Das Lotusblütenprinzip

Buch Das Lotusblütenprinzip

Gelassenheit im Job durch den Abperl-Effekt

Haufe,


Rezension

Der Lotus ist ein zartes Pflänzchen – und doch ziemlich robust. Was ihm nicht passt, lässt er einfach von sich abperlen. Ein echtes Vorbild für den Busi­nes­sall­tag, dachte sich Psychologe Thomas Augspurger und ließ sich bei seinem Buchtitel von der Botanik inspirieren. Was wie ein revolutionäres System klingt, entpuppt sich allerdings bei näherem Hinsehen als Sammlung von teilweise al­t­bekan­nten Men­tal­tech­niken. Die einzelnen Module, die zu mehr Gelassen­heit bei Entschei­dun­gen, Ver­hand­lun­gen und Konflikten führen sollen, stehen zunächst etwas zusam­men­hang­los nebeneinan­der. Anhand der Prax­is­beispiele in der zweiten Hälfte des Buches zeigt der Autor dann aber, wie man die einzelnen Methoden erfolgreich miteinander kombiniert – abhängig von den eigenen Zielen und von der Persönlichkeit desjenigen, mit dem man sich gerade herumschlägt (oder eben nicht). BooksInShort empfiehlt den ansprechend gestalteten und frisch geschriebe­nen Ratgeber allen, die sich bei der Arbeit einfach nicht mehr über ihre Mitmenschen ärgern wollen.

Take-aways

  • Nehmen Sie sich den Lotus zum Vorbild: Er nimmt wertvolle Nährstoffe auf und weist schädliche Elemente ab.
  • Um im Gespräch für Gelassen­heit zu sorgen, teilen Sie Ihrem Gegenüber von vornherein Ihr Ziel mit.
  • Mit Fragen gewinnen Sie Zeit, um Ihre Argumente zu sortieren.
  • Geben Sie Ihrem Gesprächspartner die Möglichkeit, konstruktiv zu reagieren, statt ihn in die Enge zu treiben.
  • Befragen Sie vor einer Entschei­dung Ihre inneren Stimmen (Frei­heits-Stimme, Sicher­heits-Stimme usw.).
  • Machen Sie aus einem Dilemma ein „Pentalemma“: Dabei gibt es nicht nur das En­tweder-oder, sondern auch das Sowohl-als-auch, das Weder-noch und das All-das-nicht.
  • Kom­men­tieren Sie negatives Feedback nicht, stellen Sie allenfalls Verständnisfragen.
  • Versetzen Sie sich in den Feed­back-Geber und nehmen Sie jene Kri­tikpunkte auf, die Sie als zutreffend erachten.
  • Klären Sie bei Konflikten die Basisansprüche der Beteiligten. Vielleicht herrscht auf dieser Ebene sogar Übere­in­stim­mung.
  • Ordnen Sie nicht nur Ihre Aufgaben, sondern auch Ihre sozialen Rollen nach Prioritäten.
 

Zusammenfassung

Sensibel und souverän

In östlichen Religionen wird der Lotus als Symbol der Reinheit verehrt. Im Morast wachsend, un­ter­schei­det er zwischen positiven Elementen wie etwa Nährstoffen, die er aufnimmt, und schädlichen Substanzen, die er abweist. Um diesen Dop­pelmech­a­nis­mus geht es bei der Übertragung des Lo­tussinnbilds auf den Menschen. Sicher kennen Sie Leute, die sich gut abschotten können, allerdings sehr emotionslos wirken – und andere, die für alles offen sind, auch für negative Einflüsse. Ins Lot bringen können Sie Sensibilität und Souveränität nur, wenn Sie die In­for­ma­tio­nen, die auf Sie einströmen, sortieren: in kon­struk­tive und schädliche. Was wir als konstruktiv empfinden, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Gemäß dem Psychiater Eric Berne werden wir jeweils vorwiegend von einem der folgenden „Antreiber“ bestimmt: Sei stark! Streng dich an! Mach es allen recht! Sei schnell! Sei perfekt! Machen Sie sich Ihren inneren Antreiber bewusst. Dann werden Sie nicht automatisch alle In­for­ma­tio­nen her­aus­fil­tern, die von ihren eigenen Mo­ti­va­tion­s­mustern abweichen. Und Sie werden nicht alle Menschen als unfähig einstufen, die nach anderen Antreibern handeln.

Ein prag­ma­tis­ches Persönlichkeitsmod­ell

Um in kritischen Situationen souverän zu reagieren, müssen Sie Ihre Persönlichkeit kennen. Ein einfaches Persönlichkeitsmod­ell un­ter­schei­det vier Typen: den Dauer-Typ, den Wechsel-Typ, den Nähe-Typ und den Distanz-Typ. Sie sind folgendermaßen charak­ter­isiert:

  1. Der Dauer-Typ ist konservativ und schätzt das Vertraute. Er ist zuverlässig und kann gut or­gan­isieren, an­der­er­seits ist er pedantisch und ein wenig fantasielos.
  2. Der Wechsel-Typ ist neugierig, kreativ und kann gut im­pro­visieren. Ordnung ist nicht unbedingt seine Stärke.
  3. Der Nähe-Typ liebt Gebor­gen­heit und Harmonie. Er kann schwer ablehnen und reagiert auf Kritik oft verletzlich.
  4. Der Distanz-Typ ist in­di­vid­u­al­is­tisch, selbstständig und autark.
„Die Lotusblüte ist eine er­staunliche Pflanze; Blüte und Blätter können durch Wasser und viele andere Flüssigkeiten nicht benetzt werden, sodass potenziell schädliche Einflüsse buchstäblich von ihr abperlen.“

Die Kenntnis dieser Persönlichkeit­stypen, die freilich zumeist in Mischformen vorkommen, hilft Ihnen im Umgang mit anderen. Klar ist, dass sich die kon­trastieren­den Typen eher schlecht verstehen werden. Bereits die Kleidung Ihres Gegenübers kann Ihnen Aufschlüsse über seinen Typus geben. Auch beim Small Talk können Sie erfahren, welcher Kategorie Sie Ihr Gegenüber am ehesten zuordnen können. Macht er beispiel­sweise seit 20 Jahren immer am gleichen Ort Urlaub? Oder ist er auf Abenteuer aus? Besetzen Sie Aufgaben mit denjenigen Mi­tar­beit­ern, die sich vom Typ her am besten dafür eignen und setzen Sie Teams zwecks gegen­seit­iger Befruchtung aus ver­schiede­nen Typen zusammen. Berücksichtigen Sie jedoch, dass ein Mitarbeiter mit seinen Aufgaben wachsen und sich an neue Rollen anpassen kann. So kann er beispiel­sweise in einer höheren Position eine größere Distanz entwickeln als vorher.

Kom­mu­nika­tion­swerkzeuge

Gelassen­heit kann man lernen. Die folgenden Kom­mu­nika­tion­swerkzeuge können Ihnen dabei helfen.

  • Passives Zuhören: Un­ter­brechen Sie Ihren Gesprächspartner nicht durch eigene Gedanken. Zeigen Sie ihm jedoch verbal oder nonverbal, dass Sie ihm zuhören.
  • Aktives Zuhören: Vermitteln Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie ihn verstanden haben, indem Sie seine Aussage zusam­men­fassen. Dabei können Sie auch seine gefühlsmäßige Haltung aufgreifen. Duplizieren Sie in neutraler, nicht in wertender Weise.
  • Ich-Botschaften: Wenn Sie Ihr Gegenüber kritisieren, kann es sich verschließen oder zum Gege­nan­griff blasen. Beides erzeugt Stress. Mit Ich-Botschaften entschärfen Sie Ihre Kritik. Sagen Sie nicht: „Bist du eigentlich geizig?“, sondern: „Ich glaube, die letzten fünf Male habe ich gezahlt ...“ Sie sprechen von Ihrer eigenen Empfindung, ohne das Gegenüber anzugreifen.
  • SEK-Modell: Bauen Sie Ihre Aussage auf den drei Elementen „Situation“, „Emotion“ und „Kon­se­quen­zen“ auf. Ein Beispiel: „Wir hatten ja vereinbart, dass ich bis gestern Abend die Liste erhalte. Sie ist bei mir noch nicht angekommen, was mich in arge Bedrängnis bringt. Was können wir jetzt machen?“ So stellen Sie Ihr Gegenüber nicht bloß und ermöglichen ihm, kon­struk­tive Vorschläge zu un­ter­bre­iten.
  • Meta-Kom­mu­nika­tion: Wenn die Kom­mu­nika­tion stockt, so machen Sie sie selbst zum Thema. Fragen Sie Ihr Gegenüber, ob es die Situation auch so verfahren sieht und ihm eine kon­struk­tive Lösung einfällt. Findet sich keine, ist es sinnvoll, die Besprechung zu vertagen.

Gesprächsphasen

Ein gelungenes Gespräch folgt einen Bauplan. Wenn Sie dessen einzelne Phasen kennen, werden Sie die richtigen Kom­mu­nika­tion­swerkzeuge besser einsetzen.

  1. Aufwärmphase: Gehen Sie das Gespräch langsam an. Bereiten Sie sich vor: Welche Interessen hat Ihr Gesprächspartner?
  2. Gesprächsziel: Halten Sie mit dem Ziel des Gesprächs nicht zu lange hinter dem Berg. Dadurch vermeiden Sie Anspannung beim Gegenüber.
  3. Fragen und Antworten: Achten Sie auf ein aus­ge­wo­genes Verhältnis zwischen Fragen und Antworten. Mit Fragen können Sie das Gespräch führen und Zeit gewinnen, um Ihre Argumente zu sortieren.
  4. Teilübere­in­stim­mung: Bestätigen Sie Ihren Gesprächspartner, wann immer er Ihnen ein Stück ent­ge­genkommt.
  5. Vere­in­barun­gen: Fassen Sie am Ende eines Gespräches noch einmal seinen Inhalt zusammen. Legen Sie fest, wer welche Aufgaben bis wann zu erledigen hat.
  6. Abkühlung: Wenn das Gespräch die Gemüter erhitzt hat, so kommen Sie auf ein angenehmes Thema zurück, vielleicht eines aus der Aufwärmphase. Wiederholen Sie aber keinesfalls Argumente aus der bisherigen Diskussion, sonst erweckten Sie den Eindruck des Nachtretens.

Entschei­dun­gen treffen

Mit der steigenden Zahl von Optionen und Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt, werden Entschei­dun­gen immer schwieriger. Folgende drei Modelle unterstützen Sie:

  1. Entschei­dungs­ma­trizen: Notieren Sie sich auf einem Bogen die Vor- und Nachteile einer anstehenden Entschei­dung und gewichten Sie die einzelnen Gesicht­spunkte.
  2. In­nere-Teile-De­batte: Achten Sie bei Entschei­dun­gen auf Ihre inneren Stimmen, die un­ter­schiedliche Bedürfnisse repräsentieren. So kann beispiel­sweise die Stimme, die Freiheit und eigene Kompetenz vertritt, für eine selbstständige Existenz plädieren, während die Sicher­heits-Stimme dagegen ar­gu­men­tiert. Fragen Sie die gegnerische Stimme nach den Vo­raus­set­zun­gen, unter denen sie mit ins gemeinsame Boot stiege.
  3. Pentalemma: Es offeriert zusätzlich zu den beiden Optionen eines Dilemmas das Sowohl-als-auch, das Weder-noch sowie das Und-all-das-nicht. Beispiel: Bei der Wahl, einen Job beizube­hal­ten oder eine selbstständige Existenz aufzubauen, haben Sie nicht nur zwei Möglichkeiten. Sie können auch Ihre Arbeitszeit reduzieren, um nebenher eine eigene Existenz aufzubauen. Sie können aber auch eine Auszeit nehmen und sich weit­er­bilden. Oder Sie wandern aus und leben von Ihren Erspar­nissen.

Kritisches Feedback

Manchmal scheut sich der Feed­back-Geber, seine Kritik zu äußern – ins­beson­dere, wenn er fürchtet, sein Gegenüber zu verletzen. Stellen Sie daher einem kritischen Feedback voraus, dass Sie den Gesprächspartner auf etwas hinweisen möchten, gerade weil er Ihnen wichtig ist. Unterdrücken Sie Ihr Feedback keinesfalls, wenn Sie mit Ihrem Beitrag eine Situation zum Besseren wenden oder eine Gefahr vermeiden können. Schildern Sie in Ihrem Feedback Beobach­tun­gen und deren Wirkung auf Sie, aber werten Sie nicht. Sprechen Sie in der Ich-Form die kon­struk­tiven Aspekte an und un­ter­bre­iten Sie Verbesserungsvorschläge.

„Das Ver­hand­lungsspiel muss beiden Parteien die Möglichkeit geben, für sich etwas ‚rauszuholen‘, damit man hinterher mit Stolz auf den Ver­hand­lungser­folg blicken kann.“

Als Feed­back-Nehmer sollten Sie darauf verzichten, die Rückmeldung zu kom­men­tieren. Verständnisfragen sind dagegen sinnvoll. Seien Sie sich bewusst, dass der Rückmelder andere Ziele als Sie verfolgen mag oder andere Antreiber verin­ner­licht hat. Lernen Sie aus jenen Kri­tikpunk­ten, die Sie als zutreffend erachten.

Umgang mit Konflikten

Konflikte lassen sich nicht grundsätzlich vermeiden. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, mit ihnen umzugehen. Wenn Sie sich bewusst machen, nach welcher Strategie Sie vorwiegend Probleme lösen, können Sie diese auch einmal wechseln.

  1. Flucht/Vermeidung: Sie verzichten auf Ihre Ansprüche. Diese Wahl kann dann konstruktiv sein, wenn Sie sonst unverhältnismäßig viel Energie aufwenden müssten oder wenn Sie Ihren Ruf als Konflikthai abschwächen möchten.
  2. Kampf/Konkurrenz: Je größer Ihre Macht­po­si­tion ist, desto höher ist Ihre Chance sich durchzuset­zen. Der Gegenpart könnte sich jedoch einmal rächen.
  3. Kompromiss: Die Bedürfnisse beider Parteien kommen ein Stück weit zum Zug. Doch eine un­ter­schwellige Un­zufrieden­heit kann sich im passenden Moment Luft verschaffen.
  4. Anpassung: Sie unterdrücken Ihre eigenen Bedürfnisse und haben zumindest Ihre Ruhe. Aber ob dies langfristig zufrieden stellt?
  5. Integration/Kooperation: Sie klären zuerst die Basisansprüche der Beteiligten. Vielleicht wider­sprechen sie sich auf der tiefstmöglichen Ebene gar nicht? Prüfen Sie, ob sich die Ansprüche integrieren lassen.

Ver­hand­lun­gen

Ver­hand­lun­gen sind häufig Grat­wan­derun­gen: Es gilt, seine eigenen Ziele weitest­ge­hend durchzuset­zen und den Ver­hand­lungspart­ner ebenfalls zufrieden­zustellen. Gerade um langfristige Erfolge zu sichern, ist es wichtig, dass dieser sein Gesicht wahren kann. Bestimmen Sie für sich ein re­al­is­tis­ches Maximal- sowie ein Minimalziel. Droht dieses un­ter­schrit­ten zu werden, ist es legitim, die Verhandlung abzubrechen.

Prioritäten setzen

Ordnen Sie nicht nur Ihre Aufgaben nach Prioritäten, sondern ebenso Ihre gesellschaftlichen Rollen. Vielleicht können Sie Ihr Engagement in der einen oder anderen Rolle verringern oder sich gar von einer trennen. Un­ter­schei­den Sie Ihre Aufgaben nicht nur in wichtig und unwichtig, sondern auch in dringend und nicht dringend. Wichtige Aufgaben sind nicht zwangsweise dringend. Überdies hilft es, öfter „Nein“ zu sagen, etwas, das harmoniesüchtigen Menschen am schwersten fällt.

Handlungsfähig trotz Re­strik­tio­nen

Re­strik­tio­nen sind Rah­menbe­din­gun­gen, die Sie nicht ändern können. Wenn Sie eine Restriktion als solche erfassen und akzeptieren, gewinnen Sie trotz aller Schmer­zlichkeit mehr Gelassen­heit und vergeuden keine Energie mehr, um gegen Windmühlen anzukämpfen. Womöglich erkennen Sie sogar einen positiven Aspekt der Restriktion: Vielleicht bringt sie Sie dazu, neue und kon­struk­tive Ideen zu generieren.

Über den Autor

Thomas Augspurger ist Bankkauf­mann und Psychologe. Er arbeitete als Personal- und Or­gan­i­sa­tion­sen­twick­ler in ver­schiede­nen Konzernen. Heute ist er als selbstständiger Coach tätig. Seine Schw­er­punkte: Team­mod­er­a­tion, Führungskräfteen­twick­lung und kon­struk­tive Kom­mu­nika­tion.