Die Generation Y
Es ist mal wieder Zeit für einen Generationswechsel: Die Generation Y steht vor der Tür – und vor den Werkstoren. Mit dem Sammelbegriff „Generation Y“ sind jüngere Bewohner Westeuropas und der USA gemeint, die zwischen 1980 und 1990 geboren wurden und nun mehrheitlich ins Berufsleben eintreten. Sie sind erkennbar anders als ihre Vorgänger: Als Erste sind sie im Zeitalter totaler Informationsfreiheit durch das Internet aufgewachsen. Das hat sie geprägt. Anders als ihre Eltern, die Generation X, und ihre Großeltern, die so genannten Babyboomer, ist die Generation Y auf vollkommene Freiheit eingestellt – weil sie nichts anderes kennt. Dies betrifft insbesondere die Wahlfreiheit: Wenn das Alte nicht mehr gefällt, muss etwas Neues her. Das gilt für Konsumgüter ebenso wie für Arbeitsstellen und führt zu einer scheinbar unberechenbaren Sprunghaftigkeit.
Begrenzte Loyalität
Für Unternehmen bedeutet dieses Verhalten eine doppelte Herausforderung: Ist die Generation Y als Kundengruppe wegen ihrer hohen Ansprüche bereits anstrengend, so droht sie in Gestalt neuer Mitarbeiter die Betriebskultur in ihren Grundfesten zu erschüttern. Personalchefs sollten vor allem eines akzeptieren: Diese Generation wird sich niemals anpassen. Sie kennt ihren Marktwert und setzt ihn ein, um für sich das Beste herauszuholen. Loyalität kennt die Generation Y nur insoweit, als sie gute Leistung für gutes Geld zu liefern bereit ist. Doch wenn nebenan ein Angebot winkt, das emotional anregender erscheint, ist sie weg. Bei der Generation Y spielen Gefühle eine wichtigere Rolle als die Vernunft; schillernde Individualität zieht sie der Unauffälligkeit im Kollektiv stets vor.
„Die Generation Y ist verwöhnt und gewohnt, Geld für Ferien, Kleidung und Spaß zu haben, ohne dafür hart arbeiten zu müssen. Harte Arbeit kann man leisten, dafür erwartet man aber auch ‚gutes Geld‘ und einen noch höheren Lebensstandard.“
Zugleich legt sie großen Wert auf ihre Freunde und deren Expertise. Die Angehörigen der Generation Y informieren sich gründlich, bevor sie sich als Kunden für ein Produkt oder als Angestellte für einen Arbeitsplatz entscheiden. Unternehmen werden sorgfältig durchleuchtet; als Kontakt- und Recherchebörse dienen dabei bevorzugt virtuelle Communitys wie Facebook, Myspace, StudiVZ und andere Internetforen. Dort sollte Ihr Unternehmen präsent sein.
Egozentrischer Lebensstil
Anders als frühere Generationen, die eigentlich rein emotional getroffene Entscheidungen mit Vernunftargumenten kaschierten, bekennen sich die Jungen unverhohlen zu ihren ganz persönlichen Neigungen und Wünschen. Ihre Väter kauften ein großes, stark motorisiertes Auto, weil sie es „sicherer“ oder „solider“ fanden – die Generation Y tut es, weil sie gern schnell fährt und große Autos einfach mag. Frühere Generationen lebten eingeschränkt, das Dasein war von der Knappheit der Ressourcen diktiert. Das prägte: Überfluss wurde als Verschwendung betrachtet, Selbstverwirklichung als Egoismus. Ganz anders heute: Die junge Generation ist vom Überfluss geprägt und begründet darauf ihren egozentrischen Lebensstil.
Neue Prioritäten bei der Arbeit
Auch die Wahrnehmung der Werbewelt hat sich gewandelt: Was Ältere verunsichert und eher hemmt, stellt für die Generation Y den Alltag dar. Sie ist es gewohnt, einem Überangebot von Informationen, Waren und Botschaften ausgesetzt zu sein, vieles einfach auszublenden und weniges zu selektieren. Datenbestände werden nicht mehr intensiv geprüft, sondern intuitiv sortiert und nur ansatzweise gewürdigt. Die Haltung zur Arbeit hat sich ebenfalls gewandelt: Früher reine Pflicht und Broterwerb, hat sich Erwerbstätigkeit in den Augen der Jungen zum Spaß- und Imageträger entwickelt. Für 60 % der Generation Y gehören „Spaß bei der Arbeit“, „Entwicklungsmöglichkeiten“ und „interessante Aufgaben“ zu den wichtigen Bedingungen für die Arbeitsaufnahme.
Stellen Sie sich wahrheitsgemäß dar
Unternehmen müssen sich heute vorteilhaft auf dem Jobmarkt darstellen, um die besten Arbeitskräfte gewinnen zu können. Das heißt, sie müssen Job-Branding parallel zum Branding der eigenen Marke betreiben. Dabei muss der Wahrhaftigkeit besondere Beachtung geschenkt werden: Klafft zwischen strahlender Selbstdarstellung Ihrer Firma und der traurigen Realität eine zu große Lücke, wird das in den Netzwerken der Generation Y blitzschnell die Runde machen. Merke: Lügen haben im Internetzeitalter gar keine Beine mehr. Damit passt sich der Arbeitsmarkt klassischen Märkten zunehmend an. Aber natürlich können und sollen Sie sich nicht verbiegen – ein Versicherungskonzern etwa kann seinen Mitarbeitern niemals Freiheit und Abenteuer versprechen, und moderne Arbeitsformen wie das Home-Office dürften in Branchen mit Präsenzpflicht und Publikumsverkehr weiterhin schwierig sein.
Frei- und Arbeitszeit sind nicht mehr trennbar
Natürlich erregt die Einstellung der Generation Y den Argwohn der älteren Generationen von Arbeitnehmern, die von solchen „unverschämten“ Forderungen kaum zu träumen wagten und nun verdrossen sehen, dass die verwöhnten Nachrücker lässig Territorien erobern, die ihnen selbst verschlossen blieben. Die Generation Y lässt es auch mit der Arbeitszeit spielerisch angehen: Sie opfert schon mal einen Feierabend oder ein Wochenende für ein Projekt, hält es aber im Gegenzug für selbstverständlich, im Büro private E-Mails zu schreiben oder die Flugtickets für den nächsten Urlaub zu buchen. Am Arbeitsplatz möchten die jungen Leute konsumieren, soziale Kontakte pflegen und Dienstleistungen nutzen – so erklärt es sich, dass Tätigkeiten in der Peripherie grauer Industriegebiete auf wenig Gegenliebe stoßen, Jobs in den Zentren dagegen um so mehr.
Die Arbeit muss Spaß bieten
Männliche Vertreter der Generation Y wollen mehr von ihrer Vaterschaft haben als ihre Vorgänger und sind darum für Betriebe nicht mehr jederzeit frei verfügbar. Bemühungen um Work-Life-Balance sind deshalb eine sinnvolle Investition, um für die neue Arbeitnehmergeneration attraktiver zu werden. Zugleich kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, einfach den erstbesten Bewerber zu nehmen in der Hoffnung, der Appetit werde mit dem Essen kommen: Bei einer Generation, die Arbeit mit Spaß gleichsetzt, werden Notbesetzungen immer mit einem Minus an Produktivität und Kreativität erkauft. Der neuen Generation wird ihre Macht zunehmend bewusst, und sie spielt diese aus; damit ist im ewigen Machtkampf zwischen Arbeitgeber und -nehmer erstmals Gleichstand erreicht.
Nach fünf Jahren ist der Wechsel fällig
Früher wollte man einen Arbeitsplatz am liebsten lebenslang behalten, heute fühlt sich ein Mitarbeiter schon unwohl, wenn er nach fünf Jahren immer noch nicht gewechselt hat. Das macht die Generation Y mental stärker, denn wer wechselt, ist sich seiner Fähigkeiten bewusst und setzt sie gezielter ein. Mit dieser Unstetigkeit geht ein Anspruch auf rasche Einkommensverbesserungen einher. In Branchen, die von langsamer Entwicklung und wenig Innovation gekennzeichnet sind, wird der Ehrgeiz der Jungen von Älteren als besonders störend wahrgenommen. Genauso verhält es sich mit Geschäftsmodellen, die auf lebenslanger Teilhaberschaft fußen, wie z. B. Anwaltskanzleien oder Sachverständigen-Organisationen, deren Konzept es ist, Partner heranzuziehen. Sie werden zunehmend Probleme haben, den besten Nachwuchs zu finden.
Der Ton in der Belegschaft wird rauer
Da die neuen Mitarbeiter von vornherein davon ausgehen, nicht allzu lange in einem Unternehmen zu bleiben, treten sie weit weniger diplomatisch und kompromissbereit auf als die Arbeitnehmer zuvor, die es sich mit niemandem verderben wollten. Der Ton wird also rauer. Es ist nur eine geringe Bereitschaft vorhanden, sich in komplexe Prozesse und Kodizes eines Unternehmens hineinzudenken. Überdies führt die vor allem in Konzernen verbreitete Reglementierung sämtlicher Prozesse nach genauestens definierten Corporate-Identity-Vorschriften bei der Generation Y zu Frustration, weil diese Formalien als Korsett und Kreativitätshemmnis empfunden werden.
Kein Respekt vor Hierarchien
Hierarchien, Arbeitsanweisungen und Organigramme imponieren der Generation Y nicht sonderlich. Bei einer Umfrage über Lösungswege bei Problemen im Projekt äußerte sich die Mehrheit der Befragten unbefangen: „Ich frage einfach im Netzwerk, ob mir jemand helfen kann – das ist nicht unbedingt mein Chef.“ Unternehmen tun gut daran, die besonders wertvollen, schwer ersetzbaren Kräfte zu halten. Nur wie? Als wichtigste Gründe für den Wechsel wurden in Umfragen bessere Aufstiegsmöglichkeiten, Hoffnung auf mehr Mitspracherecht, ein angenehmerer Arbeitsplatz bzw. Arbeitsort sowie attraktivere Arbeitszeiten und Tätigkeitsschwerpunkte genannt.
Warum Topkräfte abwandern
Um dem Abwandern wertvoller Nachwuchskräfte vorzubeugen, müssen Sie sich in die Generation Y hineindenken. Deren Angehörige kündigen aufgrund ihrer Sorge, bei einem Unternehmen kleben zu bleiben, tendenziell lieber früher als später. Dem können Sie evtl. gegensteuern, indem sie verstärkt die internen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten kommunizieren.
„Die talentiertesten, von manchen Unternehmen bevorzugten Menschen wohnen und leben oft in der Stadtmitte oder in einem Vorort hoher sozioökonomischer Standards.“
Um extern ebenfalls ein gutes Bild abzugeben, sollte die Personalabteilung mit dem Marketing eng zusammenarbeiten. Auch hier ist es notwendig, eine klare, attraktive Marke zu positionieren. Ein Mitarbeiter, der Sie verlässt, ist aber nicht auf ewig verloren – halten Sie Kontakt zu Ihren Ehemaligen, denn oft genug kehren diese nach einer spannenden Erfahrung „draußen“ wieder in die „Familie“ zurück.
Employer-Branding
Konsumenten und Arbeitsuchende haben eine Gemeinsamkeit: Beide sollen Ihre Marke „kaufen“ – und dafür muss sie möglichst appetitlich wirken. Die Selbstdarstellung eines Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt wird Employer-Branding genannt. Das Feilen am Arbeitgeber-Image zahlt sich aus: Eine Studie weist ein Umsatzplus von durchschnittlich 13 % bei Unternehmen mit Employer-Branding nach, während diesbezüglich untätige Firmen lediglich 7 % zulegten. Der Gewinn der einen wuchs sogar um 21 %, während der der anderen um 44 % sank. Die Arbeitgebermarkenbildung wird unverzichtbar, denn nicht beworbene Produkte bzw. Arbeitgeber drohen in der Informationsflut unterzugehen.
Warum ausgerechnet bei Ihnen?
Noch mehr als in der Produktentwicklung gilt im Personalbereich: Wenn der Markt Sie nicht erwählt, nützt es Ihnen nichts, dem Markt die Schuld zu geben. Sie müssen sich ändern – indem Sie eine attraktive Unternehmenskultur schaffen und ein Bewusstsein für die Firmentradition und die Popularität Ihrer Produkte entwickeln, denn sie sind die Identität des Unternehmens.
„Es gibt nur eine Lösung: ein lebendiges, schönes und transparentes Arbeitsumfeld schaffen und den Mitarbeiter als einen natürlichen Bestandteil in die Unternehmenskommunikation einbeziehen.“
Vielfach hilft es, die Objekte Ihrer Unternehmensidentität zu definieren, also etwa Personal, Erzeugnisse, Wahrzeichen, Berühmtheiten usw. Leicht haben es Unternehmen, die attraktive Produkte anbieten, wie z. B. Autos, Computer oder Lifestyle-Artikel. Für Dienstleistungsbetriebe ist das Branding deutlich mühsamer, da sich der Firmenwert nicht greifen lässt. Suchen Sie für die externe Kommunikation glaubwürdige, seriöse Repräsentanten als Botschafter Ihres Unternehmens. Fragen Sie sich ehrlich: Warum sollte ein Arbeitnehmer ausgerechnet bei Ihnen anfangen?
Dr. Anders Parment ist Unternehmensberater in Schweden mit den Schwerpunkten Employer Branding, Generationswechsel und Konsumverhalten. Außerdem lehrt er an der Business School der Universität Stockholm.