Warum nach China?
Wenn auch langsamer als in den letzten Jahren - Chinas Wirtschaft wächst stetig. Mehr als 140 000 ausländische Unternehmen und 1400 Investoren sind bereits in China präsent und nutzen den attraktiven Absatzmarkt und die relativ niedrigen Lohnkosten. China ist mit 1,3 Milliarden Teilnehmern kein einheitlicher Markt, das Marktpotenzial hängt von Produkt und regionaler Kaufkraft ab. Wirtschaftsleistung und Pro-Kopf-Einkommen der ostchinesischen Küstenprovinzen sind nach wie vor am höchsten, aber die 800 Millionen Chinesen im Hinterland bilden die Reserven für zukünftiges Wachstum. Der Motor des ökonomischen Aufstiegs ist der Binnenmarkt mit 300 bis 400 Millionen kaufkräftigen und sehr am Status orientierten Konsumenten, deren Ansprüche ständig wachsen. Die Wachstumsprognosen für Einkommen und Kaufkraft sind ausgezeichnet.
Gegebenheiten vor Ort
Wer glaubt, die Chinesen hätten nur auf ihn gewartet, täuscht sich: Ausländische Unternehmen sind in China chinesische Unternehmen, deshalb spielen sie in China für China nach chinesischen Spielregeln. China ist mitnichten ein zurückgebliebenes Entwicklungsland, sondern im Gegenteil ein Land mit starker technologischer Ausrichtung und schnell voranschreitender Modernisierung. Die Chinesen wollen von den Deutschen technologisches Know-how und deutsche Qualität, die an chinesische Verhältnisse angepasst ist. Sie kennen den Wert ihres Marktes, sind selbstbewusst, kritisch und anspruchsvoll. Mit Hilfe von ausländischem Kapital und Wissen wollen sie China zur viertgrössten Wirtschaftsmacht der Welt machen. China-Investoren sollten wissen, dass sie von Anfang an Teil des chinesischen Plans zur Wirtschaftsreform waren und sind - sie kurbeln den Export an, bringen Devisen ins Land und fördern den technologischen Fortschritt. Die Chinesen wollen die ausländischen Kühe melken, die ihrerseits auf Chinas weiten, grünen Wiesen grasen wollen.
„Wer sich den chinesischen Markt mit Erfolg erschliessen will, muss die 1,3 Milliarden Chinesen ‚auf sein Produkt herunterrechnen’, darf dabei jedoch die langfristig gebotenen Chancen nicht unberücksichtigt lassen.“
Für Letzteres gibt es verschiedene Möglichkeiten: Repräsentanz, Kapitalbeteiligung an chinesischen Unternehmen, Equity-Joint-Venture, Contractual Joint Venture oder Unternehmen mit 100 % ausländischer Beteiligung (WFOE - Wholly Foreign Owned Enterprises). Am häufigsten wird die Rechtsform eines Equity-Joint-Ventures gewählt. Der chinesische Partner eines Joint Ventures ist immer ein Staatsbetrieb. Volkswirtschaftlicher Zweck ist es, Staatsbetriebe mit Hilfe ausländischer Partner marktwirtschaftlich und zum Nutzen Chinas zu modernisieren. Damit der makroökonomische Plan aufgeht, gibt es mikroökonomische Auflagen. Joint Ventures müssen modernste Technologien, Know-how und Managementmethoden einsetzen, die technische und kaufmännische Ausbildung des Personals übernehmen, exportorientiert produzieren und ihre Devisen für Importe, Lizenzen und Zinsen selbst erwirtschaften. Joint Ventures können Produktions- und Absatzplanungen und die Verwendung ihrer Gewinne - innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen - selbst bestimmen und unterliegen keiner Einmischung aus staatlichen Führungsetagen. In der Praxis allerdings hängen auch Joint Ventures z. B. bei der Erteilung von Import- oder Exportlizenzen von regionalen und lokalen Behörden ab.
„Von einigen sehr armen, noch unterentwickelten Provinzen im Westen Chinas vielleicht abgesehen, befindet sich das Riesenland in einer Konsumrevolution, die alle Bevölkerungsschichten erfasst hat und nahezu jedermann anstachelt, mehr zu verdienen, kurzum: Geld zu machen.“
China-Investitionen lohnen sich nicht für jeden, aber für viele, sofern die goldene Regel für China-Geschäfte beherzigt wird - Präsenz vor Ort. Nur was Sie selbst gesehen haben, können Sie wirklich als gegeben voraussetzen. Standortwahl und Partnersuche sind überaus wichtig. Neben den staatlichen Sonderwirtschaftszonen haben viele Provinzen eigene Entwicklungszonen geschaffen, die oft sogar bessere Konditionen bieten. Grob kann China in drei grosse Zonen mit unterschiedlichem Investitionsklima eingeteilt werden: der Boom-Korridor der Provinzen und Städte im Osten, die Binnenregionen mit ihrem durchaus freundlichen Investitionsklima und der kühlere Nord- und Südwesten Chinas mit seiner schwachen Infrastruktur.
Planung
Fehleinschätzungen sind in den meisten Fällen Grund für das Scheitern in China: z. B. dass man in China schnell leichtes Geld machen könne, Arbeitskräfte fleissig und billig seien, China sich dem reinen Kapitalismus geöffnet habe und Chinesen nicht anders seien als wir - soweit es die Wirtschaft betrifft jedenfalls. Aber Chinesen sind anders und chinesische Marktwirtschaft ebenfalls. Informationen beschaffen, auswerten und bewerten steht am Anfang jedes China-Engagements: Welche Produkte und Leistungen sind in China gefragt und zugelassen? Wo ist der beste Standort in Bezug auf Absatz, Infrastruktur und Ressourcen? Wer kann chinesischer Partner bei Beteiligung, Produktion und Vertrieb sein? Welche Unternehmens- oder Rechtsform ist geeignet?
„Drang nach Selbstverwirklichung, bei uns für sehr viele ein starkes Bedürfnis, motiviert nur ganz wenige Chinesen, ehrgeizige Jungakademiker vielleicht.“
Investitionen, die Chinas Technologiestandard erhöhen und die Modernisierung und Wirtschaftsentwicklung fördern, sind erwünscht und werden in nahezu allen Bereichen begünstigt. Dies gilt besonders für Equity-Joint-Ventures. Unternehmensgründungen sind von staatlichen Auflagen und Genehmigungen abhängig und können unglaublich langwierig sein. Bei diesem Hürdenlauf stellt sich heraus, ob die Guanxi - die Beziehungen - des chinesischen Partners eng genug geknüpft sind, um die erforderliche Stempelvergabe auf Touren zu bringen. Chinesen betrachten Verträge eher als entwicklungsfähige und weniger als verbindliche Absprachen. Gleiches gilt für Gesetze und Verordnungen. Zwar ist alles geregelt, doch gibt es immer einen Ermessensspielraum der zuständigen Behörden für den Einzelfall. Wenn Sie Ihren Standort in noch nicht so gesättigten Regionen wählen, bekommen Sie notwendige Genehmigungen sicher unkomplizierter. Die Kommunikation mit Behörden sollte generell der chinesische Partner übernehmen. Ausländer haben hier selten nennenswerte Erfolge, weil sie die Regeln nicht kennen und in nahezu jedes aufgestellte Fettnäpfchen treten.
Management
Betriebswirtschaftliche Probleme können trotz sorgfältig durchgeführter Feasibility-Study auftreten, wenn sich vor Ort herausstellt, dass vom chinesischen Partner bereitgestellte Maschinen in Wirklichkeit schrottreif sind, die Belegschaft zu gross, zu ineffizient und zu inkompetent ist. Entlassungen gestalten sich oft schwierig, weil die Staatsbetriebe als "Danwei" fungieren - die chinesische Bezeichnung für die Arbeitseinheit, die chinesische Arbeiter von der Wiege bis zur Bahre sozial versorgt und absichert. Expatriates - ausländische Mitarbeiter - einzustellen, verursacht nicht einkalkulierte Mehrkosten wie auch das "Versickern" eines Teils der Produktion, die als Gefälligkeiten an Partner, Zulieferer und andere Stellen verteilt werden. In der Fertigung gibt es dagegen kaum noch Probleme mit chinesischen Mitarbeitern, vorausgesetzt sie wurden von einem ausländischen Fachmann geschult. Chinesische Manager werden von ihren ausländischen Kollegen allerdings noch zu häufig als zu wenig kompetent und kooperativ eingestuft. Probleme können Sie vermeiden, wenn Sie bereits bei der Vorbereitung Ihres Projekts auf ein ausgewogenes Verhältnis von ausländischen und chinesischen Managern achten:
- ein chinesischer Geschäftsführer im Bereich Betriebswirtschaft,
- in Rechnungswesen und Controlling dagegen ausländische Teilhaber und
- in den operativen Bereichen je ein chinesischer und ein ausländischer Mitarbeiter.
Arbeitsmarkt und Personalführung
Der Arbeitsmarkt ist noch immer planwirtschaftlich orientiert. Joint Ventures übernehmen das Personal des chinesischen Partners. Höher qualifizierte Mitarbeiter sucht man über staatlich beaufsichtigte Vermittlungsbüros. Da in China Managerknappheit herrscht, sind deren Karteien nicht gerade überfüllt mit Spitzenkräften, die sich ohnehin ziemlich zieren, bevor sie sich an ein ausländisches Unternehmen binden. Im Vergleich ist das Lohnniveau in China zwar generell relativ niedrig, die Lohnnebenkosten können aber ganz beträchtlich sein. Dazu gehören u. a. Ablöse, Umzugskosten, Sozial- und Krankenversicherung, Fahrgeld, Ein-Kind-Geld, Wohngeld, Kältegeld und Ice-Cream-Fee. In China muss der Chef die "Vaterfigur" verkörpern, damit er seine Mitarbeiter motivieren und leiten kann. Westliche Führungsmethoden greifen hier nicht. Kritik sollten Sie nur in Einzelgesprächen und sehr vorsichtig anbringen, damit niemand sein Gesicht verliert. Ein auf ein harmonisches Zusammenleben zielendes Verhalten ist die immer noch gültige goldene Regel des Konfuzius, die sich durch alle Lebensbereiche zieht, auch durch das Berufsleben. Chinesen identifizieren sich über ihre Gruppe, jeder ist Teil eines Beziehungsgeflechtes, und daraus leitet sich das "Gesicht" ab, das soziale Ansehen. Harsche offene Kritik an einem Einzelnen kann der ganzen Gruppe das Gesicht nehmen. Und wer einem anderen das Gesicht nimmt, nimmt sich auch das eigene. Wenn Sie es schaffen, von den Chinesen als freundlicher Ausländer anerkannt zu werden, der nicht nur die chinesische Mentalität versteht, sondern auch beweist, dass er nützlich sein kann - es wird Ihnen zu mehr Erfolg verhelfen als alles Geld der Welt.
Finanzwesen und Gesetz
Die Reform des Banken- und Finanzwesens ist in den letzten Jahren vorangekommen, vieles muss jedoch noch verbessert werden, bevor ein westlicher Standard für Sicherheit im Finanzsektor erreicht ist. Leasing ist meist unkomplizierter als Kreditbeschaffung und wird gern in Anspruch genommen, allerdings gibt es nur wenige gute Leasingunternehmen. Die chinesische Wirtschaftsgesetzgebung bietet einen Rechtsrahmen und theoretisch den perfekten Rechtsschutz für Investoren. Für jede Unternehmensform gibt es spezielle Gesetze und arbeitsrechtliche Auflagen. Ein besonderes Kapitel ist der Schutz für geistiges Eigentum. Für Chinesen ist "Nachahmen" nichts Schlimmes, sondern eher eine Art Respektsbezeugung für eine gute Idee oder Leistung. Raubkopien und Markenpiraterie sind keine Seltenheit. Obwohl Urheberrecht, Markenschutz und ähnliche Bereiche in China prinzipiell gesetzlich geregelt sind, ist Vorbeugung immer noch der beste Schutz: Sichern Sie Schutzrechte frühzeitig!
Marketing und Distribution
Was Sie in China produzieren, wird auch auf dem Binnenmarkt abgesetzt. Zielgruppenforschung nach westlichen Methoden gibt es in China kaum, die einzige Gemeinsamkeit der chinesischen Konsumenten ist ihre starke Markenorientierung: Was alle machen, kann nicht falsch sein. Während die Chinesen bei Statussymbolen wie Autos, Computern, Handys, Parfums und Kosmetik immer noch lieber zu ausländischen Markenprodukten greifen, vertraut die grosse Mehrheit bei Elektro- und Haushaltsgeräten chinesischen Marken. Generell gilt: No-Name, no fame. Neben Farben, Symbolen und Logos ist v. a. die chinesische Namensgebung von wesentlicher Bedeutung. Ein "edles Ross" (BMW) verkauft sich nun mal besser als eine lahme Ente. Der Aufbau eines regionalen oder gar landesweiten Distributionsnetzes ist schwierig und erfordert eine aufwändige Logistik.
„Nur wer über ein blosses Wahrnehmen hinaus um ein Verarbeiten und Akzeptieren bemüht ist, wird den möglichen vollen Nutzen von interkultureller Kommunikation und damit den ‚Schlüssel zu China’ in Händen haben.“
Es liegt auf der Hand, dass ein derart attraktiver Markt heiss umkämpft wird, und in China wird der Konkurrenzkampf hart und gnadenlos nach uralten Kriegsstrategien, die hier zur Allgemeinbildung gehören, geführt. Einer List haftet in China nichts Negatives an, sie zeugt im Gegenteil von der Schläue und Gewitztheit ihres Anwenders. Wenn Sie hier mitkämpfen wollen, sollte die "Kriegskunst des Sunzi" Ihre tägliche Bettlektüre sein. China ist alles andere als eine Krisenregion, auch wenn es aufgrund der Andersartigkeit von Kultur und Wirtschaftssystem manchmal Komplikationen und sogar Rückschläge geben kann. Beherzigen Sie die goldenen Regeln im China-Geschäft, versuchen Sie, die Andersartigkeit zu verstehen, und sammeln Sie gewissenhaft Informationen, bevor Sie Ihr Projekt in Angriff nehmen - dann ist China Ihre Chance.
Dr. Birgit Zinzius ist Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Seminar für Interkulturelle Kommunikation und Internationales Management in München. Mit den Schwerpunkten interkulturelles Management, Wirtschaft und Politik berät sie deutsche und internationale Wirtschaftsunternehmen, die sich in Asien engagieren.