Heißhunger auf Energie
Informationstechnologie ist sauber, könnte man denken. Wenn man einen Computer hochfährt, stinkt und lärmt es nicht. Man muss keinen schmutzigen Diesel tanken und belästigt seine Umgebung maximal mit einem leichten Lüfterbrummen. Wer aber die Ökobilanz von Großraumbüros und Rechenzentren analysiert, kommt zum Schluss: Saubere IT ist eine Illusion, denn sie verlangt Strom in rauen Mengen.
„Der Saubermann IT erweist sich als veritabler Stromfresser.“
Zwischen 2000 und 2006 hat sich der Energiehunger der IT in deutschen Unternehmen mehr als verdoppelt. Mit 8,67 Terawattstunden verbuchten die deutschen Rechenzentren 2006 rund 1,5 % des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland für sich. Der Grund: Immer mehr IT-gestützte Geschäftsprozesse und so genannte Multi-Tier-Anwendungen (Applikationen auf mehreren Serverinstanzen gleichzeitig) verlangen nach immer mehr Speicherplatz, mehr Server-Rechenpower und höher getakteten Prozessoren.
„Viel Energie verschlingt auch der Bereich der Datenspeicherung, da sich die Datenbestände in den Unternehmen dramatisch aufgebläht haben.“
Die Hitze, die solche Systeme erzeugen, muss mit ebenfalls stromfressenden Kühlsystemen aus den Rechenzentren hinausbefördert werden. Interessanterweise laufen viele der Rechenmaschinen mit einer Auslastung von bloß 15–30 %, verbrauchen dabei aber fast ebenso viel Strom wie unter Volllast. Deshalb ist Green IT überfällig – ein Schlagwort, das spätestens seit der Computermesse CeBit 2008 Einzug in den Sprachgebrauch der Hersteller und Systemadministratoren gehalten hat. Wie aber lässt sich die Stromfresser-IT am besten und effektivsten an die Leine legen?
Stromsparen im Rechenzentrum
Die IT in den Rechenzentren ist nur für die Hälfte des gesamten IT-Stromverbrauchs verantwortlich. Die andere Hälfte wird von der Klimatisierungstechnik und weiteren Zusatzgeräten verbraucht, etwa jenen für die unterbrechungsfreie Stromversorgung. Deshalb sollten Optimierungsmaßnahmen nicht die reine IT, sondern auch die gesamte damit verbundene Infrastruktur einschließen. Um überhaupt Maßnahmen ergreifen zu können, muss zunächst gemessen werden. Das ist ein wichtiger Knackpunkt, weil die Energiekosten meist weder Sache des IT-Managers sind noch in sein Budget fallen. Stromfressende Server verdoppeln mitunter ihre Anschaffungskosten im Energieverbrauch – aber diese Kosten werden ihnen gar nicht zugewiesen, sondern als Gemeinkosten abgerechnet.
„Was nicht gemessen wird, kann nicht optimiert werden.“
Green IT lohnt sich vor allem da, wo auf Euro und Cent nachgerechnet werden kann, welche Einsparungen möglich sind. Eine wichtige Kenngröße ist die Data Center Infrastructure Efficiency (DCIE), die den Energieverbrauch der IT ins Verhältnis zum Gesamtverbrauch des Rechenzentrums setzt. Ein DCIE-Wert von 50 % würde bedeuten, dass die IT die Hälfte der Energiekosten für sich verbucht und die andere Hälfte in Nebenfunktionen wie die Klimatisierung fließt. Ist der DCIE gering, verpulvern Sie zu viel Energie, die bei der eigentlichen Rechenleistung gar keine Rolle spielt. Einsparpotenziale finden Sie hier:
- Jedes eingesparte Watt bei der Hardware muss weder gekühlt noch abgesichert werden: Deshalb sparen Sie hier doppelt.
- Setzen Sie auf neue, energiesparende CPUs, kleine Festplatten mit geringerer Drehgeschwindigkeit und energiesparende Netzteile.
- Server-Gestelle sollten so positioniert werden, dass sie auf breiter Front Frischluft ansaugen können und damit geringere Lüfterdrehzahlen nötig sind.
- Überprüfen Sie Ihre Server. Wenn Sie z. B. vier Systeme nur zu 10 % auslasten, sollten die Aufgaben der Server zusammengeführt oder in ein virtuelles System überführt werden, dessen Gesamtenergiebedarf erheblich geringer ist.
- Setzen Sie auf moderne Klimageräte mit einer Präzisionssteuerung, die auch eine optimale Luftfeuchtigkeit gewährleisten. Das ist vor allem zur Vermeidung von statischer Elektrizität wichtig.
- Wasserkühlung ist effizienter als Systeme mit künstlichen Kühlmitteln. Wasser als Kühlmittel ist mithilfe moderner Anlagen auch im Rechenzentrum sicher anwendbar.
- Nutzen Sie für die Stromversorgung schaltbare Stromleisten, die Sie z. B. über Ethernet an- und ausschalten können, oder sogar Stromleisten, die über eine Messfunktion verfügen und Ihnen so bei der Ermittlung der Energiekosten eine große Hilfe sein können.
Virtualisierung
In manchen Unternehmen stehen mehrere Hundert Server in so genannten Racks, mannshohen Gestellen für Servermodule, und laufen nur mit einer minimalen Belastung. Der Grund: Jeder Server stellt normalerweise nur einen Dienst (z. B. die Authentifizierung von Nutzern oder das Verwalten von Mails) zur Verfügung und hat bei fehlenden Anfragen nichts zu tun. Leider ist der Stromverbrauch in solchen Fällen nicht so gering wie die Serverauslastung, sodass eine Menge Strom ungenutzt verpulvert wird.
„Wasser ist heute das sicherere Kühlmedium im Rechenzentrum im Vergleich zu Kältemitteln.“
Virtualisierung kann eine Lösung sein, um mit weniger Servern auszukommen. Dabei laufen auf einem physikalischen Server mehrere virtuelle Maschinen (VM), die sich softwareseitig wie einzelne Server verhalten. Statt also vier Server zu jeweils nur 20 % auszulasten, könnte man drei davon abschalten und einen mit 80%-iger Auslastung und vier virtuellen Maschinen laufen lassen. Der Energieverbrauch kann damit im günstigsten Fall auf ein Viertel reduziert werden.
„Die Stromversorgung hat einen Anteil von ca. 10–15 % am Stromverbrauch eines Rechenzentrums.“
Auf Unternehmensebene hochgerechnet, ergeben sich höchst interessante Einsparpotenziale. Das deutsche Marktforschungsunternehmen Experton Group hat nachgewiesen, dass in einem mittelständischen Unternehmen mit 150 Servern die Virtualisierung und Umrüstung 82 300 € Stromkosten im Jahr sparen würde. Verrechnet man Virtualisierungskosten und Einsparungen, wäre die Investition bereits nach 32 Monaten amortisiert, bei einer Strompreissteigerung von 20 % sogar schon nach 18 Monaten.
„In der Fachwelt weitgehend akzeptiert ist eine Rechenzentrums-Kenngröße, die als Data Center Infrastructure Efficiency bezeichnet wird.“
Virtuelle Server haben aber neben dem Energiesparpotenzial auch handfeste administrative Vorteile. So können virtuelle Maschinen einfach verwaltet und von einem Server zum anderen verschoben werden. Fällt eine VM aus, kann sofort ein anderer Server einspringen. Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit von Daten sind gewährleistet.
Virtuelle Desktops
Desktop-Computer stellen derzeit noch die Standardlösung für Computerarbeitsplätze dar. Jeder Anwender hat seinen eigenen PC, der mit allen gängigen Anwendungen bestückt werden muss. Überdies muss das Betriebssystem auf dem aktuellen Stand gehalten werden, müssen Updates und Patches eingespielt und Virenschutz, Spamfilter und Firewalls aktualisiert werden.
„Mittels Konsolidierung und Virtualisierung lässt sich die Serveranzahl von einigen Hundert auf wenige Dutzend reduzieren.“
Jeder Nutzer richtet sich den PC nach eigenem Gusto ein, was den Administrationsaufwand für die IT-Fachleute immens erhöht. Alle paar Jahre muss die Hardware komplett ausgetauscht werden. Die vollständigen Kosten (Total Cost of Ownership, TCO) für die Nutzung eines Desktops können vor allem wegen des großen Wartungsaufwandes mehrere Tausend Euro im Jahr betragen.
„Solange das Hauptargument für Green IT der Umweltschutz bleibt, wird sie keiner haben wollen.“
Das so genannte Server-based Computing (SBC) setzt auf virtuelle Desktops und trennt den lokalen PC und die auf dem Server laufenden Anwendungen. Der Rechner selbst läuft nur noch mit einer minimalen Konfiguration, alle Anwendungen – in manchen Fällen sogar das Betriebssystem – laufen auf einer virtuellen Maschine, die per Netzwerk an den PC angebunden ist. Der Vorteil: Es gibt keinen lokalen Wartungsaufwand und keine lokale Datenspeicherung mehr. Die Hardware-Austausch-Zyklen werden länger, weil der PC selbst nicht mehr die Hauptrechenleistung erbringen muss.
„Eine Alternative zum Fat-Client-Computing ist das Server-based Computing mit sparsameren Endgeräten.“
Zu den Herausforderungen der Virtualisierung zählt, dem Nutzer die gleiche Geschwindigkeit und den gleichen Komfort wie bei einem echten Desktop bieten zu können. Lösungen wie XenDesktop des Herstellers Citrix bieten eine schnelle Anbindung der lokalen Computer an den Desktop-Server, der entweder Standard-Desktops, individuelle Desktops oder Hochleistungs-Desktops für Konstrukteure oder Softwareentwickler bereitstellen kann.
Thin Clients
Thin Clients sind eine energie- und kostensparende Alternative zu normalen Desktop-PCs. Es sind Endgeräte, mit denen virtuelle Desktops abgerufen werden können. Üblicherweise arbeiten Anwender auf ihrem lokalen Rechner und greifen von hier aus auf das Unternehmensnetzwerk zu. Das führt dazu, dass viele Dateien auf unterschiedlichen Geräten (PC, Netzwerk-Server, externe Speichermedien) verstreut werden.
„Als typische Arbeitsplatz- bzw. Endgeräte bieten Thin Clients eine sehr attraktive Alternative zu PC-Umgebungen.“
Thin Clients sind, wie der Name schon sagt, kompakte Endgeräte ohne eigene Festplatte. Das Betriebssystem, die Applikationen und der Datenspeicher befinden sich ausschließlich auf einem zentralen Server. Die Anwender nutzen virtuelle Desktops und merken im Grunde genommen gar nicht, dass alle Programme, mit denen sie arbeiten, nicht auf dem Thin Client selbst, sondern auf einer virtuellen Maschine laufen.
„Die Serverfarm im Rechenzentrum wird von den Anwenderinnen und Anwendern quasi als ein riesiger PC genutzt.“
Die gesamten Betriebskosten von Thin Clients sind bis zu 70 % tiefer als bei normalen PCs. Sie verbrauchen weniger Strom, verursachen weniger Administrationsaufwand und lassen sich besser vor Viren schützen. Sofern nur im Netzwerk gearbeitet wird, sind Thin Clients also die erste Wahl. Wer offline arbeiten will oder muss, ist weiterhin auf Notebooks, Netbooks oder PCs angewiesen.
Positive Wirtschafts- und Ökobilanz
Thin Clients lohnen sich, weil ihre Anschaffung und Wartung gegenüber PCs erheblich geringer ist. Gängige Wirtschaftlichkeitsrechnungen gehen von einer Einsparquote von 31–42 % im Vergleich zu PCs aus. Wenn parallel ein Ersatzsystem vorgehalten wird, das beim Ausfall des Servers dessen Funktion übernimmt, reduziert sich die Einsparung auf immer noch ansehnliche 23–29 %.
„Der Markt für die Desktop-Virtualisierung wächst rasant und ist stark umkämpft.“
Das Einsparpotenzial wird von der Anzahl der Clients beeinflusst, da die Fixkosten für die Serverarchitektur auf die einzelnen Thin Clients verteilt werden müssen. Eine bestimmte Anzahl von Servern kann nur eine bestimmte Anzahl von Clients bedienen, sodass man es hierbei mit sprungfixen Kosten zu tun hat: Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, bedingt ein weiteres Terminal einen neuen Server, sodass der Fixkostenblock in diesem Fall sprunghaft ansteigt.
Die Ökobilanz von Thin Clients kann sich ebenfalls sehen lassen, wie eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik ergeben hat. Die Experten verglichen u. a. das Treibhausgaspotenzial von PCs und Thin Clients. Das Ergebnis: Bei Thin Clients und dem auf sie entfallenden Anteil eines Terminal-Servers sinken die Kohlendioxid-Emissionen um über 54 %.
Fallbeispiel MediMax
Wie Server-based Computing und Thin Clients die IT verändern können, zeigt das Beispiel der Elektronikkette MediMax. Vor der Einführung von SBC verfügte jede Filiale über durchschnittlich neun Desktop-PCs und einen lokalen Server, der das Warenwirtschaftssystem sowie Textverarbeitungs- und E-Mail-Software zur Verfügung stellte. Die Administration war schwierig, da alle Filialen von einem zentralen IT-Service betreut wurden, dessen Ressourcen fast ständig ausgelastet waren.
Die testweise Umstellung auf Thin Clients verlief reibungslos und entlastete nicht nur die Stromrechnung der Testfilialen, sondern auch den Support: Die Administration konnte fast vollständig über das zentrale System und ohne zeitaufwändige Fahrten erledigt werden. Hochrechnungen ergaben, dass die Kette bei Umrüstung aller 1500 PCs eine Energieeinsparung von 45 % realisieren könnte.