Egal, welche Dienstleistung oder welches Produkt Sie anbieten, meist lauert um die Ecke schon die Konkurrenz, und Sie müssen schwer nachdenken, wie Sie die Kunden in Ihren Laden locken, bevor der Rivale sie einfängt. Die Märkte sind heute derart transparent, dass jeder über Internet oder Handy Angebote vergleichen und den preisgünstigsten Anbieter ausfindig machen kann. Gut für den Verbraucher und gut für den Einkäufer, aber ein Problem für den Anbieter. Jedenfalls wenn er keinen Dumpingpreis aus der Schublade ziehen kann. Aber es gibt eine Lösung − und die heißt Differenzierung. Je stärker sich Ihre Dienstleistung bzw. Ihr Produkt vom Angebot Ihrer Mitbewerber unterscheidet, umso weniger kann der Käufer vergleichen.
„Bei Innovationsprozessen sollten wir darauf achten, dass wir stets nur die Ideen mit den höchsten Erfolgschancen vorantreiben.“
Setzen Sie jeden in Ihrem Unternehmen darauf an, Differenzierungsmöglichkeiten zu finden. Ihr Ziel muss es sein, die Probleme Ihrer Kunden optimal zu lösen. Auch diejenigen Probleme, die Ihre Kunden noch gar nicht kennen. Sie können also nicht darauf warten, dass jemand bei Ihnen anklopft und ein konkretes Problem formuliert. Die Kunst ist, diese Probleme selbst aufzuspüren.
„Ich meine, wir sollten sogar froh sein, wenn einmal nicht alles vorgegeben ist und wir die Möglichkeit haben, uns die Vorgaben selbst zu suchen, um Probleme mit hohem Potenzial zu finden.“
Eine Möglichkeit, sich vom Mitbewerber zu unterscheiden, ist die Preisführerschaft. Unternehmen wie Aldi, Ikea oder Ryanair realisieren damit Renditen von bis zu 21 %. Eine weitere Strategie zur Differenzierung kann die Technologieführerschaft sein, wie sie z. B. BASF oder Apple innehaben. Vielleicht entdecken Sie auch eine Nische und können das daraus resultierende Monopol und die Marktführerschaft für sich nutzen, zumindest so lange, bis die Konkurrenz aufwacht und nachzieht. Dann müssen Sie sich wieder etwas einfallen lassen, z. B. ein neues Produkt, eine pfiffige Marketingaktion oder einen besonderen Service.
Probleme suchen, lösen und die Lösung vermarkten
Das erinnert ein wenig an das Ei des Kolumbus. Gehen Sie zunächst auf Problemjagd: Alles, was nach einem Problem aussieht, wird gesammelt, auch Branchenfremdes. Diese Sammlung entspricht dem breiten Kelch eines auf dem Kopf stehenden Sektglases. Die wenigen wirklich guten Ideen müssen es bei der folgenden Problemauswahl quasi durch den Stiel schaffen. Ganz oben – auf dem Fuß des Sektkelchs – kommen die qualitativ aussichtsreichsten Vorschläge an und bilden hier die Basis für die nächste Stufe (den zweiten Sektkelch): die Problemlösung.
„Nutzen finden heißt Probleme suchen – und das kann jeder.“
Bei der Problemlösung wie auch bei der Lösungsvermarktung (sie entspricht dem dritten Sektkelch) gehen Sie entsprechend vor: Ideen sammeln, auswählen und für die nächste Stufe bereitstellen. Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt, nach welchen Kriterien Sie denn auswählen sollen: Qualität, Service, zufriedene Kunden? Das ist alles schön und gut und auch wichtig, aber letztlich geht es doch nur um eines: den zu erwartenden Profit Ihres Unternehmens.
„Innovation ist ein leicht verderbliches Gut, und den Flexiblen gehören die Märkte von morgen.“
Deshalb ist die Auswahlformel genau darauf ausgerichtet: Der zu erwartende Profit ist das Ergebnis aus Erfolgswahrscheinlichkeit mal Absatzvolumen mal Gewinnspanne. Das Ganze ist natürlich nur ein Medium, um Ideen miteinander zu vergleichen und sie zu bewerten. Entscheiden müssen Sie letztlich selbst.
Nutzen Sie jedes Mittel für die Problemsuche
Solange Sie nicht wissen, wo Ihre Kunden der Schuh drückt, können Sie aus deren Problemen keinen Nutzen generieren. Je mehr Probleme Sie aber sammeln, umso wahrscheinlicher ist es, dass Sie auf eine wirklich lukrative Idee stoßen. Trommeln Sie Ihre Mitarbeiter (oder auch Ihre Freunde und Bekannten, Ihre Familie) zu einem Problemworkshop zusammen. Jede auch noch so kleine Idee ist hier willkommen, und Querdenken ist ausdrücklich erwünscht.
„In Zukunft wird entscheidend sein, wer die zur Verfügung stehenden Informationen am effektivsten finden und nutzen kann.“
Helfen Sie den Teilnehmern ein wenig auf die Sprünge: Alles, was sie im Kundenkontakt oder am Arbeitsplatz gehört oder beobachtet haben, kann ein Hinweis auf ein zu lösendes Problem sein. Binden Sie vor allem neue und jugendliche Mitarbeiter mit ein, denn die haben noch nicht den Tunnelblick und sehen oft besser, wo es hakt.
„Die wohl größte Bedeutung bei der Vermarktung einer Idee nimmt neben den eigentlichen Verhandlungen und der Projektvorstellung das Exposé ein.“
Nun kann es passieren, dass ein Mitarbeiter wenig Lust verspürt, für Sie auf Problemsuche zu gehen. Berufen Sie darum ein tägliches kurzes Treffen des Innovationsteams ein – spätestens nach dem dritten Treffen wird es peinlich für den Verweigerer, sollte er nicht wie alle anderen mindestens ein Problem auf einem Kärtchen an die Tafel heften können.
„Speziell im Zusammenhang mit Werbung und Bekanntheitsgrad zeigt sich immer wieder, dass gute und innovative Ideen gefragt sind.“
Nutzen Sie das Internet als schier unerschöpfliche Quelle für Informationen. Aus diesen leiten Sie die Probleme ab. Beispielsweise können Sie die Patentdatenbank DEPATISnet anzapfen, und zwar völlig legal. Oder Sie durchforsten das Portal Google News nach für Sie relevanten Themen. Im Forum Google Groups können Sie auch gleich andere nach ihren Problemen oder Wünschen fragen, gemeinsam nach Lösungen suchen oder Mitstreiter für ein Vorhaben finden. Sie müssen auf jeden Fall fleißig sein, denn aus 100 Problemen entstehen zehn Ideen, und daraus wird vielleicht ein innovatives Produkt.
„Nachdem sie aufgespürt wurden, erscheinen viele nutzenorientierte Ideen, die mit der Sektkelch-Strategie entwickelt werden, plötzlich ganz einfach und logisch.“
Der schwierige Teil kommt aber erst zum Schluss: Sie müssen aus den vielen gefundenen Problemen (200–300 sollten es schon sein) maximal zehn auswählen, von denen Sie sich den höchsten Profit erwarten. Aus diesen zehn Problemen suchen Sie dann das Topproblem aus, für das es sich lohnt, eine Lösung zu finden.
Zielkonflikte führen zur optimalen Lösung
Den ersten Sektkelch haben Sie nun erfolgreich gemeistert – und schon geht die Sache von vorne los. Nun gilt es, viele Lösungsmöglichkeiten im (umgedrehten) Sektkelch zu sammeln, um dann die interessantesten zu prüfen (durch den Stiel zu schicken) und sie auf der letzten Stufe (dem Fuß des Sektkelchs) der Vermarktung zur Verfügung zu stellen.
„Die Suche nach kreativen Ideen, wie der Bekanntheitsgrad gesteigert werden kann, ist eine wunderbare Gelegenheit, möglichst viele Mitarbeiter am Innovationsprozess teilhaben zu lassen.“
Lösungen finden Sie dort, wo Sie schon die Probleme gesucht haben: in der Patentdatenbank. Sie sollen aber nicht einfach vorhandene Lösungen kopieren, das würde keinen Sinn machen. Es geht vielmehr darum, Lösungsansätze für das eigene Problem zu entdecken. Stöbern Sie ein wenig, lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf und freuen Sie sich über das Licht, das Ihnen dann plötzlich aufgeht. Wenn Sie gern den Rat eines Experten hätten, kontaktieren Sie den Erfinder oder den Urheber einer ähnlichen Problemlösung. Die Patentämter machen dies kostenlos möglich.
„Im Prinzip kann jedes Produkt und jede Dienstleistung und jede Geschäftsidee einen sekundären Nutzen liefern. Dadurch kann das primäre Produkt ‚erfolgreich‘ verschenkt werden.“
Lösungen lassen sich dennoch nicht aus dem Ärmel schütteln, schon gar nicht, wenn Sie eine echte Innovation im Auge haben. Die Formulierung von Zielkonflikten hilft Ihnen weiter. Beispielsweise suchen Sie nach einer besseren Dienstleistung, die gleichzeitig weniger kostet. Schon sitzen Sie in der Bredouille, doch wenn Sie den Widerspruch lösen, haben Sie das perfekte Resultat. Systematische Lösungsmethoden, z. B. die TRIZ-Methode, können Sie im Lösungsworkshop mit Kreativitätsmethoden wie Brainstorming, der Walt-Disney-Methode (jeder schlüpft in eine Rolle) oder Bionik (Lernen von der Natur) kombinieren.
„Erst wenn Sie sich den zeitlichen Freiraum geschaffen haben, werden Sie auch mit der planmäßigen Ideenentwicklung und methodischen Suche nach Differenzierungsmöglichkeiten beginnen können.“
Die Qual der Wahl haben Sie auch jetzt wieder, weil Sie ja letztlich nur eine Lösung umsetzen können. Wie bei der Problemsuche entscheiden Sie sich auch bei der Lösung für diejenige, die einen optimalen Profit erwarten lässt. Dank der Ihnen schon bekannten Auswahlformel (Erfolgswahrscheinlichkeit mal Absatzvolumen mal Gewinnspanne) wird schnell deutlich, welche Lösungsideen Sie abhaken und welche Sie weiterverfolgen dürfen.
„Ich möchte Sie ermutigen, so viele Probleme anderer Menschen zu sammeln wie irgend möglich, um damit die Wahrscheinlichkeit nutzenorientierter, innovativer Ideen zu erhöhen.“
Die Erfolgswahrscheinlichkeit hängt davon ab, ob die Lösung zum Unternehmen passt, ob sie ein Teil des Kerngeschäfts ist, ob Kooperationen denkbar sind und welche Risiken lauern. Bei der Gewinnspanne kommt es u. a. darauf an, wie hoch der Kundennutzen ist und ob sich Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung anbieten.
Vermarktung: der beste Weg zum Kunden
Wenn Sie ein Problem und die ideale Lösung gefunden haben, müssen Sie diese an den Mann bringen, um damit Geld zu verdienen. Aber überstürzen Sie nichts, denn der falsche Vertriebsweg kann Ihre gesamte bisherige Arbeit ruinieren. Also noch mal der Sektkelch: Viele Vertriebsmöglichkeiten sammeln, die vielversprechendsten auswählen und dann auf dem besten Weg durchstarten. Damit sind Sie beim obersten Fuß der drei aufeinandergestapelten Sektkelche angelangt.
Was Sie als Nächstes brauchen, ist ein Exposé Ihrer neuen Geschäftsidee, einfach deshalb, weil Sie diese ja irgendjemandem verkaufen müssen: Ihrer Bank, Ihrem Geschäftspartner, Ihrem Vorgesetzten, einem Geldgeber oder einem Käufer. Dafür haben Sie meist nur genau eine Chance, die Sie nicht verspielen dürfen, indem Sie ein schludriges Exposé oder eine nicht schlüssige Idee präsentieren.
Versetzen Sie sich in die Lage des Lesers, und beantworten Sie im Exposé all seine Fragen. Nach dem Deckblatt sollte der Interessent eine Zusammenfassung (Executive Summary) finden, dann eine ausführliche Beschreibung, evtl. ein Bild oder einen Projektplan. Je nach Idee folgen eine Umwelt-, Finanz- und Ressourcenanalyse und der Terminplan bzw. die Meilensteine. Zum Schluss stellen Sie das Erfinderteam vor und erläutern die Vermarktungsstrategie.
Wie aber kommen Sie an Ihre künftigen Kunden? Sie brauchen die Adressen der richtigen Zielgruppe. Fangen Sie ruhig mit dem Branchenbuch an oder stöbern Sie in der Business-CD der Deutschen Post mit Zugriff auf über fünf Millionen Geschäftsadressen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch bei XING, dem globalen Netzwerk für Geschäftsleute, finden Sie Vertriebskanäle, Entscheidungsträger und Ansprechpartner in Unternehmen.
Falls die Vertreter Ihrer Zielgruppe ein gemeinsames Interesse verbindet, klopfen Sie bei entsprechenden Vereinen und Verbänden an. Wenn Sie einen Vortrag halten, bitten Sie um die Visitenkarten der Gäste. Nicht neu, aber nach wie vor erfolgreich ist die Idee „Kunden werben Kunden“, verbunden mit einem Geschenk oder einem Vorteil für den Werber.
Nun müssen Sie Ihr Produkt bzw. Ihre Dienstleistung noch bekannt machen. Dafür brauchen Sie nicht unbedingt tief in die Tasche zu greifen. Aktivieren Sie Ihre grauen Zellen oder engagieren Sie einen kreativen Kopf, um sich mit einer gewitzten Idee ins Rampenlicht zu katapultieren.
Ist der Aufwand gering und die erzeugte Aufmerksamkeit hoch, nennt man das Guerilla-Marketing. Beim viralen Marketing ist die Werbebotschaft so genial, dass sie sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Als Business-Beschleuniger lässt sich eine Kooperation nutzen (Beispiel: Bauknecht empfiehlt Calgonit, und Calgonit verweist auf jeder Packung auf Bauknecht). Es kann sogar profitabel sein, Ihr Produkt zu verschenken – vorausgesetzt, der Kunde zahlt für einen Sekundärnutzen (z. B. Handy plus Vertrag).
Chancen erkennen, Möglichkeiten nutzen
Wenn Sie sich nicht regelmäßig Zeit für die Ideenentwicklung verordnen, werden Sie sich bald über verpasste Chancen ärgern. 5–10 % Ihrer Arbeitszeit sollten Sie in der Ideenschmiede verbringen.
Dass sich Innovationen nicht erzwingen lassen und Sie auch Glück brauchen, darf Sie nicht entmutigen. Bietet sich eine Chance, so setzen Sie sie konsequent und kompromisslos um. Die Angst vor einer Blamage stellt dabei oft die größte Hemmschwelle dar, aber wenn Sie sich mit der Sektkelch-Strategie an die Aufgabe heranwagen, ist die Wahrscheinlichkeit, baden zu gehen, sicher kleiner als die, mit der wirklich besten Idee Erfolg zu haben.