Marketing 2020

Buch Marketing 2020

Die elf neuen Zielgruppen – wie sie leben, was sie kaufen

Campus,


Rezension

Latte-Mac­chi­ato-Fam­i­lien, Tiger-Ladys und Greyhopper – so heißen einige der neuen Zielgruppen bzw. Lebensstiltypen, die die Autoren in diesem Buch versammelt haben. Wahrschein­lich kennt jeder aus seinem eigenen Umfeld bereits den einen oder anderen Trendsetter, der hier beschrieben wird. Was Dziemba und Wenzel da recher­chiert und gut lesbar aufbereitet haben, ist erhellend und rich­tungsweisend für das Marketing der Zukunft. Logisch, dass Pro­duk­ten­twick­lung und Werbung auf veränderte Ein­stel­lun­gen, Werte und Leben­sphasen reagieren müssen. Hier erfährt man, wer die Konsumenten der Zukunft sind und welche Wünsche und Vorlieben sie haben. Zwar kann einem die Wortneuschöpfungs-Manie der Autoren mitunter etwas auf die Nerven gehen. Doch das Buch regt dazu an, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und Veränderungen als positiv zu begreifen. BooksInShort empfiehlt es allen Marketing- und Wer­beleit­ern, Pro­duk­ten­twick­lern und Verkäufern.

Take-aways

  • Soziale Schichten sind passé; die Zukunft der Menschen wird von Leben­sphasen geprägt sein.
  • Ein Nebeneinan­der ver­schiedener Erwerbstätigkeiten wird normal.
  • Die Zeit der Familiengründung verschiebt sich weiter nach hinten.
  • „Inbetweens“ leben in einem zeitweili­gen oder dauerhaften Übergangssta­dium und sind hochgradig mobil.
  • „Young Globalists“ planen ihre in­ter­na­tionale Karriere von Jugend an.
  • Für „Com­mu­ni­Teens“ ist ein Leben ohne Internet, Handy, SMS, Instant Messenger und MySpace undenkbar, um Fre­und­schaften zu pflegen.
  • „Latte-Mac­chi­ato-Fam­i­lien“ integrieren ihren hippen City-Sin­gle-Lifestyle in ihr neues Fam­i­lien­leben mit Wunschkind.
  • „Net­zw­erk-Fam­i­lien“ erweitern den bisherigen Fam­i­lien­be­griff von Vater-Mut­ter-Kind um weitere Fam­i­lien­angehörige.
  • „Su­per-Dad­dys“ wollen in der dichtesten Phase des Lebens alles gle­ichzeitig: beruflichen Erfolg und ein erfülltes Fam­i­lien­leben.
  • „Sil­ver­pre­neure“ starten nach dem Rentenalter beruflich noch einmal voll durch oder bleiben ihrem alten Beruf bis ins hohe Alter treu.
 

Zusammenfassung

Leben­sphasen statt soziale Schichten

In der Ver­gan­gen­heit waren die gesellschaftlichen Klassen und Schichten klar definiert und deutlich voneinander abgrenzbar. Mittels Einkommen, Bildung und Stellung im Beruf ließ sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht schnell ermitteln. Ab den 70er- und 80er-Jahren rückten die so genannten „Milieus“ in den Mittelpunkt. Bei dieser Be­tra­ch­tungsweise wurden auch die Werte und das Kon­sumver­hal­ten der Menschen einbezogen. Heute reicht dieser Blickwinkel nicht mehr aus, um die Gesellschaft zu beschreiben. Denn globale Megatrends wie In­di­vid­u­al­isierung, neue Ar­beits­for­men und Alterung führen zu einer tief greifenden Veränderung der Lebensweisen:

  • Die Phase zwischen Jugend und Erwach­se­nen­da­sein verlängert sich erheblich.
  • Familiengründungen erfolgen später: Die Zahl der Erstgebärenden zwischen Mitte und Ende 30 steigt konstant.
  • Mehrfache Familiengründungen im Laufe eines Lebens werden beinahe normal.
  • Es entstehen neue Familien- und Beziehungsmod­elle.
  • Oft herrscht ein lebenslanges Nebeneinan­der ver­schiedener Berufe und Beschäfti­gungs­for­men vor.
  • Die Rentenphase ist häufig Sprungbrett für ein neues Durch­starten.
  • Die aktuelle Situation eines Menschen ist entschei­den­der als seine soziale Zugehörigkeit. Die Lebensphase wird bestimmend für Konsumwünsche, Bedürfnisse und Interessen.
„Marketing 2020 heißt: Ab­schied­nehmen von Mi­lieu­denken und klassischer Mark­t­forschung.“

Starre Lebens­muster sind Ver­gan­gen­heit, die klassischen Zielgruppen ebenso. Wer heute Mark­t­forschung betreibt, muss sich die Lebensstile ansehen, denn Alter und Einkommen allein sagen nichts mehr aus über Konsumwünsche und Bedürfnisse.

Die junge Generation im 21. Jahrhundert

Elf Lebensstiltypen werden an Bedeutung gewinnen und eine Vor­re­it­er­rolle für neue Produkte und das Kon­sumver­hal­ten einnehmen. In der Jugendphase sind dies:

  • Com­mu­ni­Teens: 3,2 Millionen Com­mu­ni­Teens lassen sich aktuell in Deutschland ausmachen. 2020 werden des bereits rund 3,8 Millionen sein. Um sich den An­forderun­gen der mobilen Gesellschaft und des Erwach­se­nen­lebens zu stellen, benötigen diese jungen Menschen soziale Kontakte, intakte Netzwerke und den permanenten Anschluss an Freunde. Das gelingt ihnen durch Mo­bil­tele­fon, SMS, Portale und Plattformen wie YouTube, StayFriends oder MySpace, Blogs und Instant Messengers. Bei der Me­di­en­nutzung ist In­ter­ak­tivität angesagt: Wikipedia ist top, statische Angebote hingegen sind Flops. Auch Aus­land­saufen­thalte, Praktika und un­ter­schiedliche Lebensen­twick­lun­gen überstehen die Com­mu­ni­Teens, ohne ihre Freunde aus den Augen zu verlieren. Virtuelles Leben und echtes Leben gehen bei ihnen eine selbstverständliche Verbindung ein. Das gilt für die Kom­mu­nika­tion ebenso wie für Konsum und Lernen.
  • Inbetweens: Zurzeit schätzt man ihre Zahl auf rund 1,7 Millionen. Für 2020 wird mit rund 2,9 Millionen gerechnet. Inbetweens zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwischen allen Stühlen sitzen, beruflich wie privat. Sie haben noch keine Familie und schon gar keinen festen Job. Die meisten hangeln sich von Praktikum zu Hospitanz oder befristeter Anstellung mit Ausblick auf mehr. Es kann sich aber auch um eine Phase zwischen zwei festen Anstel­lun­gen in un­ter­schiedlichen Branchen handeln. Inbetweens befinden sich in einem schon fast dauerhaften Übergangssta­dium. Sie wissen um die Notwendigkeit lebenslan­gen Lernens und schätzen Jobs mit Selb­stver­wirk­lichungspoten­zial. Sie brauchen Produkte, die ihnen ihre zwangsläufige Mobilität erleichtern. Sie meiden finanzielle oder materielle Verbindlichkeiten. An­der­er­seits haben sie ein Bedürfnis nach bleibenden Werten oder Objekten, die un­ter­schiedliche Phasen der Sesshaftigkeit überdauern können.
  • Young Globalists: 1,3 Millionen von ihnen lassen sich aktuell ausmachen. 2020 werden es rund 2,5 Millionen sein. Sie sind gebildete Weltbürger ohne Star-Allüren und auf der ganzen Welt zu Hause. Sie haben sich den Globus schon früh und sys­tem­a­tisch zur eigenen Wes­t­en­tasche gemacht, gezielt weltweit Kontakte aufgebaut und gepflegt, ihre Lebensläufe in­ter­na­tional aus­gerichtet. Für sie ist globales Denken, Leben und Kom­mu­nizieren an der Tage­sor­d­nung. Sie ziehen ihre Selbstbestätigung aus einem er­fol­gre­ichen in­ter­na­tionalen Berufsleben, für das sie früh alle Weichen stellen, dem Internet sei dank. „Job = Selb­stver­wirk­lichung“, könnte ihr Motto heißen. Ausgleich finden sie in stabilen Beziehungen. Sprachange­bote und Global Shopping sowie Di­en­stleis­tun­gen aller Art, die ihr Zeitbudget schonen, werden von Young Globalists gern angenommen.

Familie 2.0 – so kann sie aussehen

Der Wunsch nach Familie, nach Gebor­gen­heit und Sicherheit, bleibt. Aber Familie wird in Zukunft anders aussehen als die klassische Einheit Vater-Mut­ter-Kind, wie diese neuen Fam­i­lienkon­stel­la­tio­nen zeigen:

  • Latte-Mac­chi­ato-Fam­i­lien: Von ihnen gibt es derzeit rund 1,9 Millionen. Bis 2020 werden es rund 2,6 Millionen sein. Sie leben in der Stadt (z. B. Prenzlauer Berg in Berlin oder Notting Hill in London) und versuchen mit Wun­schkindern ihr hippes Stadtleben auch als neu gegründete Familie beizube­hal­ten. Die Kinder sind bei vielen Aktivitäten dabei, und abends springt der Babysitter ein. Die Eltern sind gebildet, oft beide im Beruf. Kurze Arbeits- und Kinder­garten­wege sind wichtig, genauso wie Bioprodukte für den Nachwuchs. Alles, was hilft, Zeit zu sparen, ist bei Latte-Mac­chi­ato-Fam­i­lien willkommen.
  • VIB-Fam­i­lien: Rund 1,7 Millionen „Very-Im­por­tant-Baby-Fam­i­lien“ gibt es zurzeit. 2020 werden es rund 2,4 Millionen sein. Die Eltern dieser Babys sind Mitte bis Ende 30 und beruflich etabliert. „Erst Karriere, dann Kind“, so könnte ihr Motto heißen. Für den Nachwuchs wird in Sachen En­twick­lungsmöglichkeiten, Ausbildung und Förderung alles getan. Das Kind und dessen Erfolg sind Sta­tussym­bole. VIBs haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch und Lebens­stan­dard. Service auf allen Ebenen, z. B. ein mehrsprachig und pädagogisch aus­ge­bildetes Kindermädchen, ist sehr gefragt.
  • Net­zw­erk-Fam­i­lien: Rund 2,8 Millionen Net­zw­erk-Fam­i­lien kann man aktuell iden­ti­fizieren. Bis 2020 werden es rund 4,2 Millionen sein. Sie ersetzen die eher zwanghaft zusam­mengestell­ten Patch­work-Fam­i­lien und bilden eine Neuauflage der früheren Großfamilie. Zur Net­zw­erk-Fam­i­lie gehören einstige Ehepartner genauso wie Verwandte oder nahe stehende Freunde un­ter­schiedlicher Kreise. Produkte wie mitwach­sende Häuser oder Di­en­stleis­tun­gen wie „Kinder allein auf Tour“ (Be­gleit­pro­gramm der Deutschen Bahn) werden sehr gefragt sein.

Die Zielgruppen des mittleren Alters

Es ist die „Rushhour“ des Lebens: Erwerbstätigkeit und Fam­i­lien­leben wollen gle­ichzeitig gemanagt werden.

„An die Stelle der Nor­mal­bi­ografie treten zukünftig Multi­grafien.“

Dabei kommt es zu diesen Lösungsmöglichkeiten:

  • Su­per-Dad­dys: Rund 2,9 Millionen Su­per-Dad­dys kann man aktuell iden­ti­fizieren. Bis 2020 werden es rund 3,8 Millionen sein. Sie wollen in der dichtesten Phase des Lebens alles, und zwar gle­ichzeitig: beruflichen Erfolg, ein erfülltes Fam­i­lien­leben, ihre Rolle als Vater und ihre persönliche Selb­stver­wirk­lichung. Die neuen Männer wollen bessere Väter sein, als ihre eigenen es waren. Sie wollen der Vaterrolle voll gerecht werden und widmen sich sehr viel mehr als früher der Erziehungs- und Gefühlsarbeit in der Familie. Auch vor Haushalts- und Einkauf­sentschei­dun­gen machen sie nicht mehr Halt. Einkaufen für Vater und Kind unter einem Dach ist in den USA daher bereits der Renner.
  • Tiger-Ladys: Diese Damen wollen alles: Selbstständigkeit und Selb­stver­wirk­lichung, erfüllte Part­ner­schaft und er­fol­gre­iches Berufsleben. Dabei dringen sie ganz selbstverständlich in bislang männliche Jobdomänen vor. Sie sind häufig um die 40, bereits Mutter und starten beruflich voll durch, ohne sich von Ehemännern oder einengenden Beziehungen bremsen zu lassen. Sie wissen ihr Potenzial auszuschöpfen, bewusst und mit Freude. Sie sind selbstständig und keineswegs auf die finanzielle Unterstützung eines Mannes angewiesen. Derzeit lassen sich rund 2,8 Millionen Tiger-Ladys ausmachen. 2020 werden es schon rund 4,3 Millionen sein.

Senioren von morgen

Die Generation der neuen Alten gestaltet ihr Leben weiterhin aktiv und erobert sich neue Bereiche. Bis 2030 wird rund ein Drittel der Bundesbürger älter als 60 Jahre sein. Drei Lebensstiltypen lassen sich hier iden­ti­fizieren:

  • Sil­ver­pre­neure: Aktuell gibt es rund 4,2 Millionen Senioren, die zu den Sil­ver­pre­neuren zählen. 2020 werden es rund 6,3 Millionen sein. Sil­ver­pre­neure scheren sich nicht darum, dass sie bereits das offizielle Rentenalter erreicht haben. Sie machen beruflich weiter wie bisher, sei es ehre­namtlich, im Nebenerwerb, durch Beginn eines Studiums oder durch die erneute Gründung eines Un­ternehmens. Für sie ist Arbeit ein Lebenselix­ier. Sil­ver­pre­neure möchten etwas Sinnvolles tun, ihren Horizont erweitern. So lassen sie sich z. B. als „Senior Experts“ für un­ter­schiedlich­ste Projekte weltweit einsetzen, in denen ihre Erfahrung gefragt ist. Sil­ver­pre­neure stehen neuen Tech­nolo­gien sehr aufgeschlossen gegenüber, sie verfügen über ein großes soziales Netzwerk, und die typischen Se­nioren­klis­chees (Langeweile, Tech­nikferne, Einsamkeit) belächeln sie. Sie sind wis­sens­durstig und in­for­ma­tion­shun­grig. Auch für Sport und neue Medien, wie beispiel­sweise für die Nintendo Wii-Konsole, sind sie keineswegs zu alt. Im Gegenteil: Das Gerät ist in zahlreichen US-Al­tenheimen der Renner für die Bowling- und Ten­nis-Sim­u­la­tion.
  • Su­per-Grannys: Derzeit zählen rund 4,1 Millionen Seniorinnen zu den Su­per-Grannys. 2020 werden es rund 6,2 Millionen sein. Su­per-Grannys sind er­fol­gre­iche, aktive und vitale Frauen jenseits der 55. Sie haben ein Leben als Ehefrau, Mutter und oft auch als Berufstätige erlebt und starten im Ruhestand noch einmal richtig durch, befreit von Mut­ter­da­sein, Ehe­frau­rolle oder Kar­ri­ere­frau-Er­fol­gszwang. Mit ihrem Alter gehen sie realistisch und pragmatisch um, es ist für sie kein Problem. Sie kleiden sich modisch und nutzen Kosmetika sowie Wellness- und Sportak­tivitäten. Reisen, Kultur und anspruchsvolle, beratende Werbung treffen bei Su­per-Grannys ins Schwarze (Beispiele: die Dove-Kam­pagne, 50-plus-Ho­tels, Stu­dio­sus-Reisen).
  • Greyhopper: Aktuell gibt es rund 4,9 Millionen Greyhopper, 2020 rechnet man mit rund 6,1 Millionen. Greyhopper wagen im Ruhestand einen neuen Aufbruch, und zwar auf sportlich-körper­lich-geistiger Ebene. Sie können männlich oder weiblich sein und versuchen, sich die mentale wie körperliche Fitness bis ins hohe Alter durch eine aktive und aus­geglich­ene Lebensweise zu bewahren. Ob Marathon-Teil­nahme, Sportarten wie Snow­board­ing oder Moun­tain­bik­ing – für nichts fühlt sich der Greyhopper zu alt. Dabei achtet er auf eine ausgewogene biologische Ernährung, lebt ökologisch und hält sich in Bewegung. Nur den Austausch mit Gle­ichal­tri­gen meidet er, da er mit Lamentieren über Alter und Krankheit nichts anfangen kann. Greyhopper lieben einfache, qualitativ gute Produkte, die In­di­vid­u­alität ermöglichen. Sie kaufen via Internet ebenso ein wie auf dem Wochenmarkt oder im Geschäft. Reisen, die mit körperlicher Aktivität verbunden sind (Kil­i­mand­scharo-Bestei­gung, Wanderungen, Safaris), gelten als besonders attraktiv.

Über die Autoren

Oliver Dziemba ist Autor ver­schiedener Zukun­ftsstu­dien und On­line-Redak­teur im Zukun­ftsin­sti­tut von Matthias Horx. Eike Wenzel ist Chefredak­teur des Zukun­ftsin­sti­tuts und Referent sowie Berater für Unternehmen. Er ist auch Koautor der Bücher Zukunft machen und Greenomics.