Das Leben strebt nach Kreativität und Ordnung
Seit Darwin seine Theorien aufstellte, glaubt die Menschheit, dass das Leben "ein Kampf ums Dasein" sei. Wir sind überzeugt, dass in unserer feindseligen Welt lauter Zufälle passieren und wir um unser überleben kämpfen müssen. Diese falsche überzeugung dominiert unser Leben und hindert uns daran, furchtlos zu forschen und Neues zu schaffen. Die Wahrheit ist aber, dass Leben mit Kreativität zu tun hat, nicht nur mit überleben. Lassen Sie Darwins Theorie einmal ausser Acht: Dann erkennen Sie eine Welt, in der, unendlich kreativ und verspielt, ständig neue Beziehungen entstehen, aus denen wiederum laufend neue Dinge erschaffen werden.
„Wenn man dem Leben einfach seinen Lauf lässt, hat es eine natürliche und spontane Tendenz, sich zu strukturieren. Es strebt nach Ordnung.“
Sogar die exakten Naturwissenschaften, die sich so sehr auf Analyse und Logik stützen, arbeiten zur Darstellung der menschlichen Erfahrungen mit Modellen. Wissenschaftler verbinden aktuelle Erkenntnisse und formen daraus neue Ideen oder Einsichten. Die Wissenschaft kann jedoch die Welt nie so objektiv darstellen, wie sie das eigentlich möchte. Wir können versuchen, die kreativen Prozesse des Lebens zu verstehen, indem wir die zugrunde liegenden Gesetzmässigkeiten untersuchen. Wissenschaftler haben einige Prinzipien festgehalten:
- Das Universum durchläuft ständig einen Prozess des Entdeckens und Erschaffens.
- Alles und alle sind ständiger Veränderung unterworfen.
- Jede Lebensform legt die Regeln auf ihre Art aus, weicht dann von der Norm ab und schafft sich eigene Regeln.
„Wir gehen von der folgenden Annahme aus: Wenn wir unsere überzeugungen kennen, können wir in Bezug auf unser Verhalten bewusster handeln.“
Das Leben strukturiert sich selbst auf verschiedene Arten:
- Das Leben erschafft Ordnung aus dem Chaos. Das Leben selbst hat nicht den gleichen Hang zu Ordnung und Klassifizierung wie wir Menschen. Es zieht Unschärfe und komplexe Vernetzungen vor und schafft über Versuch und Irrtum eine Art Ordnung. Es forscht, versucht neue Dinge und entwickelt so ein System kreativer Vielfalt. Wir Menschen streben nach einer Vielfalt potenzieller Beziehungen und versuchen, daraus ein System zu konstruieren, das bis an unser Lebensende hält. Dieses System gibt uns die Stabilität, die wir im ständigen Wandel brauchen.
- Das Leben sucht das, was praktikabel, nicht das, was "richtig" ist. Weil wir ständig im Wandel und in Bewegung sind, bleibt auch die beste Lösung vergänglich. Antworten sind nicht für immer gültig. Als Teil des Lebensflusses passen Sie sich an Veränderungen an, um zu überleben. Das Leben macht kreative Möglichkeiten zu neuen Chancen. Solche " Chancen-Fenster" ("windows of opportunity") tauchen nicht nur ein einziges Mal auf und verschwinden dann für immer und ewig. Endlose Möglichkeiten stehen Ihnen offen.
- Die Identität ist das ordnende Prinzip des Lebens. Lebewesen wollen das Leben schützen und erhalten. Die Identität ist das Werkzeug, mit dem Menschen das Leben verstehen. Ihre Selbstwahrnehmung erklärt Ihnen eingehende neue Informationen über Beziehungen oder Ihr Umfeld. Das Bedürfnis, sich selbst zu definieren, ist so gross, dass es die Menschen paradoxerweise dazu bringt, sich zu ändern, um ihre Identität zu wahren.
- Alle Lebewesen erschaffen sich miteinander und gegenseitig - es gibt keine Aussenseiter. Kein Weg ist besser als der andere. Wir sind alle aufeinander angewiesen.
Parallele Verarbeitung
Wenn verschiedene Menschen ähnliche Erlebnisse haben, nennen wir das ’parallele Verarbeitung’. Dies geschieht beim Denkprozess des Menschen genauso wie in der Natur. Das damit verbundene System fürchtet sich nicht davor, Fehler zu machen. Ganz im Gegenteil: Es betrachtet sie als Möglichkeit, weitere Informationen zu generieren und Probleme zu lösen. Das System der parallelen Verarbeitung versucht, wirkliche Lösungen zu finden, auch wenn dazu ein undurchsichtiger und verwirrender Zustand durchlaufen werden muss.
Herumspinnen
Herumspinnen oder der spielerische Umgang mit Ideen unterstützt Ihren Lernprozess, auch wenn Ihr Verstand Ihnen vielleicht sagt, dass dies Zeitverschwendung sei. Spielerisches Denken erfordert bewusstes Denken. Beim Spielen konzentrieren Sie sich und lassen sich vollständig vom Spiel absorbieren. Sie bleiben aufmerksam, offen für neue Informationen und suchen nach mehr. Passen Sie aber auf, dass Sie sich nicht nur auf das beschränken, was Sie ohnehin schon wissen. Bereits Bekanntes hält Sie in der alten Denkart gefangen, und Sie bleiben blind für neue Möglichkeiten. Fragen Sie sich immer: Was gibt es noch zu lernen? So erweitern Sie Ihr Bewusstsein - und die damit verbundene Kreativität.
Organisation
Alles Leben sehnt sich nach Ordnung. Die Wissenschaft hat genügend Beweise dafür, dass das Leben auf unserem Planeten nicht nach Jahrmillionen rein zufällig entstanden ist. Das Leben ist zusammen mit der Erde aus einem kreativen Urknall hervorgegangen. Versteinerte Bakterien, die in zwei bis drei Millionen Jahre alten Erdschichten gefunden wurden, existieren heute noch auf Felsen in Norwegen. Solche Prozesse haben seit der Entstehung der Erde stattgefunden. So sind Lebensformen entstanden, die für ihre Existenz aufeinander angewiesen sind.
Symbiose und Organisationsstruktur
Das Leben verbindet alles untereinander, und zwar mit Symbiosen, dem am häufigsten vorkommenden Phänomen in natürlichen Systemen. Das Entstehen von Nischen ist ein gutes Beispiel für diesen Prozess. In einer Welt, die sich auf miteinander verbundene Systeme verlässt, passt sich das Leben an, indem es Nischen schafft oder kleine Gruppen, die sich auf ein ganz spezielles Gebiet beschränken. Organisationsstrukturen fördern eine solche Spezialisierung und betonen die Unterschiede, um daraus einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen. Und doch sind auch Nischen verbunden und symbiotisch.
Natürlich organisierte Systeme
Wir Menschen entwickeln Systeme des Zusammenlebens, als Individuen und in den Nischen unserer Gruppe. über unsere Beziehungen zu anderen formen wir eigenständige Einheiten, die wirkungsvoller und stabiler sind, als wir es alleine wären. Diese Organisation schützt uns und ermöglicht uns ein relativ stabiles und friedliches Leben. Doch hier liegt das Paradoxe: Die Stabilität der Gruppe hängt von der Identität der individuellen Mitglieder ab. Bewegungen und Veränderungen müssen sein, damit der Mensch lernfähig bleibt und Neues erforscht. Wenn Sie auf Veränderungen nicht reagieren, leidet die gesamte Gruppe. Dies löst vielleicht sogar einen selbstzerstörerischen Prozess aus, wenn Sie nicht schnell genug reagieren. Das Leben braucht den Wandel, um sich selbst immer wieder neu zu schaffen. Die Stabilität unseres Systems stützt diese Struktur oder dieses ökosystem, in dem Wandel möglich ist.
„Im Leben geht es ums Erfinden, nicht ums überleben.“
Betrachten Sie Ihre Organisationsstruktur nicht als Maschine oder als Einheit, die in viele kleine, abgetrennte Schubladen unterteilt ist. So trennen Sie Menschen voneinander. Die Gesellschaft hat uns so weit gebracht, dass wir den natürlichen Organisationsprinzipien des Lebens nicht mehr trauen. Wir sind unglücklich in den Organisationsstrukturen, die wir selber geschaffen haben. Wir denken so logisch und werden von unserer linken Gehirnhälfte so stark dominiert, dass wir die gegenseitigen Abhängigkeiten innerhalb unserer Struktur nicht mehr erkennen.
„Niemand strebt alleine vorwärts und passt die Welt dem eigenen Selbst an, während der Rest der Welt voller Bewunderung hinterherhinkt. Wir schaffen ganz spielerisch unsere eigene Existenz, und zwar durch unbeobachtete Interaktionen mit Mitspielern, denen wir begegnen.“
Sie können dies ändern, indem Sie Ihr Lebenssystem ändern. Hören Sie auf, alles zu strukturieren und zu klassifizieren. Lassen Sie den Dingen ihren Lauf. Arbeiten Sie mit dem, was Sie haben. Gehen Sie spielerisch damit um, erforschen Sie die Dinge, stellen Sie Verbindungen her und suchen Sie nach mehr Informationen. Lassen Sie sich davon überzeugen, dass alles zu einer ganz natürlichen Ordnung finden wird. So können Strukturen langsam und ungezwungen wachsen. Sie entstehen durch Ihre Handlungen. Stellen Sie Verbindungen her und lassen Sie sich durch den natürlichen Prozess der Entstehung von Mustern und Strukturen führen.
Selbstorganisation und Selbstbezug
Selbstorganisation ist die Fähigkeit des Lebens, sich selbst zu schaffen, ohne Einflüsse oder überwachung von aussen. Dieser Prozess beruht auf der Identität jedes Einzelnen. Das Selbst organisiert sich, um sich darzustellen. Jede Lebensform kann sich selbst reproduzieren, sonst ist sie gestorben. All dem liegt die Entscheidungsfreiheit zugrunde.
„Wenn wir unsere Organisationen in Anlehnung an die Effizienz von Maschinen gestalten, müssen wir Mengen reduzieren, Abfall eliminieren, bis auf 0 und 1 zurückbuchstabieren. Eine emergente Welt braucht jedoch die Unordnung der Vielheit.“
Dieses Organisieren von stabilen Strukturen in jedem Leben basiert auf einem paradoxen Prinzip: Das Leben strukturiert sich in definierten Mustern und Nischen und schafft damit früher oder später Grenzen, die eine weitere Selbstentfaltung verhindern können. Dies ist die so genannte Selbstreferenz. Dieser Teufelskreis findet sich auf allen Ebenen des Lebens. C.G. Jung symbolisierte ihn als Schlange, die den eigenen Schwanz frisst. Ihre Selbstreferenz bestimmt die Art und Weise, wie Sie die Welt betrachten. Seien Sie vorsichtig: Die Selbstreferenz kann Ihre Wahrnehmung einschränken, sodass Sie nur noch sehen, was Sie sehen wollen.
„Die Bewegung des Lebens in Richtung Kohärenz ist leicht zu erkennen, wenn wir die riesigen Energien beobachten, mit denen Individuen von Systemen angezogen werden.“
Sie können sich nur ändern, wenn Sie erkennen, wer Sie in Zukunft sein werden. Wenn Sie das zukünftige Selbst mit dem jetzigen Selbst in Verbindung bringen, erzeugen Sie Veränderungen. Wissenschaftler und spirituelle Führer auf der ganzen Welt haben diesen Prozess der Schaffung des Selbst genau beobachtet. Einer von ihnen, der weise Chuang Tzu, sagte: "Wenn es kein Anderes gibt, gibt es auch kein Selbst."
Emergenz
Im Entwicklungsprozess von Systemen entstehen laufend neue Möglichkeiten, bis die Systeme durch den Prozess der Evolution über ihre ursprünglichen Grenzen hinauswachsen. Diese Transzendenz über das Selbst hinaus wird Emergenz genannt. Wenn Sie das Leben so weit erforschen, dass Sie einen Sprung in neue und aussergewöhnliche Gefilde wagen, können Sie mehr sein, als Sie sich je vorgestellt haben.
„Das Leben vollendet sich in Individuen und Systemen. In diesen grossartigen Verschmelzungen zeigt das Leben eine poetische Schöpfungskraft.“
Zum Beispiel hinterlässt eine einzelne afrikanische Termite kaum Spuren. In grossen Gruppen können solche Termiten jedoch architektonische Wunder vollbringen. Was aussieht wie eine unkoordinierte und chaotische Masse, ist ein System mit einer perfekten inneren Ordnung. Termiten organisieren sich ohne Führer; sie erkennen, was zu tun ist, und tun es dann, indem sie Gruppen bilden und so das ganze Projekt koordinieren und fertig stellen.
Kohärenz
Alles im Leben strebt nach Vollständigkeit, nach Kohärenz. Das Paradoxe liegt darin, dass ein Individuum Teil einer vollständigen Gesamtheit ist. Der Mensch strebt, genau wie alle anderen Lebewesen, nach Zugehörigkeit, indem er Teil eines einheitlichen Systems wird. Ganz gleich, welche Hindernisse sich auftürmen: Das Leben geht seinen Gang. Wir versuchen, Bakterien mit Antibiotika zu bekämpfen, was diese immer resistenter macht. Wir sprühen Pestizide auf unsere Getreidefelder, doch die Schädlinge gedeihen prächtig. Um zu verstehen, was mit uns passiert, erfinden wir Strukturen und Systeme und schaffen uns Sicherheit. Wir haben das Gefühl, dass wir unser Schicksal kontrollieren können. Die Grundprinzipien des Lebens deuten jedoch in eine andere Richtung. Die Welt verändert sich ganz natürlich, entwickelt sich ständig weiter und betrachtet uns als Partner in diesem kreativen und vielfältigen Prozess.