Zwei Wachstumsquellen und acht Strategien
Manche Unternehmen kennen diese Situation: Sie haben alle Ausgaben auf das Minimum beschränkt und können den Gewinn auch mit Kostensenkungsprogrammen nicht mehr weiter steigern. Sie müssen also wachsen. Das kann z. B. mit einer starken Markenführung funktionieren, die nicht nur das Marketing, sondern auch den Vertrieb und die Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit einbezieht. Wachsen kann man einerseits mit Bestehendem, andererseits mit Neuem. Daraus leiten sich acht Wachstumsstrategien ab, die Sie aber niemals alle gleichzeitig verfolgen sollten:
- Penetration: Es werden diejenigen potenziellen Kunden in den Fokus genommen, die das Produkt noch nicht verwenden – eine Strategie, die oft von Marktführern verfolgt wird.
- Konvertierung: Firmen mit geringem Marktanteil setzen eher darauf, den Mitbewerbern die Kunden streitig zu machen.
- Loyalität: Machen Sie Ihre Kunden zu Fans, um dank ihnen den Umsatz zu steigern.
- Frequenz: Bieten Sie der Zielgruppe neue Verwendungsmöglichkeiten für Ihr Produkt oder zeigen Sie die Vorteile, die entstehen, wenn das Produkt öfter benutzt wird.
„Bleibt ein Großteil der Zielgruppe an einer bestimmten Barriere hängen, so bedeutet das nichts anderes, als dass an dieser Barriere besonders viel Wachstumspotenzial liegt.“
Erst wenn diese vier Strategien erfolglos bleiben, sollten Sie sich an die weiteren Strategien wagen – die sind nämlich aufwändiger:
- Neue Produkte/Dienstleistungen: Diese Strategie setzt auf Innovationen, was Zeit und Geld kostet.
- Neue Segmente: Wenn Ihre Marke bereits gut positioniert ist, können Sie sie auf benachbarte Segmente ausdehnen.
- Neue Märkte: Seine Marke in einem neuen Markt einzusetzen, muss glaubhaft sein. Wer z. B. Babynahrung anbietet, dem wird auch die Kompetenz für Babypflegeprodukte zugetraut.
- Neue Länder: In neue Länder zu expandieren, kann neue Probleme aufwerfen. IKEA musste das erfahren: In den USA hielt man die schwedischen Vasen nämlich erst mal für Trinkgläser.
Wachstumsbarrieren identifizieren
Die potenziellen Käufer Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung durchlaufen einen Kaufentscheidungsprozess, der in den meisten Fällen in nur wenigen Sekunden abläuft. Innerhalb dieses Prozesses trifft der potenzielle Kunde auf Barrieren, an denen Sie ihn verlieren können – und er wird nie zu einem tatsächlichen Kunden. Genau an diesen Barrieren müssen Sie ansetzen, um zu wachsen. Stellen Sie sich folgende Fragen, um die Hindernisse zu identifizieren:
- Bekanntheitsbarriere: Kennt meine Zielgruppe meine Marke überhaupt?
- Markenklarheitsbarriere: Weiß meine Zielgruppe, wofür die Marke steht?
- Relevanzbarriere: Weiß meine Zielgruppe zwar, wofür die Marke steht, aber kommt sie dennoch nicht für sie in Betracht?
- Erste-Wahl-Barriere: Zieht meine Zielgruppe die Marke in Erwägung, doch ist sie leider nicht die erste Wahl?
- Kaufbarriere: Kauft die Zielgruppe dann doch eine andere Marke, obwohl meine die erste Wahl war?
- Wiederkaufbarriere: Kauft meine Zielgruppe meine Marke nur ein einziges Mal, wählt bei weiteren Käufen aber lieber die Konkurrenzmarken?
- Empfehlungsbarriere: Empfiehlt meine Zielgruppe meine Marke weiter?
„Exzellente Markenführung ist ein Wachstumsturbo.“
Nun müssen Sie Ihre „großen Baustellen“ herausfinden, also die Barrieren, bei denen übermäßig viele Kunden verloren gehen. Dazu brauchen Sie Markforschungsdaten, die auf den oben gestellten Fragen basieren. Sie müssen wissen, bei welchen Barrieren Sie die meisten Kunden verlieren und bei welchen Barrieren Ihre Wettbewerber deutlich besser abschneiden. Genau dort setzen Sie Ihre Maßnahmen an. Definieren Sie spezifische, messbare und erreichbare Wachstumsziele. Die Zielgruppen für Ihre Maßnahmen ergeben sich aus den zuvor besprochenen Wachstumsstrategien.
„Die Kunst besteht darin, sich auf zwei bis drei ,große‘ Baustellen zu konzentrieren, die einen wirklichen Unterschied machen.“
Wachstumsbarrieren verstehen
- Die Bekanntheitsbarriere kann nicht einfach dadurch überwunden werden, dass Sie das Werbebudget erhöhen. Vergessen Sie nicht: Ihre Markenführung soll wirtschaftlich sein. Überlegen Sie lieber, ob die Marke einprägsam und aufmerksamkeitsstark ist, ob der Markenname in jeder Kommunikation Ihres Unternehmens auftaucht und ob man Ihre Anzeigen auch dann noch mit Ihrer Marke in Verbindung bringen würde, wenn man das Logo und den Markennamen striche.
- Die Markenklarheitsbarriere ist von Bedeutung, weil Käufer eher zu Marken greifen, von denen sie wissen, wofür sie stehen. Es ist daher wichtig, dass sich von der Verpackung des Produkts bis zur Hotline alles an die Markenpositionierung hält.
- Eine Marke muss bestimmte Basiskriterien erfüllen, damit sie von der Zielgruppe überhaupt in Erwägung gezogen wird. Das können im Fall von Getränken z. B. die Kriterien „durstlöschend“ und „lecker“ sein. Wenn Ihre Markenpositionierung auf „durstlöschend“ ausgerichtet ist, muss dieser Nutzen in den Augen der Zielgruppe höher sein als bei einem anderen Getränk. Ihre Positionierung muss für die Zielgruppe relevant sein, damit Ihre Marke die Relevanzbarriere überspringt.
- Die Erste-Wahl-Barriere ist dann hinderlich, wenn der potenzielle Kunden den angepriesenen Nutzen entweder nicht braucht, den Nutzen von einem anderen Produkt schon bekommt oder Ihnen ganz einfach nicht abnimmt, dass Ihre Marke den Nutzen wirklich bietet.
- Die Kaufbarriere liegt meist am Point of Sale oder beim Preis. Eine schlechte Platzierung des Produkts im Geschäft oder ein Verkäufer, der sich mehr für das Konkurrenzprodukt begeistert als für das Ihre, sind oft entscheidende Gründe.
- Damit Ihr Produkt kein One-Hit-Wonder bleibt, gilt es, die Wiederkaufbarriere zu überwinden. Doch wenn sich ein Kunde etwas von Ihrem Produkt erhofft, das er dann ganz anders erlebt, wird er enttäuscht sein und Ihr Produkt nicht wieder kaufen – auch dann nicht, wenn das Produkt selbst vollkommen in Ordnung ist.
- Fragen Sie, was die Kunden erwarten, halten Sie die Augen und Ohren für Angebote von Mitbewerbern offen und starten Sie ein Kundenbindungsprogramm. Schließlich wollen Sie Ihre Kunden auch über die Empfehlungsbarriere hieven. Dazu muss der potenzielle Empfehlende der Meinung sein, dass das Produkt den Erwartungen des anderen entspricht und es ihm nicht schadet.
Wachstumsbarrieren überwinden
Alle genannten Barrieren lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: reale Barrieren, wie z. B. eine schlechte Distribution oder ein Produktfehler, und wahrgenommene Barrieren, wie etwa ein schlechtes Image.
„Daneben gibt es Barrieren, die nur in den Köpfen der Zielgruppe existieren: die so genannten wahrgenommen Barrieren wie etwa ein schwaches Image oder ein unklares Markenbild.“
Die zweite Kategorie von Barrieren findet sich nur in den Köpfen der Zielgruppe.
- Bekanntheitsbarriere: Ist die Barriere aufgrund Ihres zu kleinen Budgets real? Dann holen Sie mehr heraus, indem Sie die Maßnahmen auf die Kernzielgruppe ausrichten und den Kontakt zeitlich und räumlich nahe an die Kaufentscheidung der Zielgruppe verlegen. Für das Branding gilt: Markenname und Logo müssen sich in die Köpfe der potenziellen Kunden einprägen. Hüten Sie sich daher vor dem Fehler, einer bestehenden Marke Ihren eigenen Stempel aufzudrücken (oder eine Agentur dies tun zu lassen), sondern setzen Sie sie mindestens fünf Jahre konsequent und im Kern unverändert ein.
- Markenklarheitsbarriere: Der Fokus und die Positionierung der Marke müssen klar sein; beschränken Sie sich auf ein oder zwei wichtige Kriterien. Die Eier legende Wollmilchsau ist nicht gefragt.
- Relevanzbarriere: Oftmals scheitern Marken an dieser Barriere, weil ein Basiskriterium nicht erfüllt ist oder die Zielgruppe die Markenpositionierung nicht annimmt. Fragen Sie sich: Wird das Basiskriterium tatsächlich nicht erfüllt oder liegt es nur an der Wahrnehmung der Kunden? Braucht Ihre Marke vielleicht nach einigen Jährchen eine Überholung? Überlegen Sie sich eine neue „Story“ rund um die Positionierung.
- Erste-Wahl-Barriere: Setzen Sie sich gegen die Wettbewerber durch, indem Sie ein Kriterium finden, mit dem Sie sich von ihnen absetzen. Wenn Sie nirgends besser sind als die anderen, bleibt Ihnen immer noch die Strategie „Schweigen ist Silber, Reden ist Gold“: Reden Sie über das Kriterium Ihrer Wahl, vielleicht sind Sie der Erste. So macht es eine deutsche Brauerei, indem sie es sich auf die Fahnen schreibt, eine Biersorte nach dem deutschen Reinheitsgebot zu brauen. Das ist zwar nichts Besonderes, da alle deutschen Biere so gebraut werden müssen. Doch dieses Unternehmen spricht darüber und hebt sich damit von der Konkurrenz ab. Heben Sie das Positive im Hinblick auf die Inhaltsstoffe, den Umgang mit dem Produkt oder die Herstellungsart hervor. Zeigen Sie die Schwächen der Wettbewerber und die Konsequenzen, falls man Ihr Produkt nicht benutzt. Wenn Sie sich damit beschäftigen, finden Sie die Schlüsselargumente z. B. im Produkt, in der Situation der Zielgruppe oder beim Nutzen, den das Produkt dem Kunden liefert. Sie können auch emotional getriebene Schlüsselargumente einsetzen. Etwa: „Behindern Sie Ihre Verdauungsbeschwerden nicht beim Spielen mit Ihren Kindern?“
- Kaufbarriere: Ein Blick auf Premiummarken zeigt, dass der Preis nur selten eine reale Barriere darstellt, die Platzierung im Geschäft dagegen öfter. Informieren Sie den Händler über Ihre Maßnahmen, um die Nachfrage zu steigern, und rechtfertigen Sie damit eine bessere Platzierung Ihres Produkts. Sagen Sie Ihrer Zielgruppe, wo es das Produkt zu kaufen gibt. Um wahrgenommenen Schwächen des Produkts entgegenzusteuern, zeigen Sie die Folgen auf, falls der Kunde ein billigeres Produkt kauft – das im Endeffekt teurer ist, weil es schneller kaputtgeht oder der Preis pro Nutzung beim Konkurrenzprodukt höher ist.
- Wiederkaufbarriere: Hat das Produkt die Erwartungen enttäuscht? Ergründen Sie die Erwartungen. Vielleicht hat der Kunde das Produkt falsch verwendet? Ist der Kunde vergesslich, helfen Sie ihm dabei, sich Ihr Produkt zu merken – wie die Hersteller von Haarfärbemitteln, die auf ihre Packungen Laschen zum Abreißen und Mitnehmen drucken, mit der Farbnuance und der Marke. Halten Sie die Kunden außerdem mit Promotionen und Kundenbindungsprogrammen bei der Stange.
- Empfehlungsbarriere: Überraschen Sie Ihre Kunden positiv, z. B. mit besonders hilfsbereiten Hotline-Mitarbeitern. Steht Ihr Produkt fälschlicherweise im Verdacht, schädlich zu sein, fragen Sie sich, wer solche Unwahrheiten streut. Animieren Sie Ihre Kunden aktiv, Sie weiterzuempfehlen. Bieten Sie etwa Geschenke für Empfehlungen an. Enttabuisieren Sie heikle Produkte, indem Sie zeigen, dass ganz normale Menschen von bestimmten Problemen, die sich mit Ihren Produkten lösen lassen, betroffen sind. Richten Sie ein Internet-Forum ein, in dem sich Betroffene austauschen können.
Wachstum planen und kontrollieren
In einem nachvollziehbaren Modell zur wachstumsorientierten Markenführung darf ein Marketing- und Vertriebsplan nicht fehlen. Bauen Sie diesen auf den Barrieren und den Schlüsselargumenten auf.
„Geben Sie sich nie wieder mit Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen zufrieden, die keine konkrete Wachstumsbarriere überwinden!“
Der Plan sollte aufzeigen, wie welche Maßnahmen auf welche Barrieren wirken, d. h. wie viele Kunden Sie durch die Maßnahme zusätzlich über die Barriere bringen können. Wie verändern sich etwa Umsatz und Deckungsbeitrag durch die Maßnahmen? Vergessen Sie schließlich nicht, die Planung mit den tatsächlichen Erfolgen zu vergleichen.