Zeit haben
Sie wollen ein erfülltes Leben leben, doch stattdessen ist es nur gefüllt: mit Terminen, Sitzungen, Dates und Stress. Ständig nehmen Sie sich viel vor und schaffen nur die Hälfte. Ihr Zeitmanagement beherrscht Sie, nicht umgekehrt. Sie können sich auch nicht zurücklehnen und einfach mal reflektieren – weil die Zeit rast, weil sich alles so schnell verändert, weil Sie immer auf dem Sprung sein müssen. Ein Phänomen unserer Non-Stop-Gesellschaft, die von Ihnen verlangt, ständig erreichbar, ansprechbar, mobil und veränderungswillig zu sein. Nicht nur Sie, immer mehr Menschen sind von diesen Ansprüchen überfordert; sie können die Balance zwischen den vier Lebensbereichen Arbeit/Leistung, Körper/Gesundheit, Familie/Soziales und Sinn/Kultur nicht mehr halten. Der krampfhafte Versuch führt zu Sinnkrise, Burn-out, Herzinfarkt, Depression, permanenter Unzufriedenheit.
„Ihnen ist bewusst: Selbst wenn ich meine Zeit effektiv nutze und mein Leben intensiv plane, werde ich all den Anforderungen, die an mich gestellt werden, nicht gerecht. Ich hetze von einem Termin zum nächsten, aber trotzdem kommt stets etwas zu kurz.“
Diese Brüche zu verkraften – sowohl beruflich durch Arbeitsplatzwechsel als auch privat durch Trennungen -, bedarf es einer Gegenmassnahme: Sie müssen eine klare Vision entwickeln, nach der Sie Ihr Leben zielstrebig gestalten können. Sie hilft Ihnen dann, bei Konflikten den richtigen Weg einzuschlagen. Eine Vision macht es auch leichter, die emotionale Abhängigkeit von Bezugspersonen schätzen zu lernen und Gewinn daraus zu ziehen. Das Konzept zur Life-Leadership (Lebens-Beherrschung) soll helfen, diese Vision zu entwickeln und mit ihr eine Balance zu finden zwischen den vier Lebensbereichen.
Vorsätze
Je mehr gute Vorsätze Sie fassen, desto undurchführbarer wird jeder Einzelne davon, denn er liegt unter einem Berg von anderen Zielsetzungen. Tragen Sie in eine Tabelle Ihre guten Vorsätze ein – und was Sie an der Umsetzung hindert: „Eigentlich würde ich gern … – aber leider …“ Ziehen Sie nun Bilanz: Was ist die Hauptursache dessen, dass Sie Ihre Vorsätze nicht realisieren? Meist enden alle Ideen mit den Worten: „Aber leider habe ich keine Zeit.“ Irgendwann sind Ihre Rückenschmerzen chronisch und Ihre Kinder erwachsen; dann brauchen Sie keine Zeit mehr für Sport oder Familie. Die wichtigen Dinge im Leben sind nicht dringend. Sie werden es höchstens, wenn wir sie vernachlässigen. Die Gefahr, Wichtiges aufzuschieben, wird leider grösser, denn in unserer Gesellschaft werden immer mehr und immer neue Anforderungen an jeden von uns gestellt. Je grösser aber der Anforderungsdruck ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass wichtige Dinge dafür auf der Strecke bleiben. Sie sollten sich regelmässig fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Was muss ich tun, um mein Lebensziel, ein erfülltes Leben zu führen, zu erreichen?
„Wenn wir am Abend, am Wochenende oder während des Urlaubs endlich etwas Zeit für uns haben: Stellt sich dann zuweilen auch bei Ihnen die diffuse Ahnung ein: Irgendetwas läuft falsch. Früher war ich ein kreativer Mensch, doch heute funktioniere ich nur noch?“
Viele Menschen tun das, aber nur in ihrem Job. Sie setzen sich Karriereziele und arbeiten verbissen darauf zu. Privat sind solche „Leader of his/her Life“ aber meist Versager. Ihre Lebensbalance können Sie nur halten, wenn Sie jeden der vier Lebensbereiche gleichermassen zu seinem Recht kommen lassen. Das bedeutet letztendlich ein Managen von Beziehungen der Lebensbereiche untereinander und zu Ihrer Umwelt. Daraus ergeben sich natürliche Konflikte: Ihr Anspruch auf gesundes Leben kollidiert mit Ihrem Anspruch, schnell zur Arbeit zu kommen – also mit dem Auto …
Trends
Wir bewegen uns immer schneller auf eine „Non-Stop-Gesellschaft“ zu. Sie sind anwesend und abwesend zugleich – immer im Dienst, immer privat, ständig auf allen Sinnesorganen für alles empfänglich. Immer mehr Tätigkeiten werden parallel erledigt. Während Sie telefonieren, fahren Sie Auto, essen, lesen, nehmen an einer Konferenz teil. In absehbarer Zeit wird die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Menschen das Wertvollste sein, nach dem wir streben können. Ebenso das Privileg, sich zurückziehen zu können und abschalten zu dürfen.
„Auffallend ist, dass häufig diejenigen, die sich am intensivsten mit der Frage nach dem Sinn befassen, an ihrer Beantwortung scheitern. Wie zum Beispiel derjenige, der von einem Therapeuten zum anderen zieht. Viele finden kaum Antworten, weil sie die Sinnfrage von den anderen Lebensbereichen abkoppeln.“
Im Berufsleben gehört Linearität der Vergangenheit an – die Karriereleiter wird vom Karriereschlüssel abgelöst. Statt einer Spezialisierung müssen Sie nun möglichst viele Qualifikationen sammeln. Immer wieder springen Sie in eine neue Thematik, fangen wieder neu an. Unternehmen erwarten in Zukunft, dass ihre Mitarbeiter Selbst-Unternehmer sind. Sie sollen mehr Flexibilität, Risikobereitschaft und Eigenverantwortung – auch in der eigenen Weiterbildung – zeigen. Verstehen Sie diesen Anspruch zum Selbst-Unternehmertum universell: Gestalten Sie all Ihre Lebensbereiche eigenverantwortlich und selbst-unternehmerisch. Nur so kann Ihnen die Balance gelingen. Soziale Beziehungen sind heute vom Karrierestreben bedroht wie nie. Bedenken Sie jedoch, dass ein erfülltes Leben nur in der Gemeinschaft möglich ist. Sie erreichen Ihr Lebensziel nur in Kooperation mit anderen. Entsprechend sollten Sie den Lebensbereich „Familie/Kontakt“ betonen.
Zeitmanagement
Modernes Zeitmanagement teilt Tätigkeiten nach Prioritäten („wichtig“ – „dringlich“) ein und macht dabei keinen Unterschied zwischen Privat- und Berufsleben.
- Dringliche Aufgaben sind Verpflichtungen im Büro oder zu Hause, ohne die es nicht weitergeht – beispielsweise Korrespondenz mit einem Kunden oder Lebensmitteleinkauf.
- Wichtige Aufgaben sind Verpflichtungen, die in Zukunft dringlich werden können – das Einarbeiten eines neuen Kollegen etwa oder eine Vorsorgeuntersuchung beim Zahnarzt.
- Notieren Sie, welche Ihrer beruflichen und privaten Aufgaben Sie jeweils als „wichtig“ bzw. „dringlich“ erachten – den Rest delegieren Sie oder schaffen ihn ganz ab.
Ent-Schleunigung
Neuerdings ziehen Manager sich in die Abgeschiedenheit eines Tagungshotels oder gar Klosters zurück, wenn sie neue Strategien für ihr Unternehmen entwickeln möchten. Eingebunden in den Alltagsstress zwischen klingelnden Telefonen und Unterschriftenmappen sind kreative Lösungen, neue Denkansätze nur schwer möglich. Das beste Zeitmanagement kann nur klappen, wenn Sie Ihren Lebens- und Arbeitsrhythmus regelmässig gezielt ent-schleunigen. Zum Jasagen gehört auch das Neinsagen – anhalten und reflektieren bedeutet auch, dass Sie sich auf wenige Ziele konzentrieren und sich von anderen, weniger wichtigen verabschieden. Auf immer mehr Anforderungen können Sie oft nur noch reagieren – dann setzen Sie sich eine Maske oder einen „Lebenshut“ auf, die gar nicht zu Ihrem wahren Gesicht passen. Fatal wird es dann, wenn Sie nicht mehr unterscheiden können zwischen dem, was Sie sind (Ihr „wahres Ich“), und dem, was Sie nach aussen zeigen. Dann haben Sie das Bewusstsein verloren für das, was Ihnen wirklich wichtig ist.
Abhängigkeit
Manche Menschen schämen sich inzwischen geradezu, wenn sie Abhängigkeiten eingehen müssen. Ohne Abhängigkeit ist kein gemeinschaftliches Leben und kein erfülltes Leben möglich. Notieren Sie in einer Liste: Von welchen Personen sind Sie abhängig? Wie sind Sie von der betreffenden Person abhängig, z. B. emotional, finanziell, beruflich, privat usw.? Welche Personen dagegen sind von Ihnen abhängig? In welcher Weise? Vergleichen Sie jetzt, bei welchen Personen die Abhängigkeit einseitig und bei welchen sie wechselseitig ist. Überlegen Sie sich dann, zu welchen Abhängigkeiten Sie Ja sagen können und welche Sie lösen möchten.
Das Leben als Film
Schreiben Sie ein Lebensdrehbuch. Gehen Sie dabei wie folgt vor:
- Entwickeln Sie eine Vision von Ihrem Leben. Stellen Sie sich vor, Sie feiern Ihren 75. Geburtstag. Wer wird kommen und was wird gesagt werden? Wie werden Sie selbst aussehen – ein jammernder Greis oder ein zufriedener Pensionär? Machen Sie eine Liste der Festredner: Was sollte hervorgehoben werden aus Ihrem Leben, was besser nicht? Sie werden sich auf diese Weise schnell im Klaren sein, was in Ihrem Leben wichtig ist.
- Halten Sie schriftlich fest, was Ihnen wirklich wichtig ist im Leben: Arbeiten Sie dabei systematisch die Themenbereiche Familie/Kontakt, Arbeit/Leistung, Körper/Gesundheit und Sinn/Kultur durch. Woran erkennen Sie, dass Sie ein bestimmtes Lebensziel jeweils erreicht haben?
- Streichen Sie: Wenn Sie zu viele Ziele auf einmal erreichen und zu viele Rollen auf einmal übernehmen wollen, werden Sie scheitern – Sie werden ein Zeitproblem haben und unter erheblichem Stress leiden. Weniger ist also mehr.
- Schreiben Sie Ihr Lebensdrehbuch: Charakterisieren Sie Ihr Leben samt Vision, wie Sie es sich wünschen, so als wollten Sie einem Fremden davon erzählen. Vermeiden Sie den Konjunktiv, da dieser Ihnen den Glauben an die Realisierbarkeit des Drehbuches nimmt.
- Formulieren Sie nun Gefahren, die das Lebensdrehbuch bedrohen. Gehen Sie wieder die vier Themenbereiche durch und nennen Sie schonungslos potenzielle Hindernisse. Berücksichtigen Sie dabei auch mögliche Veränderungen, die Sie in den nächsten fünf Jahren am Erreichen Ihrer Lebensziele hindern könnten.
- Schreiben Sie nun Aktionen und Schritte auf, die Sie Ihren Lebenszielen näher bringen. Was können Sie tun, damit dieser und jener Vorsatz wahr wird?
- Zählen Sie all jene Personen auf, die Ihnen Halt und Unterstützung geben – jeweils für die vier Themengebiete und Lebensziele.
- Notieren Sie sich, welche dieser Beziehungen Sie weiter ausbauen möchten und wie.
- Welche Lebensziele haben Ihre Bezugspersonen? Wo zeigen sich Gegensätze – welche Ihrer Lebensziele lassen sich am schwersten mit denen Ihrer wichtigsten Bezugspersonen vereinbaren? Warum kollidieren Ihre Visionen miteinander?
- Zu welchen Kompromissen sind Sie bereit, damit Ihre Beziehung zu den jeweiligen Menschen nicht gestört wird? Notieren Sie sich die Lebensziele und entsprechende Konflikte, in denen Sie zu keinem Kompromiss bereit sind. Ist Ihr Lebensdrehbuch mit den Lebenszielen Ihrer wichtigsten Bezugspersonen vereinbar? Wenn nicht, nennen Sie die Gründe!
- Formulieren Sie auf Basis der neuen Erkenntnisse nun Ihre Lebensziele und Ihr Lebensdrehbuch neu – sofern nötig.
- Mit welchen Bezugspersonen wollen Sie über Ihre Ziele sprechen und eine wechselseitige Vereinbarung treffen?
- Gehen Sie schrittweise vor: Welche Teilziele in den vier Lebensbereichen wollen Sie in einem Jahr, welche in fünf Jahren erreichen? Leiten Sie daraus die nächsten Teilziele ab.
- Sie werden sich immer auf einige wenige Dinge konzentrieren müssen und weniger wichtige abstossen – welche Dinge sind verzichtbar?
- Leiten Sie aus allen Teilzielen einen Massnahmenplan für den kommenden Monat ab und setzen Sie diesen mit den Instrumenten des klassischen Zeit-/Selbstmanagements um.
- Bestimmen Sie jetzt schon in Ihrem Kalender den Zeitpunkt, wann Sie sich das nächste Mal zurückziehen und Ihre bisherige Bilanz analysieren werden.
- Resümieren Sie: Was haben Sie geändert, seit Sie zum ersten Mal Ihre Vision bzw. Ihr Lebensdrehbuch dokumentiert haben? Welche Erfolge haben Sie in den vier Teilbereichen erzielt?
- Gestehen Sie sich Misserfolge ein: Welche Teilziele konnten Sie nicht erreichen, obwohl Sie es versucht haben?