Desinformation und Propaganda haben eine lange Tradition
Lange bevor Gutenberg die Kunst des Buchdrucks erfand und damit der heutigen Presselandschaft mit all ihren Auswüchsen den Weg bereitete, hatten Desinformation und Propaganda schon ihren Stellenwert. So verkaufte der ägyptische Pharao Ramses II. bereits 1296 v. Chr. die Schlacht gegen die Hethiter bei Kadesch als eigenen Erfolg, obwohl er genau wusste, dass keine der beiden Seiten den Sieg errungen hatte. Die Bezeichnung „Propaganda“ taucht erstmals im Rahmen der Missionsarbeit der katholischen Kirche auf, als Papst Gregor XV. die „Congregatio de propaganda fide“ (Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens) gründete. Dabei bedeutet das lateinische Wort „propagare“ lediglich „ausbreiten“ oder „,Werbung’ für ein bestimmtes Ziel“.
„Traf man in vergangenen Jahrhunderten nur hin und wieder auf Medienmärchen, so erleben sie im Zeitalter der Massenkommunikation ... eine neue Blüte.“
Der so genannte Krimkrieg (1853-1856) gilt in mehrfacher Hinsicht als Katalysator für die Entwicklung des publizistischen Einflusses auf die Bevölkerung in Kriegszeiten – so etablierte sich „der Kriegskorrespondent“ damals als Berufsstand und die Briten setzten zum ersten Mal die Fotografie als Waffe der Desinformation ein. Im Ersten Weltkrieg schliesslich erschienen in allen beteiligten Ländern nur Berichte, die zuvor durch die Hände von Zensoren gegangen waren, und für Hitler-Deutschland galt Propaganda insgesamt als Mittel der „geistigen Kriegführung im Rahmen der Gesamtkriegführung“.
Unternehmen im Fadenkreuz von Kampagnen
In der heutigen Informationsgesellschaft werden Wirtschaftsunternehmen immer wieder zur Zielscheibe von Kampagnen, die entweder von den Medien selbst lanciert oder von ihnen um die Welt getragen werden. Einige Beispiele für derartige Presselawinen aus den letzten Jahren sind:
- Die Firma Audi, die als Hersteller des TT-Sportwagens massiven Vorwürfen ausgesetzt war. Das Fahrzeug, so hiess es, würde bei hohen Geschwindigkeiten ein unkontrolliertes Fahrverhalten an den Tag legen. Private Fernsehsender und Printmagazine hatten enttäuschte TT-Besitzer aufgespürt, die vor der Kamera darüber berichteten, dass das Auto „ohne Vorwarnung ausbreche“ und somit ein Sicherheitsrisiko darstelle. Die Folgen für die Firma waren vielfältig und teuer. Der Androhung von Sammelklagen durch Anwälte aufgeschreckter TT-Lenker folgte der serienmässige Einbau einer so genannten Stabilitätskontrolle in alle Neufahrzeuge, der sich schliesslich eine Umtauschaktion für ältere TT-Versionen anschloss. Audis finanzieller Aderlass, der nicht zuletzt durch eine breite Berichterstattung in verschiedenen Medien ausgelöst wurde, lag bei rund 50 Millionen Mark. Zu guter Letzt konnte der Technische Überwachungsverein (TÜV) Süddeutschland bei seiner technischen Untersuchung „keine Konstruktionsfehler, kein Werkstoffversagen, keine Bauteilbrüche und keine Montagefehler“ feststellen.
- Der Sportartikel-Hersteller Nike sah sich Anfang des Jahres 2000 mit einem anderen medialen Lauffeuer konfrontiert. Reporter hatten darüber berichtet, dass in Fan-Trikots, die von Nike produziert wurden, gesundheitsgefährdende Verseuchungen durch die Substanz Tributylzinn (TBT) festgestellt worden waren. Viele TV-Reportagen und Zeitungen berichteten in der Folge über diese mögliche Vergiftungsquelle, ohne allerdings eigene Recherchen zu diesem hochbrisanten Thema zu starten. Mit der Folge, dass grosse Kaufhausketten dieses Sortiment von Sport-Textilien aus ihren Regalen verbannten. Nike und der Strumpfhersteller Falke, der gleichfalls wegen angeblich gesundheitsschädlicher Produkte ins Visier der veröffentlichten Meinung geraten war, mussten signifikante Umsatzeinbussen hinnehmen. Aufwendige Analysen waren letztlich nötig, um die Medienberichte gegenzuchecken. Ergebnis: Die „angebliche Trikotbelastung mit TBT ... lag tausendfach unter dem von der Weltgesundheitsorganisation für vergleichbare Substanzen festgelegten Wert.“ Das allerdings hatten die TV-Berichterstatter, die die Medienwelle ins Rollen gebracht hatten, in ihrem firmenkritischen Beitrag verschwiegen.
- Die Greenpeace-Kampagne gegen den Öl-Multi Shell entwickelte sich vor laufenden Kameras zum vollen Erfolg für die medienerfahrenen Umwelthüter. Anlass war die geplante Versenkung der Bohrinsel „Brent Spar“ in der Nordsee, die das Unternehmen für 1995 geplant hatte. Tankstellen-Boykotts, Solidaradressen von Prominenten und ein mediales Spektakel erster Güte sorgten dafür, dass rund 30 % weniger Benzin durch Shell-Zapfhähne flossen und der Umsatz erheblich zurückging. Der Konzern gab schliesslich dem Druck nach und stimmte einer Entsorgung des Stahlkolosses an Land zu. Wieder erwies sich damit eine massive Medienkampagne gegen ein Unternehmen als zielführend. Nur einen Tag nach der Kehrtwendung von Shell räumten Greenpeace-Aktivisten allerdings ein, dass die Entsorgung der „Brent Spar“ an Land „schwierig und kompliziert“ werde, und das ökologische Gefahrenpotenzial des stählernen Riesen wurde landauf, landab wie aus heiterem Himmel als überschätzt bewertet.
„Nach vorherrschender Auffassung, die sich regelmässig in den Medien niederschlägt, sind Produkte aus ökologischem Anbau gesünder als andere. Nicht nur eine Weltanschauung verbirgt sich hinter dieser Auffassung, auch ein Absatzmarkt.“
Massive Anti-Wirtschafts-Kampagnen haben bei manchen Medienunternehmen nicht selten auch einen finanziellen Hintergrund. Denn auf reisserische „Hetzjagden“ gegen Produkte und damit gegen ihre Hersteller folgen immer wieder steigende Anzeigenauslastungen und Mehreinnahmen durch Werbespots. Schliesslich versuchen viele der medial angeprangerten Firmen, über finanziell aufwendige Gegenattacken in Fernseh- und Print-Medien ihren Ruf wiederherzustellen und damit ihr ramponiertes Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren. Auf diese Weise beutet so mancher Medienbetrieb seine Opfer gleich doppelt aus: Die rufmörderisch wirkenden Kampagnen bringen Quote und Auflage auf der einen Seite und erhöhen zum anderen die Werbeeinnahmen.
Scheckbuch-Journalismus
Als weitere Variante im täglichen Auflagen- und Quotenwettlauf hat sich der so genannte Scheckbuch-Journalismus etabliert – Interviews, Fotos und Exklusivität werden eingekauft, um sich einen vermeindlichen Informationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. So waren Gespräche mit sowjetischen Militärs zeitweise nicht unter 600 Dollar zu haben, der ehemalige Generalstaatsanwalt Russlands liess sich erst gegen die Zahlung von mindestens 250 Dollar das Mikro unter die Nase halten. Auch in westlichen Ländern verwischt „Info-Bakschisch“ die Grenzen zwischen knallhartem Journalismus und reiner Informationsbeschaffung nachhaltig, wie es ein leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung einmal beschrieben hat: „Irgendwann wird kein Leser mehr wissen können, ob da ein Journalist den Bau eines neuen Kernkraftwerks für nötig hält, weil seine hartnäckige und unbestechliche Recherche ihn zu diesem Ergebnis gebracht hat – oder ob er nur regelmässig auf Vortragsreise für die Kernkraftwerklobby ist und dabei hohe Honorare einstreicht.“ Von Fall zu Fall bezahlen deutsche Fernsehstationen auch mal über 100 000 Mark für ein zehnminütiges Interview, wenn es in die Tagesaktualität passt und deshalb zum Quotentreiber avancieren könnte.
Wie „spin doctors“ aus Elefanten eine Mücke machen
Gerüchte streuen, Fakten „auslegen“ und ungeniessbare Regierungsverlautbarungen dem Volke schmackhaft machen – diesem Aufgabenspektrum verschreibt sich mancher Mitarbeiter in Public-Relations-Abteilungen, die nach ihren britischen Vorbildern als „spin doctors“ bezeichnet werden. Als Beispiel für eine gelungene Aktion deutscher PR-Profis gilt die Erfindung und Penetrierung des Begriffs „Öko-Steuer“. Bei ihrer Einführung 1999 wurde diese staatliche Einkunftsquelle seitens der rot-grünen Bundesregierung als zweckmässiges ökologisches Instrument für mehr Umweltschutz angepriesen, obwohl durch sie gleich in doppelter Weise in die Geldbeutel der Bürger gegriffen wurde, um die Staatskassen zu füllen – einmal durch die neu eingeführte Besteuerung von Energie, zum anderen wegen der dadurch höher ausfallenden Mehrwertsteuer. Der Deckname „Öko-Steuer“ für diese Mogelpackung, die letztlich die Rentenkassen sanieren half und obendrein eine Verbrauchssteuer darstellt, verfehlte seine Wirkung nicht – die „spin doctors“ konnten mit ihrer medialen Seifenblase einen grandiosen Erfolg bei der Irreführung der Öffentlichkeit verbuchen.
„Etwa zwei Drittel aller Medienbeiträge beruhen letztlich auf PR-Informationen, eigene journalistische Themenrecherchen bei den Nachrichtenagenturen liegen ‚in der Nähe von acht Prozent des gesamten Stoffes, bei den anderen Medien bei circa elf Prozent.’“
Es ist durchaus nachvollziehbar, wenn politische Führungsriegen ihre harten Entscheidungen rhetorisch weichgespült unters Volk bringen möchten – die unkritische Übernahme nichts sagender Worthülsen durch eine Vielzahl von Medien kann hingegen weder als legitim noch als „journalistisch sauber“ bezeichnet werden.
Neuer Zufluchtsort für „Enten“ – das Internet
Gerade die weltumspannenden und anonymisierten Informationskanäle des Internets sind dazu prädestiniert, in Sekundenschnelle Falschmeldungen rund um den Globus zu jagen. Opfer einer derartigen Fehlnachricht wurde der Sportgigant Nike, der 1998 per Post täglich hunderte alter Sportschuhe erhielt – immer mit dem Wunsch verknüpft, dem Absender bitte ein paar neue Fusskleider zu schicken. Über 6000 Paar Schuhe gingen auf diese Weise innerhalb weniger Tage bei dem Unternehmen ein. Eigene Recherchen von Nike ergaben schliesslich, dass der Grund für diese ungewollte „Recycling-Aktion“ eine im Internet verbreitete „Ente“ war, derzufolge Nike angeblich alte gegen neue Sportschuhe eintauschen würde.
Der „Pressekodex“ – eine lohnende Lektüre, nicht nur für Journalisten
Als „Berufsethik“ der Journalisten gilt allgemein der „Pressekodex“, der vom Deutschen Presserat entwickelt wurde. Die darin festgeschriebenen Leitlinien gelten für jeden Journalisten und sollten von ihnen in der täglichen Arbeit immer beachtet werden. Zu diesen „ethischen Grundsätzen“ zählen u. a.:
- Die Achtung von Wahrheit, Wahrung der Menschenwürde und wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote für journalistische Arbeit.
- Der Sinn von Nachrichten und Informationen darf nicht durch Bearbeitung, Überschriften oder Bilderbeschriftung entstellt oder verfälscht werden.
- Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sollten bei Veröffentlichung als solche gekennzeichnet sein.
- Wer „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“ eine Hintergrundinformation liefert, muss davon ausgehen können, dass sein Name nicht preisgegeben oder veröffentlicht wird.
- Redaktionelle Veröffentlichungen dürfen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter beeinflusst werden. So wird sich der Journalist, der täglich über das Auf und Ab an der Börse berichtet, „von einem trennen müssen – der Berichterstattung oder den Aktien“.
- „Die Annahme und Gewährung von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, sind mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig.“