jeder Mitarbeiter zum Ergebnis bei, und Anerkennung ist die beste Motivation.
- Stellen Sie Transparenz her. Das bedeutet, Entscheidungen und Entscheidungsmotive offenzulegen und damit anderen das Herumrätseln zu ersparen. Die berühmte Besprechung nach der Besprechung ist eine unnötige Zeit- und Energieverschwendung. Hegen Sie keine geheimen Absichten und enthalten Sie anderen keine Informationen vor.
- Geben Sie Fehler zu. Machen Sie ein Malheur so schnell wie möglich wieder gut, um den Vertrauensschaden zu reparieren. Eine Entschuldigung ist das Mindeste. Kunden können Sie mit einer neuen, fehlerfreien Lieferung zufriedenstellen, evtl. verbunden mit einem Gutschein für spätere Leistungen. Fehler nicht zuzugeben oder vertuschen zu wollen, zerstört das Vertrauen. Auf der politischen Ebene zeigte der Watergate-Skandal im Großformat, wohin das führt.
- Seien Sie loyal gegenüber Ihren Mitarbeitern. Auch das drückt sich in Lob und Anerkennung aus. Verzichten Sie darauf, über andere in deren Abwesenheit herzuziehen. Das würde Ihr Vertrauen untergraben. Müssen Sie in Konfliktfällen Kritik üben, stellen Sie das Positive heraus, nicht das Negative.
„Wer seine Fähigkeiten gewissenlos einsetzt, ergeht sich in Korruption und Manipulation. Er baut keine Glaubwürdigkeit auf, sondern zerstört jedes Vertrauen.“
Fünf weitere Verhaltensregeln betreffen Ihre Kompetenzen, Fähigkeiten und Ergebnisse:
- Definieren Sie Ihre Erwartungen klar. Auf die Ergebnisse kommt es an, nicht bloß auf Aktivitäten und Bemühungen. Hüten Sie sich davor, zu viel zu versprechen; sobald Sie etwas nicht einhalten können, verlieren Sie Vertrauen. Sie müssen sich auch bemühen, Mitarbeitererwartungen und Kundenwünsche zu erkennen, um stillschweigende Hoffnungen nicht zu enttäuschen.
- Lernen Sie aus Fehlern. Sie sollten sich nicht zu schade sein, Feedback einzuholen, dazuzulernen und sich laufend zu verbessern. In der dynamischen Wirtschaftswelt ist Stillstand gleich Rückschritt. Bedanken Sie sich für konstruktive Kritik: Das schafft Vertrauen.
- Stellen Sie sich der Realität. Sie dürfen nicht erwarten, dass Probleme sich von selbst lösen. Jede Art von Konflikt oder Schwierigkeit zehrt am Vertrauen, wenn man das Problem schönredet oder feige zu umgehen versucht.
- Zeigen Sie Verantwortungsbewusstsein. Klar formulierte Erwartungen ziehen Pflichten nach sich. Wenn Sie Erwartungen nicht erfüllen, führt dies zu Vertrauensverlust.
- Nehmen Sie andere in die Pflicht und übertragen Sie ihnen die dafür nötige Verantwortung. Indem Sie selbst Verantwortung übernehmen, sind Sie das beste Vorbild in Sachen Pflichterfüllung.
„Nicht erfüllte Erwartungen werden fast immer als Vertrauensproblem ausgelegt.“
Die drei letzten Verhaltensregeln betreffen sowohl den Charakter wie auch die Kompetenzen:
- Hören Sie anderen zu. Damit schaffen Sie eine Vertrauensbasis. Sie vermeiden Missverständnisse und falsche Erwartungen und fördern den gegenseitigen Respekt. Vor allem aber erfahren Sie, was Ihre Kunden wollen. Achten Sie auf die Körpersprache – die sagt oft ebenso viel wie die Worte.
- Geben Sie Versprechen ab. Mit nichts können Sie Vertrauen schneller aufbauen als mit Versprechen, die Sie einhalten. Ebenso schnell können Sie es zerstören, wenn Sie wortbrüchig werden. Versprechen Sie deshalb nur das Machbare. Wenn sich Schwierigkeiten abzeichnen, reagieren Sie sofort. Geraten zwei Versprechen in Konflikt, halten Sie dasjenige ein, das langfristig die bedeutenderen Auswirkungen hat.
- Schenken Sie anderen Vertrauen. Das ist eine Führungsqualität, die sich in jeder Hinsicht auszahlt. Argwohn, Misstrauen und der daraus resultierende Kontrolldruck verursachen immense Kosten.
Effekte von Vertrauen und Misstrauen
Misstrauen verlangsamt Abläufe im Unternehmen und macht alle unzufrieden. Untrügliche Anzeichen von Misstrauen sind die Antwort „Da muss ich erst den Chef fragen“, Intrigen, bürokratische Auswüchse, die „innere Kündigung“ von Mitarbeitern, hohe Fluktuation und fehlende Kundenempfehlungen.
„‚Wenn wir ein Versprechen geben, bauen wir Hoffnung auf. Wenn wir es halten, bauen wir Vertrauen auf.“
Vertrauen hingegen zeitigt eine Reihe von Effekten, die sich gegenseitig verstärken: Loyalität, gute Umsetzung der gegebenen Versprechen, reibungslose interne und externe Zusammenarbeit, erhöhtem Informationsaustausch, Innovation und damit Wachstum.
Das Vertrauen des Marktes und der Gesellschaft
Wie eine Person, die einen guten Ruf genießt, hält auch eine gute Marke, was sie verspricht, und kommuniziert ihre Werte offen und ehrlich. Gut gepflegte Marken können sich jahrzehntelang halten, aber auch vertrauenswürdige Newcomer haben jede Chance, wie das Beispiel Google beweist.
„Organisationen, in denen wenig Vertrauen herrscht, erkennt man daran, dass hier die Bürokratie ausgeprägt ist.“
Personen oder Firmen, die ihre soziale und gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, genießen weit über ihren Markt hinaus Vertrauen und Anerkennung. Das gilt insbesondere in den USA mit ihrem ausgeprägten Wohltätigkeits- und Stiftungswesen. Es gibt sogar Rankings für staatsbürgerliches und soziales Engagement. Engagierte Unternehmen können so eine wichtige Leitfunktion für ganze Wirtschaftszweige übernehmen.
„Vertrauen darf man nicht einfach als selbstverständlich voraussetzen: Man muss es aufbauen, schätzen, schützen, pflegen und mit großer Sorgfalt erhalten.“
Umgekehrt schlägt sich öffentliches Misstrauen sehr konkret in schlechten Unternehmenszahlen nieder. Beargwöhnte Firmen haben nicht nur mit Kundenverlusten zu kämpfen, ihre schlechte Reputation wirkt sich auch auf die Steuern aus: So zahlen amerikanische Marken wie McDonald’s oder UPS in Europa deutlich höhere Steuern als in ihrem Herkunftsland.
„Behandeln Sie die Verpflichtungen an sich selbst mit dem gleichen Respekt wie Versprechen, die Sie anderen geben.“
Gesundes Vertrauen ist ein Balanceakt zwischen Leichtgläubigkeit und Argwohn. Der Leichtgläubige übt zu wenig Kontrolle aus und sieht sich einem entsprechend hohen Risiko ausgesetzt; der Argwöhnische will zu viel kontrollieren, vertraut niemandem und kann deswegen nichts bewegen und nichts erreichen. Erst wenn hohe Vertrauensbereitschaft und eine gesunde Analyse der Risiken zusammenkommen, handeln Sie mit klugem Urteilsvermögen und erzeugen Synergien.