Auch der Strategieprozess muss optimiert werden
Führen Ihre Strategien häufig nicht zum erhofften Erfolg? Mit diesem Problem stehen Sie nicht allein da. Knapp die Hälfte der im Jahr 2006 im Rahmen einer Studie befragten Manager erklärten, sie hätten kein System, nach dem sie ihre Strategie umsetzten. 73 % von ihnen hielten ihre strategische Leistung denn auch nur für maximal durchschnittlich. Immerhin hat sich im Vergleich zu einer Vorläuferstudie zehn Jahre zuvor etwas verbessert: 54 % der Befragten folgten 2006 bei der Umsetzung ihrer Strategie nun wenigstens einem Prozess. Und von diesen wiederum gaben 70 % an, ihre Leistung liege über der ähnlicher Unternehmen. Im Klartext heißt das: Die Mehrheit derjenigen, die bei der Strategieumsetzung einem Prozess folgen, sieht sich als Gewinner; wohingegen die Mehrheit derjenigen, die das nicht tun, sich als Verlierer sieht. Offenbar lohnt es sich also, bei der Umsetzung der Strategie nach festen Regeln vorzugehen. Schon der Entwicklung Ihrer Strategie sollten Sie den Raum geben, der ihr gebührt – in der Firmenstruktur ebenso wie in der Finanzplanung und in den Prozessen.
Erste Phase: Die Strategie entwickeln
Wer nicht weiß, wohin er will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er nirgends ankommt. Dieser bei Beratern und Coachs beliebte Satz gilt auch und gerade für die Strategie Ihres Unternehmens. Deren Fundament sind die Mission, die Vision und die Werte. Diese Aspekte geben die Richtung vor, in die Sie mit Ihrer Strategie stoßen wollen.
- Die Mission zeigt, wozu es Ihr Unternehmen überhaupt gibt. Etwa „um die Informationen der Welt zu organisieren und allgemein zugänglich und nutzbar zu machen“, so das Leitbild von Google.
- Mit der Vision legen Sie mittel- bis langfristige Unternehmensziele fest und sagen, in welcher Zeit Sie diese erreichen wollen, wie z. B. US-Präsident John F. Kennedy 1961: Wir wollen „vor dem Ende dieses Jahrzehnts einen Mann auf den Mond und wieder sicher zurück zur Erde bringen“.
- Die Werte teilen Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten mit, was dem Unternehmen wichtig ist und welches Verhalten sie von ihm erwarten können. Die kanadische Buchhandlungskette Indigo erklärt beispielsweise, sie wolle Freude in das Leben ihrer Kunden bringen und deren Bedürfnisse voraussehen. Zudem wolle sie hervorragende Leistung bringen und für ihre Mitarbeiter ein Arbeitsumfeld schaffen, das Wissen und Wachstum bietet.
„Mit einem förmlichen System zur Strategieumsetzung ist die Erfolgswahrscheinlichkeit zwei- bis dreimal höher als ohne ein solches System.“
Sie kennen nun die Richtung. Als Nächstes bestimmen Sie, welche Strategie daraus konkret hervorgeht. Eine Strategy-Map hilft Ihnen, wie auf einer Landkarte mit einem Blick zu erfassen, welche Ziele und Strategien Ihr Unternehmen verfolgt und auf welchen Werten, Visionen oder Selbstverpflichtungen diese beruhen. Analog zur Balanced Scorecard berücksichtigt auch die Strategy-Map vier Perspektiven:
- Die Finanzperspektive zeigt anhand von Kennziffern wie Kapitalrentabilität, Betriebsergebnis, Einnahmen pro Kunde oder Stückkosten das materielle Ergebnis.
- Die Kundenperspektive beruht auf Messgrößen wie Zufriedenheit, Kundenbindung oder auch dem Wertversprechen gegenüber ausgewählten Kundengruppen.
- Die Prozessperspektive zeigt, welche Geschäftsprozesse maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass Sie Ihre Kunden- und Finanzziele erreichen.
- Die Mitarbeiterperspektive macht deutlich, welche Mitarbeiter und welches Know-how am meisten Wert schöpfen.
„Was man nicht messen kann, kann man nicht verbessern.“
Um Ihre Strategielandkarte zu füllen, müssen Sie einiges an analytischer Arbeit leisten – immer mit Blick auf die Faktoren, die den Erfolg Ihres Unternehmens beeinflussen: politische, wirtschaftliche, rechtliche, soziale und technologische.
Zweite Phase: Die Strategie übersetzen
Die zweite Phase des Strategieprozesses besteht darin, die strategischen Themen aufzuschreiben und mithilfe der Strategy-Map grafisch abzugrenzen. Mögliche Themen sind etwa Verbesserung der Produktivität oder Wachstum durch Innovation. Fertigen Sie für wichtige Strategien ruhig eigene Strategy-Maps an. Nun werden Sie auch konkret: Sie bestimmen die strategischen Ziele inkl. aller Messgrößen und Zielwerte sowie die dafür nötigen Initiativen und Budgets.
„Die Festlegung bestimmter Zielwerte für die strategischen Ziele ist eine Ermessensentscheidung, insbesondere wenn sie zum ersten Mal vorgenommen wird.“
Damit die Ziele Wirklichkeit werden können, müssen Sie festlegen, wann das überhaupt der Fall ist. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Definieren Sie, was genau Sie in den nächsten drei bis fünf Jahren erreichen wollen. Vergleichen Sie die derzeitige Lage mit Ihrer Vision, den Ist- mit dem Sollzustand. Aus den Strategy-Maps leiten Sie handfeste Vorgaben ab und erstellen entsprechende Balanced Scorecards – für Abteilungen oder auch, im Fall strategisch wichtiger Funktionen, für einzelne Mitarbeiter.
„Viele Unternehmen weisen darauf hin, dass es bei ihnen bereits zu viele Initiativen gibt und dass sie nicht über die Finanzmittel oder Mitarbeiter verfügen, um noch zusätzliche Initiativen in Angriff zu nehmen. Genau dies ist der Grund, warum Unternehmen erst ihre Strategie entwickeln sollten, ehe sie Entscheidungen über Initiativen treffen.“
Bei der fiktiven Consumer Bank soll beispielsweise eine Wertlücke zwischen Ist- und Sollzustand geschlossen werden, indem man hochwertige Kunden akquiriert und bindet, die Kundenbeziehung besser pflegt und Produktivität und Kundentreue durch hervorragende Leistungen erhöht. Als Kennziffern legt die Bank neben der Zahl der wertvollen Kunden auch die jährlichen Kosten und Einnahmen pro Kunde fest. Ein anderes Beispiel: Der Bürokommunikationshersteller Ricoh legt für das Thema Kundendienst neben einer 50%igen Verbesserung der Nettoeinnahmen als finanzielles Unterziel fest, dass die Einnahmen pro Kunde um 20 % steigen sollen. Nur mit solch konkreten Vorgaben wissen Sie, wo es hingehen soll, und können den Erfolg prüfen.
„Die Themen bieten eine Struktur, durch die sich die Strategie innerhalb und außerhalb des Unternehmens leicht kommunizieren lässt und die bei der Entwicklung von Messgrößen, Zielwerten und Initiativen hilft, welche Leistung und Verantwortung fördern.“
Nun überlegen Sie, was Sie tun müssen, um Ihre Strategie umzusetzen. Achtung: Viele Unternehmen machen den Fehler, die ersten Initiativen schon anzustoßen, bevor die Strategie fertig ausgearbeitet ist – am Ende haben sie dann zu viele offene Baustellen. Erledigen Sie eins nach dem anderen. Schließlich müssen Sie Ihre Aktionsprogramme ja auch finanzieren – das sollten Sie ebenfalls vorher planen. Jetzt ist es außerdem an der Zeit, Verantwortliche für die verschiedenen strategischen Themen zu bestimmen. Denen können Sie nun auch konkrete Ziele an die Hand geben.
„Strategy-Maps und die Balanced Scorecard sind hervorragende Instrumente, um einer Unternehmenszentrale zu helfen, viele Organisationseinheiten an der Strategie auszurichten, um eine herausragende Wertschöpfung zu erzielen.“
Die Frage, wer verantwortlich ist, ist alles andere als gleichgültig für den Erfolg Ihrer Strategie. Natürlich gibt es in jedem Unternehmen Verantwortliche, die dafür sorgen, dass die Prozesse in ihrem Bereich laufen und den gewünschten Erfolg bringen. Damit aber Ihre Strategie wirklich aufgeht, sollten Sie eine eigene Fachabteilung für den Strategieprozess einrichten. Machen Sie fortan das Büro für Strategiemanagement dafür verantwortlich, die übergreifenden Strategien Ihrer Strategy-Map voranzubringen. Statten Sie sie dafür mit ausreichend finanziellen Mitteln aus.
Dritte Phase: Die Organisation ausrichten
Nun besteht ein Unternehmen bekanntlich nicht nur aus Führungskräften. Vielmehr müssen sich alle Mitarbeiter dafür einsetzen, dass ein Plan Wirklichkeit wird. Die Organisation als Ganzes und die einzelnen Einheiten müssen dem gleichen Ziel zustreben. Es gibt hier verschiedene Herangehensweisen: Tata aus Indien etwa gewährt Firmen der Holding weitgehend Autonomie bei deren Strategie. Ihre Strategy-Maps können unterschiedlich aussehen. Dem stehen Unternehmen gegenüber, die ihren Filialen kaum Spielraum lassen, weil bei ihnen eine starke Marke im Vordergrund steht, die sich den Kunden bei jedem Kontakt neu einprägen soll. Die Strategy-Maps dürfen sich in diesem Fall nicht unterscheiden. In den meisten Unternehmen gibt es aber beides: Konzernstrategien, die alle Gesellschaften befolgen, sowie Strategien für die Geschäftsbereiche. Aufgabe des Büros für Strategiemanagement ist es, dafür zu sorgen, dass Linien- wie Stabsabteilungen die strategischen Ziele verfolgen.
„Die Bereitschaft, Strategien aufgrund von Fakten zu hinterfragen und Debatten darüber zu begrüßen, ist das Markenzeichen erfolgreicher Führung.“
Vergessen Sie keinesfalls die einzelnen Mitarbeiter. Jedem von ihnen muss klar sein, welche Strategie für Ihr Unternehmen Vorrang hat und was das für seinen Bereich bedeutet. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe der Vorgesetzten. Diese müssen ihr Wissen effektiv weitergeben. Ein ehemaliger stellvertretender Geschäftsführer von Mellon Investment Manager Solutions in London blieb beim Besuch einer regionalen Filiale stets willkürlich am Schreibtisch irgendeines Mitarbeiters stehen, zog die Strategy-Map aus der Tasche und stellte drei Fragen: ob der Mitarbeiter wisse, was das sei, ob er es erklären könne und welche Auswirkungen das, was er gerade tue, auf eines oder mehrere der Ziele der Liste habe. Binnen Kurzem hatten die Mitarbeiter die Unternehmensstrategie verinnerlicht. Die Ziele und Prämien der einzelnen Mitarbeiter müssen Sie ggf. anpassen. Das Anreizsystem sollte an die persönliche Leistung wie auch an die Erfolge des Geschäftsbereichs sowie des Konzerns gebunden sein.
Vierte Phase: Operative Tätigkeit planen
Die für Ihre Strategie wichtigen Prozesse müssen Sie optimieren. Ihre Strategy-Map hilft Ihnen, bestehende Prozesse zu verbessern und neue zu schaffen. Bei einem Bauunternehmen etwa, das sein Ziel der operativen Exzellenz und Kosteneffizienz zugunsten von Differenzierung und größerer Kundennähe aufgab, wurde ein neuer Prozess nötig: die enge Zusammenarbeit mit den Kunden, um deren Bedürfnisse vorauszusehen.
„Strategien sind üblicherweise drei bis fünf Jahre lang brauchbar.“
In dieser Phase des Strategieprozesses prognostizieren Sie auch Umsatz und Verkaufszahlen und leiten Verkaufs- und operative Pläne ab. Kalkulieren Sie, welche Ressourcen Sie benötigen, um Ihre Kapazität rechtzeitig anpassen zu können. Aufgrund dieser Prognose planen Sie auch Ihr Budget. Aber Achtung: Verwechseln Sie Budgets nicht mit Zielen. Viele Unternehmen benutzen Budgets zur Zielvorgabe. Das ist grundfalsch: Ziele sollen herausfordernd sein, während Budgets realistisch sein müssen, um die Ausgaben kalkulierbar zu machen.
„Unternehmen können eine grundsätzliche Strategieänderung entweder regelmäßig und planvoll vornehmen oder dann, wenn dem Führungsteam bewusst wird, dass die bestehende Strategie nicht länger brauchbar und ein neuer Ansatz erforderlich ist.“
Bei der Überwachung der Qualität Ihrer Prozesse helfen Ihnen so genannte Dashboards, die Schlüsselindikatoren des operativen Geschäfts darstellen. Diese messen ausdrücklich die Leistung der operativen Prozesse und ermöglichen Ihren Mitarbeitern durch die zeitnahe Kontrolle, aus Erfahrungen unmittelbar zu lernen.
Fünfte Phase: Kontrollieren und lernen
Behalten Sie im Auge, welche Ergebnisse Sie erzielen. Bei den operativen Besprechungen geht es um die vergangenen Leistungen und um auftretende Schwierigkeiten. Die Häufigkeit solcher Treffen hängt davon ab, wie rasch Ihnen die nötigen Daten zur Verfügung stehen. In den monatlich oder vierteljährlich stattfindenden strategischen Besprechungen prüfen Sie, wie die Umsetzung der Strategie voranschreitet, und schlagen nötigenfalls Korrekturen vor. Trennen Sie auf jeden Fall strategische von operativen Lagebesprechungen! Sonst werden operative Schwierigkeiten Sie von strategischen Fragen abhalten.
Sechste Phase: Strategie testen und anpassen
Von Zeit zu Zeit sollten Sie zusätzlich besprechen, ob Ihre grundlegenden strategischen Annahmen noch gelten. Sie wissen nun, welche Teile der Strategie funktionieren und welche nicht und ob z. B. die angenommenen Kausalitäten tatsächlich bestehen. Falls nicht, ändern Sie Ihre Strategie – und beginnen Sie den Prozess von Neuem.