Die Bedeutung der Nachwuchsförderung für Unternehmen
Nachwuchsprobleme für Führungspositionen existieren in allen Firmen. In der Regel holen sich die Unternehmen ihren Nachwuchs von den Universitäten oder werben sie bei anderen Firmen ab. Das kostet Unsummen und ist immer mit einem Restrisiko verbunden. Die Förderung des Nachwuchses in den eigenen Reihen bedeutet zwar zunächst mehr Aufwand - z. B. die Entwicklung entsprechender Programme und Tests -, zeigt sich jedoch auf längere Sicht als wesentlich förderlicher für das Unternehmen insgesamt. Es muss bei der internen Nachwuchsförderung selbstkritisch und innovativ handeln, markt- und zukunftsorientiert denken. Dadurch bleibt es jung, aktuell und wettbewerbsfähig. Eine Wertschätzung des Menschen ist zudem Ausdruck einer positiven Firmenkultur.
Die Gestaltung eines Förderprogramms
Bei der Gestaltung eines Förderungsprogramms ist zu unterscheiden zwischen konventioneller Förderungsarbeit (durchstrukturierte Lehrgänge, vorgegebenes Normverhalten, strenge Vorgabe von Lerninhalten und -organisation, Belohnungsverfahren) und progressiver Förderungsarbeit (arbeitsbegleitende Selbstlerngruppe, individuelle Lern- und Entwicklungsvereinbarungen, Win-Win-Situation). Der konventionelle Typus bewirkt bei den Teilnehmern eine Qualifizierung nur für ranghöhere Positionen und eine Sozialisierung für eine unternehmenskulturelle Ist-Situation. Der progressive Typus qualifiziert die Teilnehmer für sowohl ranghöhere als auch bestehende Aufgabenbereiche und erzielt bei ihnen eine flexiblere Anpassung an neue Situationen.
„Eine Firma, die alles zusammenkauft [Führungsnachwuchs], wird keine echte Kultur und keinen Bestand haben.“
Zu Beginn eines Förderprogramms sollte ein "Development Assessment" durchgeführt werden. Es erfolgt zunächst die Erstellung des Kompetenzprofils eines jeden Teilnehmers. Die Ergebnisse bestimmen Entwicklungsziele und Entwicklungszeitraum. Der Teilnehmer erhält eine individuell zusammengestellte Auswahl an Literatur, ein so genanntes "Selbstlernpaket". In Seminaren und Workshops wird das Gelernte umgesetzt. Wichtig ist ein richtiges Lernklima, eine zu Beginn festgelegte Lernrichtung und genau definierte Entwicklungsstufen. Die Teilnehmer arbeiten an neuen Projekten, mit denen sie tatsächliche Veränderungen in ihren Unternehmen bewirken können, an Projekten, die bereits laufen, an Einzelprojekten oder Gruppenprojekten oder auch an Projekten ihres Unternehmens, die sie in einem anderen Unternehmen durchführen. Bei diesen Massnahmen werden Fähigkeiten in der Umsetzungsstärke, in der Sensibilisierung für andere Unternehmenskulturen und in der Teamentwicklung geprüft und gefördert. Wichtig sind dabei stets die Selbstreflexion des Teilnehmers und das Führen von Auswertungsgesprächen.
„Die Sicherstellung und Entwicklung des eigenen Nachwuchses ist mit eine der vornehmsten Fragen des Managements.“
Im Zentrum des Programms steht die Entwicklung intellektueller analytischer Fähigkeiten. Die Teilnehmer erlernen das betriebswirtschaftliche und strategische Funktionieren eines Unternehmens nicht nur durch das Vermitteln theoretischen Wissens, sondern auch durch reale Inszenierungen von Start-up-Szenarien. Letztere sind besonders wichtig, werden aber häufig nicht entsprechend eingesetzt. Ein sehr effektives Lernprogramm im Rahmen der Nachwuchsförderung ist das Rotationssystem: Die Teilnehmer durchlaufen die verschiedenen Bereiche ihres Unternehmens, erhalten damit einen umfassenden Einblick in dessen Gesamtablauf und müssen sich in den unterschiedlichsten Positionen behaupten. Die Aufgaben sollten einen hohen Anforderungsgrad enthalten, damit die Teilnehmer bis an ihre Leistungsgrenzen gehen müssen. Dabei sollten die jeweiligen Projektaufgaben, die den Teilnehmern gestellt werden, unternehmensweit sichtbar sein, bereits anstehende oder bislang fast unlösbare Probleme enthalten. Wichtig sind die Echtsituationen, die der Teilnehmer erfahren soll, sowie ein hoher Grad an Selbstbestimmung. Die angesammelten Erfahrungen werden in Gruppen diskutiert und ausgewertet. Wichtiger Schwerpunkt eines Förderprogramms ist die Entwicklung der Persönlichkeit, des Führungswillens und Führungsimpulses. Die Teilnehmer sollen ihre individuellen Schwächen und Stärken kennen lernen, um sie nachher verbessern und entsprechend einsetzen zu können.
Das Leadership-Modell
Das Unternehmen, in dem ein Nachwuchsprogramm gestartet werden soll, muss zunächst daraufhin untersucht werden, welche Werte und Unternehmensstrategien es präsentiert. Jedes Unternehmen hat bestimmte Möglichkeiten und Grenzen, die es auszuloten gilt, sowie eine potenzielle Geschwindigkeit, um von A nach B zu kommen. Diese Geschwindigkeit ist für den Veränderungsprozess entscheidend.
„Die Förderung ... ist dann am wirkungsvollsten, wenn die Vorbereitung für die Zukunft zum Tagesgeschäft wird ...“
Als Führungskräfte eignen sich besonders Personen, die eine mentale und persönliche Agilität mit sich bringen. Es ist wichtig, dass sie Neuem stets aufgeschlossen gegenüberstehen und lern- sowie kommunikationsfreudig sind. Die so genannte Leadership-Fähigkeit beinhaltet u. a. die Kenntnis aller wichtigen Abläufe - auf dem Markt, im Unternehmen, in der Abteilung - und ihre Koordination. Der Leader muss wissen, wohin das Unternehmen gehen soll. Wichtig ist, dass er seine Vorstellung verinnerlicht und "lebt". Dabei ist eine stets positive Grundhaltung und das "Im-Griff-Haben" jeder Situation - auch in Krisenzeiten - notwendig. Der Leader muss seinen Mitarbeitern "Glaubwürdigkeit" vermitteln. Eine weitere wichtige Leadership-Fähigkeit ist das "Modellieren des Weges". Der Leader muss auf der einen Seite abstrakte Konzepte und Ziele des Unternehmens entwickeln und verstehen, auf der anderen Seite sie für die Mitarbeiter umsetzbar realisieren können. Dabei ist ein vernünftiges Lenken der Menschen im Unternehmen unerlässlich. Regelmässige Mitarbeitergespräche und Feedbacks sowie ein gerechtes Bewertungssystem bilden die Basis einer fruchtbaren Zusammenarbeit.
Förderungsprogramme als Instrument der personellen Zukunftssicherung
Für Unternehmen gibt es zahlreiche Fördermöglichkeiten auf allen Ebenen: Trainee-Programme, Brückenprogramme, Führungskräfte-Mobilitätsprogramme oder Enwicklungsprogramme für Vorstands- und Geschäftsführungs-Kandidaten. Entweder werden die Mitarbeiter geschult, um sie für bestehende Aufgaben weiterzuentwickeln (aufgabenorientierte Entwicklungsmassnahmen) oder um ihre Fähigkeiten für zukünftige, anspruchsvollere Aufgaben im Unternehmen auszubauen (personenorientierte Entwicklungsmassnahmen). Leider überwiegen die aufgabenorientierten Entwicklungsprogramme. Die Planung personenorientierter Programme bedarf selbstverständlich genauer Prüfung und Organisation. Unterlaufen einem Unternehmen Fehler bei der Führungskräfteförderung, so können diese grosse Probleme nach sich ziehen: kein Aufbau entsprechender Kompetenzen für neue Märkte, Produkte oder Geschäftssituationen, Klimaverschlechterung innerhalb der Führungsetage und in den einzelnen Abteilungen und dadurch resultierende Abgänge qualifizierter Kräfte oder schwer korrigierbare Situationen und damit verbundene hohe Kosten.
Service-Auftrag umsetzen - aber wie?
Betrachten wir die Umsetzung eines Förderungsprogramms bei einer Bank: Nachdem die Organisatoren aus den Mitarbeitern aller Niederlassungen eine Kerngruppe ausgewählt hatten, definierten die Projektteilnehmer Inhalte und Ziele, loteten Kompetenzen aus und verteilten die einzelnen Aufgabenbereiche. Das Projekt wurde in vier Phasen aufgeteilt: die Erarbeitung der Projektstruktur, die Definition der Arbeitsschwerpunkte und Entwicklung der Instrumente, die Umsetzung der Projektschwerpunkte und die Installation eines Messsystems sowie Reflexion und Feedback. Alle Phasen wurden von vorneherein zeitlich begrenzt.
„Die Aufgabe des Leaders [ist es], andere zu befähigen, gute Arbeit zu leisten.“
Thema des Projektes war die Verbesserung der Serviceleistungen der Bank. Für eine erste Bestandsaufnahme wurden Interviews mit den Kunden, aber auch mit den Bankangestellten durchgeführt, denn der "interne Service" spiegelt sich im Kundenservice wider. Zusätzlich wurden Vergleiche mit anderen, auch branchenfremden Unternehmen angestellt. Zielkunden wurden ausgewählt und Befragungsbögen erstellt. Selbstverständlich wurde die Anonymität bei der Auswertung der Antworten besonders betont. Doch die Kunden äusserten ihre Meinungen zum Teil sehr offen und begrüssten die Befragung und das Interesse der Bank. Die Projektgruppe beschloss eine weitere Befragung zu einem späteren Zeitpunkt, um zu sehen, ob die neuen Entwicklungen auch bei den Kunden ankommen. Zuletzt folgten das externe und interne Benchmarking. Als externe Vergleichspartner wurden ein Versandhaus, ein Luxushotel und ein Hersteller von Luxusartikeln ausgewählt. Für den internen Vergleich befragten die Projektteilnehmer die Bereiche, die besonders serviceorientiert waren.
Die etwas andere Führungstagung
Um das Projekt den Mitarbeitern und dem Management näher zu bringen und sich selbst einen zusätzlichen Motivationsfaktor zu schaffen, beschloss die Projektgruppe, eine Tagung auszurichten und dort in Vorträgen und Workshops die vorliegenden Ergebnisse, Ideen und Probleme vorzustellen und zu diskutieren. Auch Einladungslisten, Unterhaltungsprogramm und Catering sowie die Auswahl des Gastredners gehörten zu ihren Aufgaben. Sogar eine Tagungszeitung wurde ins Leben gerufen. Die Workshops umfassten Themen wie Kundenbegeisterung, Führung, Infrastruktur, Moderne und Tradition, Unternehmenskultur und Mitarbeiter. In ihnen diskutierten die Teilnehmer die erzielten Ergebnisse aus den Befragungen und werteten sie aus.
Erkenntnisse aus der Projektarbeit
Um die aus der Tagung gewonnenen Ergebnisse auch in die Praxis umsetzen zu können, wurden innerhalb der Niederlassungen erneut Workshops veranstaltet, um alle Mitarbeiter zu informieren. In diesen Arbeitsgruppen sollten die Mitarbeiter den Service der Bank intern und extern sowie die Serviceleistungen ihrer Abteilung analysieren und erarbeiten, was geändert und verbessert werden muss. Es wurden Ziele festgesteckt, die ab morgen umsetzbar waren und von jedem Workshop-Teilnehmer mitgetragen wurden. Dabei standen u. a. eine PC-gestützte Kundenkontaktplanung ebenso im Vordergrund wie die regelmässige Abfragung von Kundenwünschen über andere Produkte des Unternehmens und die Einrichtung von fixen Gruppenmeetings.
Service - In Search of Excellence
Service ist heute das A und O eines Unternehmens, gleichgültig welcher Branche es angehört. Der Kunde möchte zuvorkommend behandelt werden und das Gefühl erhalten, wichtig zu sein. Die Mitarbeiter müssen dem nachkommen, denn schliesslich ist der Kunde derjenige, dem sie etwas "verkaufen" wollen. Doch die Mitarbeiter dahin gehend zu motivieren und zu schulen, das ist Aufgabe des Managements. Wenn die Firmenphilosophie nicht stimmt, nützt der bereitwilligste Mitarbeiter nichts. Nicht nur extern muss der Service funktionieren, sondern auch intern. Das Management muss seine Mitarbeiter zum Lächeln bringen, sie dazu bewegen, Verantwortung zu tragen und Kreativität zu entwickeln.
Die sieben Erfolgsgeheimnisse des Leadership-Ansatzes
Die sieben Erfolgsgeheimnisse sind: Führungskraft, Überlassen (Teilen und Zusammenführen), Humor, Reporting (regelmässiger Informationsaustausch), gemeinsames Unternehmen, Neugier und Glaube. Schafft es ein Unternehmen, diese Eigenschaften in seinen Führungskräften zu wecken und zu entwickeln, so wird es Veränderungen in Gang setzen, die ihm einen enormen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt verschaffen.
Dr. Bernd Wildenmann ist Inhaber und Geschäftsführer der Beratungsgruppe Wildenmann Consulting und erfolgreicher Buchautor. Peter von der Heydt ist Mitinhaber von Delbrück & Co., Privatbankiers.