Verhandlungsmanagement

Buch Verhandlungsmanagement

Planung, Steuerung und Analyse

Schäffer-Poeschel,


Rezension

Geschicktes Verhandeln ist eine Sache. Dieses Taktieren aber in ein sys­tem­a­tis­ches Ver­hand­lungs­man­age­ment einzubetten, eine ganz andere. Um Letzteres geht es in diesem Buch. Wer sich vom typisch universitären, gewichtigen Schreibstil nicht abschrecken lässt, wird daraus etliche in die Praxis übertragbare Erken­nt­nisse ziehen können. Der Leser bekommt einen wis­senschaftlich verankerten und zugleich prozes­sori­en­tierten Ansatz präsentiert und weiß anschließend, wie er Ver­hand­lun­gen – und vor allem das ganze Drumherum – sys­tem­a­tisch angehen kann. Zur Au­flockerung und Ve­r­an­schaulichung gibt es zahlreiche Fall­beispiele und Grafiken. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Managern und Un­ternehmern, die nicht mehr einfach aufs Geratewohl in Ver­hand­lun­gen steigen wollen.

Take-aways

  • Er­fol­gre­iche Ver­hand­lun­gen basieren auf einer intensiven Analyse der Aus­gangslage und einer gründlichen Vor­bere­itung.
  • Vor der Verhandlung müssen Sie Ihre Strategie und Ihre Ziele definieren.
  • Studien beweisen: Je heterogener das Ver­hand­lung­steam, desto größer die Er­fol­gsaus­sichten.
  • Jedes Team­mit­glied hat eine spezifische Rolle, z. B. „Organizer“, „Negotiator“, „Influencer“ oder „Decision Maker“.
  • Das Ver­hand­lungskonzept des FBI trennt die Ver­hand­lungsebene klar von der Entschei­dungsebene.
  • Eine BATNA (Best Alternative to Negotiated Agreement) ist ein Plan B und für jede Verhandlung unerlässlich.
  • Prüfen Sie, ob ein Side-Deal sinnvoll ist, d. h. ob Sie einen Ver­trags­ge­gen­stand mit einem Punkt aus einem anderen Bereich verbinden können.
  • Ein sys­tem­a­tis­ches Controlling sorgt für einen Soll-Ist-Ver­gle­ich der Ergebnisse, und das für alle Ver­hand­lungsphasen.
  • Es ermöglicht auch den Vergleich der Ver­hand­lungsleis­tung ver­schiedener Abteilungen.
  • Beginnen Sie mit der Im­ple­men­tierung des Ver­hand­lungs­man­age­ments in dem Bereich, in welchem Sie den geringsten Widerstand erwarten.
 

Zusammenfassung

Keine Verhandlung ohne sys­tem­a­tis­ches Vorgehen

Nicht allen Menschen ist klar, wie sehr Ver­hand­lun­gen ihren Ar­beit­sall­tag bestimmen. Oft sind Mitarbeiter in Unternehmen gar nicht richtig geschult in Sachen Ver­hand­lungsführung und Ver­hand­lungs­man­age­ment. Letzteres nimmt für sich in Anspruch, umfassend in den be­trieb­swirtschaftlichen Kontext eingegliedert zu sein; die eigentliche Ver­hand­lungsführung dagegen fokussiert den Gesprächsverlauf oder die psy­chol­o­gis­chen Aspekte. Unternehmen können viel Zeit, Kosten und Ar­beit­skraft sparen, wenn sie sich nicht nur auf das Ver­hand­lungs­geschick ihrer Mitarbeiter verlassen, sondern ein sys­tem­a­tis­ches Ver­hand­lungs­man­age­ment einführen.

Schritt 1: Die Analyse

Wenn Sie Ver­hand­lungs­man­age­ment sys­tem­a­tisch betreiben möchten, müssen Sie im ersten Schritt die Aus­gangssi­t­u­a­tion erfassen. Prüfen Sie, wie relevant die anstehende Verhandlung sein wird. Ist das Ergebnis für Ihr Unternehmen von großer Bedeutung, so ist der Einsatz eines sys­tem­a­tis­chen Ver­hand­lungs­man­age­ments dringend anzuraten. Gleiches gilt, wenn die Verhandlung als besonders schwierig oder kompliziert angesehen wird. Sie sollten außerdem In­for­ma­tio­nen sammeln über:

  • das Unternehmen, mit dem Sie verhandeln werden,
  • das Ver­hand­lung­sob­jekt (z. B. Produkte, Tarife, Preise, Lieferungen),
  • diejenigen Personen, die die Verhandlung führen,
  • frühere Ver­hand­lun­gen und ihre Ergebnisse.
„Trotz der un­strit­ti­gen Bedeutung, die Ver­hand­lun­gen für Unternehmen zukommt, standen diese bislang häufig nicht im Mittelpunkt des Man­age­mentin­ter­esses.“

Mit diesen In­for­ma­tio­nen werden Sie die anstehende Verhandlung adäquat bewerten können.

Schritt 2: Die Or­gan­i­sa­tion

Im zweiten Schritt geht es um drei wesentliche Punkte: Mit welchen Parteien werden Sie verhandeln? Mit welcher Art von Team gehen Sie in die Verhandlung? Wie wird die Auf­gaben­verteilung im Team aussehen?

  1. Die geg­ner­ischen Parteien: Sie können grundsätzlich mit mehreren Parteien auf einmal (mul­ti­lat­eral) oder mit jeweils einer Partei (bilateral) verhandeln. Ersteres mag kom­plizierter sein, dafür aber evtl. zeits­paren­der (wenn Sie z. B. bei einem Com­put­ereinkauf gle­ichzeitig mit mehreren Anbietern verhandeln). Bilaterale Ver­hand­lun­gen sind in der Regel weniger komplex und leichter zu managen.
  2. Ihr Ver­hand­lung­steam: Besonders wichtige Ver­hand­lun­gen werden fast nie nur von einer Person geführt, sondern von einem Team, in dem sich Personen mit einem möglichst un­ter­schiedlichen sozialen, fachlichen, geschlechtlichen und kulturellen Hintergrund befinden. Je heterogener das Team, desto besser die Ver­hand­lungsergeb­nisse für das Unternehmen; das haben mehrere in­ter­na­tionale Studien bewiesen.
  3. Die Auf­gaben­verteilung: In einem Team kann es – ganz bewusst besetzte – Rollen geben, mit denen bestimmte Aufgaben einhergehen. Diese Rollen sind:
  • Decision Maker: Er trifft Entschei­dun­gen und trägt die Ve­r­ant­wor­tung.
  • Der Negotiator: Er führt die Verhandlung, weist allerdings darauf hin, dass er nicht der endgültige Entscheider ist.
  • Der Commander: Er ist bei der Verhandlung anwesend, bleibt aber im Hintergrund, notiert die Aussagen und den Verlauf der Verhandlung und bespricht diese in Ver­hand­lungspausen mit dem Negotiator.
  • Der Organizer: Er legt die Ver­hand­lung­ster­mine und die Dauer fest und sorgt für die Rah­menbe­din­gun­gen.
  • Der Influencer: Er hat keine un­mit­tel­bare Entschei­dungs­befug­nis, seine Meinung beeinflusst jedoch die der anderen Team­mit­glieder (z. B. aufgrund von Seniorität, Un­ternehmen­szugehörigkeit, Erfahrung, Persönlichkeit).
  • Der Gatekeeper sorgt für den In­for­ma­tions­fluss im Team oder zwischen den Teams. Ihn findet man oft bei Tar­ifver­hand­lun­gen.
  • Schließlich gibt es noch die Rolle des Affectors: Er ist von den Ver­hand­lungsentschei­dun­gen am stärksten betroffen.
„Die Ver­hand­lungsvor­bere­itung stellt eine, wenn nicht sogar die entschei­dende Phase des Ver­hand­lungs­man­age­ments dar.“

Mit der Teamzusam­menset­zung wird zugleich auch weitgehend über die Auf­gaben­verteilung entschieden. Dabei können Sie die Aufgaben entweder nach einer fachlichen, prozes­sualen oder aber nach einer entschei­dungs­be­zo­ge­nen Eignung der Mitglieder aufteilen. Wichtig ist bei alledem, dass sich jedes Team­mit­glied seiner Rolle und seiner Aufgabe stets bewusst ist.

„Interessant ist, was sich über die Ver­hand­lungsführenden der Ver­hand­lungspart­ner im Vorfeld an In­for­ma­tio­nen generieren lässt.“

Ein in der Praxis ausgiebig erprobtes Modell ist das sogenannte FBI-Konzept, das aus der amerikanis­chen FBI-Academy, der Schu­lungsin­sti­tu­tion der Bun­de­spolizei, stammt und auf Ver­hand­lun­gen zwischen Geisel­nehmern und Polizei basiert. Beim FBI-Konzept werden nicht nur die jeweiligen Aufgaben der Team­mit­glieder bestimmt, sondern darüber hinaus auch eine interne Ver­hand­lungs- und eine externe Entschei­dungsebene etabliert. Der Ver­han­del­nde kann in diesem Modell also niemals allein eine Entschei­dung fällen. So soll sichergestellt werden, dass der Entscheider auf der externen Ebene möglicher­weise eine noch bessere Lösung finden kann als der unmittelbar im Ver­hand­lung­sprozess stehende Negotiator. Dieses Konzept wurde erfolgreich in die Geschäftspraxis übertragen, ins­beson­dere bei Tar­ifver­hand­lun­gen.

Schritt 3: Die Vor­bere­itung

Im Verhältnis zur späteren Durchführung der Verhandlung ist ihre Vor­bere­itung um ein Vielfaches wichtiger und sollte entsprechend viel Zeit in Anspruch nehmen. Grundsätzlich geht es um die Vor­bere­itung dreier Komplexe:

  1. Worüber verhandelt werden soll: Zerlegen Sie die Ver­hand­lungs­ge­genstände in einzelne Komponenten bzw. Aspekte. Sie sollten erkennen, an welchen Aspekten die Gegenseite besonders in­ter­essiert sein könnte. So können beispiel­sweise Ser­vicekom­po­nen­ten wie Anlieferung, Wartung oder die Entsorgung von Alt­ma­te­ri­alien für einen Ver­hand­lungsab­schluss auss­chlaggebend sein. Auch so genannte Side-Deals sollten ide­al­er­weise im Vorfeld abgeklopft werden. Dabei wird ein bestimmter Ver­trags­ge­gen­stand mit einem solchen aus einer anderen Verhandlung verbunden und auf diese Weise ein neues Paket geschnürt.
  2. Wie die Gegenseite verhandeln wird: Sie müssen sich über Motive und Strategien der Gegenseite gründlich Gedanken machen, um die eigene Strategie entsprechend zu entwickeln. Wer zudem seine Antriebskräfte iden­ti­fiziert hat, wird seine Ziele und vor allem seine Al­ter­na­tivziele festlegen können, die gemeinhin als BATNA (Best Alternative To Negotiated Agreement) bezeichnet werden. Ohne BATNAs gibt es in fest­ge­fahre­nen Situationen kaum noch eine Lösung. Ihre eigene Strategie kann auf Konkurrenz, Anpassung, Kooperation, Vermeidung oder auf Kompromisse aus­gerichtet sein. Auch die Vermeidung hoher Kosten oder die Stabilität einer Ver­hand­lungs­beziehung können durchaus eine sinnvolle Strategie darstellen.
  3. Wo verhandelt werden soll: Damit sind die Wahl des Ortes und der technischen Mittel (E-Mail, On­line-Ver­hand­lung, schriftlich) gemeint. Ob Sie einen neutralen Ort wählen oder einer, der die Gegenseite in irgendeiner Weise bee­in­flussen könnte, kann für den Ver­hand­lungsver­lauf wichtig sein.

Schritt 4: Die Durchführung

Machen Sie sich bewusst, in welchem Stil vo­raus­sichtlich verhandelt werden wird. In manchen Unternehmen wird hart, emotional und ohne jegliche Zugeständnisse verhandelt. In anderen wiederum gehört es zur Un­ternehmen­skul­tur, vorrangig im in­te­gra­tiven Stil zu verhandeln, das heißt den „Kuchen“ für alle Beteiligten zu vergrößern und Win-Win-Lösungen anzustreben.

„Bei annähernd gleich verteilter Macht zwischen den Ver­hand­lungsparteien ist es ein Ritual, dass die Ver­hand­lun­gen an einem neutralen Ort stattfinden.“

Auch die jeweilige Persönlichkeit der Ver­han­del­nden spielt eine enorme Rolle und prägt die Art und Weise der Verhandlung. Man un­ter­schei­det in dieser Hinsicht zwischen hartem, weichem, kom­pro­miss­bere­item, formellem, informellem und in­te­gra­tivem Ver­hand­lungsstil. Der Anteil von Emotionen kann großen Einfluss auf den Ver­hand­lungsaus­gang haben. Ist es beispiel­sweise in asiatischen Ländern stark verpönt, Emotionen zu zeigen, so würde eine emo­tion­slose Verhandlung in Lateinamerika kaum zum Erfolg führen. Dort werden Emotionen positiv bewertet und in der Interaktion und der Kom­mu­nika­tion schlichtweg erwartet.

„Naheliegend ist, dass die Einführung von Ver­hand­lungs­man­age­ment-Sys­te­men zunächst einmal auf Ablehnung bei den Mi­tar­beit­ern stoßen wird, die Ver­hand­lungsauf­gaben innerhalb des Un­ternehmens übernehmen.“

Der Ver­hand­lung­sprozess gliedert sich in vier Phasen:

  1. Die Ein­stiegsphase dient dem gegen­seit­i­gen Ken­nen­ler­nen und „Warmwerden“. Es werden bereits erste In­for­ma­tio­nen über die Ver­hand­lungspo­si­tio­nen aus­ge­tauscht. Diese Phase ist entschei­dend für den weiteren Verlauf der Ver­hand­lun­gen, da in ihr die Qualität der Beziehung und die ungeschriebe­nen Spielregeln festgelegt werden.
  2. In der Dialogphase geht es darum, Fakten zu klären, eigene Präferenzen zu verdeut­lichen und Angebote zu machen. Sie müssen auch hin­ter­fra­gen, ob Sie die Ver­hand­lungspo­si­tion des Gegners richtig verstanden oder bewertet haben. Beide Seiten werden so lange un­ter­schiedliche Angebote machen, bis eine Art Stillstand erreicht ist, bei dem keiner mehr bereit ist, weitere Zugeständnisse zu machen. Dies markiert das Ende der Dialogphase.
  3. In der Lösungsphase geht es darum, Auswege aus dem Still­stands-Dilemma zu finden. Dies kann dadurch geschehen, dass man neue Ver­han­del­nde ins Spiel bringt, neue Ver­hand­lungs­ge­genstände nennt, neue In­for­ma­tio­nen liefert oder neue Rah­menbe­din­gun­gen absteckt, um Bewegung in die Sache zu bringen. Mögliche Themen sind Lieferumfänge, Zusatzgaben wie Schulungen, Einar­beitun­gen oder Ser­viceleis­tun­gen, vielleicht auch ein Ver­tragsab­schluss via Tochterge­sellschaft, um günstigere steuer­rechtliche Rah­menbe­din­gun­gen für beide Seiten zu nutzen.
  4. In der Ab­schlussphase schließlich wird die gefundene Lösung besiegelt. Hier gilt es, den richtigen Zeitpunkt für ein „letztes Angebot“ richtig abzuschätzen und tatsächlich ein letztes (und nicht vorletztes oder beinahe letztes) Angebot abzugeben.

Schritt 5: Die Nach­bere­itung

Keine Verhandlung ohne sys­tem­a­tis­che Nach­bere­itung: Ermitteln Sie Ab­we­ichun­gen von den gesetzten Zielen und finden Sie vor allem die Ursachen dafür. Dabei sollten Sie sys­tem­a­tisch alle Ver­hand­lungs­bere­iche (Objekte, Gegenstände, Strategie, Ver­hand­lungspart­ner und Team­mit­glieder) überprüfen. Gleiches gilt für die einzelnen Phasen (Analyse, Or­gan­i­sa­tion, Vor­bere­itung, Durchführung). Ziel ist es, un­ter­schiedliche Ver­hand­lun­gen ver­gle­ich­bar zu machen und die Ver­hand­lungsleis­tung ver­schiedener Abteilungen einander gegenüberzustellen.

Die Im­ple­men­tierung in die Praxis

Wie bei allen Neuerungen oder Um­struk­turierun­gen im Unternehmen funk­tion­iert die Im­ple­men­tierung eines sys­tem­a­tis­chen Ver­hand­lungs­man­age­ments nur dann, wenn das Management es vorlebt bzw. eindeutig dahin­ter­steht. Wenn Sie zudem für den Anfang denjenigen Un­ternehmens­bere­ich wählen, in dem die Widerstände gegen ein struk­turi­ertes Ver­hand­lung­sprozedere am geringsten sind, werden Sie die schnellsten und größten Erfolge mit Nachah­mer­ef­fekt verbuchen können.

Über die Autoren

Prof. Dr. Markus Voeth lehrt am Institut für Be­trieb­swirtschaft­slehre der Universität Hohenheim. Jun.-Prof. Dr. Uta Herbst ist an der Universität Tübingen Dozentin für Marketing.