Selbsterkenntnis? Selbsterkenntnis!
Mit jedem Führungsjob sind hohe Anforderungen verbunden, aber gerade beim „ersten Mal“ scheinen die Hürden fast unüberwindbar zu sein. Erliegen Sie nicht den unerreichbaren Maximalforderungen, sondern besinnen Sie sich auf Ihre persönlichen Stärken! Neben Ihren Stärken müssen Sie auch Ihre Schwachpunkte kennen und gezielt ausmerzen: Überlegen Sie, ob Ihr Zeitmanagement erfolgreich ist, ob Ihre rhetorischen Fähigkeiten ausgebaut werden sollten und ob Sie im Konfliktmanagement ausreichend sicher sind. Die erste Führungsposition stellt verschiedene Anforderungen an Ihre Persönlichkeit: Probleme können auftauchen, wenn Sie zu sehr an fachlichen Fragen orientiert sind. Versuchen Sie auch nicht, alle Probleme bis ins kleinste Detail durchzuarbeiten. Schliesslich sollten Sie auf die ständigen Prozesse der Veränderung gelassen reagieren und sich eine positive Flexibilität aneignen. Die wichtigsten Eigenschaften für den erfolgreichen Jobstart:
- Akzeptieren Sie den Wettbewerb, der extern und auch intern stattfindet, und nehmen Sie die Herausforderung an!
- Keine Angst vor Menschenführung und Macht!
- Machen Sie sich – bei aller notwendigen Beachtung des Tagesgeschäfts – auch ein „big picture“!
- Scheuen Sie sich nicht, Ihre Fähigkeiten herauszustellen: Selbstvermarktung ist angesagt!
„Auch die Frage, wer auf Ihre Position scharf war (oder sein könnte), lohnt daher mehr als eine kurze Überlegung. Nichts für zart besaitete Naturen? Genau so ist es!“
Achten Sie besonders auf Ihren Führungsstil: Die entsprechende Literatur unterscheidet fünf Varianten, von denen höchstens zwei heute noch empfohlen werden können: Nehmen Sie keinen „autoritären“ oder „patriarchalischen“ Stil an, versuchen Sie aber auch nicht, Ihre neue Position im „Laissez-faire-Stil“ zu erfüllen. Streben Sie eine kooperative Führung an! Wenn sich der Kreis Ihrer neuen Mitarbeiter aus hochqualifizierten Fachleuten zusammensetzt, können Sie im „partizipativen“ Stil auch einen grösseren Teil Ihrer Verantwortung abgeben. In diesem Fall können Sie sich in stärkerem Masse auf die eigenständige Arbeit Ihrer Mitarbeiter stützen.
„Keine Sorge, Sie sollen aus Ihrer Abteilung keine gefühlsselige Selbsterfahrungsgruppe machen ... Dennoch: Engagierte Mitarbeit und das Gefühl, nur namenloses Rädchen im grossen Getriebe zu sein, passen nicht zusammen.“
In den ersten Monaten des neuen Jobs kommt sehr viel Stress auf Sie zu. Gerade in dieser Situation müssen Sie aber auf Ihr persönliches Wohlbefinden beachten! Damit Sie im Job die volle Leistung erbringen können, ist es unbedingt erforderlich, dass Sie die typischen Managerkrankheiten und seelischen Belastungen (wie z. B. Spannungen in der Partnerschaft) vermeiden.
„Unterschätzen Sie die Gerüchteküche nicht! Bevor sich über dunkle Kanäle irgendwelche Horrormeldungen verbreiten, die den Arbeitsalltag lähmen, sorgen Sie lieber selbst für Aufklärung.“
Halten Sie sich also bewusst fit und achten Sie auf die Warnsignale aus Freundschaft und Beziehung. Lassen Sie dabei sich selbst gegenüber keine Ausreden gelten! Wenn Sie sich schon zu Beginn Ihrer neuen Arbeit sagen: „In einigen Monaten sieht es wieder besser aus“, dann täuschen Sie sich selbst. Zu Ihrem erfolgreichen Selbstmanagement gehört nicht nur der „perfekte“, sondern v. a. auch der zufrieden stellende Tagesablauf.
Vom Umgang mit den Mitarbeitern
Ihr Einstieg in eine neue Position ist nicht nur für Sie eine grosse Veränderung: Auch Ihre künftigen Mitarbeiter wissen nicht, was auf sie zukommen wird, und sind ebenso verunsichert. Daher sollten Sie sich in der Anfangszeit besonders um diese Kontakte bemühen – was sich jetzt einspielt, lässt sich später nur noch schwierig ändern!
„Seien Sie nicht zu offenherzig und arglos und hüten Sie sich vor voreiligen Allianzen. Sonst müssen Sie am Ende des ersten Jahres womöglich feststellen, dass Sie auf das falsche Pferd gesetzt haben.“
Was zeichnet eine gute Kommunikation mit den Mitarbeitern aus? Vermitteln Sie Sicherheit und respektieren Sie jede einzelne Person; lassen Sie Ihren Mitarbeitern den nötigen Freiraum! Diese eher abstrakten Ziele lassen sich durch viele kleine Schritte erreichen: Achten Sie im täglichen Umgang mit dem Mitarbeiter darauf, dass Sie
- aktiv zuhören und auch feine Signale nicht übergehen.
- sich eindeutig und klar ausdrücken: Was brauchen Sie, bis wann und in welcher Form?
- regelmässig Feedback geben. Dadurch ersparen Sie sich und den Mitarbeitern den „grossen Krach“.
- Informationen weiterreichen. Nur so können Sie wirksam verhindern, dass sich lähmende Gerüchte verbreiten.
- zu jedem Mitarbeiter den persönlichen Kontakt pflegen. Kleine Aufmerksamkeiten genügen vollkommen, sind aber auch unbedingt nötig!
„Das Erfolgsrezept liegt dann nicht in zusätzlichen Leistungsanreizen, sondern darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich diese Leistungsbereitschaft entfalten kann. Anders gesagt: Es kommt hier v. a. darauf an, Demotivation zu vermeiden.“
Für die produktive Zusammenarbeit ist es notwendig, dass Sie Ihr zukünftiges Team korrekt einschätzen. Vermeiden Sie dabei zu schnelle Schlussfolgerungen, die sich z. B. nur auf Äusserlichkeiten beziehen. Stützen Sie Ihre Beurteilungen immer auf mehrere Indizien und verlassen Sie sich nicht blindlings auf die Angaben Ihres Vorgängers!
„Selbst wenn Ihnen der gemusterte Teppich Ihres Vorgängers jeden Morgen aufs Neue eine Schrecksekunde beschert: Darum können Sie sich in sechs Wochen immer noch kümmern.“
Zu zwei Themen in der Mitarbeiterführung ist die Fachliteratur besonders vielfältig: Zu den Vorzügen und (neuerdings) Nachteilen des Teams sowie zum Erfolgsfaktor Motivation. Die Teameuphorie hat sich inzwischen gelegt und es wird klar, dass nicht jede Aufgabe von einem Team besser gelöst wird als von einem Einzelnen. Ob eine Aufgabe sinnvoll im Team bearbeitet werden kann, hängt massgeblich ab von drei Bedingungen: von der Aufgabenstellung, dem strukturellen Umfeld im Unternehmen und vom Vorgesetzten!
„In der Praxis heisst das: Sie werden wahrscheinlich ins kalte Wasser geworfen, und der Rest der Mannschaft steht am Beckenrand und beobachtet interessiert, ob Sie den Freischwimmer schaffen.“
Auch die Motivation ist nicht mehr als Allheilmittel im Gespräch: Wichtiger als die Motivation durch vielfältige äussere Anreize („extrinsische Motivation“) ist nämlich die eigene positive und leistungsorientierte Einstellung Ihrer Mitarbeiter, die so genannte „intrinsische Motivation“. Viel wichtiger, als immer neue Anreize zu schaffen, ist es also, die Demotivierung Ihrer Mitarbeiter zu verhindern!
„In der Praxis verlangt Teamarbeit von den einzelnen Teammitgliedern jedoch viel Verantwortungsbewusstsein und soziale Kompetenz, sonst bewahrheitet sich nur allzu schnell eine alternative (typisch deutsche?) Deutung des Teambegriffs: ‚Toll, ein anderer macht’s!’“
In Ihrer neuen Position mit Führungsverantwortung müssen Sie nicht nur gezielt Lob verteilen können, sondern auch das Gegenteil beherrschen: einen Mitarbeiter freundlich aber bestimmt zurechtweisen. Kritikgespräche geraten aber sehr schnell auf die Ebene der persönlichen Kritik, sie bleiben abstrakt und unscharf oder ähneln einer Standpauke, bei der der Betroffene lediglich abgekanzelt wird. Zur konstruktiven Kritik geben Psychologen v. a. die folgenden drei Ratschläge: Kritisieren Sie im direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorfall, beschränken Sie sich präzise auf den Kernpunkt Ihrer Kritik und formulieren Sie in „Ich-Botschaften“!
„Wer hart an seiner Karriere arbeitet, könnte einen kostenlosen Rundumservice zu Hause durchaus gebrauchen. Die besten Chancen darauf haben Sie allerdings, wenn Sie gleich bei Ihrer Mutter wohnen bleiben ...“
Als Vorgesetzter müssen Sie in der Lage sein, in Konflikten zwischen einzelnen Ihrer Mitarbeiter zu vermitteln. Vermeiden Sie dabei die Autoritätsentscheidung, in der Sie nur Ihre Macht einsetzen. Diese „Lösungen“ beheben das Problem nicht, sondern verschieben es nur. Die wirksame und langfristige Vermittlung kommt nur zustande, wenn Sie den Konflikt einvernehmlich lösen können!
„Wenn selbst der britische Premierminister nach der Geburt seines vierten Kindes im Job etwas kürzer treten kann, sollten Sie es eigentlich auch schaffen, öfter mal vor 20 oder 21 Uhr zu Hause zu sein, oder?“
Als Führungskraft stellt sich Ihnen nun eine Aufgabe, die Sie bisher nur aus der anderen Perspektive kannten: das jährliche Mitarbeitergespräch, das die eine oder andere Unternehmenskultur vorsieht. Hier müssen Sie verschiedene Fettnäpfchen vermeiden: Setzen Sie nicht zu einer „Generalabrechnung“ an. Geben Sie Ihrem Mitarbeiter nicht schon zu Anfang die klare Direktive für das nächste Jahr vor. Und v. a.: Sorgen Sie für eine ungestörte Atmosphäre und nehmen Sie sich ausreichend Zeit!
Die Kollegen und der Chef
Erwarten Sie keine Probezeit zur Eingewöhnung in die neue Stelle! Gerade weil Sie von Anfang an unter der kritischen Beobachtung Ihrer Kollegen und des Chefs stehen, sollten Sie sich aber auch davor hüten, sich in wichtigen Fragen zu schnell zu entscheiden: Verschaffen Sie sich zuerst ein klares Bild von Ihrer Ausgangssituation.
„Nobody’s perfect. Die nahe liegende Konsequenz aus dieser Binsenweisheit: Dann tun Sie am besten auch nicht so, als ob Sie es wären!“
Konzentrieren Sie sich zunächst auf drei Schwerpunkte: Ihre Mitarbeiter, Ihr Aufgabengebiet und – unangenehm aber besonders wichtig – die internen Machtverhältnisse. Beachten Sie, dass ein Unternehmen mit seinen ganzen internen Abläufen nicht nur hoch komplex ist, sondern auch politisch: Jeder Ihrer Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten steht in einem Spannungsverhältnis zu anderen Personen der Firma. Diese internen Beziehungen werden Sie erst nach einiger Zeit einschätzen können; bemühen Sie sich von Anfang an darum!
„Wenn Sie nicht gerade eine Behördenlaufbahn einschlagen, werden Sie und Ihre Mitarbeiter wahrscheinlich permanentem Kostendruck und hohem Arbeitsdruck ausgesetzt sein.“
So unangenehm dies zunächst sein mag: Nehmen Sie auch Ihre Selbstvermarktung in die Hand. Glauben Sie nicht, dass Ihre Fachkompetenz allein über Ihre Zukunft in der Firma entscheidet: Personalfachleute gehen sogar davon aus, dass der berufliche Erfolg bis zu 90 % von der Aussenwirkung und der Selbstdarstellung abhängt!
„Ihr Tag ist prall gefüllt mit XYpsilons, Sie sind auf dem besten Weg zum ersten Magengeschwür, und geschicktere Kollegen ziehen auch noch locker an Ihnen vorbei und machen Karriere. Sie selbst sind auf Ihrem jetzigen Platz ja unentbehrlich.“
Ihre Selbstdarstellung wird auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen: Achten Sie auf Ihre Körpersprache, also z. B. den bewusst aufrechten und sicheren Gang und den festen Händedruck. Berücksichtigen Sie auch die alte Formel: „Tue Gutes und rede darüber!“ Sie werden ihre Berechtigung erfahren! Ein besonders heikles Kapitel in der Selbstdarstellung sind die allgegenwärtigen Statussymbole: Wer fährt den grössten Dienstwagen? Für wen ist der beste Parkplatz reserviert?
Und die Gretchenfrage: Wessen Büro hat die meisten Fenster? Auch wenn Sie eigentlich Besseres zu tun haben: Beachten Sie diese Signale und fordern Sie ein, was Ihnen zusteht. Denn Ihre Umgebung wird auf diese Symbole intuitiv reagieren!
In der Phase der Einarbeitung sollten Sie neben den verschiedenen sozialen Aspekten v. a. auch die Sachfragen klären: Für wen sind Sie weisungsbefugt? Welcher Etat steht Ihnen konkret zur Verfügung? Wer hat welche Unterscheidungen abzusegnen und zu unterzeichnen? In den ersten Tagen lassen sich diese Fragen natürlich nicht alle und umfassend klären. Wenn dieser Zustand aber anhalten sollte, kann es auch sein, dass durch bewusst provoziertes Kompetenzgerangel sich zeigen soll, wer am durchsetzungsfähigsten ist.
Setzen Sie sich klare Ziele, die Sie kurz-, mittel- und langfristig umsetzen wollen. Formulieren Sie diese Ziele präzise und messbar aus und prüfen Sie ihre Realisierbarkeit. Insbesondere sollten Sie aber darauf achten, dass die angestrebten Ziele positiv ausgedrückt sind! Denn nur durch eine nicht negative Vorgabe setzen Sie sich eine echte Handlungsanweisung!
Machen Sie sich spätestens beim Einstieg in Ihre zukünftige Führungsposition mit den Grundlagen des Zeitmanagements vertraut! Die Effizienz Ihrer Zeiteinteilung wird wesentlich davon abhängen, wie gut Sie delegieren können. Machen Sie sich bewusst, dass Sie nun nicht mehr der beste Sachbearbeiter sind, sondern – neben der sachlichen Qualifikation – jetzt für die gesamte Strukturierung, Umsetzung und Evaluierung des Arbeitsprozesses zuständig sind.
Auch in der Arbeit, die Sie nicht abgeben können, müssen Sie Prioritäten setzen. Für die Aufgaben, die Sie schliesslich in Angriff nehmen, sollten Sie nicht die „perfekte“ Lösung erreichen wollen, sondern diesen Perfektionismus aufgeben und gute Zwischenergebnisse anstreben.
Ihre künftige Position mit Führungsverantwortung stellt Sie vor schwierige neue Aufgaben. Anstelle des begrenzten Fachgebietes müssen Sie nun komplexe Zusammenhänge überblicken und organisieren können. Aber auch die erfahrensten Führungskräfte haben sich einarbeiten müssen und konnten sich dann mit der Zeit weiterentwickeln!