Geistiges Eigentum wirksam schützen
Jedes Unternehmen besitzt geistiges Eigentum (Intellectual Property, kurz IP). Und dieses ist immer bedroht: Was in jahrzehntelanger Forschungs- und Markenbildungsarbeit aufgebaut wurde, wird u. U. von Wettbewerbern nachgebaut und billiger produziert. Jedes Unternehmen muss sich deshalb durch geeignete Maßnahmen vor dem IP-Raub schützen, z. B. mithilfe von Patenten und geschützten Marken. Das strategische Management geistigen Eigentums geht aber noch erheblich weiter. Es betrachtet das gesamte geistige Eigentum eines Unternehmens als Baustein, um die aktuelle Marktposition auszubauen und sich zukünftige Wettbewerbsvorteile zu schaffen.
„IP-Management verschafft Handlungsfreiheit.“
Ohne den Schutz des geistigen Eigentums kann kein Unternehmen auf Dauer existieren. Selbst wer ein einmaliges Produkt herstellt und somit ein Monopol besitzt, muss diesen Vorsprung am Markt durchsetzen und verteidigen.
Wichtige Disziplinen, die beim strategischen IP-Management (SIP) eine Rolle spielen, sind deshalb das Marketing und die Unternehmenskommunikation, denn sie sind dafür verantwortlich, dass aus Monopolen und Alleinstellungsmerkmalen handfeste Wettbewerbsvorteile werden. Rechtliche und marketingrelevante Entscheidungen müssen deshalb Hand in Hand gehen.
IP sichert Wettbewerbsvorteile
Das geistige Eigentum eines Unternehmens besteht aus einer ganzen Palette von Einzelgütern. Hierzu gehören: Schutzrechte, Internetdomains, Unternehmensnamen, Bezeichnungen von Unternehmenspublikationen, Urheberrechte, Softwareentwicklungen, Lizenzen, Erfindungen, das gesamte Unternehmenswissen mit all seinen Geschäftsgeheimnissen. Im weiteren Sinne gehören aber auch die Menschen dazu, die dieses Wissen erarbeiten und speichern.
„SIP ist das strategische Ausbauen, Bewahren und Schützen des geistigen Eigentums eines Unternehmens.“
Der Wert des IP kann deshalb den reinen Sachwert eines Unternehmens weit übersteigen. Das bekannteste Beispiel ist die Marke Coca-Cola, die im Jahr 2008 geschätzte 66,7 Milliarden Dollar wert war und damit alle „handfesten“ Werte im Coca-Cola-Konzern bei Weitem übertraf. Nur mit wirkungsvollen IP-Rechten können Unternehmer ihre Patente vor Nachahmern schützen, eine Monopolstellung aufbauen, Wettbewerber durch Blockaden aus dem Markt drängen, Gewinnmöglichkeiten durch Lizenzvergaben erschließen sowie Innovationskraft und Wettbewerbsstärke demonstrieren.
Acht Strategien für das IP-Management
Wenn Sie das geistige Eigentum Ihres Unternehmens langfristig schützen und nutzen wollen, stehen Ihnen acht unterschiedliche Strategien zur Verfügung:
- Organisation: Sie legen fest, wer im Unternehmen Kompetenzen für das SIP erhält und wie die Entscheidungswege aussehen. Außerdem müssen Sie sich um einen kompetenten Patent- und Rechtsanwalt bemühen, der auf IP spezialisiert ist.
- Information: Überlegen Sie, woher die Informationen kommen, die für das SIP notwendig sind. Die Grundlage sollte das unternehmerische Wissensmanagement sein.
- Schutzbegründung: Ob und was Sie schützen lassen, ist eine wichtige Frage. Je nach Marktlage und Wettbewerbsposition müssen Sie entscheiden, welchen Aufwand Sie betreiben wollen, um Schutzrechte zu erwerben.
- Kooperation: Wenn fremde Rechte in Ihr Portfolio passen könnten, helfen Kooperationen dabei, eigene Schutzrechte daran zu erwerben.
- Kommunikation: Teilen Sie Geldgebern und Kunden die eigenen Schutzrechtsposition aktiv mit. Damit demonstrieren Sie Stärke. Um Konkurrenten daran zu hindern, Rechte an bestimmten Informationen zu erwerben, können Sie diese gezielt der Öffentlichkeit zugänglich und so zu gemeinfreien Informationen machen.
- Verwertung: Machen Sie Ihre Schutzrechte zu Geld, indem Sie sie gegen die Erhebung von Lizenzgebühren verfügbar machen.
- Kontrolle: Behalten Sie den Überblick darüber, ob Ihre vorhandenen Schutzrechte überhaupt noch einen Wert für das Unternehmen haben. Wenn nicht, sollten Sie die Kontrolle darüber aufgeben und sie gewinnbringend verkaufen.
- Verteidigung: Wer seine Schutzrechte nicht nutzt und verteidigt, verliert den Rechtsschutz. Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs macht es notwendig, Schutzrechtsverletzungen kontinuierlich zu überwachen.
Disziplinen und Werkzeuge des SIP
Als Erstes müssen Sie abklären, auf welche Weise Ihr Wissen, Ihre Marke oder Ihre Erfindungen rechtlich einwandfrei für Ihr Unternehmen geschützt werden können. Im Rahmen eines IP-Audits können Sie systematisch den Istzustand ermitteln und Strategien für die Zukunft festlegen. IP-Audits werden von Patent- und Rechtsanwälten angeboten, da es in den seltensten Fällen entsprechende Experten im Unternehmen selbst gibt. Ein IP-Audit ermittelt sämtliche Prozesse im Unternehmen, die zu Erfindungen, Patenten oder Marken führen und stellt fest, welche Rechte bereits vorhanden sind.
„IP-Rechte verschaffen dem Unternehmen die Möglichkeit, zumindest temporär geschützte Monopolpositionen zu gewinnen.“
Urheber von schützenswerten Innovationen sind immer die Mitarbeiter, sei es in der Forschung & Entwicklung, im Marketing oder im internen Wissensmanagement. Es ist deshalb wichtig, dass Sie Ihre Mitarbeiter für das Thema „geistiges Eigentum“ sensibilisieren und den entsprechenden Managementprozess – zumindest auf Führungsebene – durch Schulungen und Trainings festigen. Alles was im Unternehmen zu Schutzrechten führen kann, seien es Arbeitnehmererfindungen, Neuerungen aus dem Ideen- und Wissensmanagement oder Neuentwicklungen, muss auch nutzbar gemacht werden. Implizites Wissen, das z. B. durch Learning by Doing erworben wurde und informell, in Form von Tipps und Tricks weitergegeben wird, muss in explizites Wissen überführt werden. Erst dann lässt es sich bewerten, optimieren, für Schulungszwecke nutzen und schützen.
Patent- und Markeninformationssysteme
Die Basis für eigene Patente bildet ein Patentinformationssystem, das beispielsweise auf die Veröffentlichungen der Patentämter zurückgreift. Beobachten Sie die Patentanmeldungen Ihrer Wettbewerber: Das gibt Ihnen Aufschluss über die technologischen Schwerpunkte der Konkurrenz.
„Das Geschmacksmuster stellt nicht Produkte selbst, sondern Erscheinungsformen von Erzeugnissen unter Schutz.“
Gleichzeitig können Sie mit Einspruchsverfahren zum richtigen Zeitpunkt gezielt Patente von Wettbewerbern blockieren, beispielsweise indem Sie deren Schutzfähigkeit anzweifeln. Mithilfe der Überwachung von Patenten können Sie auch günstige Gelegenheiten zum Erwerb derselben abpassen. Wenn z. B. ein Wettbewerber die Insolvenz beantragen muss und infolgedessen die Gebühren zur Aufrechterhaltung seiner Patente nicht entrichten kann, lassen sich diese womöglich günstig vom Insolvenzverwalter erwerben. Ähnlich wie bei Patenten können Sie bei Marken vorgehen. Kombinieren Sie die Überwachungsmaßnahmen so, dass Sie stets über die für Sie relevanten Neuanmeldungen informiert sind.
Schutzrechte strategisch vorbereiten und erwerben
Eine Idee allein begründet noch kein Schutzrecht. Erst wenn aus der Idee ein Produkt wird, wird Ihre Innovation rechtlich schutzwürdig. Im besten Fall ist Ihr Produkt gleich doppelt perfekt: einerseits, weil es eine ideale Kombination von attraktiver Erscheinungsform, hoher Qualität, technischer Brillanz und begehrenswerter Präsentation ist – andererseits, weil sich aufgrund der Produktbeschaffenheit gleich mehrere Schutzrechte anmelden lassen. Nämlich: Urheberrechtsschutz für das Erscheinungsbild, Geschmacksmusterschutz für die äußere Form, eine Bildmarke für die Abbildung des Produkts, Patente und Gebrauchsmuster für die technologischen Erfindungen, die dem Produkt vorausgingen.
„Schon wenn zwei Schutzrechte im Unternehmen nebeneinander existieren, ergibt sich die Notwendigkeit, ihre Koexistenz zu organisieren und die Rechte zu koordinieren.“
Strategisches IP-Management bedeutet, schon während der Entwicklung darauf zu achten, dass sich möglichst viele Schutzrechte aus der Verwendung des fertigen Produkts ergeben. Andernfalls kann die kurzfristige Vormachtstellung nach der Produkteinführung nur unzureichend genutzt werden: Wenn das Geschäft profitabel erscheint, werden sofort Nachahmer auf den Plan gerufen.
„Schutzrechtsportfolios sind die Zusammenfassung von artgleichen Schutzrechten eines Unternehmens.“
Merkmale ausgewählter Schutzrechte
- Eine Marke ist ein Vermögenswert, ein Recht und gleichzeitig ein Instrument der Unternehmenskommunikation. Rechtlich gesehen muss die Marke eine „Herkunftsfunktion“ haben, also eindeutig auf ein Produkt oder eine Dienstleistung verweisen. Dann erst ist sie auch schutzgeeignet. Markenschutz entsteht durch die Verwendung und Anerkennung der Marke und gilt praktisch unbegrenzt. Formal lässt sie sich auch eintragen, z. B. ins Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes. Dieser Schutz muss alle zehn Jahre verlängert werden. Es gibt zahlreiche Markenformen, wie z. B. Farbmarken oder Positionierungsmarken. Diese erlauben eine Feindifferenzierung ansonsten nicht schützenswerter Marken. Beispielsweise handelt es sich bei dem – an sich nicht schutzfähigen – Ausrufezeichen der Modefirma Joop in der rechten oberen Ecke einer Hosentasche um eine Positionierungsmarke. Schützbar sind auch Unternehmenskennzeichen wie beispielsweise Firmennamen (Daimler AG), Geschäftsabzeichen (Mercedes-Stern) oder Bezeichnungen (Mercedes).
- Patente schützen vor allem Ihre technischen Entwicklungen und Erfindungen vor der Nutzung und dem Zugriff Dritter. Sie können Patente als Einnahmequelle verwenden, indem Sie die Erfindung gegen Lizenzgebühren anbieten oder sie dafür verwenden, Zugriff auf die Erfindungen Dritter zu erhalten (Cross-Licencing). Patentiert werden Erfindungen, die neu und gewerblich nutzbar sind und tatsächlich auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Neu ist eine Erfindung, wenn sie nicht zum Stand der Technik zählt. Patente werden beim nationalen oder europäischen Patentamt eingereicht, geprüft und erteilt. Sie gelten 20 Jahre und sind nicht verlängerbar.
- An Gebrauchsmuster werden ähnliche Anforderungen wie an Patente gestellt. Allerdings lassen sie sich erheblich leichter und kostengünstiger beantragen. Es erfolgt keine Prüfung der Schutzfähigkeit. Nachteile: Der Schutz gilt nur für zehn Jahre und das „Upgrade“ des Gebrauchsmusters auf ein Patent ist nicht möglich.
- Geschmacksmuster beziehen sich auf die Erscheinung und Wahrnehmung eines Produkts, nicht auf das Produkt selbst. Geschmacksmusterschutz gibt es beispielsweise für Verpackungen, Ausstattungen, Grafiken, Symbole, typografische Schriftzeichen usw. Geschmacksmuster können günstig und einfach eingetragen werden, gelten für 25 Jahre und werden nicht auf Schutzfähigkeit geprüft.
- Urheberrechte entstehen an sämtlichen geistigen Schöpfungen, z. B. Sprach- oder Musikwerken, und gelten 70 Jahre über den Tod des Eigentümers hinaus. Urheberrechte brauchen in Deutschland nicht angemeldet zu werden, sie entstehen allein durch den Schöpfungsakt. Copyrightvermerke sind ebenfalls unnötig.
Schutzrechte vernetzen: Das Schutzrechtsportfolio
Es ist immer sinnvoll, mehrere Schutzrechte zu vernetzen, damit sich ein robuster Schutzwall um sämtliche Neuerungen Ihres Unternehmens aufbauen lässt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Schutzrechtsportfolios im Unternehmen zu bilden, die gleiche oder ähnliche Schutzrechte zusammenfassen. Portfolios visualisieren alle vorhandenen Rechte – das ist die Voraussetzung dafür, sie sinnvoll managen zu können. Solche Portfolios können mit bekannten Portfoliomethoden analysiert und weiterentwickelt werden.