Sensibel und souverän
In östlichen Religionen wird der Lotus als Symbol der Reinheit verehrt. Im Morast wachsend, unterscheidet er zwischen positiven Elementen wie etwa Nährstoffen, die er aufnimmt, und schädlichen Substanzen, die er abweist. Um diesen Doppelmechanismus geht es bei der Übertragung des Lotussinnbilds auf den Menschen. Sicher kennen Sie Leute, die sich gut abschotten können, allerdings sehr emotionslos wirken – und andere, die für alles offen sind, auch für negative Einflüsse. Ins Lot bringen können Sie Sensibilität und Souveränität nur, wenn Sie die Informationen, die auf Sie einströmen, sortieren: in konstruktive und schädliche. Was wir als konstruktiv empfinden, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Gemäß dem Psychiater Eric Berne werden wir jeweils vorwiegend von einem der folgenden „Antreiber“ bestimmt: Sei stark! Streng dich an! Mach es allen recht! Sei schnell! Sei perfekt! Machen Sie sich Ihren inneren Antreiber bewusst. Dann werden Sie nicht automatisch alle Informationen herausfiltern, die von ihren eigenen Motivationsmustern abweichen. Und Sie werden nicht alle Menschen als unfähig einstufen, die nach anderen Antreibern handeln.
Ein pragmatisches Persönlichkeitsmodell
Um in kritischen Situationen souverän zu reagieren, müssen Sie Ihre Persönlichkeit kennen. Ein einfaches Persönlichkeitsmodell unterscheidet vier Typen: den Dauer-Typ, den Wechsel-Typ, den Nähe-Typ und den Distanz-Typ. Sie sind folgendermaßen charakterisiert:
- Der Dauer-Typ ist konservativ und schätzt das Vertraute. Er ist zuverlässig und kann gut organisieren, andererseits ist er pedantisch und ein wenig fantasielos.
- Der Wechsel-Typ ist neugierig, kreativ und kann gut improvisieren. Ordnung ist nicht unbedingt seine Stärke.
- Der Nähe-Typ liebt Geborgenheit und Harmonie. Er kann schwer ablehnen und reagiert auf Kritik oft verletzlich.
- Der Distanz-Typ ist individualistisch, selbstständig und autark.
„Die Lotusblüte ist eine erstaunliche Pflanze; Blüte und Blätter können durch Wasser und viele andere Flüssigkeiten nicht benetzt werden, sodass potenziell schädliche Einflüsse buchstäblich von ihr abperlen.“
Die Kenntnis dieser Persönlichkeitstypen, die freilich zumeist in Mischformen vorkommen, hilft Ihnen im Umgang mit anderen. Klar ist, dass sich die kontrastierenden Typen eher schlecht verstehen werden. Bereits die Kleidung Ihres Gegenübers kann Ihnen Aufschlüsse über seinen Typus geben. Auch beim Small Talk können Sie erfahren, welcher Kategorie Sie Ihr Gegenüber am ehesten zuordnen können. Macht er beispielsweise seit 20 Jahren immer am gleichen Ort Urlaub? Oder ist er auf Abenteuer aus? Besetzen Sie Aufgaben mit denjenigen Mitarbeitern, die sich vom Typ her am besten dafür eignen und setzen Sie Teams zwecks gegenseitiger Befruchtung aus verschiedenen Typen zusammen. Berücksichtigen Sie jedoch, dass ein Mitarbeiter mit seinen Aufgaben wachsen und sich an neue Rollen anpassen kann. So kann er beispielsweise in einer höheren Position eine größere Distanz entwickeln als vorher.
Kommunikationswerkzeuge
Gelassenheit kann man lernen. Die folgenden Kommunikationswerkzeuge können Ihnen dabei helfen.
- Passives Zuhören: Unterbrechen Sie Ihren Gesprächspartner nicht durch eigene Gedanken. Zeigen Sie ihm jedoch verbal oder nonverbal, dass Sie ihm zuhören.
- Aktives Zuhören: Vermitteln Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie ihn verstanden haben, indem Sie seine Aussage zusammenfassen. Dabei können Sie auch seine gefühlsmäßige Haltung aufgreifen. Duplizieren Sie in neutraler, nicht in wertender Weise.
- Ich-Botschaften: Wenn Sie Ihr Gegenüber kritisieren, kann es sich verschließen oder zum Gegenangriff blasen. Beides erzeugt Stress. Mit Ich-Botschaften entschärfen Sie Ihre Kritik. Sagen Sie nicht: „Bist du eigentlich geizig?“, sondern: „Ich glaube, die letzten fünf Male habe ich gezahlt ...“ Sie sprechen von Ihrer eigenen Empfindung, ohne das Gegenüber anzugreifen.
- SEK-Modell: Bauen Sie Ihre Aussage auf den drei Elementen „Situation“, „Emotion“ und „Konsequenzen“ auf. Ein Beispiel: „Wir hatten ja vereinbart, dass ich bis gestern Abend die Liste erhalte. Sie ist bei mir noch nicht angekommen, was mich in arge Bedrängnis bringt. Was können wir jetzt machen?“ So stellen Sie Ihr Gegenüber nicht bloß und ermöglichen ihm, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten.
- Meta-Kommunikation: Wenn die Kommunikation stockt, so machen Sie sie selbst zum Thema. Fragen Sie Ihr Gegenüber, ob es die Situation auch so verfahren sieht und ihm eine konstruktive Lösung einfällt. Findet sich keine, ist es sinnvoll, die Besprechung zu vertagen.
Gesprächsphasen
Ein gelungenes Gespräch folgt einen Bauplan. Wenn Sie dessen einzelne Phasen kennen, werden Sie die richtigen Kommunikationswerkzeuge besser einsetzen.
- Aufwärmphase: Gehen Sie das Gespräch langsam an. Bereiten Sie sich vor: Welche Interessen hat Ihr Gesprächspartner?
- Gesprächsziel: Halten Sie mit dem Ziel des Gesprächs nicht zu lange hinter dem Berg. Dadurch vermeiden Sie Anspannung beim Gegenüber.
- Fragen und Antworten: Achten Sie auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Fragen und Antworten. Mit Fragen können Sie das Gespräch führen und Zeit gewinnen, um Ihre Argumente zu sortieren.
- Teilübereinstimmung: Bestätigen Sie Ihren Gesprächspartner, wann immer er Ihnen ein Stück entgegenkommt.
- Vereinbarungen: Fassen Sie am Ende eines Gespräches noch einmal seinen Inhalt zusammen. Legen Sie fest, wer welche Aufgaben bis wann zu erledigen hat.
- Abkühlung: Wenn das Gespräch die Gemüter erhitzt hat, so kommen Sie auf ein angenehmes Thema zurück, vielleicht eines aus der Aufwärmphase. Wiederholen Sie aber keinesfalls Argumente aus der bisherigen Diskussion, sonst erweckten Sie den Eindruck des Nachtretens.
Entscheidungen treffen
Mit der steigenden Zahl von Optionen und Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt, werden Entscheidungen immer schwieriger. Folgende drei Modelle unterstützen Sie:
- Entscheidungsmatrizen: Notieren Sie sich auf einem Bogen die Vor- und Nachteile einer anstehenden Entscheidung und gewichten Sie die einzelnen Gesichtspunkte.
- Innere-Teile-Debatte: Achten Sie bei Entscheidungen auf Ihre inneren Stimmen, die unterschiedliche Bedürfnisse repräsentieren. So kann beispielsweise die Stimme, die Freiheit und eigene Kompetenz vertritt, für eine selbstständige Existenz plädieren, während die Sicherheits-Stimme dagegen argumentiert. Fragen Sie die gegnerische Stimme nach den Voraussetzungen, unter denen sie mit ins gemeinsame Boot stiege.
- Pentalemma: Es offeriert zusätzlich zu den beiden Optionen eines Dilemmas das Sowohl-als-auch, das Weder-noch sowie das Und-all-das-nicht. Beispiel: Bei der Wahl, einen Job beizubehalten oder eine selbstständige Existenz aufzubauen, haben Sie nicht nur zwei Möglichkeiten. Sie können auch Ihre Arbeitszeit reduzieren, um nebenher eine eigene Existenz aufzubauen. Sie können aber auch eine Auszeit nehmen und sich weiterbilden. Oder Sie wandern aus und leben von Ihren Ersparnissen.
Kritisches Feedback
Manchmal scheut sich der Feedback-Geber, seine Kritik zu äußern – insbesondere, wenn er fürchtet, sein Gegenüber zu verletzen. Stellen Sie daher einem kritischen Feedback voraus, dass Sie den Gesprächspartner auf etwas hinweisen möchten, gerade weil er Ihnen wichtig ist. Unterdrücken Sie Ihr Feedback keinesfalls, wenn Sie mit Ihrem Beitrag eine Situation zum Besseren wenden oder eine Gefahr vermeiden können. Schildern Sie in Ihrem Feedback Beobachtungen und deren Wirkung auf Sie, aber werten Sie nicht. Sprechen Sie in der Ich-Form die konstruktiven Aspekte an und unterbreiten Sie Verbesserungsvorschläge.
„Das Verhandlungsspiel muss beiden Parteien die Möglichkeit geben, für sich etwas ‚rauszuholen‘, damit man hinterher mit Stolz auf den Verhandlungserfolg blicken kann.“
Als Feedback-Nehmer sollten Sie darauf verzichten, die Rückmeldung zu kommentieren. Verständnisfragen sind dagegen sinnvoll. Seien Sie sich bewusst, dass der Rückmelder andere Ziele als Sie verfolgen mag oder andere Antreiber verinnerlicht hat. Lernen Sie aus jenen Kritikpunkten, die Sie als zutreffend erachten.
Umgang mit Konflikten
Konflikte lassen sich nicht grundsätzlich vermeiden. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, mit ihnen umzugehen. Wenn Sie sich bewusst machen, nach welcher Strategie Sie vorwiegend Probleme lösen, können Sie diese auch einmal wechseln.
- Flucht/Vermeidung: Sie verzichten auf Ihre Ansprüche. Diese Wahl kann dann konstruktiv sein, wenn Sie sonst unverhältnismäßig viel Energie aufwenden müssten oder wenn Sie Ihren Ruf als Konflikthai abschwächen möchten.
- Kampf/Konkurrenz: Je größer Ihre Machtposition ist, desto höher ist Ihre Chance sich durchzusetzen. Der Gegenpart könnte sich jedoch einmal rächen.
- Kompromiss: Die Bedürfnisse beider Parteien kommen ein Stück weit zum Zug. Doch eine unterschwellige Unzufriedenheit kann sich im passenden Moment Luft verschaffen.
- Anpassung: Sie unterdrücken Ihre eigenen Bedürfnisse und haben zumindest Ihre Ruhe. Aber ob dies langfristig zufrieden stellt?
- Integration/Kooperation: Sie klären zuerst die Basisansprüche der Beteiligten. Vielleicht widersprechen sie sich auf der tiefstmöglichen Ebene gar nicht? Prüfen Sie, ob sich die Ansprüche integrieren lassen.
Verhandlungen
Verhandlungen sind häufig Gratwanderungen: Es gilt, seine eigenen Ziele weitestgehend durchzusetzen und den Verhandlungspartner ebenfalls zufriedenzustellen. Gerade um langfristige Erfolge zu sichern, ist es wichtig, dass dieser sein Gesicht wahren kann. Bestimmen Sie für sich ein realistisches Maximal- sowie ein Minimalziel. Droht dieses unterschritten zu werden, ist es legitim, die Verhandlung abzubrechen.
Prioritäten setzen
Ordnen Sie nicht nur Ihre Aufgaben nach Prioritäten, sondern ebenso Ihre gesellschaftlichen Rollen. Vielleicht können Sie Ihr Engagement in der einen oder anderen Rolle verringern oder sich gar von einer trennen. Unterscheiden Sie Ihre Aufgaben nicht nur in wichtig und unwichtig, sondern auch in dringend und nicht dringend. Wichtige Aufgaben sind nicht zwangsweise dringend. Überdies hilft es, öfter „Nein“ zu sagen, etwas, das harmoniesüchtigen Menschen am schwersten fällt.
Handlungsfähig trotz Restriktionen
Restriktionen sind Rahmenbedingungen, die Sie nicht ändern können. Wenn Sie eine Restriktion als solche erfassen und akzeptieren, gewinnen Sie trotz aller Schmerzlichkeit mehr Gelassenheit und vergeuden keine Energie mehr, um gegen Windmühlen anzukämpfen. Womöglich erkennen Sie sogar einen positiven Aspekt der Restriktion: Vielleicht bringt sie Sie dazu, neue und konstruktive Ideen zu generieren.