Afrika kommt

Buch Afrika kommt

Der schwarze Kontinent: Jahrhundertchance für Investoren und Unternehmer

Börsenmedien,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

„Afrika kommt“ – daran lässt Vijay Mahajan keinen Zweifel. Wann genau das der Fall sein wird, lässt der renommierte Sozialun­ternehmer offen. Aber es scheint ihm ohnehin eher um einen grundsätzlichen Gesin­nungswan­del zu gehen als um kleinliche In­ve­storen­in­ter­essen. Seine spannenden Einblicke in den angeblich verlorenen Kontinent ergeben ein Plädoyer für eine neue, dif­feren­ziert­ere Sicht. Die hat der 900-Mil­lio­nen-Ver­braucher-Markt Afrika bestimmt verdient. Konkrete Anlagetipps, wie sie der Untertitel nahelegt, sollte man von Mahajans Buch allerdings nicht erwarten. Von den aller­meis­ten genannten Unternehmen hat man noch nie etwas gehört – und wird das womöglich auch nie wieder, zu klein und willkürlich her­aus­gepickt sind sie. Der Autor, fasziniert von Fall­beispie­len und persönlichen Erfahrungen, läuft immer wieder Gefahr, sich in belanglosen Fun­da­men­tal­daten zu verheddern. Als engagierter Aufruf, sich mit Afrika näher zu beschäftigen, hat das Buch aber trotzdem seine Bedeutung, meint BooksInShort – und empfiehlt es allen privaten und in­sti­tu­tionellen Investoren sowie Entschei­dungsträgern in globalen Unternehmen.

Take-aways

  • Bis jetzt haben einzig Indien und China das Mark­t­poten­zial erkannt, das in Afrika schlummert.
  • Afrikas großes Plus sind fast 900 Millionen Verbraucher, Tendenz stark steigend.
  • Der Kontinent ist nicht so arm, wie man denkt: Ein Dutzend afrikanis­cher Länder haben ein höheres Brut­to­na­tionaleinkom­men pro Kopf als China.
  • Besonders interessant ist die Mit­telschicht „Africa Two“, die ihren Lebens­stan­dard verbessern will und wird.
  • Afrika ist jung. Mehr als zwei Fünftel der Menschen sind noch keine 15 Jahre alt.
  • Rund 100 Millionen Afrikaner im Exil schicken Milliarden Dollars in ihre Heimat.
  • Die großen Probleme – Korruption, Krankheiten und fehlende Grund­ver­sorgung – sind gle­ichzeitig Chancen. Es gibt riesigen Aufholbe­darf.
  • Mo­bil­tele­fone sind Katalysatoren für die Wirtschaft: Andere Unternehmen docken an bestehenden Kun­den­beziehun­gen an.
  • In den Bereichen Autos, Phar­mazeu­tika, Energie- und Wasserver­sorgung ist das Ab­satzpoten­zial besonders groß.
  • Der Tourismus wächst in Afrika schneller als irgendwo sonst auf der Welt.
 

Zusammenfassung

Ein versteckter Riese

Auch China und Indien galten einst als weiße Flecken auf der Landkarte von Investoren: interessant vielleicht aus humanitärer Sicht, aber eben eher ein Sozialfall als eine In­vest­mentchance. Speziell Indien, das eine Reihe gescheit­erter Demokratie-Ex­per­i­mente hinter sich hatte, galt als „vor­pro­gram­mierter Verlust“. Jahrzehnte später denkt das niemand mehr. Auch die afrikanis­che Story ist leicht zu übersehen. Afrikas großes Plus: mehr als 900 Millionen Verbraucher, die langsam, aber sicher Unternehmen, Volk­swirtschaften und Gesellschaften her­vor­brin­gen. Die Her­aus­forderun­gen dabei sind enorm, denn die Probleme des Kontinents reichen von Aids und Malaria über Korruption bis hin zu offenem Krieg.

„Es ist klar, dass jedes globale Unternehmen, das an Wachstum in­ter­essiert ist, Afrika als wesentlichen Teil seines Portfolios betrachten muss.“

Betrachtet man Afrika als Ganzes, ist es die zehntgrößte Volk­swirtschaft der Welt mit einem Brut­to­na­tionaleinkom­men von rund 1000 Milliarden US-Dollar im Jahr 2006. Damit rangiert es praktisch gleichauf mit Indien und bis auf Wach­s­tums­gi­gant China auch vor den anderen, viel gerühmten BRIC-Staaten (BRIC: Brasilien, Russland, Indien, China).

Innen- und Außen­wahrnehmung

Ein Blick auf die Flugpläne von Kenya Airways zeigt, dass sich Afrika vor allem in Richtung Osten orientiert. Die Ner­ven­bah­nen der Fracht- und Pas­sagier­lin­ien führen nach Indien und China, von Nairobi geht’s nach Guangzhou oder Bombay – und zurück. Im Jahr 2007 re­vanchierte sich Chinas Ministerpräsident Hu Jintao für ein in Peking abge­haltenes Gipfel­tr­e­f­fen der afrikanis­chen Länder mit einer Reise durch acht Staaten des Kontinents. Womöglich erkennen Indien und auch China am besten das Mark­t­poten­zial, das in Afrika schlummert, haben sie selbst einstmals doch ganz ähnliche En­twick­lun­gen durchgemacht.

„Jede Volk­swirtschaft hat ihre Prob­lem­zo­nen und man kann nicht das Ganze nach den Ausreißern beurteilen.“

Für Außenstehende mag der fast überall in Afrika verbreitete Optimismus überraschen. Gemäß einer Umfrage der New York Times aus dem Jahr 2007 wähnen sich die meisten Afrikaner in einer besseren Situation als noch fünf Jahre zuvor. In Senegal, Nigeria oder Kenia lag die Quote bei jeweils über 50 %. Auch in Bezug auf ihre Zukunft sind die Afrikaner op­ti­mistis­cher, als man vermutet hat. Eines kam indes ebenfalls heraus: Über 70 % der Äthiopier befanden, dass in der in­ter­na­tionalen Presse nicht angemessen über ihr Land berichtet würde. Das bestätigt den Eindruck, dass sich die Weltöffentlichkeit eher auf die Probleme Afrikas eingeschossen hat, während sich die Afrikaner selbst den überall vorhandenen Chancen widmen.

Gi­gan­tis­ches Bevölkerungswach­s­tum

Auf Basis der Daten des Jahres 2006 liegt das Brut­to­na­tionaleinkom­men des gesamten Kontinents pro Kopf um ein Viertel über demjenigen Indiens. Gleich ein Dutzend afrikanis­che Länder rangieren sogar vor China und insgesamt 20 Staaten vor Indien. Etwa ein Viertel aller Afrikaner leben in Regionen mit einem Wirtschaftswach­s­tum von mehr als 6 % pro Jahr. Ebenfalls fast unbemerkt: Zwei Drittel der afrikanis­chen Länder haben mehr Einwohner als Boomstaat Singapur. Wenn sich die Welt­ge­mein­schaft Staaten wie Singapur oder auf europäischer Ebene Zypern „nicht entgehen lassen“ kann, weshalb werden dann sowohl der afrikanis­che Kontinent als Ganzes wie auch viele her­aus­ra­gende einzelne Länder mit Nicht­beach­tung bestraft? Laut einer Prognose wird die Bevölkerung Europas bis ins Jahr 2050 um 60 Millionen Menschen zurückgehen, die von Afrika jedoch um 900 Millionen wachsen – das wäre sage und schreibe eine Verdopplung.

Mo­bil­tele­fone als Beschle­u­niger

Handy­be­treiber machen es vor: Sie nutzen die Größe des Kontinents und fahren grenzüberschre­i­t­ende Strategien. Afrika ist einer der am schnellsten wachsenden Mobilfunkmärkte der Welt: Marktführer MTN aus Südafrika ist mit­tler­weile in 21 afrikanis­chen Ländern unterwegs. Das bekannte Unternehmen Vodafone hat mehr als 25 Millionen Kunden in Afrika, und die Firma Orascom hat neben ihren 20 Millionen afrikanis­chen Kunden weitere 20 Millionen im Nahen Osten. Ob arm oder reich – die Menschen kom­mu­nizieren. In den offiziellen Zahlen spiegelt sich indes kaum die Wirk­lichkeit wider, denn oft teilen sich viele Nutzer ein Handy. Mo­bil­tele­fone gelten als Beschle­u­niger für die Wirtschaft, da andere Unternehmen an die bestehenden Kun­den­beziehun­gen andocken können.

Probleme sind da, um überwunden zu werden

Echte Probleme können nicht herun­terge­spielt werden; wer in Afrika tätig ist, muss sich ihnen stellen. Korruption ist ein Übel in vielen Ländern des Kontinents. Die informelle Wirtschaft, die so genannte Schat­ten­wirtschaft, belief sich um die Jahrtausendwende Schätzungen zufolge auf 42 %. Unrühmliche Spitzen­re­iter wie Simbabwe, Tansania und Nigeria kommen gar auf Werte zwischen 50 und 60 %. Aber die gleichen Einwände gab es zuvor in China und auch in Indien. Schließlich wurden die Hürden dort doch irgendwie genommen.

Mit dem Zweiten sieht man besser

Unternehmer kennen keine Gnade bei der Einteilung lukrativer Märkte. Global tätige Unternehmen fokussieren die Kaufkraftk­lassen A und B: die Segmente mit den höchsten verfügbaren Einkommen, die Elite­seg­mente – es sind quasi die niedrig hängenden Früchte eines jeden Landes oder auch Kontinents. Auf ein solches „Africa One“ entfallen jedoch nur 5 bis 15 % Marktanteil oder geschätzte 50–150 Millionen Menschen. „Africa Two“ dagegen, das sich aus der Klasse C rekrutiert, umfasst zwischen 350 und 500 Millionen Menschen. Sie streben einen höheren Lebens­stan­dard an und haben gute Chancen, ihn zu erreichen (im Gegensatz zu den niedrigen Klassen D und E). Mit anderen Worten: Die Mit­telschicht Africa Two könnte die künftige Elite des Kontinents oder die Zukunft afrikanis­cher Ver­brauchermärkte sein. Ob bei Bekleidung, Pflege­pro­duk­ten, Banken, Elek­tron­ikar­tikeln oder Fort­be­we­gungsmit­teln: Mehr und mehr global agierende Unternehmen erkennen die Chancen, die Africa Two bietet, und penetrieren die entsprechen­den Märkte. In den Segmenten D und E dagegen entscheidet die „kleinste Münze“, das Produkt mit der niedrigsten Preis­gestal­tung und dem höchsten Nutzwert für den Verbraucher. Viele Artikel kosten nur wenige Cents, was sich für den Hersteller angesichts der Masse an Ver­brauch­ern trotzdem lohnen kann.

Kun­den­beziehun­gen sind das A und O

Wo man keinen Markt vorfindet, muss man ihn eben schaffen – das lernen Unternehmen, die in Afrika erfolgreich tätig sein wollen, tagtäglich. In „Tante-Emma-Läden“ beispiel­sweise können gute Kunden (mitsamt ihrer Familie) anschreiben lassen. Dieser tra­di­tionelle Kredit kommt inzwischen in einer modernen Version zu den Kunden: als form- und zinsloser Kredit, mit dem Banken sich ihre Kunden einfangen. Informelle Märkte müssen formell gemacht werden, wenn man Geschäfte betreiben will. So verspricht eine große afrikanis­che Su­per­mark­tkette ihren Kunden Pay­back-Punkte, die zur Bezahlung des Schulgelds der Kinder genutzt werden können. Und Unternehmen, die No-Name-Pro­dukte oder glatte Fälschungen bei den Straßenhändlern bemerken, reg­istri­eren zunehmend, dass es of­fen­sichtlich einen Absatzmarkt gibt, den man doch gleich besser selbst nutzt: So geht Microsoft gegen Pro­duk­t­pi­ra­terie vor, indem spezielle Bil­liglizen­zen verkauft werden, die z. B. für drei Monate nutzbar sind. Ähnliches gilt für Autos und Phar­mazeu­tika.

In­fra­struk­tur: viel Aufholpoten­zial

Frisches Wasser, zuverlässige Elektrizitätsver­sorgung und für alle verfügbare Medizin: an diesen drei Dingen fehlt es in Afrika, weil die entsprechende In­fra­struk­tur noch nicht existiert. Die positive Sicht: Hier bieten sich riesige Chancen für In­fra­struk­tur­in­vesti­tio­nen. Ob Generatoren, Wasser­pumpen oder sanitäre Anlagen – der Aufbau von Strukturen, die Grundbedürfnisse befriedigen, bietet Spielraum für kreative und prax­is­taugliche Lösungen. Auch Flugge­sellschaften sind in Afrika im Aufwind, indem sie die Segmente Africa One und Africa Two adressieren. Schließlich das Internet: Es ist in Afrika derzeit erst etwa 60 Millionen Menschen zugänglich. Entsprechend groß ist das Potenzial für Telekom-An­bi­eter.

Die Gepar­den-Gen­er­a­tion

Afrika ist ein junger Markt – im wahrsten Sinn des Wortes – und er wird durch die Bevölkerungsen­twick­lung täglich jünger. Mehr als zwei Fünftel der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, im Gegensatz zu Indien mit 33 % und China mit 20 %. Die Lebenser­wartung hingegen liegt nur bei durch­schnit­tlich 53 Jahren.

„Die rund 700 Millionen Menschen in Afrika südlich der Sahara ohne Südafrika haben ungefähr so viel Strom wie die 38 Millionen Menschen in Polen.“

Diese „Gepar­den-Gen­er­a­tion“ hat nicht nur andere Bedürfnisse als die älteren Afrikaner, sie bedient sich auch anderer „Sprachen“, so z. B. der Sprache der Musik und der Sprache des Sports. Beide sind Katalysatoren für die wirtschaftliche Entwicklung, für den sich zunehmend auswei­t­en­den Tourismus und für das Streben nach Bildung. Die Jungen formen heute den Kontinent, und es wird ein anderer sein als jener, den noch ihre Eltern oder gar Großeltern gekannt haben.

Nollywood und Fußball

Nicht nur Internet und Handy feiern ihren Vormarsch, auch die Fil­min­dus­trie wächst rasant. Afrikas Beitrag zur Filmkunst besteht längst nicht mehr nur aus Omar Sharif und Charlize Theron. Nigerias „Nollywood“ ist die stärkste kom­merzielle Macht im afrikanis­chen Film­busi­ness. Der Jahre­sum­satz der über 2000 Filme liegt bei geschätzten 200–300 Millionen US-Dollar. Die Pro­duk­tio­nen sind zwar äußerst billig und bieten oft eine eher dürftige Handlung – Fans jedoch scheinen den Nol­ly­wood-Stil ins Herz geschlossen zu haben, die Nachfrage nach Filmen spricht für sich. Kein westliches Unternehmen des Metiers wäre wohl auf die Idee gekommen, solche Budgetfilme zu drehen – aber sie funk­tion­iert.

„Nigeria besitzt heute nach Hollywood und Bollywood die drittgrößte Fil­min­dus­trie der Welt.“

Als mediales Großereignis steht die Fußball­welt­meis­ter­schaft 2010 im südafrikanis­chen Jo­han­nes­burg vor der Tür. Sie schafft Arbeitsplätze – einmal mehr – beim Aufbau der In­fra­struk­tur und im Tourismus.

Zurück zu den Wurzeln – immer wieder

Ein zunehmend gewichtiger Wirtschafts­fak­tor für Afrika ist die Diaspora. Rund 100 Millionen Afrikaner leben und arbeiten irgendwo im Ausland, schicken aber Jahr für Jahr Geld in ihre Heimat. Und nicht nur das: Sie sind auch Know-how-Träger, die, wenn sie zurückkehren, Afrika bei seinem weiteren Aufstieg helfen. Schätzungen zufolge dürften sich die Überweisun­gen im Ausland lebender Afrikaner im Jahr 2006 auf rund 44 Milliarden US-Dollar belaufen haben. In Somalia beispiel­sweise machten die Zuwendungen aus dem Ausland ein Viertel des Brut­toin­land­spro­dukts aus, in Lesotho ein Fünftel. Nigeria erhält Überweisun­gen in Höhe von rund einem Drittel seiner nicht geringen Öleinnahmen.

„Im Ausland lebende Ghanaer haben im Jahr 2005 den Betrag von 800 Millionen Dollar nach Hause geschickt – mehr als Ghana mit dem Export von Kakao oder Gold eingenommen hat.“

Doch die Emigranten denken nicht nur in der Ferne an die Da­heimge­bliebe­nen, sie reisen auch regelmäßig in die Heimat und tragen damit wiederum zum Tourismus in Afrika bei. Dieser stieg im Jahr 2006 mit 8 % zum zweiten Mal in Folge schneller als in irgendeinem anderen Land der Erde. Die Bedeutung der Diaspora machte nicht zuletzt der ehemalige US-Senator und heutige Präsident Barack Obama deutlich, als er vor der Verkündigung seiner Präsidentschaft­skan­di­datur nach Kenia reiste – in das Heimatland seines Vaters.

Über den Autor

Vijay Mahajan ist Professor für Marketing an der University of Texas in Austin. Mahajan hat sich einen Namen als Gründer der indischen NGO Pradan und Vor­sitzen­der der Gruppe Basix gemacht, die Mikrokred­ite an indische Haushalte vergibt.