Der Bürgerkrieg

Buch Der Bürgerkrieg

Rom, um 60 n. Chr.
Diese Ausgabe: Reclam,


Worum es geht

Roms schick­sal­hafter Niedergang

Der Bürgerkrieg könnte glatt die Vorlage für einen Actionfilm oder ein Com­put­er­spiel liefern: Blut spritzt, Schädel bersten, Menschen brennen, und inmitten der Le­ichen­berge kämpfen einsame, von Pfeilen durchbohrte Helden gegen übermächtige Armeen. Wesentlich plastischer als Caesar in seinem gle­ich­nami­gen Werk schildert Lukan die Grauen des Bürgerkriegs, der von 49 bis 45 v. Chr. dauerte und weite Teile des Römischen Reiches erfasste. Dabei bilden die exzessiven Gewalt­darstel­lun­gen keinen Selbstzweck, vielmehr führen sie drastisch das Grauen und die Sinnlosigkeit dieses Krieges, in dem Verwandte sich gegenseitig bekämpften, vor Augen. In der Welt Lukans, der unter der Herrschaft von Kaiser Nero lebte und mit einem Abstand von 100 Jahren auf die Ereignisse des Bürgerkriegs zurückblickte, gibt es keine Götter mehr – es regiert der Zufall. Der Bürgerkrieg ist nicht der sachliche Bericht eines Historikers, sondern ein drama­tis­ches, lei­den­schaftliches Epos über eine Welt, die aus den Fugen geraten ist. Dem Stoiker, so Lukan, bleibt angesichts dieses blinden Schick­sal­swal­tens nur der Freitod.

Take-aways

  • Lukans Der Bürgerkrieg zählt zu den be­deu­tend­sten lateinis­chen Werken des ersten nachchristlichen Jahrhun­derts.
  • Inhalt: Der Machtkampf zwischen Caesar und Pompeius steigert sich zu einem Bürgerkrieg, der große Teile des Römischen Reiches erfasst. Pompeius, im Bund mit dem Senat, verteidigt die re­pub­likanis­che Freiheit, doch am Ende siegt der Tyrann Caesar und leitet damit den Niedergang der römischen Republik ein.
  • Lukans großes Vorbild für sein Werk war Vergils Heldenepos Aeneis.
  • Anders als bei Vergil greifen jedoch die Götter bei Lukan kaum noch ins Geschehen ein.
  • Die Welt wird von der launischen Schicksalsgöttin Fortuna und dem blinden Zufall regiert.
  • Mit exzessiven Gewalt­darstel­lun­gen führt Lukan dem Leser das Grauen und die Sinnlosigkeit dieses Krieges plastisch vor Augen.
  • Das Ideal der stoischen Schick­salsergeben­heit repräsentiert bei Lukan der weise Cato, der den Tod dem Leben unter einer Tyrannei vorzieht.
  • Lukans Schimpfti­raden auf den Tyrannen Caesar können als indirekte Kritik an Nero aufgefasst werden, der zu Lukans Zeit römischer Kaiser war.
  • Nero nötigte Lukan zum Selbstmord. Dadurch konnte dieser sein Epos nicht fer­tig­stellen.
  • Zitat: „Ich singe vom Krieg, der auf Thessaliens Ebene ausgetragen wurde und mehr war als ein Bürgerkrieg (…)“
 

Zusammenfassung

Gründe für den Bürgerkrieg

Der Römische Bürgerkrieg war reiner Wahnsinn und brachte ungeheuer viel Leid und Zerstörung. Das einzig Gute an dem Krieg zwischen Römern und Römern war, dass er der Herrschaft Neros den Weg ebnete. Schuld an dem Krieg war der Machtkampf zwischen Caesar und Pompeius, der nach dem Tod von Caesars Tochter Julia, die mit Pompeius verheiratet war, zwischen den beiden einstigen Verbündeten ausbrach. Aber auch tiefer liegende Ursachen waren für den Krieg ve­r­ant­wortlich. Aufgrund der vielen Eroberungen und der Ausdehnung auf ein riesiges Weltreich verfiel der einst blühende römische Staat. Wo vorher Tugend, Armut und Beschei­den­heit geherrscht hatten, breiteten sich nun Luxus, Geld- und Machtgier aus. Die Ämter wurden käuflich, die Ländereien – früher von Römern selbst be­wirtschaftet – zu großen Landgütern zusam­men­gelegt und von Frem­dar­beit­ern beackert.

Caesars Angriff auf Rom

Aus Gallien, wo er sich zehn Jahre lang als er­fol­gre­icher Feldherr einen Namen gemacht hat, rückt der ehrgeizige Caesar – keinen zweiten Mächtigen mehr neben sich duldend – heran. Unter dem Vorwand, er wolle Rom vor einer drohenden Tyrannei des Senats retten, überquert er mit seinen Truppen den Grenzfluss Rubikon und marschiert Richtung Rom. Sein gewaltiges Heer erobert eine ital­ienis­che Stadt nach der anderen. Panik breitet sich in Rom aus; wer kann, verlässt die Stadt. Auch Pompeius und viele Senatoren ergreifen die Flucht. Zugleich spielt die Natur verrückt: Neue Sterne und Unheil verkündende Kometen zeigen sich am Firmament, wilde Tiere durch­streifen nachts Rom, die Toten rumoren in der Unterwelt, Geis­ter­heere kämpfen gegeneinan­der, Tiere fangen an zu sprechen und Frauen bringen Monstren zur Welt. Diese bösen Vorzeichen sowie üble Prophezeiun­gen verbreiten unter den Römern Angst und Schrecken. Man fürchtet den Zorn der Götter. Erin­nerun­gen an die Au­seinan­der­set­zun­gen zwischen Sulla und Marius werden wach: Sie richteten in Rom ein Blutbad an, mordeten, folterten und hinterließen Berge verstümmelter Leichen.

„Ich singe vom Krieg, der auf Thessaliens Ebene ausgetragen wurde und mehr war als ein Bürgerkrieg (…)“ (S. 7)

In seiner Bestürzung über den drohenden Krieg sucht Brutus Rat bei seinem Onkel Cato, der das Ideal eines maßvollen, einfachen, selbstlosen Lebens im Einklang mit der Natur verfolgt und bereit ist, sein Leben für das Vaterland zu opfern. Brutus will nichts mit diesem sinnlosen Krieg zu tun haben. Doch Cato ermahnt ihn, seinem Schicksal zu folgen, wohin es ihn auch führt. Niemand dürfe tatenlos zuschauen, wie um ihn herum die Welt zusam­men­breche. Er selbst will sich Pompeius anschließen und mit seinem Leben die Republik verteidigen. Nach Catos Rede ist auch Brutus für den Bürgerkrieg entflammt.

„Eine gewaltige Aufgabe öffnet sich vor mir: zu zeigen, was das Volk in seinem Wahn zu den Waffen trieb und den Frieden aus der Welt verbannte.“ (S. 11)

Unterdessen nimmt Caesar eine Stadt nach der anderen ein, ohne auf nen­nenswerten Widerstand zu treffen. Die Stadtkom­man­dan­ten fliehen vor dem Ansturm seiner Truppen. Erst Domitius stellt sich ihm entgegen und verteidigt zäh die befestigte Stadt Corfinium, jedoch vergebens. Caesar begnadigt Domitius – für den stolzen Aris­tokraten die größte Schmach. Aus Furcht vor der Übermacht Caesars zieht sich Pompeius, einst siegreicher Feldherr und Eroberer, nach Brundisium zurück, verfolgt von seinem Gegner, der ihm dicht auf den Fersen ist. Im letzten Moment gelingt Pompeius die heimliche Flucht über das adriatische Meer. Italien wird er nie wieder betreten. Derweil setzt Caesar seinen Marsch auf Rom fort, bei dem er nicht auf jubelnde Massen, sondern nur auf Angst und Schweigen trifft. Doch das ist ihm nur recht: Er will nicht geliebt, sondern gefürchtet werden.

In Spanien und Afrika

Das Glück ist auf Caesars Seite, und er zieht ungehindert in Rom ein, dessen Bewohner vor Furcht zittern. Nach seinem Auftritt vor den wenigen ängstlichen Senatoren, die in der Stadt geblieben sind, geht es weiter nach Spanien, wo die Lage für ihn kritisch ist. Auf dem Weg dorthin will Caesar die von starken Mauern geschützte Stadt Massilia einnehmen, doch deren Bewohner halten der Belagerung stand. Entnervt zieht Caesar schließlich nach Spanien weiter, lässt aber einen Teil der Truppen zurück, der die wider­spen­stige, durch Krankheit und Hunger geschwächte Stadt weiter belagern soll – und sie in einer wilden Seeschlacht schließlich in die Knie zwingt.

„Läuft das Geschick planlos ab, kommen und gehen die Ereignisse und regiert der Zufall die Menschheit?“ (S. 59)

Bei Ilerda, wo Pompeius unter der Führung von Afranius und Petreius ein starkes Heer stationiert hat, erleidet Caesar die erste schwere Niederlage. Das Gelände ist unwegsam. Zugleich haben seine Truppen gegen heftige Unwetter und Überschwem­mungen anzukämpfen. In Caesars Lager bricht mangels Versorgung eine Hungersnot aus. Aber mithilfe Fortunas, die ihm wohlgesinnt ist, gelingt es Caesar, den Feind in die Flucht zu schlagen. Er setzt den fliehenden Truppen des Petreius nach und holt sie ein. Doch statt zu kämpfen, verbrüdern sich Soldaten. Als Petreius von dem Waf­fen­still­stand hört, reagiert er zornig. Er ruft seine Soldaten zur Disziplin auf, erinnert sie an den Auftrag, das Vaterland vor der Tyrannei zu bewahren – und schon geht das Morden weiter. Nachdem Pompeius’ von der Versorgung abgeschnit­tene Soldaten vor Hunger und Durst massenhaft umkommen, ka­pit­ulieren die Feldherren schließlich. Caesar lässt Gnade walten und gibt den Weg zum Fluss frei.

„Glücklich, wer weiß, wo er liegen kann, wenn die Welt in die Brüche geht!“ (S. 195)

Inzwischen hat sich der Krieg bis nach Afrika ausgeweitet. An der libyschen Küste kämpft Curio gegen Varus und Pompeius’ Verbündeten König Juba für die Sache Caesars. Gegen Jubas starke Kavallerie erleidet sein eingekesseltes Heer eine Niederlage. Qualvoll kommen zahlreiche römische Soldaten zu Tode – mit ihnen der ehrgeizige Curio. Einst hatte er sich große Verdienste um Rom erworben, aber dann wurde er gierig, wollte Gold und heizte den Bürgerkrieg an. Nun wird er in Libyen von Vögeln aufge­fressen.

Die Jagd auf Pompeius

Während fern von Rom in Epirus der Senat tagt und sich hinter Pompeius stellt, tritt Caesar mit seinen kriegsmüden Truppen den Rückmarsch aus Spanien an. Gerade noch hat er eine Meuterei verhindert, indem er sich der Wut der Soldaten gestellt und sie mit brutalen Drohungen und Strafen eingeschüchtert hat, schon eilt er nach Rom, wo er sich zum Konsul und Diktator ernennen lässt. Weiter geht es nach Brundisium, von wo aus er bei win­ter­lichem Frost mit seiner Flotte das Meer überquert. Er geht mit seinem Heer an Land und schlägt unmittelbar neben Pompeius sein Lager auf, um ihn endlich zur Schlacht zu zwingen. Doch ein Teil seiner Truppen, unter Führung von Antonius, ist wegen der ungünstigen Witterung in Italien geblieben. Heimlich bricht Caesar, der das Glück auf seiner Seite weiß, mit einem kleinen Kahn nach Italien auf, doch ein Sturm zwingt ihn zur Umkehr. Seine Soldaten sind verärgert über das Ver­schwinden ihres Führers. Wie konnte er sich auf dem Gipfel seiner Herrschaft in Lebens­ge­fahr begeben, ohne daran zu denken, was dann mit ihnen geschehen würde? Nur durch die Gunst der Götter hat er überlebt.

„Nichts schweißt Menschen, denen das Verbrechen zur Gewohnheit wurde, enger zusammen als Töten und Getötetwerden.“ (S. 255)

Endlich setzen die in Italien fest­sitzen­den Truppen über, und Caesars Heer wächst stetig. Von der Übermacht des Gegners eingeschüchtert, zieht sich Pompeius, der zuvor seine Gattin Cornelia nach Lesbos in Sicherheit geschickt hat, in die bergige Gegend von Dyrrhachium zurück. Caesar versucht, ihn mit seinen Truppen einzuschließen, und baut einen langen Be­fes­ti­gungsring rund um das Lager. In Pompeius’ Lager wüten schreck­liche Seuchen, aber immerhin hat er noch Zugang zum Meer. Seine Soldaten sind gut versorgt, während die Belagerer unter einer schweren Hungersnot leiden. Als Pompeius’ Soldaten den feindlichen Wall an einer Schwach­stelle durch­brechen will, stellt sich ihnen der einfache Soldat Scaeva todesmutig entgegen und verhindert ganz allein den Ausbruch – ein helden­hafter Kämpfer, leider für eine schlechte Sache: die Tyrannei.

Die Entschei­dungss­chlacht

Beide Heerführer ziehen nach kleineren Geplänkeln ostwärts und errichten in Thessalien ihr Lager, bereit für die große Schlacht. Pompeius zögert zunächst, er wähnt die Götter auf Caesars Seite. Doch dann beugt er sich dem Schicksal und treibt seine Leute in diesen katas­trophalen Krieg, in dem Brüder auf Brüder, Väter auf Söhne, Römer auf Römer treffen – und den er nie wollte. Düstere Vorzeichen mehren sich, die Sonne erblasst, Blitze schießen aus dem Himmel, Blutströme fließen in den See. Von überallher strömen Pompeius’ Verbündete herbei, Könige und Völker: Numider und Kydonier, Gallier und Spanier marschieren – dem Untergang geweiht – ordentlich in Reih und Glied. Keiner fürchtet um das eigene Leben, allen sind das Schicksal von Rom und Pompeius wichtiger.

„Mit einem Felsblock schlägt er dem einen Schädel und Knochen entzwei, und das von seiner zer­brech­lichen Hülle schlecht beschützte Gehirn lässt er zerspritzen. Einem andern zündet er Haar und Bart an; die Flammen zischen, während die Augen verbrennen.“ (über Scaeva, S. 301)

Angesichts dieser kampf­bere­iten Massen treibt Caesar seine Soldaten an: Was in­ter­essiere es diese Barbaren, wer Rom regiere? Sie hassten die Römer und würden sich gegen sie auflehnen. Caesar vertraue lieber auf seine eigenen Leute. Zwar seien diese weniger zahlreich, aber dafür hoch motiviert. Auch Pompeius feuert seine Truppen an: Aus allen Ländern seien sie zusam­mengekom­men, um Rom vor der Tyrannei zu retten und die Freiheit für künftige Gen­er­a­tio­nen zu bewahren. Doch in Pompeius’ Stimme schwingen Trauer und Angst mit.

„Man verlangte das Zeichen zum Angriff, denn das Schicksal riss die Welt ins Verderben.“ (S. 351)

Unter wildem Getöse stürzen sich Soldaten beider Seiten in den Krieg, der so viel Zerstörung hin­ter­lassen und Roms Niedergang besiegeln wird. Kein Gott ist da, der ihnen beisteht – das launische Schicksal, der Zufall regiert die Welt. Pompeius’ Soldaten drängen sich unter dem Schutz ihrer Schilde dicht zusammen, Caesars fanatische Truppen brechen in die geschlosse­nen Reihen ein und morden ohne Maß. Die eine Seite führt den Bürgerkrieg, die andere erduldet ihn. Pompeius’ Vielvölkerheer gerät in Panik, viele treten unter dem Ansturm von Caesars Truppen die Flucht an. Caesar selbst kämpft ganz vorn mit, feuert an und befiehlt, den Gegnern direkt ins Gesicht zu schießen und nicht die einfachen Soldaten, sondern die Adligen und Senatoren niederzumet­zeln. Blut spritzt, Eingeweide quellen aus den Leibern, abgehackte Köpfe fliegen durch die Luft, Leichen stapeln sich. Doch es bleibt keine Zeit, den Tod einzelner Soldaten zu beklagen, denn hier geht eine ganze Nation zugrunde.

„Soldaten! Ihr seid die Herren der Welt! Ihr seid mein Glück! Hier ist die Gelegenheit zum Kampf, die wir uns tausendmal gewünscht haben. Gebete sind nicht mehr verlangt; jetzt müsst ihr das Schicksal mit dem Schwert erzwingen!“ (Caesar, S. 367)

Nachdem Pompeius, ein würdevoller Verlierer, sich nach Larissa zurückgezogen hat, ruft Caesar zur Plünderung des feindlichen Lagers auf. Seine Soldaten raffen Gold an sich und machen sich in den Betten der gefallenen Senatoren und Aris­tokraten breit. Doch ihr schlechtes Gewissen lässt ihnen keine Ruhe, sie werden von schreck­lichen Albträumen geplagt. Und als hätte er nicht schon genug Unheil angerichtet, verweigert Caesar den unzähligen Toten eine ordentliche Bestattung oder wenigstens eine Verbrennung. Er lässt sie einfach verwesen und von Hunden und Vögeln auffressen. Die Ebene von Thessalien ist zur Grabstätte des römischen Volkes geworden.

Das Ende des Pompeius

Nachdem Pompeius seine Frau von der Insel Lesbos abgeholt hat, flieht er auf dem Seeweg nach Ägypten. Der junge König Ptolemaios distanziert sich indes von seinem einstigen Verbündeten Pompeius, der ihm damals auf dem Höhepunkt seiner Macht das Königreich geschenkt hat. Zwei Männer werden in einem Kahn los­geschickt, um Pompeius’ Flotte in Empfang zu nehmen. Unter einem Vorwand locken sie ihn ins Boot, stechen mit ihren Schwertern auf ihn ein und enthaupten ihn schließlich. Pompeius lässt dies unter großer Selb­st­be­herrschung geschehen, noch im Sterben wirkt er majestätisch und erhaben. Die Leiche werfen die Mörder ins Meer, den abgeschla­ge­nen Kopf bringen sie auf einen Speer gesteckt ihrem König, der ihn als Beweis seines Triumphs kon­servieren lässt. Die Schicksalsgöttin Fortuna, die Pompeius so lange wohlgesinnt war, hat ihn vom Gipfel der Macht gestoßen. Doch mag der Körper des Pompeius auch geschändet und verstümmelt sein – der Geist dieses großen Mannes lebt weiter und nistet sich in Brutus’ Herzen und in Catos Geist ein. Der eine wird Rache an Caesar üben, der andere die Partei von Pompeius ergreifen und sich unbeugsam für die Freiheit einsetzen.

„Ich sehe im Geist schon Bäche voll Blut, zerstampfte Könige, Leichen von Senatoren überall verstreut, ganze Völker, die in einem einzigen großen Blutbad schwimmen.“ (Caesar, S. 369)

Als Caesar auf der Suche nach Pompeius vor der ägyptischen Küste aufkreuzt, überbringt ihm ein Bote des Ptolemaios als Geschenk den abgeschla­ge­nen Kopf seines Erzrivalen. Caesar bricht in Klagen aus. Er gibt sich untröstlich darüber, dass ihm eine Versöhnung mit seinem Schwiegersohn versagt blieb, und ordnet dessen Bestattung an. Insgeheim aber freut er sich über den Tod des Pompeius. In Ägypten angekommen setzt er die Schande fort und verstrickt sich in eine Liebes­beziehung mit der schönen, von ihrem Bruder verstoßenen Königstochter Cleopatra. Bei einem Festmahl im luxuriösen Königspalast plant der Königsberater Potheinos, der schon in Pompeius’ Ermordung verstrickt war, auch noch die von Caesar. Auf diese Weise möchte er den Bürgerkrieg beenden und die Gunst des römischen Volkes gewinnen. Doch nicht ihm, sondern Brutus wird es vergönnt sein, Caesar zu töten.

Zum Text

Aufbau und Stil

Lukans Der Bürgerkrieg ist in zehn Bücher gegliedert. Der Aufbau ist chro­nol­o­gisch, in den einzelnen Büchern wechseln jedoch häufig der Schauplatz und die Erzählper­spek­tive. Mal wird aus der Sicht von Caesar, mal aus der von Pompeius, dann wieder aus derjenigen bestimmter Neben­fig­uren berichtet. Lange Exkurse über me­te­o­rol­o­gis­che und as­tronomis­che Phänomene oder über ge­ografis­che und historische Beson­der­heiten der ver­schiede­nen Kriegss­chauplätze un­ter­brechen immer wieder den Hand­lungs­fluss. Oft flicht Lukan rhetorisch ausgefeilte und höchst pathetische Reden seiner Helden in die Erzählung ein, teilweise spricht er sie auch direkt an. Sein großes künst­lerisches Vorbild ist Vergil. Auf dessen Aeneis bezieht er sich sprachlich und durch viele An­spielun­gen. Mit dem römischen Dichter Ovid teilt Lukan den Hang zu Übertrei­bun­gen und Paradoxa, in denen sich die Absurdität einer aus den Fugen geratenen Welt spiegelt. In drastischen, oft exzessiv gewalttätigen Kriegsszenen schildert er das Morden und Sterben auf dem Schlacht­feld und führt dem Leser damit das Grauen und die Sinnlosigkeit des Krieges plastisch vor Augen.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Indem er seinem großen Vorbild, der Aeneis des Vergil, folgt, ordnet Lukan sich bewusst in die griechisch-römische Tradition des Heldenepos ein. Seine Darstellung des Römischen Bürgerkriegs, der von 49 bis 45 v. Chr. dauerte, ist nicht der sachliche Bericht eines Historikers, sondern primär ein dich­ter­isches Werk.
  • Innerhalb dieser Tradition indes setzt Lukan neue Akzente: Handelt Vergils Werk von der Gründung Roms, so erzählt Lukan vom Untergang der Republik. Und während die Götter in der Aeneis noch direkt in das Geschehen eingreifen, treten sie bei Lukan in den Hintergrund. Allein Fortuna, die launische und willkürlich herrschende Göttin des Schicksals, hat noch Einfluss auf den Verlauf der Geschichte.
  • In seinem Fatalismus und his­torischen De­ter­min­is­mus erweist sich Lukan als Anhänger der Philosophie der Stoa, die angesichts des Bösen in der Welt keine Götter und keinen sinnhaften Gang der Geschichte anerkennt. Das stoische Ideal Lukans repräsentiert Cato: Er nimmt sich lieber das Leben, als dass er Tyrannei erduldet.
  • Mit seinen drastischen Schlacht- und Todesszenen ist Der Bürgerkrieg ein An­tikriegs­buch. Lukans Darstellung des teilweise absurden Grauens soll dem Leser eine Welt vorführen, in der die Wer­te­ord­nung auf den Kopf gestellt ist, Verwandte gegen Verwandte kämpfen und nur noch sinnlose Gewalt herrscht.
  • Zwar behandelt Der Bürgerkrieg historische Ereignisse, die bereits über 100 Jahre zurückliegen. Dennoch stellt Lukan von Beginn an die Frage nach der Aktualität dieses in seinen Augen ver­brecherischen Krieges. Im Rückblick erkennt er darin den Wendepunkt in der Geschichte, der zum Verlust der re­pub­likanis­chen Freiheit geführt habe. Die offene Kritik an Caesar, an seiner Zerstörungswut und seinem Größenwahn lässt sich auch als Mahnung an den amtierenden Kaiser Nero lesen.
  • Am Anfang des Buches ruft Lukan Nero als Inspiration seines Werkes an: Der Bürgerkrieg habe das Ende der Republik eingeläutet und so die Vo­raus­set­zung für Neros Herrschaft geschaffen, darum könne man ihn letztlich doch gutheißen. In der Forschung wurde dieses Loblied auf Nero lange als subtile Ironie und Kritik am Herrscher in­ter­pretiert. Heute wird es überwiegend ernst genommen: Vermutlich verfasste Lukan es zu einer Zeit, als er noch ein gutes Verhältnis zum Kaiser hatte.

His­torischer Hintergrund

Rom in der Kaiserzeit

Das erste vorchristliche Jahrhundert in Rom war von zahlreichen Bürgerkriegen gekennze­ich­net. Einzelne Adlige gewannen an Macht und setzten sich über die Verfassung hinweg. Rom brauchte zur Aufrechter­hal­tung seiner Herrschaft über ein riesiges Weltreich zwar her­aus­ra­gende Einzelpersönlichkeiten. Diese durften aber nicht zu viel Macht gewinnen, denn das hätte die Homogenität der aris­tokratis­chen Führungss­chicht und somit die re­pub­likanis­che Staat­sor­d­nung gefährdet. Der Konflikt zwischen Caesar und Pompeius stellte nur eine – allerdings eine besonders blutige und lang anhaltende – von vielen Au­seinan­der­set­zun­gen zwischen dem Senat und zu mächtig gewordenen Einzelper­so­nen dar.

Nach seinem Sieg gegen Pompeius machte sich Caesar daran, die römische Republik zu einer Monarchie umzubauen. Vielen Mitgliedern der Oberschicht, die um ihre eigene Position bangten, ging sein Herrschaft­sanspruch jedoch zu weit. Unter Führung von Marcus Brutus bildete sich eine Verschwörung, die schließlich 44 v. Chr. zur Ermordung Caesars führte. Doch dessen Tod bedeutete nicht die Restau­ra­tion der alten Republik. Es folgten weitere Bürgerkriege, aus denen Caesars Adoptivsohn und Erbe Octavian siegreich hervorging. Als Augustus schuf er das römische Prinzipat: eine Monarchie mit re­pub­likanis­cher Fassade, in der der Allein­herrscher eng mit dem Senat kooperierte.

Als 54 n. Chr. Nero zum Kaiser ausgerufen wurde, hatte sich das Prinzipat als Herrschafts­form in Rom fest etabliert. Während der ersten fünf Jahre seiner Herrschaft regierte Nero – unter dem Einfluss seines Erziehers Seneca und des Prätorianerpräfekten Burrus – gerecht und maßvoll. Große Hoffnungen knüpften sich an den neuen Herrscher, der sich bewusst auf die Tradition des Augustus berief, die Rechte des Senats achten, milde und weise regieren und die Künste fördern wollte. Nach dem Tod von Burrus 62 n. Chr. und dem Rückzug Senecas aus der Politik änderte Nero jedoch seine Politik. Durch die Ermordung seiner ehrgeizigen Mutter Agrippina verschaffte er sich die Freiheit, endlich das lange erträumte Künstler­da­sein zu ver­wirk­lichen. Lei­den­schaftlich inszenierte er sich in öffentlichen Auftritten als Schaus­pieler, Dichter und Musiker und löste mit seinen wachsenden Machtansprüchen Ärger in der aris­tokratis­chen Oberschicht aus.

Im Senat wuchs die Opposition gegen den Kaiser. Nach dem Brand von Rom im Jahr 64, der Nero selbst zur Last gelegt wurde, bildeten sich ver­schiedene Sen­atsver­schwörungen. Ihr Ziel war jedoch wiederum nicht die Wieder­her­stel­lung der Republik. Das Prinzipat sollte beibehalten werden, allerdings unter einem neuen Herrscher, der die Kon­ven­tio­nen und die Rechte des Senats re­spek­tieren würde. Am promi­nen­testen war die sogenannte Pisonische Verschwörung, die Nero durch den Aris­tokraten Gaius Calpurnius Piso ersetzen sollte. Sie scheiterte jedoch.

Entstehung

Wann genau Lukan Der Bürgerkrieg geschrieben hat, ist ungewiss. Fest steht nur, dass er unmittelbar vor der Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung gegen Nero, an der er beteiligt war, noch daran gearbeitet hat. Bei der Abfassung seines Epos über den Bürgerkrieg standen ihm ver­schiedene historische Quellen zur Verfügung. Zu den wichtigsten zählt gewiss das Geschichtswerk des Titus Livius und auch Caesars Der Bürgerkrieg. Daneben schöpfte der Autor wahrschein­lich aus einem – nicht überliefer­ten – Werk seines Großvaters, der den Krieg als Zeitgenosse miterlebt hatte.

Der Text endet abrupt während der Kämpfe in Alexandria. Wahrschein­lich hatte Lukan, nach dem Vorbild der Aeneis, zwölf Bücher geplant. Alles deutet darauf hin, dass Der Bürgerkrieg mit dem Freitod des unbeugsamen Cato enden sollte. Doch durch die Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung und seinen eigenen, erzwungenen Selbstmord 65 n. Chr. konnte Lukan sein Epos nicht mehr vollenden.

Wirkungs­geschichte

Mit seinen exzessiven Gewalt- und Todesszenen und dem übersteigerten Frei­heitspathos traf Der Bürgerkrieg, Lukans einziges erhaltenes Werk, den Geschmack seiner Zeit. Schon kurz nach seiner Entstehung um 60 n. Chr. galt es als bedeutendes und großartiges römisches Epos. Diese Einschätzung hielt sich durch das gesamte Mittelalter hindurch. Auch in der Renaissance und im Barock wurde Der Bürgerkrieg hoch geschätzt, Dante stellte das Buch gar in eine Reihe mit den Werken von Homer und Vergil. Ab dem 18. Jahrhundert verlor das Buch allmählich an Ansehen; sein eigen­williger Stil wurde als pure Rhetorik, als min­der­w­er­tig gegenüber dem klassischen Latein ge­brand­markt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg und dann verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg beurteilte man die lit­er­arische Qualität von Lukans Epos wieder positiver.

Über den Autor

Marcus Annaeus Lucanus, genannt Lukan, wird am 3. November 39 n. Chr. im spanischen Córdoba geboren. Seine Familie gehört dem Ritterstand an, sein Onkel Lucius Annaeus Seneca, Autor berühmter philosophis­cher Schriften, ist der Erzieher und Berater von Kaiser Nero. Nach der rhetorischen und philosophis­chen Ausbildung bei dem Stoiker Lucius Annaeus Cornutos und dem Studium in Athen erlangt Lukan Zutritt zum Kreis der Gebildeten am Hof Neros. Er erhält eine Quästur, Vo­raus­set­zung für eine sen­a­torische Karriere, und bekleidet bereits mit 22 Jahren das Amt des Auguren – eine große Ausze­ich­nung. Bei einem musischen Wettbewerb gewinnt er 60 n. Chr. mit einer Lobeshymne auf Nero den ersten Preis. Die ersten Jahre am Hof des Kaisers sind für den Dichter eine sehr produktive Zeit. Wie sein Onkel Seneca ist er überzeugt, dass ein goldenes Zeitalter anbricht. Neben dich­ter­ischen Werken schreibt Lukan viele Reden und Briefe. Doch schon bald, um das Jahr 62 n. Chr., erteilt ihm der Kaiser ein Veröffentlichungsver­bot, wahrschein­lich weil er in ihm einen Konkur­renten sieht und neidisch auf den Erfolg des Dichters ist. Doch Lukan, der mit der schönen und tal­en­tierten Polla Argentaria zugleich auch eine reiche Frau geheiratet hat, muss sich keine fi­nanziellen Sorgen machen. Nach dem Brand von Rom 64 n. Chr. nimmt Lukan zusammen mit seinem Onkel Seneca an einer Verschwörung gegen den zunehmend tyran­nis­chen Kaiser teil, doch sie wird aufgedeckt. Im Frühling des Jahres 65 n. Chr. rächt Nero sich mit einem blutigen Strafgericht an den Verschwörern. Wie auch Seneca erhält Lukan, der in Verhören die Namen anderer Beteiligter preisgibt, den Befehl, sich das Leben zu nehmen. Mit gerade einmal 25 Jahren schlitzt er sich die Pulsadern auf und rezitiert der Überliefer­ung zufolge Verse über einen sterbenden Helden aus Der Bürgerkrieg, während er verblutet. Lukan stirbt am 30. April 65 n. Chr. in Rom.