Der Weg vom Hilfsarbeiter zum Millionär
Andrew Carnegie wurde als ältester Sohn eines schottischen Webermeisters geboren und bekam schon als Zehnjähriger die Folgen der Industrialisierung zu spüren. Seine Familie musste die Heimat verlassen und zog nach Pittsburgh, da Fabriken die Arbeit des Handwebers unrentabel machten. Damals schwor er sich, die Armut aus seinem Hause zu vertreiben. Bald verdiente er sein erstes eigenes Geld als Spulenjunge in einer Baumwollfabrik. Ein unsägliches Glücksgefühl, der Welt von Nutzen und ein Mann zu sein, durchfuhr ihn trotz der für einen Zwölfjährigen unglaublich harten Arbeitsbedingungen.
„In der Regel findet sich in der bescheidenen Hütte der Armen eine höhere Befriedigung, ein edleres Leben und eine grössere Lebensfreude als in dem Palast der Reichen.“
Mit 14 erhielt er eine kleine Anstellung in einem Telegrafenbüro, die er nutzte, um sich heimlich die Kenntnisse eines echten Telegrafen anzueignen. Bald konnte er diesen Job übernehmen, lernte dabei den Inspektor der Pennsylvania Railroad kennen, der ihn aufforderte, bei ihm zu arbeiten. Carnegie verdiente jetzt 400 Dollar im Jahr, eine Summe, von der er früher geträumt hätte. Eines Tages bot ihm sein Chef an, Anteile einer Eisenbahngesellschaft für 500 Dollar zu kaufen. Obwohl er das ganze Familienvermögen und eine Hypothek dafür verwenden musste, kaufte er die Aktien und legte damit den Grundstock für alle seine späteren Geschäfte. Ab jetzt fing das Geld an, für ihn zu arbeiten. Bald ging er weitere Beteiligungen an einer Schlafwagengesellschaft und einer Gesellschaft zum Bau für Eisenbahnbrücken ein.
„Ein Ertrag aus Kapital war für uns alle etwas Fremdes und Neues, denn keiner von uns hatte je Geld erhalten, ausser er hatte dafür gearbeitet ... Ich war nie ganz damit einverstanden gewesen, für andere Leute zu arbeiten.“
Mit 30 Jahren kündigte er seine Stelle, um sich fortan nur noch auf eigene Geschäfte zu konzentrieren. Seine Lehrzeit war zu Ende und er war sein eigener Herr. Er gründete eine Schlafwagengesellschaft und eine Firma, die Eisenbahnbrücken produzierte. Gleichzeitig hielt Carnegie Anteile an verschiedenen Eisenbahngesellschaften. Später konzentrierte er sich auf den Grundstoff für das wirtschaftliche Wachstum, den Stahl. Während er Pittsburgh zum grössten Stahlproduktionsort Amerikas machte, brachten seine Wertpapiere jährliche Dividenden in immer immenseren Grössenordnungen. Carnegie hatte es geschafft.
Carnegies Credo: Wie werden Sie ein erfolgreicher Geschäftsmann?
Beginnen Sie Ihre geschäftliche Erziehung mit der untergeordnetsten Stellung und streben Sie von dort aus nach dem Höchsten! Fegen Sie die Geschäftsräume aus, aber haben Sie dabei im Sinn, Teilhaber dieser Firma zu werden. Ihre Stellung ist an der obersten Spitze. Geben Sie sich auch in Gedanken nie damit zufrieden, nur Abteilungsleiter oder Ähnliches zu werden. Wie stellen Sie es an, sich emporzuarbeiten? Tun Sie nie nur Ihre Pflicht, sondern fragen Sie sich, was Sie mehr tun können. Erregen Sie Aufmerksamkeit, indem Sie Verbesserungsvorschläge bringen, Fehler aufdecken, beständig über die Förderung der Interessen der Firma nachdenken. Bleiben Sie Ihrem Prinzipal in guter Erinnerung, dann wird er Sie zu Rate ziehen.
„Personen mit Managertalent sind der Schlüssel zum Erfolg.“
Werfen Sie Regeln über den Haufen, durchbrechen Sie die Routine, wenn es den Interessen Ihres Geschäfts zugute kommt. Sparen Sie! „Bienengleiches Einheimsen verrät den zukünftigen Millionär.“ Konzentrieren Sie sich mit ganzer Kraft und all Ihrem Kapital auf Ihr Geschäft, widmen Sie sich ihm vollkommen. Verzetteln Sie sich nicht, das ist das Geheimnis zum Erfolg. Jeder intelligente Geschäftsmann weiss die Dienste eines tüchtigen, begabten jungen Mannes zu schätzen und wird ihn an sein Unternehmen zu binden trachten. Besitzt Ihr Prinzipal diese Intelligenz nicht, wechseln Sie Ihren Arbeitgeber. Der Weg zur Erlangung der Teilhaberschaft mag lang und dornig erscheinen, führt aber mit genügender Ausdauer, Willensstärke und Einsatz letztendlich zum Ziel.
Charakterliche Voraussetzungen
Diese charakterlichen Voraussetzungen müssen Sie mitbringen:
- Führen Sie ein reines, achtungswertes Leben.
- Meiden Sie alkoholische Getränke oder trinken Sie wenigstens nur zu den Mahlzeiten. Trunksucht ruiniert junge Talente.
- Erliegen Sie nicht der Versuchung des Spekulierens, denn es erschüttert Ihre Glaubwürdigkeit. Spieler sterben gewöhnlich arm.
- Leisten Sie keine Bürgschaften oder wenigstens nicht solche, die nicht von Ihrem eigenen Geld, sondern von dem Ihrer Gläubiger gedeckt würden.
„Jeder grosse Charakter hat hergebrachte Regeln über den Haufen geworfen und neue Regeln für sich aufgestellt.“
Ein Geschäftsmann braucht eine umfassende Bildung, weil alles, was in der Welt heutzutage vor sich geht, sein Geschäft beeinflusst. Es ist damit nicht die herkömmliche Universitätsbildung gemeint, die die jungen Leute vollstopft mit altertümlichen Sprachen und unnützem Wissen über vergangene, wenig rühmliche Geschichte. Nein, die Erfahrung lehrt sogar, dass akademische Bildung jungen, für das Geschäft bestimmten Leuten geschadet hat. Vielmehr ist Erziehung durch tüchtige Arbeit, immer neues Lernen durch die strenge Schule der geschäftlichen Laufbahn prädestiniert zur Entwicklung zukünftiger Unternehmer und bringt einen umfassend gebildeten, vorurteilsfreien Menschen hervor. Wohl ist sein Haupttrachten das Geldmachen, aber jedes Geschäft hat auch seine romantische Seite. Ein erfolgreicher Geschäftsmann gibt Tausenden Menschen Arbeit und Brot und treibt die Entwicklung des ganzen Landes voran. Seine Tätigkeit ermöglicht es ihm endlich als höchsten Lohn, durch Wohltaten Gutes zu erwirken und seinen Namen vor der Vergessenheit zu retten.
Reichtum verpflichtet
Ein grosses Vermögen ist nie allein dem Tun eines Einzelnen geschuldet, sondern das Ergebnis wissenschaftlichen Fortschritts und Erfindergeistes im Zusammenspiel mit Kapital und Geschäftstüchtigkeit sowie der Arbeit zahlreicher Menschen. Voraussetzung sind das Gesetz des Wettbewerbs, das freie Spiel der Marktkräfte und die Heiligkeit des Eigentums. Anders ist der Fortschritt der Zivilisation nicht denkbar. Versuche, diesen Individualismus durch Kommunismus zu ersetzen, sind gescheitert, da sie es erfordern würden, das Wesen des Menschen zu ändern, und das ist zumindest in unserem Zeitalter nicht mehr zu verwirklichen.
„Der Geschäftsmann kann durch Entwicklung der Hilfsquellen seines Landes, durch Beschaffung von Arbeit für Tausende und durch Unterstützung von Erfindungen, die für die Menschheit eine Wohltat sind, der Welt von allergrösstem Nutzen werden.“
Arme geniessen nun Luxusgüter, die früher nicht einmal Reiche hatten – Resultat der Spezialisierung und Massenproduktion. Sicherlich ist der Abstand zwischen Reich und Arm grösser geworden, aber insgesamt haben sich die Lebensbedingungen für alle zum Besseren entwickelt. Die Anhäufung des Reichtums durch Menschen mit Tatkraft und Energie hat der Menschheit also nur Vorteile gebracht. Entsprechend stellt grosser Reichtum aber eine Verpflichtung für den Eigentümer dar.
Wohin mit dem Geld?
Was nützt es, das Vermögen aus falsch verstandener Liebe komplett an seine Nachkommen zu vererben, sodass es deren Charakter verdirbt und spätestens in der dritten Generation verbraucht ist? Im Interesse der Kinder und des Gemeinwesens sollten die Nachkommen nur mässig unterstützt werden. Aber der Reiche soll auch nicht bis zu seinem Tode auf dem Geld sitzen bleiben und es erst dann dem Staat zufallen lassen. Denn so hat er keine Kontrolle über die Auswirkungen seiner Schenkung. Selten entsteht ohne den lenkenden Einfluss des Erblassers Gutes. Die Beamten des Staates wissen nicht immer am besten, woran es dem Volke mangelt. Auch entsteht der Eindruck, der Reiche hätte – wäre ihm dies möglich – am liebsten sein Geld behalten, was ihm nicht zum ehrenden Andenken gereicht. Zu Lebzeiten muss daher der Reiche dafür sorgen, dass sein Vermögen der Allgemeinheit zugute kommt. Wer reich stirbt, stirbt entehrt. Die Verteilung des Reichtums ist allerdings genauso eine Kunst wie die Erwerbung und schon deswegen am besten in den Händen seines Erwerbers aufgehoben.
Der Millionär als Treuhänder für die Armen
Die beste Möglichkeit zum Umgang mit Reichtum ist, diesen zum Ausgleich des Verhältnisses zwischen Armen und Reichen zu nutzen, zur Förderung der harmonischen Koexistenz. Und zwar nicht durch die Vergabe von Almosen, sondern am besten durch Hilfe zur Selbsthilfe. Das Geld darf nicht durch Zuwendungen an Unwürdige und Faule zum Fenster hinausgeschmissen werden, sondern die Tüchtigen müssen in ihren Bestrebungen unterstützt werden. Die Tugend gehört gefördert, nicht das Laster, was auch den sozialdarwinistischen Erkenntnissen entspricht. Damit das Gemeinwesen voranschreitet und sich kräftigt, dürfen Ehrlose und Schwache nicht auch noch in ihrer Lebensweise durch Almosen unterstützt werden.
„Der Arbeitgeber weiss wenig oder gar nichts über die Tausenden von Arbeitern, die in seiner Fabrik oder in seiner Mine arbeiten, und er wiederum stellt für sie nichts weiter als einen Mythos dar.“
Stiftungswürdige Einrichtungen, die den Kriterien des sozialen Ausgleichs entsprechen und der Gemeinschaft auf Dauer am meisten zugute kommen, sind öffentliche Bibliotheken, Parks, Freizeitmöglichkeiten, Museen. An diesen Orten können Interessierte geistig und körperlich Kraft schöpfen, sich fortbilden und ihren Geschmack verfeinern. Dadurch wird die Kluft zwischen Reich und Arm kulturell überbrückt. Und zwar mit grösserem Nutzen für die Allgemeinheit, als wenn das erwirtschaftete Geld gleichmässig dem Lohn der Millionen Arbeiter zugeschlagen würde, bei denen es dann schnell durch den Kauf kurzlebiger Güter dahinschmelzen würde. Der Reiche selber soll aber auch nicht durch einen aufwendigen Lebensstil auffallen, sondern sparsam mit seinem Vermögen umgehen, da er eine gesellschaftliche Verantwortung dafür hat. Geld allein macht sowieso nicht glücklich. Erst ein auch für andere Menschen nützliches Leben schafft wahres Glück und innere Befriedigung.
Das Problem der sozialen Gerechtigkeit
Zu einer Zeit, als noch in kleinen Betrieben produziert wurde, waren die Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern eng. Alle kannten sich und wussten um ihre Vorzüge und Fehler. Es herrschte das Bewusstsein, an einem Strang zu ziehen. Der Lebensstil von Meister und Lehrling unterschied sich nur graduell, und beide standen in ständigem persönlichem Austausch. Mit der industriellen Herstellung der Güter und durch das Primat des Wettbewerbs entstand der Zwang zur Massenproduktion. Als Vorteil daraus haben wir heute für jedermann erschwingliche Waren bester Qualität, Nachteil hingegen ist die anonyme Beziehung der Arbeiter zu ihren Arbeitgebern und umgekehrt. Als Folge sehen wir gegenseitiges Misstrauen und Ignoranz – der soziale Friede ist gefährdet. Dabei möchte niemand das Rad der Zeit zurückdrehen, und es sind die Interessen von Kapital und Arbeit durchaus die gleichen. Derjenige ist Feind des Arbeiters, der ihn vom Gegenteil überzeugen will. Durch die Einführung folgender Neuerungen könnte das Gefühl der Gegnerschaft abgeschwächt werden:
- Anpassung der Lohnzahlung an die jeweilige Konjunktur.
- Einführung des Acht-Stunden-Tages.
- Zugang des Arbeiters zu allgemeiner weltpolitischer Bildung (Bibliotheken und Zeitschriften).
- Teilhaberschaft der Arbeiter an ihrem Betrieb durch Wertpapiere.
„Arbeit schafft also weder Werte, noch ist sie ein Massstab dafür; diese Funktion übt das Gesetz von Angebot und Nachfrage aus. Der Fabrikant kann sich diesem Gesetze nicht entziehen: seine Bestrebungen und die Bedürfnisse der Massen, seiner Abnehmer, müssen sich decken.“
Die grössten Reichtumsmengen sind übrigens nicht durch Arbeit entstanden, sondern durch die Wertsteigerung von Grund und Boden. Dies wiederum ist der Vermehrung der Bevölkerung geschuldet, geht also auch auf das Konto der Allgemeinheit. Man denke nur daran, was heute der Boden wert ist, auf dem Manhattan enstanden ist – auch dort war ehemals niedrig bewertetes Ackerland. Ähnliches gilt für die Ausweitung des Eisenbahnverkehrs und den Aufschwung der Stahlproduktion, ja der Wirtschaft überhaupt – alles ein Resultat der steigenden Nachfrage durch die stark angewachsene Bevölkerung. Alles Gründe für den Reichen, gewissenhaft sein Vermögen zur Verbesserung der bestehenden Verhältnisse zu verteilen. Eine entsprechende Steuerveranlagung nach Leistungsfähigkeit und eine progressive Nachlassbesteuerung für diejenigen, die ihr Vermögen nur ihren Nachfahren hinterlassen wollen, erscheinen als geeignete Massnahmen des Staates zur Sicherstellung der sozialen Gerechtigkeit.