Aufbruch

Buch Aufbruch

Ingredient Branding schafft Werte

Oldenbourg,


Rezension

Marken wie Intel, Gore-Tex und viele andere haben es durch Ingredient Branding geschafft: Sie haben sich beim End­ver­braucher einen Namen gemacht und dadurch enorme Marktmacht erworben – obwohl sie nur Be­standteile anderer Produkte sind. Die Autoren dieses Sam­mel­ban­des erklären, worauf es bei der Entschei­dung für oder gegen Ingredient Branding sowie bei der Konzeption, Im­ple­men­tierung und Er­fol­gsmes­sung ankommt. Für alle, die sich umfassend über das Thema informieren wollen, ist das Buch ein echter Gewinn. Allerdings sind viele der Beiträge aus­ge­sprochen akademisch abgefasst und de­mentsprechend anspruchsvoll. Grund­ken­nt­nisse zum Thema Markenführung sind bei der Lektüre definitiv kein Nachteil, auch wenn einige Autoren praxisnahe Fall­beispiele präsentieren. Das Buch ist reich bebildert, aber leider nicht sehr übersichtlich struk­turi­ert, und ob das ungewöhnliche Layout gelungen ist oder nicht, darüber kann man streiten. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Anbietern von Pro­duk­tkom­po­nen­ten, die aus der Masse der aus­tauschbaren Lieferanten herausragen möchten.

Take-aways

  • Ein Ingredient Brand ist eine Komponente eines fertigen Produkts, die als eigenständige Marke aufgebaut wird.
  • Bekannte Beispiele sind In­tel-Prozes­soren und Gore-Tex-Mem­bra­nen.
  • Das Marketing von Ingredient Brands wendet sich nicht einfach an die nächste Absatzstufe, den Pro­duk­ther­steller, sondern an den Endkunden.
  • Ziel ist es, über den Endkunden eine Nachfrage beim eigentlichen Kunden, dem Hersteller, zu generieren.
  • Manchmal initiiert auch der Hersteller ein Ingredient Branding, um seine eigenen Produkte durch die Marken seiner Lieferanten aufzuwerten.
  • Typ­is­cher­weise profitiert am Anfang eher der Lieferant von der Marke des Herstellers, doch im Lauf der Zeit kann sich das Verhältnis umkehren.
  • Ingredient Branding lohnt sich grundsätzlich nur, wenn die Komponente für den End­ver­braucher relevant und kaufentschei­dend ist.
  • Da die Komponenten im Endprodukt oft unsichtbar sind, hat der Lieferant ein Wahrnehmungs- und ein Glaubwürdigkeit­sprob­lem zu lösen.
  • Ingredient Branding kann auch im Di­en­stleis­tungs­bere­ich, bei schnell ver­brauchten Konsumgütern und sogar bei Han­dels­marken eingesetzt werden.
  • Im Gegensatz zum Konsumgüter­mar­ket­ing ist das Branding im B2B-Bereich noch un­ter­en­twick­elt und hat darum große Er­fol­gschan­cen.
 

Zusammenfassung

Ingredient Brands kennt jeder

Teflon, Lycra, Gore-Tex oder Intel – jeder kennt die großen Ingredient Brands. Während im klassischen Branding das Endprodukt zur Marke wird, ist es beim Ingredient Branding eine Komponente: die at­mungsak­tive Gore-Tex-Mem­bran in der Jacke, der In­tel-Prozes­sor im Computer, die Teflon-Beschich­tung der Pfanne, die Ly­cra-Elastik­faser in den Kleidern. Obwohl diese Komponenten oft unsichtbar sind, werden sie gezielt beworben und damit in die Wahrnehmung des End­ver­brauch­ers gerückt. Oft sind zwei Logos auf einem Produkt angebracht, das des Herstellers und zusätzlich das des Ingredient Brand. Ähnlich wie beim Co-Branding, bei dem sich zwei Marken zusammentun, die sonst eigenständig auf dem Markt agieren, wollen sich auch beim Ingredient Branding beide Unternehmen gemeinsam besser auf dem Markt po­si­tion­ieren. Doch der Begriff des Ingredient Branding ist enger gefasst als der des Co-Branding, weil er nur Komponenten, aber keine eigenständigen Endprodukte umfasst.

„Der Ursprung des Ingredient Branding ist in den Be­stre­bun­gen der Hersteller von Zwis­chen­pro­duk­ten, die ihrer Marke eine Identität verleihen wollten, zu finden.“

Weil Ingredient Branding nor­maler­weise auf den End­ver­braucher zielt, ist der Mar­ketingansatz ein mehrstu­figer. Die Maßnahmen richten sich also nicht direkt an den un­mit­tel­baren Abnehmer (einstufiges Marketing), beispiel­sweise an den Hersteller der Jacke, die mit Gore-Tex aus­ges­tat­tet werden soll. Vielmehr wenden sich die Mar­ket­ing-Maßnahmen direkt an den End­ver­braucher, auch wenn der die un­ver­ar­beit­ete Gore-Tex-Mem­bran in Reinform weder brauchen noch kaufen kann. Obwohl das Produkt des Kom­po­nen­ten­her­stellers also im Endprodukt regelrecht ver­schwindet, wird diese Komponente beim Endkunden beworben. Dadurch soll ein Nach­frage­sog erzeugt werden – im besten Fall kauft der Verbraucher dann nur noch Regenjacken mit Gore-Tex-Ausstat­tung oder Computer mit „Intel inside“. So wird der Hersteller des Produkts quasi gezwungen, genau diese Komponenten in seinen Produkten zu verarbeiten, und das beschert dem Lieferanten der Komponente ein sattes Absatzplus. Außerdem kann man für ein In­gre­di­ent-Brand-Pro­dukt höhere Preise verlangen als für eine No-Name-Kom­po­nente.

„Der Aufbau eines Ingredient Brand lohnt sich für ein Zuliefer­un­ternehmen nur, wenn die Zuliefer­kom­po­nente einen eigenständigen Nutzen­vorteil aufweist.“

Manchmal wird das Ingredient Branding aber auch vom Hersteller genutzt, als Inverse Ingredient Branding. In diesem Fall will ein Hersteller seine Produkte dadurch aufwerten, dass er Komponenten bekannter Zulieferer verwendet. Natürlich muss die Qualität dann wirklich halten, was die Werbung verspricht. Ein bekanntes Beispiel ist das Unternehmen McDonald’s, das im Rahmen einer Qualitätsoffensive massiv damit geworben hat, dass die meisten Produkte auf dem Plas­tik­tablett von bekannten Marken­liefer­an­ten stammen. Oft wollen auch schwache, unbekannte Hersteller, die über keine eigenständige Marke verfügen, so ihre Produkte aufmotzen. Bestes Beispiel sind die No-Name-Com­puter aus dem Discounter, die alle mit dem In­tel-Aufk­le­ber für sich werben.

Der In­gre­di­ent-Brand­ing-Prozess

Der typische Verlauf eines In­gre­di­ent-Brand­ing-Prozesses sieht wie folgt aus:

  1. Kred­i­tauf­nahme/Ru­faus­beu­tung: Zuerst bietet in der Regel der (unbekannte) Kom­po­nen­ten­her­steller dem (namhaften) End­pro­duk­ther­steller eine Kooperation an. Er will vom guten Namen des End­her­stellers profitieren und bietet im Gegenzug Preisnachlässe oder Wer­bekosten­zuschüsse.
  2. Durchbruch/Bewährung: Der Zulieferer wird zunehmend bekannt und damit vom Endprodukt unabhängiger.
  3. Kreditrückzahlung/Synergie: Beide Marken sind gle­ich­w­er­tig.
  4. Fi­esco-Ef­fekt: Die Zulief­er­ermarke ist namhafter als die End­pro­duk­t­marke und damit nicht mehr auf den ursprünglichen Ko­op­er­a­tionspart­ner angewiesen. Im schlimmsten Fall verliert die Marke des Endprodukts an Bedeutung.
„Das Markenkonzept für ein Ingredient Brand un­ter­schei­det sich kaum vom Markenkonzept eines herkömmlichen Haupt­pro­dukts.“

Der Aufbau eines Ingredient Brand erfolgt in weiten Teilen analog zum klassischen Marke­nauf­bau. Zunehmend geht es dabei um die Schaffung einer so genannten Kom­pe­tenz­marke, die sich nicht nur auf einzelne Produkte, sondern auf das gesamte Unternehmen bezieht. Dadurch erzielt man neben höheren Einnahmen weitere positive Effekte: Die Reputation des Un­ternehmens steigt, das Rating verbessert sich, die Mi­tar­beit­ergewin­nung und der Aufbau von weiteren Geschäft­skon­tak­ten werden einfacher. Im Ergebnis rechnen sich so die immensen In­vesti­tio­nen in den Marke­nauf­bau. Entschei­dend für den Erfolg ist eine klare und konsequente Po­si­tion­ierung der Marke, damit diese eine Wahrnehmungsnis­che in den Köpfen der Kunden besetzt und nicht in der Masse der Marken untergeht.

„Die Markierung des Vorprodukts ist in aller Regel eine entschei­dende Vo­raus­set­zung für ein er­fol­gre­iches mehrstu­figes Marketing.“

Die Beson­der­heiten des Ingredient Branding sind einerseits der mehrstufige Kom­mu­nika­tion­sprozess, an­der­er­seits die Tatsache, dass die Komponenten nor­maler­weise gar nicht wahrnehmbar sind und ihre Relevanz erst einmal an den End­ver­braucher kom­mu­niziert werden muss.

Damit hat der Kom­po­nen­ten­her­steller automatisch ein Glaubwürdigkeit­sprob­lem, da der Endkunde die Leistung der Komponente oft nicht direkt prüfen kann. Je nach Produkt gibt es ver­schiedene Strategien, um diesem Problem zu begegnen: Man kann z. B. durch geschickt gewählte Maßnahmen die Qualität der Komponente erfahrbar machen oder sie über Gütesiegel vermitteln.

Entschei­dungskri­te­rien für Ingredient Branding

Marken­strate­gien sind im Konsumgüterbereich inzwischen fast überall etabliert, im B2B-Bereich gibt es dagegen noch viel Nach­holbe­darf. Beispiel­sweise ist im Au­to­mo­bilsek­tor, speziell im Oberk­lasse­bere­ich, noch viel Potenzial ungenutzt, über Ingredient Brands einen echten Mehrwert zu bieten. Es hängt natürlich vom Einzelfall ab, ob eher eine klassische B2B-Marke, die sich an den Hersteller richtet, oder besser ein Ingredient Brand, das auch beim End­ver­braucher bekannt ist, aufgebaut werden soll. Grundsätzliche Bedingung für ein er­fol­gre­iches Ingredient Branding ist, dass von der Komponente überhaupt ein kaufentschei­den­der Nutzen für den End­ver­braucher ausgeht. Ein Hersteller von Autobremsen kann es beispiel­sweise durchaus mit Ingredient Branding versuchen, der Hersteller des Kos­metik­spiegels in der Son­nen­blende wird dagegen mit einem solchen Ansatz wahrschein­lich scheitern – dem Autokäufer ist die Marke dieses Spiegels schlicht und ergreifend egal. Weitere Entschei­dungskri­te­rien sind:

  • Wet­tbe­werb­sin­ten­sität: Je höher diese ist, desto weniger lohnt sich der teure Marke­nauf­bau.
  • Stärke der Her­steller­marke: Je stärker diese ist, desto schwieriger ist das Ingredient Branding, weil der Hersteller eine Schwächung seiner eigenen Marke befürchtet.
  • Kom­pat­i­bilität der Markenkonzepte: Die Marken­wel­ten von Endprodukt und Komponente dürfen sich nicht wider­sprechen.
  • Markierungsmöglichkeiten, um die Komponente für den End­ver­braucher sichtbar zu machen: Dies geschieht in der Regel durch Aufkleber, Anhänger usw., manchmal auch durch farbliche Markierung oder besondere Gestaltung, die dann im fertigen Produkt noch sichtbar ist.

Ver­schiedene Ein­satzbere­iche

Ingredient Branding ist keineswegs nur auf Produkte beschränkt, sondern kann auch im Di­en­stleis­tungs­bere­ich eingesetzt werden. Ein Problem der Di­en­stleis­tung ist ja bekanntlich, dass man sie nicht sehen und anfassen kann. Das Ser­vice-In­gre­di­ent-Brand dagegen muss selbst keine Di­en­stleis­tung, sondern kann auch materiell sein. So werben beispiel­sweise Fit­nessstu­dios damit, dass sie nur Markengeräte einsetzen. Durch Ser­vice-In­gre­di­ent-Brand­ing kann man einerseits die Qualität der Di­en­stleis­tung verbessern: Der Kunde nimmt das Angebot eher als hochwertig wahr und die Kaufrisiken werden reduziert. An­der­er­seits kann Ser­vice-In­gre­di­ent-Brand­ing auch in der eigentlichen Leis­tungser­stel­lung eingesetzt werden (z. B. durch Verwendung von Orig­inal­teilen bei einer Reparatur). Im­ma­terielle Ser­vice-In­gre­di­ent-Brands gibt es ebenfalls. Beispiele sind Gütesiegel und Zertifikate, etwa eine zer­ti­fizierte Tauschschule. Grundsätzlich prob­lema­tisch ist beim Ser­vice-In­gre­di­ent-Brand­ing (wie beim Ingredient Branding überhaupt) die Qualitätskontrolle: Schwächelt einer der beiden Partner, hat das negative Rückwirkungen auf den anderen.

„Eine bekannte und vertraute Marke dient dem Endkunden als Indikator für die zu erwartende Di­en­stleis­tungsqualität.“

Auch bei klassischen, schnell kon­sum­ierten Marken­pro­duk­ten kann das Ingredient Branding eine überlegenswerte Option sein, um den Umsatz zu erhöhen und die Reputation zu verbessern. Das funk­tion­iert allerdings nur, wenn sich beide Marken nicht wech­sel­seitig beschädigen. Ein klassisches Beispiel ist der WC-Duft­stein im De­sign­erkleid: Der WC-Surfer von Henkel und Alessi spülte viel Geld in die Kassen beider Unternehmen. Sogar im Han­dels­mar­ket­ing kann das Ingredient Branding eine Erfolg ver­sprechende Strategie sein. Jeder kennt die aus­tauschbaren No-Name-Pro­dukte, die als Eigenmarken von den ver­schiede­nen Su­per­mark­tket­ten verkauft werden. Durch ein geschicktes Ingredient Branding können diese Eigenmarken aufgewertet werden. Außerdem kann die Eigenmarke positiv gegen die der anderen Anbieter abgegrenzt werden und – im Idealfall – der Händler als Alleinan­bi­eter dieser hochw­er­ti­gen Eigenmarken ein Alle­in­stel­lungsmerk­mal aufbauen.

Mar­ket­ing-Maßnahmen

Die Marketingmaßnahmen des Ingredient Branding zielen in den meisten Fällen auf den Endkunden. Dabei sind die Werkzeuge des Di­alog­mar­ket­ings oft sehr er­fol­gver­sprechend. Darunter versteht man alle Formen des Marketings, die auf eine Antwort des Adressaten abzielen, also beispiel­sweise Mailings oder Gewinn­spiele. Neben den klassischen Medien (Zeitung, TV, Telefon, Fax, Brief usw.) kommen dabei zunehmend die neuen Medien ins Spiel (E-Mail, Foren, Chats, SMS usw.). Diese Werkzeuge bieten oft gute Möglichkeiten, die verborgenen Qualitäten einer Komponente erfahrbar zu machen. So verschickte man beispiel­sweise mit Nutrasweet gesüßte Gummibärchen, um den Ver­brauch­ern einen Geschmack­stest zu ermöglichen.

„Der konsequente Einsatz der sechs Bausteine einer Marke­nar­chitek­tur verzinst das Markenkap­i­tal besonders effizient.“

Der Marke­nauf­bau des Ingredient Brand un­ter­schei­det sich nicht wesentlich vom Aufbau einer normalen Marke. Der große Vorteil ist der noch relativ schwach besetzte Markt: Wenn es um die Verankerung neuer Ingredient Brands geht, haben Anbieter, die jetzt loslegen, die besten Chancen, das Terrain zu besetzen. Wie beim normalen Branding auch, geht es um folgende Bausteine der Marke­nar­chitek­tur:

  1. Schaffung einer eingängigen Wortmarke, wobei sprechende Beze­ich­nun­gen besser sind als abstrakte Begriffe. Letztere kosten erst einmal viel Geld, um zu kom­mu­nizieren, worum es sich eigentlich handelt.
  2. Entwicklung einer Bildmarke, wobei es bei Ingredient Brands besonders wichtig ist, dass diese auch auf ver­schiede­nen Materialien gut aussieht.
  3. Wahl einer Markenfarbe, was eine heikle Aufgabe darstellt, weil die Auswahl grundsätzlich beschränkt, ein zügiges und kon­se­quentes Besetzen der Farbe also besonders relevant ist.
  4. Wahl des Marken­ver­sprechens,
  5. Aufbau einer (emotionalen) Markenwelt und
  6. Aufbau einer Hörmarke (Jingle), was u. a. wegen des Internets zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Über die Autoren

Prof. Dr. Roland Mattmüller lehrt an der European Business School in Oestrich-Winkel. Bernd M. Michael ist Inhaber des BMM Büro für Marke­nar­chitek­tur in Düsseldorf. Ju­nior­pro­fes­sor Dr. Ralph Tunder lehrt ebenfalls an der European Business School.