Der UBS-Crash

Buch Der UBS-Crash

Wie eine Großbank Milliarden verspielte

Hoffmann und Campe,


Rezension

Spannend wie ein Krimi: Dieses Urteil trifft hier wirklich mal zu. Wer sich in die jüngere Geschichte der Schweizer Großbank UBS vertiefen will, wird das Buch so schnell nicht aus der Hand legen. Die de­tail­re­iche und tr­e­ff­sichere Rekon­struk­tion von Lukas Hässig lässt einen nur noch den Kopf schütteln, macht sie doch klar, wie lange die UBS-Lenker von den waghalsigen Risiken, die ihre Bank einging, gewusst haben müssen. An un­ternehmerisches Pech will man nach der In­nenan­sicht dieses Fi­nanzde­bakels jedenfalls nicht mehr glauben. Hässig lässt keinen Zweifel: Die UBS hat ihren tiefen Fall der Geldgier und den Fehlentschei­dun­gen des Führungsteams zu verdanken. BooksInShort empfiehlt das Buch allen UBS-Kunden ebenso wie Mi­tar­beit­ern der Bank – und allen, die deren Rolle in der weltweiten Finanzkrise besser verstehen möchten.

Take-aways

  • Die UBS, die als sicherste Bank der Welt galt, geriet 2008 an den Rand des Zusam­men­bruchs.
  • Die Schweizer Bank stieg seit dem Jahr 2000 zu einem der größten Mitspieler im In­vest­ment­bank­ing auf und nahm immer höhere Risiken in Kauf.
  • Sie mischte im Handel mit Sub­prime-Pa­pieren mit und heizte den Markt selber an.
  • Nach außen vertrat sie weiterhin das Image einer risikoscheuen, vor­sichti­gen Bank.
  • UBS-interne Risiko­an­a­lysten sahen das Debakel bereits 2002 kommen.
  • Im Management läuteten jedoch keine Alar­m­glocken, nicht mal, als ein Hedgefonds der UBS, der zuvor Milliarden abgeworfen hatte, plötzlich geschlossen werden musste.
  • Erst als 2007 der US-Hy­potheken­markt zusam­men­brach, wurde klar, in welchen Schwierigkeiten sich die UBS befand.
  • Beinahe zeitgleich kam es zum Debakel in den USA: Die UBS wurde vor Gericht gezerrt.
  • Sie musste das US-Pri­vate-Bank­ing einstellen und Kundendaten herausgeben.
  • Der Schweizer Staat und die Na­tion­al­bank mussten die UBS mit rund 68 Milliarden Franken vor dem Aus retten.
 

Zusammenfassung

Mark­ten­twick­lung oder men­schliches Versagen?

Wer sich mit den Aktivitäten der UBS in den vergangenen Jahren beschäftigt, den beschle­ichen rasch Zweifel, ob es sich bei der Finanzkrise tatsächlich um eine Art Naturgewalt handelt, die über die Märkte hereinge­brochen ist. Die einst als besonders seriös und sicher geltende Schweizer Uni­ver­sal­bank mischte ganz erheblich im In­vest­ment­bank­ing mit. Dieser höchst risiko­r­e­iche Markt wurde von der UBS noch kräftig angeheizt, denn sie war tief in das amerikanis­che Geschäft mit Hy­potheken­pa­pieren verwickelt. Dass diese renommierte Bank derart ins Trudeln geraten ist, hat sie Geldgier, Man­age­ment­fehlern und dem wieder­holten Verdrängen akuter Gefahren zu verdanken und keineswegs der Mark­ten­twick­lung. Denn die war sogar erkennbar.

Ignorierte Warnungen

Bereits im Jahr 2002 argwöhnten zwei UBS-Risiko­ex­perten, dass es mit der zunehmenden Bilanzsumme der Bank, den anhaltenden Gewinnen im In­vest­ment­bank­ing und den un­durch­schaubaren Produkten zu risikoreich zugehe – ins­beson­dere im Hy­potheken­markt. Sie fanden heraus, dass die amerikanis­chen Kollegen der In­vest­mentsparte der UBS riesige Berge von US-Hy­potheken­pa­pieren aufgetürmt hatten. Und sie erkannten, dass die ausführende Abteilung PFCA & CRE (Principal Finance and Credit Arbitrage & Commercial Real Estate) zwar kaum mit der Schweizer Zentrale kooperierte, aber mit sämtlichem Know-how der Bank aus­ges­tat­tet war und Zugriff auf die In­for­ma­tio­nen anderer Abteilungen hatte.

„Vorzeitig wollte niemand das Fest verlassen, schon gar nicht die UBS.“

Ende Mai 2002 hatte die UBS eine Hy­potheken­po­si­tion aufgebaut, die sich auf rund 24 Milliarden Dollar belief und die Bank damit zu einem der größten Wall­street-Player machte. Das Risiko für die UBS war entsprechend gestiegen. In ihrem internen Bericht wiesen die beiden Risiko­ex­perten darauf hin, dass der Bereich PFCA & CRE zwar hohe Gewinne eingefahren habe, dies aber auf der Basis von aggressiven und im Detail nicht nachvol­lziehbaren Han­delsstrate­gien mit neuen Produkten, für die Er­fahrungswerte fehlten.

„Die Wall-Street-Tüftler in ihren com­put­er­isierten Handelsräumen hatten Schrott in Gold verwandelt.“

Die obersten Ve­r­ant­wortlichen, in diesem Fall Kreditchef Marco Suter und Chief Risk Officer Walter Stürzinger, waren ab Herbst 2002 im Bilde. Sie beschlossen jedoch, die UBS weiter auf Wach­s­tum­skurs zu halten und die Hinweise auf ein so genanntes Klumpen­risiko zu ignorieren. Mehr noch: Den beiden Risiko­ex­perten wurde nahegelegt, sich einen neuen Job zu suchen.

Der Hintergrund

Seit einigen Jahren hatten die Bürger in den USA Zugriff auf billiges Geld mit niedrigen Zinsen. Ein Hy­pothek­endar­lehen zu erhalten, um ein Haus zu kaufen, war für beinahe jedermann problemlos möglich. Den Banken gelang es, bildlich gesprochen, Exkremente zu verpacken und sie als Gold zu verkaufen. Denn nichts anderes war der Handel mit US-Hy­potheken­pa­pieren, der schließlich in der Sub­prime-Krise endete. In diesen Papieren befanden sich min­der­w­er­tige Kredite aus überbe­w­erteten Immobilien, Stu­den­ten­dar­lehen, Auto- und Kon­sumkred­iten und Kred­itkarten­schulden. Sie wurden mit anderen, risikoärmeren Krediten gemischt und in einzelnen Scheibchen, von Rat­ing-Agen­turen als besonders sicher bewertet, verkauft.

„Die UBS hatte sich in einen riesigen Durch­laufer­hitzer verwandelt. Auf der einen Seite strömten die Milliarden der vermögenden Anleger aus der ganzen Welt in die Fi­nanz­mas­chine hinein, auf der anderen landete ein Teil des Geldes in un­durch­sichti­gen Fi­nanzkon­struk­ten.“

Auf dem entsprechen­den Markt war die Gier nach solchen Papieren enorm, auch wenn kaum jemand mehr erkannte, welche Risiken darin verpackt waren. Die Kreationen an Fi­nanz­mark­t­pro­duk­ten hießen CDO, ABS, RMBS oder CMBS; ihre künftige Entwicklung war kaum vorherse­hbar und für Außenstehende ohnehin nicht zu begreifen. Diese Papiere galten manchen als ebenso sicher wie Staat­san­lei­hen, nur mit größeren Zinserträgen. So behielten sie viele Banken in ihren eigenen Büchern, mit horrend hohen Positionen.

Die UBS als Hedgefonds

2004 hatte sich die UBS im In­vest­ment­bank­ing in den USA, Europa und Asien innerhalb weniger Jahre auf die Plätze 8, 3 und 5 vorgear­beitet. „Vision 2010“ war die Bezeichnung für die Wach­s­tumsstrate­gie, die auf einen der ersten Plätze im globalen In­vest­ment­geschäft abzielte. Geleitet wurde das In­vest­ment­bank­ing von John Costas und seiner rechten Hand, Mike Hutchins. Beide waren exzellente Kenner der neuen Materie, hatten den Umsatz im US-Zin­sen­geschäft innerhalb weniger Jahre um 250 % gesteigert und der Bank – wie auch sich selbst – immense Gewinne beschert. Zusammen hatten sie eine Maschinerie geschaffen, die nur sie selbst wirklich durch­schauten und sonst niemand in der gesamten UBS.

„Die reiche UBS mit ihren Millionen von Kunden in aller Welt sollte die Trägerrakete für die In­vest­ment­bank auf ihrem Weg zum Mond sein.“

Ab 2003 war die UBS im Geschäftsbereich In­vest­ment­bank­ing immer größere Risiken eingegangen und verfügte bald über bis zu 50-mal mehr Fremd- als Eigenkap­i­tal – wie ein Hedgefonds. Die Bilanzsumme schnellte nach oben, und gle­ichzeitig galt die UBS nach wie vor als eine der sichersten Banken der Welt. Die Bewertungen der Rat­ing-Agen­turen waren erstklassig, Kun­den­gelder flossen weiterhin in Strömen, und zwar wiederum in das US-In­vest­ment­geschäft. Das Ergebnis waren Zinserträge, die ein enormes Ausmaß erreichten, aber auch ein Haufen Ver­schul­dun­gen in un­durch­sichti­gen Fi­nanzkon­struk­ten. Dem UBS-Ver­wal­tungsrat schien die Konzen­tra­tion auf risiko­r­e­iche Papiere in hoher Auflage wenig Sorgen zu bereiten.

Die UBS dreht weiter auf

2005 war die UBS eine der beiden größten Uni­ver­sal­banken der Schweiz, zudem zählte sie zu den wichtigsten Vermögensver­wal­terin­nen (Private Banking) weltweit. Auch im In­vest­ment­bank­ing gehörte sie zu den Besten an der New Yorker Wall Street. Nach und nach machte die Un­ternehmensleitung publik, dass es das Ziel der UBS sei, zur führenden In­vest­ment­bank aufzusteigen. Das war für ein als risikoavers und konservativ geltendes Schweizer Bankhaus be­merkenswert, denn der klassische Kunde der UBS war eher an stabiler Vermögensver­wal­tung in­ter­essiert und dürfte das immer stärkere Engagement der UBS im Risikogeschäft und die damit ein­herge­hende Ver­schul­dung nicht gerade positiv bewertet haben.

„Die SNB übernahm das Risiko, um einen Sys­temkol­laps zu verhindern.“

Im Juli 2005 gründete die UBS sogar einen eigenen Hedgefonds, Dillon Read Capital Management (DRCM). Damit lagerte sie ihr Geschäft aus dem Bereich PFCA & CRE aus. Nur: DRCM wurde von der UBS finanziert. John Costas und Mike Hutchins leiteten diesen bank­in­ter­nen Hedgefonds und nahmen rund 120 Mitarbeiter mit. Das war für die Bank mit dem Image einer sicheren Festung eine Wendung um 180 Grad. So mancher Fi­nanz­mark­t­beobachter wurde stutzig. Doch Ver­wal­tungsrat­spräsident Marcel Ospel tat in Interviews alles, um seine UBS weiterhin als vorsichtig und risikoarm zu präsentieren.

„Den Zeitpunkt für einen Neuanfang hat die Bank im Frühling 2008 verpasst.“

Obwohl sich die Schweizer Na­tion­al­bank (SNB) ab 2004 wiederholt besorgt äußerte und die UBS-Führung um Stel­lung­nah­men bat, wurden Zweifel zerstreut. Die Sorge der SNB bezog sich auf die zunehmende Schere zwischen der wachsenden Bilanzsumme und dem schrumpfenden Eigenkap­i­tal der UBS. Die Un­ternehmensführung muss zu diesem Zeitpunkt das Risiko gekannt haben, das sich in ihren Papieren und Büchern verbarg, doch sie hielt weiter am Wach­s­tum­skurs fest, den sie sich auch von zwei großen Be­ratungsin­sti­tuten (McKinsey und Mercer Oliver Wyman) bestätigen ließ.

A-Team gegen B-Team

Die UBS nahm auf ihrem fatalen Kurs weiter Fahrt auf. Nachdem Costas und Hutchins ihr Know-how und ihre Milliarden in den Dil­lon-Read-Hedge­fonds trans­feriert hatten und weiter als so genanntes A-Team sagenhafte Gewinne einfuhren, machte sich ein neues Team als Nachfolger in der UBS-In­vest­mentsparte startklar.

„Bankge­heim­nis und blühendes Off­shore-Bank­ing bedingen sich gegenseitig.“

Dieses B-Team eiferte dem A-Team nach – nur wusste es nicht so genau, was es tat. Binnen weniger Monate baute es neue Vorräte von rund 50 Milliarden Dollar an US-Hy­potheken­pa­pieren an. Fatal daran war, dass auf diese Weise viele der noch immer als sicher geltenden Papiere in den eigenen Büchern landeten. Die Risiko­prozesse der UBS zur Prüfung der von der Bank gehaltenen Risiken waren zu diesem Zeitpunkt bereits unwirksam, denn hier wurde hauptsächlich auf das Rating der Papiere geachtet, und das war meist „AAA“, also her­vor­ra­gend. Andere Kriterien wurden nicht geprüft.

Erster Alarm

Anfang des Jahres 2007 bekam die Bank den ersten Dämpfer auf der Gewinne-und-Boni-Party. Einige der verbrieften US-Hy­potheken­pa­piere stürzten rasant ab. John Costas sendete ein Notsignal nach Zürich, in dem er einen Abschreiber von rund 40 Millionen Dollar bekannt gab. Doch die Talfahrt des Hedgefonds hatte gerade erst begonnen. Ende April beschloss CEO Peter Wuffli den Hedgefonds zu schließen, was die UBS weitere 314 Millionen Dollar kostete, Abfind­ung­sprämien inklusive. Das Unverständliche in dieser Situation: Das UBS-B-Team kaufte weiter fleißig Hy­potheken­pa­piere, während andere Finanzhäuser wie die Deutsche Bank oder Goldman Sachs versuchten, sich von ihren Positionen zu trennen. Niemand schien den Ernst der Lage zu erkennen.

Der Crash

Im Sommer 2007 kollabierte der Markt dann spürbar: Zwei Hedgefonds von Bear Stearns wurden geschlossen, Sub­prime-Pa­piere konnten nur noch zu Tief­st­preisen verkauft werden, und der UBS wurde klar, dass sie mehr Eigenkap­i­tal benötigte. Sie glaubte allerdings immer noch, weniger gefährdet zu sein als andere Banken. Dennoch führte die Gemengelage im Sommer dazu, dass CEO Peter Wuffli seinen Hut nehmen musste – inwieweit man ein fi­nanzielles Debakel da schon ahnte, bleibt unklar.

„Als teil­ver­staatlichter Koloss mit beschädigter Marke droht der UBS ein Dasein als Dinosaurier, der sich bald überlebt haben könnte.“

Ab August ging es Schlag auf Schlag: Der neue CEO Marcel Rohner gab der Schweizer Bankenkom­mis­sion zu verstehen, dass die UBS aktuell mit mehr als 107 Milliarden Franken in Form von verseuchten Papieren verschuldet war. Das war mehr als das Doppelte des Eigenkap­i­tals. Anfang Oktober knallte es dann auch öffentlich: Rohner musste einen Abschreiber von vier Milliarden Dollar verkünden, wenige Wochen später folgte ein weiterer in der Höhe von zehn Milliarden Dollar: wertloser Müll, der aus der Bilanz entfernt werden musste. Die UBS brauchte nun dringend Hilfe; ihr Schiff war leck­geschla­gen und sie hatte dies einge­s­tanden. Sie fand den Retter in der Not in Form zweier Investoren aus Singapur und dem arabischen Raum. Diese halfen mit rund 13 Milliarden Franken aus. Doch die Abwärtsspirale ging weiter: Anfang April 2008 musste die UBS ein weiteres Loch von 19 Milliarden Dollar verkünden. Die Banke­nauf­sicht bedeutete dem UBS-Präsidenten Marcel Ospel, dass es besser sei, abzutreten.

Vor Gericht in den USA

Noch 2007 war die UBS mit 1294 Milliarden Franken an Kun­den­geldern die weltweit unum­strit­tene Nummer eins im Private Banking. Doch im April 2008 begann in den USA das Debakel um die Geschäfte mit US-Bürgern. Die Schweizer Bank hatte sich jahrelang wissentlich in einer rechtlichen Grauzone bewegt und hohe Gewinne durch die Verwaltung nicht deklar­i­erter Vermögen von US-Bürgern eingefahren. In den USA wurde gegen die Aktivitäten der UBS im Off­shore-Geschäft ermittelt. Einer der UBS-Top­ber­ater, Bradley Birkenfeld, wurde verhaftet. Seine Aussagen und Unterlagen bewiesen, dass die UBS jahrelang US-Gesetze umgangen hatte. In der Folge musste die Bank ihren Geschäftsbereich Private Banking aufgeben und schließlich Kundendaten an die US-Behörden aushändigen.

Quo vadis, UBS?

Der neue Ver­wal­tungsrat­spräsident Peter Kurer musste im Oktober 2008 einen Ret­tungs­plan von Schweizer Staat und Na­tion­al­bank annehmen, um die UBS vor dem Untergang zu bewahren. Es ging um 68 Milliarden Franken, also rund 15 % des Schweizer Brut­toin­land­spro­dukts, die der Staat bzw. die Steuerzahler aufbringen mussten, um die Bank zu retten und einen Sys­temkol­laps der Wirtschaft zu verhindern. Die UBS ist quasi teil­ver­staatlicht worden. Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten.

Über den Autor

Lukas Hässig ist Bankkauf­mann, Journalist und Autor und ein intimer Kenner der Schweizer Bankenszene. Als Wirtschaft­sredak­teur arbeitete er für die Son­ntagsZeitung, für Finanz und Wirtschaft, Facts und Die Weltwoche. Für den Flughafen Zürich leitete er zwei Jahre lang den Bereich Corporate Com­mu­ni­ca­tions.