Immer mehr Fehltritte im Wirtschaftsleben
Die Weiterentwicklung von Instrumenten, die der Beherrschung der Risiken in den Unternehmen dienen, hat nicht Schritt gehalten mit dem Tempo, das die Globalisierung vorlegt. In der Folge haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren Raubbau an ihrem Image betrieben: Ihr Finanzgebaren war abenteuerlich, ihr Umgang mit den Mitarbeitern unanständig, ihr Geschäftsmodell riskant. Um die Rendite zu steigern, wurden Schmiergelder gezahlt oder Kartelle gebildet. Während in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand, in der Welt der Wirtschaft gäbe es keine Gesetze, betrachten in den Unternehmen viele die Auswüchse noch immer als Kavaliersdelikte.
„Im menschlichen Verhalten, sei es beruflich oder privat, gibt es so gut wie keine Grauzonen.“
Was dabei gelegentlich in den Hintergrund tritt: Für das Fehlverhalten sind immer einzelne oder mehrere Mitarbeiter verantwortlich – vom Sachbearbeiter bis hin zum Vorstand. Eine Kollektivschuld der Unternehmen oder der Wirtschaft gibt es genauso wenig wie eine Grauzone zwischen noch erlaubt und klar illegal.
Wirtschaften im Rahmen der Gesetze
Zwar ist Bestechung, die ein Unternehmen im Ausland betreibt, in Deutschland erst seit Kurzem strafbar. Der Eindruck, dass früher alles erlaubt war, was heute als Fehlverhalten gilt, täuscht. Bereits in den Sozialgeboten früher Völker und religiöser Gemeinschaften gab es Regeln mit wirtschaftlichem Bezug. Beispiele dafür sind die biblischen Gebote: „Du sollst nicht stehlen“ und „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen“ Im Laufe der Zeit wurden die Menschen nicht mehr nur Moralgeboten unterworfen, sondern staatlichen Gesetzen. Eine wahre Flut davon hat sich über die Unternehmen ergossen. Nicht ohne Grund: Unter den rund 87 000 Straftaten im deutschen Wirtschaftsleben des Jahres 2007 waren Betrugsfälle am häufigsten vertreten. Übrigens wurden von diesen gemeldeten Straftaten 95 % aufgeklärt.
„Auch wenn das Geschäftsleben härter geworden ist, entschuldigt dies nicht die Fehlentwicklungen der letzten Jahre.“
Neben den explizit strafrechtlichen Normen müssen Sie als Unternehmer noch weitere Rechtsnormen beachten, z. B. Regelungen zum Umweltschutz und zur Produkthaftung. Auch bei Verstößen gegen das Kartellrecht drohen Sanktionen. Ebenso haben Sie im Arbeitsleben Regeln der Antidiskriminierung (Political Correctness) und der Geschlechtergleichstellung zu beachten. Halten Sie z. B. die Begründungen, mit denen Sie Bewerbern absagen, so knapp wie möglich. So bieten Sie wenig Angriffsfläche.
Pflicht zur Risikokontrolle
Im Fall der Fälle haften Sie als Führungskraft nicht nur für Regelverstöße Ihrer Mitarbeiter, sondern auch dafür, dass Sie diese nicht ausreichend kontrolliert haben. Sie müssen also Ihrer Aufsichts- und Organisationspflicht nachkommen. Bei Versagen drohen Geldbußen und ein Eintrag ins Gewerbezentralregister. Letzteres kann Sie öffentliche Aufträge kosten. Seit 1998 sind Aktiengesellschaften in Deutschland verpflichtet, ein Risikomanagementsystem zu betreiben. Dadurch sollen sie Risiken für ihr Unternehmen frühzeitig erkennen und beherrschen. Sie sichern beispielsweise ihre IT-Systeme, schützen sich vor Vertragsproblemen und stellen die Liquidität sicher. Inzwischen haben viele Unternehmen, nicht nur AGs und Kapitalgesellschaften, Risikomanagementsysteme eingerichtet. Dafür haben auch die Richtlinien Basel I und Basel II gesorgt.
Gute Unternehmensführung
Unternehmer werden von der Öffentlichkeit – nicht erst seit den Skandalen der letzten Jahre – nach Maßstäben wie Ethik, Moral, Fairness und Gewissen beurteilt. Auch vor Gericht spielt es eine Rolle, ob eine bestimmte Handlung im Rahmen akzeptierter Sitten und Gebräuche stattgefunden hat. Beispielsweise zielt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb darauf ab, die Ethik im Geschäftsleben aufrechtzuerhalten. Unter Ethik lässt sich das Verhalten verstehen, das auch ohne schriftliche Fixierung allgemein als anständig gilt. Zur Corporate Governance oder Good Governance – also der verantwortungsbewussten Unternehmensführung – hat eine deutsche Regierungskommission einen Kodex ausgearbeitet. Dieser stärkt die Rechte von Aktionären sowie die Information der Aufsichtsräte und erhöht die Transparenz der Unternehmensführung. Für Firmen, die an US-Börsen notiert sind, ist die Einhaltung noch schärferer Governance-Regeln Pflicht: Basierend auf dem Sarbanes-Oxley-Act aus dem Jahr 2002 haften Vorstandschef und Finanzvorstand z. B. persönlich für die Richtigkeit der Bilanz.
Keine Compliance ohne Organisation
Der in der Wirtschaft verbreitete Begriff „Compliance“ stammt ursprünglich aus der Medizin. Ein Patient, der brav seine verordneten Medikamente schluckt, verhält sich kooperativ, also „compliant“. Für Ihr Unternehmen heißt das: Ihre Mitarbeiter halten sich sowohl an die staatlichen Gesetze als auch an die firmeninternen Regelwerke. Compliance bedeutet ebenfalls, dass Sie die Einhaltung der Regeln überwachen. Die Stichworte dazu lauten: vorbeugen, erkennen, handeln, nachhalten. All dies dient der klaren Festlegung, was richtig und was falsch ist, was legal und was illegal ist.
„Interessanterweise haben Verwerfungen im Verhalten von Unternehmen stets eine sehr zeitnahe Reaktion der Gesetzgeber hervorgerufen.“
Klassischerweise regelt die Arbeits- oder Betriebsordnung eines Unternehmens bereits viele Pflichten der Mitarbeiter. Manche Unternehmen erlassen darüber hinaus einen Verhaltenskodex, eine so genannte Business Conduct Guideline (BCG). Damit können Sie festlegen, wie sich Mitarbeiter gegenüber Geschäftspartnern korrekt verhalten oder bei Interessenkonflikten handeln sollen. Leider sind die BCG vieler Unternehmen nur Handlungsempfehlungen. Verankern Sie die BCG in Ihrer Firma in den Köpfen Ihrer Mitarbeiter, z. B. mithilfe von Informationskampagnen. Eine BCG ist der erste Schritt zu rechtlich und ethisch korrektem Verhalten in Ihrem Unternehmen. Es ist nicht unbedingt notwendig, eine eigenständige Compliance-Abteilung zu gründen – ein Teil der Rechts- oder Revisionsabteilung genügt. Wichtiger ist es, dass Sie diesen Bereich direkt der Geschäftsleitung unterstellen. Der Chief Compliance Officer soll an diese berichten, ansonsten aber weisungsfrei agieren. Ein Frage-Antwort-Katalog skizziert typische Konfliktfälle. Aber Achtung: Er kann eine Schulung nicht ersetzen. Legen Sie außerdem eine Formularsammlung an, die Muster für Verpflichtungserklärungen, Genehmigungen und Vollmachtanträge enthält.
Konflikte beim Informantenschutz
Sollte Ihr Frühwarnsystem, zu dem auch Anlaufstellen wie Hotlines für „Whistleblower“ (Hinweisgeber, Informanten) gehören, Fehlverhalten an den Tag bringen, ist die angemessene Reaktion natürlich einzelfallabhängig. Die Palette der Reaktionsmöglichkeiten reicht von einer Ermahnung über die Kündigung bis hin zur zivilrechtlichen Klage auf Schadenersatz. Konsequenzen vonseiten der staatlichen Justiz können Sie dadurch allerdings nicht vermeiden.
„Es sei daran erinnert, dass Unternehmen, die strafrechtlich auffällig sind, von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen und ggf. Kernmärkte verloren werden können.“
Falls Mitarbeitern im Zuge eines von der Staatsanwaltschaft angestrengten Gerichtsverfahrens Geldbußen auferlegt werden, hüten Sie sich davor, diese vom Unternehmen bezahlen zu lassen. Daraus könnte nämlich ein erheblicher Imageschaden resultieren. Wer eine Straftat nicht anzeigt, riskiert bis zu fünf Jahre Haft. Doch der Schutz von Informanten stellt eine Gratwanderung für die Unternehmen dar. Einerseits sind sie darauf angewiesen, Hinweise auf Fehlverhalten zu bekommen. Andererseits müssen sie ihre Mitarbeiter gegen Rufschädigung schützen. Die Bundesregierung will den Informantenschutz nun gesetzlich regeln, da rund 70 % aller Informanten aufgrund ihrer Anzeige den Arbeitsplatz verlieren.
Heikler Datenschutz
Arbeitnehmer dürfen prinzipiell Diensttelefon, -wagen oder Firmencomputer nicht für private Zwecke verwenden – es sei denn, der Arbeitgeber gestattet die Privatnutzung in einem bestimmten Umfang. Spätestens seit den Datenskandalen bei der Deutschen Bahn, der Telekom oder bei Lidl ist aber auch klar: Unternehmen dürfen bei der Überwachung ihrer Mitarbeiter nicht zu weit gehen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bleibt den Beschäftigten trotz Anstellung erhalten.
„Manager haben für vorsätzliches oder fahrlässiges Fehlverhalten die Verantwortung zu übernehmen.“
Das heißt: Unternehmen dürfen in der Regel keine Mitarbeiterdaten an Dritte weitergeben. Sie dürfen Gespräche nicht heimlich mitschneiden oder ihre Beschäftigten in deren privatem Umfeld fotografieren. Sind digitale Daten durch Passwörter geschützt und somit nur persönlich zugänglich, dürfen Sie sich als Arbeitgeber nicht einfach über den Systemadministrator Zugang verschaffen. Die inhaltliche Kontrolle ist Ihnen als Arbeitgeber zwar versagt, nicht aber die Verbindungsdatenkontrolle zur Erfassung von Kosten und Arbeitszeit. Die Kenntnisnahme dienstlicher E-Mails ist im Übrigen – anders als der Inhalt dienstlicher Telefonate – für den Arbeitgeber zulässig. Nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch der Arbeitnehmer muss sich an Regeln zum Datenschutz halten. Er darf z. B. nicht über Geschäftsgeheimnisse oder das Einkommen seiner Kollegen plaudern.
Beispiele aus der Praxis
Die Liste möglicher Rechtsverstöße, die in einem Unternehmen begangen werden können, ist sehr lang. Entsprechend sensibel muss Ihr Compliance-System sein. Zum Beispiel sollten Sie in Ihrer Firma gegen Mobbing vorgehen – das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz definiert dieses nämlich als Belästigung. Fordern Sie in Stellenausschreibungen keine Dokumente an, deren Übersendung im Nachhinein als Diskriminierung ausgelegt werden könnte. Verlangen Sie schlicht „aussagekräftige Unterlagen“. Wer Ihnen daraufhin Fotos, Lebenslauf und private Details schickt, wird später kaum klagen können.
„Wendet man den Leitsatz der Compliance ,Vorbeugen – Erkennen – Handeln – Nachhalten‘ im Unternehmen mit dem nötigen Fingerspitzengefühl an und sorgt man für eine offene, klare Kommunikation, so wird dies die erwarteten Erfolge bringen.“
Verletzt Ihr Dienstplan die Höchstarbeitszeiten, drohen laut Arbeitszeitgesetz Bußgelder bis zu 15 000 €. Bis zu 500 000 € kann es Ihr Unternehmen kosten, wenn es sich nicht an die in Ihrer Branche gültigen Mindestlohnvorschriften hält. 300 000 € können bei Schwarzarbeit fällig werden. Wer als Unternehmer Betriebsratswahlen behindert, kann sogar mit einer Freiheitsstrafe bestraft werden.
Reizthema Managerhaftung
Unternehmen als juristische Personen können für das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter in Haftung genommen werden. Dennoch gilt der Grundsatz: Der Verursacher haftet. Das heißt, das Unternehmen kann vom Mitarbeiter Schadenersatz verlangen – und sei es der Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsvorsitzende. Allerdings fällt bei Weitem nicht jeder Managerfehler, der das Firmenvermögen schmälert, unter den Straftatbestand der Untreue. Dafür wäre es nötig, dass die Schädigung vorsätzlich erfolgt ist. Selbst wenn Schmiergeldsysteme, Kreditrisiken und andere Probleme im Einzelfall nicht strafrechtlich verfolgt werden können, bleibt in solchen Fällen doch die Haftung für die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht bestehen. Viele Manager haben eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen, die sie vor Ansprüchen, die aus Sorgfaltspflichtverletzungen rühren, schützt. Da aber die Versicherungssumme in der Regel nach oben begrenzt ist und bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit nichts gezahlt wird, sollten Sie so eine Versicherung nicht als Freifahrtschein auffassen.
Beziehungspflege: Was dürfen Sie schenken?
Unter Geschäftspartnern ist es üblich, sich gegenseitig kleine Aufmerksamkeiten zukommen zu lassen. Wo aber liegt die Grenze zur Bestechung? Weil diese Frage schwer zu beantworten ist, verzichten einige Firmen ganz auf diese kleinen Zuwendungen. Bei Bewirtungen, Einladungen, Spenden, Sponsoring, der Übernahme von Übernachtungskosten oder Preisnachlässen kommt es aber durchaus auf den Einzelfall an. So verbieten viele Firmen Vermittlungsprovisionen, die eine Auftragsbeschaffung belohnen, während arbeitsrechtliche Provisionen in Ordnung sind. Als Faustregel beachten Sie die Maßgabe, dass die Aufmerksamkeiten keinem unlauteren Zweck dienen dürfen und im Rahmen des sozial Üblichen bleiben müssen.