Strategisches IP-Management – mehr als nur Patente

Buch Strategisches IP-Management – mehr als nur Patente

Geistiges Eigentum schützen und als Wettbewerbsvorsprung nutzen

Gabler,


Rezension

Mit der Glob­al­isierung hat das Thema „In­tel­lec­tual Property“ (geistiges Eigentum) an Brisanz gewonnen. Der Schutz eigener Erfindungen, Marken, Geschmacks- und Ge­brauchsmuster ist aber vor allem für kleine Unternehmen, die sich keine Horde von Patentanwälten leisten wollen, ein Buch mit sieben Siegeln. Recht­san­walt Axel Mit­tel­staedt zeigt in seinem Überblick­swerk die um­fan­gre­ichen und manchmal ver­wirren­den Möglichkeiten auf, geistiges Eigentum zu schützen. Gle­ichzeitig weist er immer wieder auf die strate­gis­che Bedeutung des IP-Man­age­ments hin: Es geht nicht nur um kurzfristige Rechtsansprüche, sondern um langfristige Wet­tbe­werb­svorteile. Stilistisch kommt das Buch mit etlichen umständlichen For­mulierun­gen und Bandwurmsätzen eher hölzern daher. Zudem gleicht es stel­len­weise einem Labyrinth, in dem man ein Weilchen suchen muss, bis man die passenden In­for­ma­tio­nen gefunden hat. Trotz dieser formalen Schwächen bietet das Werk aber jede Menge wertvolle Hinweise, mit deren Hilfe man sich im ju­ris­tis­chen Dschungel besser zurechtfinden wird, meint BooksInShort.

Take-aways

  • Jedes Unternehmen besitzt geistiges Eigentum (In­tel­lec­tual Property, IP), das vor dem Zugriff der Konkurrenz geschützt werden muss.
  • Der Wert des geistigen Eigentums übersteigt den Sachwert eines Un­ternehmens.
  • Zu den wichtigsten Schutzrechten gehören Marken, Patente, Geschmacks- und Ge­brauchsmuster sowie Urhe­ber­rechte.
  • Schutzrechte festigen Alle­in­stel­lungsmerk­male und verbessern so die un­ternehmerische Handlungsfähigkeit.
  • Strate­gis­ches IP-Man­age­ment bedeutet: Schutzrechte sys­tem­a­tisch entwickeln, um das Unternehmen zukun­ftssicher zu machen.
  • Mithilfe eines IP-Audits ermitteln Sie sämtliche vorhandenen Rechte und Prozesse, aus denen sich Schutzrechte ableiten lassen.
  • Patent- und Marken­in­for­ma­tion­ssys­teme helfen dabei, Paten­tan­mel­dun­gen zu überwachen und bei Gefahr rechtzeitig einzuschre­iten.
  • Wird ein Konkurrent insolvent, lassen sich Rechte oft günstig erwerben.
  • Wer seine Schutzrechte nicht nutzt und verteidigt, verliert den Rechtss­chutz.
  • Ide­al­er­weise vernetzen Sie ver­schiedene Rechte in einem Portfolio; so wird der Schutz robuster.
 

Zusammenfassung

Geistiges Eigentum wirksam schützen

Jedes Unternehmen besitzt geistiges Eigentum (In­tel­lec­tual Property, kurz IP). Und dieses ist immer bedroht: Was in jahrzehn­te­langer Forschungs- und Marken­bil­dungsar­beit aufgebaut wurde, wird u. U. von Wet­tbe­wer­bern nachgebaut und billiger produziert. Jedes Unternehmen muss sich deshalb durch geeignete Maßnahmen vor dem IP-Raub schützen, z. B. mithilfe von Patenten und geschützten Marken. Das strate­gis­che Management geistigen Eigentums geht aber noch erheblich weiter. Es betrachtet das gesamte geistige Eigentum eines Un­ternehmens als Baustein, um die aktuelle Mark­t­po­si­tion auszubauen und sich zukünftige Wet­tbe­werb­svorteile zu schaffen.

„IP-Man­age­ment verschafft Hand­lungs­frei­heit.“

Ohne den Schutz des geistigen Eigentums kann kein Unternehmen auf Dauer existieren. Selbst wer ein einmaliges Produkt herstellt und somit ein Monopol besitzt, muss diesen Vorsprung am Markt durchsetzen und verteidigen.

Wichtige Disziplinen, die beim strate­gis­chen IP-Man­age­ment (SIP) eine Rolle spielen, sind deshalb das Marketing und die Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion, denn sie sind dafür ve­r­ant­wortlich, dass aus Monopolen und Alle­in­stel­lungsmerk­malen handfeste Wet­tbe­werb­svorteile werden. Rechtliche und mar­ket­ingrel­e­vante Entschei­dun­gen müssen deshalb Hand in Hand gehen.

IP sichert Wet­tbe­werb­svorteile

Das geistige Eigentum eines Un­ternehmens besteht aus einer ganzen Palette von Einzelgütern. Hierzu gehören: Schutzrechte, In­ter­net­do­mains, Un­ternehmen­sna­men, Beze­ich­nun­gen von Un­ternehmen­spub­lika­tio­nen, Urhe­ber­rechte, Soft­wa­reen­twick­lun­gen, Lizenzen, Erfindungen, das gesamte Un­ternehmenswis­sen mit all seinen Geschäfts­ge­heimnis­sen. Im weiteren Sinne gehören aber auch die Menschen dazu, die dieses Wissen erarbeiten und speichern.

„SIP ist das strate­gis­che Ausbauen, Bewahren und Schützen des geistigen Eigentums eines Un­ternehmens.“

Der Wert des IP kann deshalb den reinen Sachwert eines Un­ternehmens weit übersteigen. Das bekannteste Beispiel ist die Marke Coca-Cola, die im Jahr 2008 geschätzte 66,7 Milliarden Dollar wert war und damit alle „handfesten“ Werte im Coca-Cola-Konz­ern bei Weitem übertraf. Nur mit wirkungsvollen IP-Rechten können Unternehmer ihre Patente vor Nachahmern schützen, eine Monopol­stel­lung aufbauen, Wet­tbe­wer­ber durch Blockaden aus dem Markt drängen, Gewinnmöglichkeiten durch Lizen­zver­gaben erschließen sowie In­no­va­tion­skraft und Wet­tbe­werb­sstärke demon­stri­eren.

Acht Strategien für das IP-Man­age­ment

Wenn Sie das geistige Eigentum Ihres Un­ternehmens langfristig schützen und nutzen wollen, stehen Ihnen acht un­ter­schiedliche Strategien zur Verfügung:

  1. Or­gan­i­sa­tion: Sie legen fest, wer im Unternehmen Kompetenzen für das SIP erhält und wie die Entschei­dungswege aussehen. Außerdem müssen Sie sich um einen kompetenten Patent- und Recht­san­walt bemühen, der auf IP spezial­isiert ist.
  2. Information: Überlegen Sie, woher die In­for­ma­tio­nen kommen, die für das SIP notwendig sind. Die Grundlage sollte das un­ternehmerische Wis­sens­man­age­ment sein.
  3. Schutzbegründung: Ob und was Sie schützen lassen, ist eine wichtige Frage. Je nach Marktlage und Wet­tbe­werb­spo­si­tion müssen Sie entscheiden, welchen Aufwand Sie betreiben wollen, um Schutzrechte zu erwerben.
  4. Kooperation: Wenn fremde Rechte in Ihr Portfolio passen könnten, helfen Ko­op­er­a­tio­nen dabei, eigene Schutzrechte daran zu erwerben.
  5. Kom­mu­nika­tion: Teilen Sie Geldgebern und Kunden die eigenen Schutzrecht­spo­si­tion aktiv mit. Damit demon­stri­eren Sie Stärke. Um Konkur­renten daran zu hindern, Rechte an bestimmten In­for­ma­tio­nen zu erwerben, können Sie diese gezielt der Öffentlichkeit zugänglich und so zu geme­in­freien In­for­ma­tio­nen machen.
  6. Verwertung: Machen Sie Ihre Schutzrechte zu Geld, indem Sie sie gegen die Erhebung von Lizenzgebühren verfügbar machen.
  7. Kontrolle: Behalten Sie den Überblick darüber, ob Ihre vorhandenen Schutzrechte überhaupt noch einen Wert für das Unternehmen haben. Wenn nicht, sollten Sie die Kontrolle darüber aufgeben und sie gewinnbrin­gend verkaufen.
  8. Vertei­di­gung: Wer seine Schutzrechte nicht nutzt und verteidigt, verliert den Rechtss­chutz. Diese Entschei­dung des Europäischen Gericht­shofs macht es notwendig, Schutzrechtsver­let­zun­gen kon­tinuier­lich zu überwachen.

Disziplinen und Werkzeuge des SIP

Als Erstes müssen Sie abklären, auf welche Weise Ihr Wissen, Ihre Marke oder Ihre Erfindungen rechtlich einwandfrei für Ihr Unternehmen geschützt werden können. Im Rahmen eines IP-Audits können Sie sys­tem­a­tisch den Istzustand ermitteln und Strategien für die Zukunft festlegen. IP-Audits werden von Patent- und Rechtsanwälten angeboten, da es in den seltensten Fällen entsprechende Experten im Unternehmen selbst gibt. Ein IP-Audit ermittelt sämtliche Prozesse im Unternehmen, die zu Erfindungen, Patenten oder Marken führen und stellt fest, welche Rechte bereits vorhanden sind.

„IP-Rechte verschaffen dem Unternehmen die Möglichkeit, zumindest temporär geschützte Monopol­po­si­tio­nen zu gewinnen.“

Urheber von schützenswerten In­no­va­tio­nen sind immer die Mitarbeiter, sei es in der Forschung & Entwicklung, im Marketing oder im internen Wis­sens­man­age­ment. Es ist deshalb wichtig, dass Sie Ihre Mitarbeiter für das Thema „geistiges Eigentum“ sen­si­bil­isieren und den entsprechen­den Man­age­ment­prozess – zumindest auf Führungsebene – durch Schulungen und Trainings festigen. Alles was im Unternehmen zu Schutzrechten führen kann, seien es Ar­beit­nehmer­erfind­un­gen, Neuerungen aus dem Ideen- und Wis­sens­man­age­ment oder Neuen­twick­lun­gen, muss auch nutzbar gemacht werden. Implizites Wissen, das z. B. durch Learning by Doing erworben wurde und informell, in Form von Tipps und Tricks weit­ergegeben wird, muss in explizites Wissen überführt werden. Erst dann lässt es sich bewerten, optimieren, für Schu­lungszwecke nutzen und schützen.

Patent- und Marken­in­for­ma­tion­ssys­teme

Die Basis für eigene Patente bildet ein Patentin­for­ma­tion­ssys­tem, das beispiel­sweise auf die Veröffentlichun­gen der Patentämter zurückgreift. Beobachten Sie die Paten­tan­mel­dun­gen Ihrer Wet­tbe­wer­ber: Das gibt Ihnen Aufschluss über die tech­nol­o­gis­chen Schw­er­punkte der Konkurrenz.

„Das Geschmacksmuster stellt nicht Produkte selbst, sondern Er­schei­n­ungs­for­men von Erzeug­nis­sen unter Schutz.“

Gle­ichzeitig können Sie mit Ein­spruchsver­fahren zum richtigen Zeitpunkt gezielt Patente von Wet­tbe­wer­bern blockieren, beispiel­sweise indem Sie deren Schutzfähigkeit anzweifeln. Mithilfe der Überwachung von Patenten können Sie auch günstige Gele­gen­heiten zum Erwerb derselben abpassen. Wenn z. B. ein Wet­tbe­wer­ber die Insolvenz beantragen muss und in­folgedessen die Gebühren zur Aufrechter­hal­tung seiner Patente nicht entrichten kann, lassen sich diese womöglich günstig vom In­sol­ven­zver­wal­ter erwerben. Ähnlich wie bei Patenten können Sie bei Marken vorgehen. Kombinieren Sie die Überwachungsmaßnahmen so, dass Sie stets über die für Sie relevanten Neuan­mel­dun­gen informiert sind.

Schutzrechte strategisch vorbereiten und erwerben

Eine Idee allein begründet noch kein Schutzrecht. Erst wenn aus der Idee ein Produkt wird, wird Ihre Innovation rechtlich schutzwürdig. Im besten Fall ist Ihr Produkt gleich doppelt perfekt: einerseits, weil es eine ideale Kombination von attraktiver Er­schei­n­ungs­form, hoher Qualität, technischer Brillanz und begehrenswerter Präsentation ist – an­der­er­seits, weil sich aufgrund der Pro­duk­tbeschaf­fen­heit gleich mehrere Schutzrechte anmelden lassen. Nämlich: Urhe­ber­rechtss­chutz für das Er­schei­n­ungs­bild, Geschmacksmuster­schutz für die äußere Form, eine Bildmarke für die Abbildung des Produkts, Patente und Ge­brauchsmuster für die tech­nol­o­gis­chen Erfindungen, die dem Produkt vo­raus­gin­gen.

„Schon wenn zwei Schutzrechte im Unternehmen nebeneinan­der existieren, ergibt sich die Notwendigkeit, ihre Koexistenz zu or­gan­isieren und die Rechte zu ko­or­dinieren.“

Strate­gis­ches IP-Man­age­ment bedeutet, schon während der Entwicklung darauf zu achten, dass sich möglichst viele Schutzrechte aus der Verwendung des fertigen Produkts ergeben. Andernfalls kann die kurzfristige Vor­ma­cht­stel­lung nach der Produkteinführung nur un­zure­ichend genutzt werden: Wenn das Geschäft profitabel erscheint, werden sofort Nachahmer auf den Plan gerufen.

„Schutzrecht­sport­fo­lios sind die Zusam­men­fas­sung von artgleichen Schutzrechten eines Un­ternehmens.“

Merkmale ausgewählter Schutzrechte

  • Eine Marke ist ein Vermögenswert, ein Recht und gle­ichzeitig ein Instrument der Un­ternehmen­skom­mu­nika­tion. Rechtlich gesehen muss die Marke eine „Herkun­fts­funk­tion“ haben, also eindeutig auf ein Produkt oder eine Di­en­stleis­tung verweisen. Dann erst ist sie auch schutzgeeignet. Marken­schutz entsteht durch die Verwendung und Anerkennung der Marke und gilt praktisch unbegrenzt. Formal lässt sie sich auch eintragen, z. B. ins Marken­reg­is­ter des Deutschen Patent- und Markenamtes. Dieser Schutz muss alle zehn Jahre verlängert werden. Es gibt zahlreiche Marken­for­men, wie z. B. Farbmarken oder Po­si­tion­ierungs­marken. Diese erlauben eine Fein­dif­feren­zierung ansonsten nicht schützenswerter Marken. Beispiel­sweise handelt es sich bei dem – an sich nicht schutzfähigen – Aus­rufeze­ichen der Modefirma Joop in der rechten oberen Ecke einer Hosentasche um eine Po­si­tion­ierungs­marke. Schützbar sind auch Un­ternehmenskennze­ichen wie beispiel­sweise Firmennamen (Daimler AG), Geschäftsabze­ichen (Mer­cedes-Stern) oder Beze­ich­nun­gen (Mercedes).
  • Patente schützen vor allem Ihre technischen En­twick­lun­gen und Erfindungen vor der Nutzung und dem Zugriff Dritter. Sie können Patente als Ein­nah­me­quelle verwenden, indem Sie die Erfindung gegen Lizenzgebühren anbieten oder sie dafür verwenden, Zugriff auf die Erfindungen Dritter zu erhalten (Cross-Li­cenc­ing). Patentiert werden Erfindungen, die neu und gewerblich nutzbar sind und tatsächlich auf einer erfind­erischen Tätigkeit beruhen. Neu ist eine Erfindung, wenn sie nicht zum Stand der Technik zählt. Patente werden beim nationalen oder europäischen Patentamt eingereicht, geprüft und erteilt. Sie gelten 20 Jahre und sind nicht verlängerbar.
  • An Ge­brauchsmuster werden ähnliche An­forderun­gen wie an Patente gestellt. Allerdings lassen sie sich erheblich leichter und kostengünstiger beantragen. Es erfolgt keine Prüfung der Schutzfähigkeit. Nachteile: Der Schutz gilt nur für zehn Jahre und das „Upgrade“ des Ge­brauchsmusters auf ein Patent ist nicht möglich.
  • Geschmacksmuster beziehen sich auf die Erscheinung und Wahrnehmung eines Produkts, nicht auf das Produkt selbst. Geschmacksmuster­schutz gibt es beispiel­sweise für Ver­pack­un­gen, Ausstat­tun­gen, Grafiken, Symbole, ty­pografis­che Schriftze­ichen usw. Geschmacksmuster können günstig und einfach eingetragen werden, gelten für 25 Jahre und werden nicht auf Schutzfähigkeit geprüft.
  • Urhe­ber­rechte entstehen an sämtlichen geistigen Schöpfungen, z. B. Sprach- oder Musikwerken, und gelten 70 Jahre über den Tod des Eigentümers hinaus. Urhe­ber­rechte brauchen in Deutschland nicht angemeldet zu werden, sie entstehen allein durch den Schöpfungsakt. Copy­rightver­merke sind ebenfalls unnötig.

Schutzrechte vernetzen: Das Schutzrecht­sport­fo­lio

Es ist immer sinnvoll, mehrere Schutzrechte zu vernetzen, damit sich ein robuster Schutzwall um sämtliche Neuerungen Ihres Un­ternehmens aufbauen lässt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Schutzrecht­sport­fo­lios im Unternehmen zu bilden, die gleiche oder ähnliche Schutzrechte zusam­men­fassen. Portfolios vi­su­al­isieren alle vorhandenen Rechte – das ist die Vo­raus­set­zung dafür, sie sinnvoll managen zu können. Solche Portfolios können mit bekannten Port­fo­liometh­o­den analysiert und weit­er­en­twick­elt werden.

Über den Autor

Axel Mit­tel­staedt ist Recht­san­walt für Marken-, Wet­tbe­werbs-, Geschmacksmuster- und Patentrecht und seit 25 Jahren im gewerblichen Rechtss­chutz tätig. Er ist Mitglied des Vorstands des Mar­ket­ingk­lubs Köln/Bonn.