Die Büro-Alltags-Bibel

Buch Die Büro-Alltags-Bibel

Alle Regeln und Gesetze für den Job

dtv,


Rezension

Die eine rackert sich täglich ab und niemand dankt es ihr. Der andere mimt beim Chef den Wack­el­dackel und wird prompt befördert. Ein Kollege pöbelt ständig, ein anderer schmückt sich gern mit fremden Federn, ein dritter bezirzt unbeirrt die Damenwelt. Und diese grund­ver­schiede­nen Charaktere treffen tagtäglich im Büro aufeinander, versuchen zu arbeiten, gute Laune zu bewahren und den Zoffpegel niedrig zu halten. Wie das gelingen kann, zeigt Jochen Mai in seiner Büro-All­t­ags-Bibel so kompakt wie anschaulich. Themen, über die andere ganze Bücher schreiben (z. B. zum Thema Meetings), sind Mai bestenfalls ein paar Seiten wert – aber die reichen aus, um auf den Punkt zu kommen. Verzichtbar wäre vielleicht die sattsam bekannte Typologie von Kollegen und Chefs. Obwohl: Irgendwie schaut man selbst da immer wieder gerne hin. BooksInShort empfiehlt darum diese un­ter­halt­same Lektüre allen Bürohengsten und -stuten.

Take-aways

  • Das Büro ist ein Mikrokosmos mit eigenen Regeln und Gesetzen.
  • Um in diesem Kosmos zu überleben, sollten Sie zunächst das eigene Verhalten hin­ter­fra­gen.
  • Viele Angestellte sehen sich als Opfer ihrer Chefs oder ihrer Kollegen – zu Unrecht.
  • Jeder hat es mit seinem Verhalten selbst in der Hand, wie erfüllend oder entnervend die Arbeitstage ausfallen.
  • Das beginnt mit der eigenen Stimmung: Wer miese Laune sät, erntet Muf­fe­ligkeit.
  • Chefs mögen kritische Geister, von denen sie sich zugleich wertgeschätzt fühlen. Kluge Untergebene vermitteln ihnen dieses Gefühl.
  • Wenn Sie selbst Chef werden wollen: Das Mittagessen ist eine gute Gelegenheit zum Netzwerken.
  • Zu viel Privates sollten Sie nicht erzählen, sonst leidet mitunter schnell der eigene Ruf.
  • Bei Konflikten mit Kollegen gibt es nur eine Erfolg ver­sprechende Methode: Sprechen Sie das Problem unter vier Augen in einem ruhigen Ton an.
  • Am Umgang mit Kritik zeigt sich, wer sozial kompatibel und damit als Führungskraft geeignet ist.
 

Zusammenfassung

Es geht schon wieder los

Drrrrring! Montag, 7 Uhr. Der Wecker klingelt, die Ar­beitswoche beginnt. Und damit fünf weitere Tage im Büro, im Clinch mit Blendern, Kar­ri­eris­ten, Ar­beitsver­weiger­ern und -delegier­ern – und da sind die Chefs noch nicht mal mitgezählt. Frus­tri­erend? Für die meisten Büroarbeiter schon. Aber es geht auch anders. Besser. Also noch mal von vorn.

„Das Büro ist ein Minenfeld.“

Drrrrring! Montag, 7 Uhr. Der Wecker klingelt. Raus aus dem Bett, frische Luft ins Zimmer, in Ruhe frühstücken und dann auf zur Arbeit. Das heißt: Vorher geht’s noch in den Stau. Ohne Zweifel, das Pendeln nervt. In Umfragen hat sich her­aus­gestellt, dass Menschen nichts weniger mögen als das Pendeln zur Arbeit über verstopfte Straßen und in überfüllten Bussen und Bahnen. Das sorgt für einen aus Ohnmacht und Wut gespeisten Stresspegel, ver­gle­ich­bar mit dem eines Kampf­pi­loten. Trotz allem also doch mit mieser Laune ins Büro? Miese Laune zu verbreiten, ist im Büro sozial akzeptiert – schlimm eigentlich. Sprüche wie „Wer lacht, hat Reserven“ zeigen den Gen­er­alver­dacht, unter dem gute Laune steht. Arbeit ist anstrengend, da gibt es nichts zu lachen. Diese Einstellung ist Gift – nicht nur für die Laune im Büro, sondern auch für die Produktivität. Nur lässt sich gute Laune leider nicht befehlen, glauben die meisten. Doch hier lauert ein Denkfehler: Tatsächlich entscheidet jeder Einzelne selbst, ob er oder sie gute Laune haben oder sich von mies gestimmten Kollegen oder griesgrämigen Chefs herun­terziehen lassen will. Wer sich mit positiver Grun­de­in­stel­lung an die Arbeit macht, sich nicht von Neid zerfressen lässt, sich auf Schönes besinnt und nicht das Schlechte in den Vordergrund schiebt, der tut was für seine gute Laune. Kommt dazu noch eine Arbeit, die Sie als sinnvoll erachten und die Sie einem in einem fair kooperieren­den Team erbringen, dann kann nicht mehr viel schief gehen.

Der Chef und seine rechte Hand

Meetings sind eigentlich dazu da, über den Austausch von Meinungen in der Sache konstruktiv vo­ranzukom­men. In der Praxis gibt oft der Chef seine Meinung kund, und da niemand wider­spricht, geht der Rest der Runde davon aus, dass alle mit ihm übere­in­stim­men. Sonst würde ja jemand etwas sagen. Aufgrund dieses Phänomens wird in Meetings oft eine Richtung eingeschla­gen, von der die meisten Anwesenden wenig oder gar nichts halten. Aber die schweigende Mehrheit wähnt sich in der Minderheit – und schweigt weiter. Alle wissen: Offiziell geht’s um die Sache, inoffiziell um die Karriere. Wichtiger als Inhalte ist oft der Subtext: Wer sagt was? Wem nickt der Chef beifällig zu? Wer erntet Schweigen? Wer sich geschickt inszeniert, sammelt Punkte. Wer stottert und stümpert, eher nicht. Schon aus der Sitzordnung lassen sich oft Rückschlüsse über die Position der Teilnehmer ziehen: Rechts vom Chef ist der Schleimer vom Typ „Yes, Sir“ zu finden, zu seiner Linken sitzt jemand, der dem Chef verbunden ist, aber über eine eigene Meinung verfügt. Im Mittelfeld findet man ex­tro­vertierte Kollegen, während sich die In­tro­vertierten in die Ecken verkriechen. Die ärgsten Kritiker formieren sich dem Chef gegenüber.

Auf der Suche nach Neuem

Wenn im Meeting über strate­gis­che We­ichen­stel­lun­gen gesprochen wird, fällt un­weiger­lich das Wort „Innovation“. Doch so begeistert die Chefs von In­no­va­tio­nen sprechen, so rigoros lehnen sie echte Neuerungen ab. Der Einfall ist immer ein Störfall – und wird weggebügelt. „Innovation“ übersetzen viele Führungskräfte mit „dasselbe, nur besser“. Peinlich, aber wahr. Unternehmen, die wirklich an der Kreativität ihrer Mitarbeiter in­ter­essiert sind, sollten zwei Dinge tun: Zeitdruck vermeiden und sie gele­gentlich vom Schreibtisch wegschicken. Denn die Routine erstickt Kreativität. Nicht von ungefähr schießen den Menschen die meisten zündenden Ideen beim Duschen oder beim Spazierenge­hen durch den Kopf. Wer solche entspan­nen­den Phasen während der Ar­beit­szeiten einlegen kann, wird seinen kreativen Output deutlich erhöhen.

Public Affairs

Hätten Sie’s gewusst? Fast jeder vierte Deutsche hatte schon mal eine Affäre im Büro und mehr als jede dritte Ehe bahnt sich unter Kollegen an (und hält in­ter­es­san­ter­weise länger als im Durch­schnitt). Aber Obacht: Solche Romanzen sind dennoch nicht un­prob­lema­tisch. Beziehungsknatsch wird ins Büro getragen, und möglicher­weise leidet auch das Image des bzw. der Rang­niederen unter der gehässigen Un­ter­stel­lung des „xy will sich wohl hochschlafen“. Das will xy, hinter der sich nach wie vor meist eine Frau verbirgt, so gut wie nie. Und sie will sich vor allem auch nicht anmachen lassen. Dennoch passiert das zwei von drei Frauen. Die einzig empfehlenswerte Reaktion darauf: klar und deutlich reagieren. Was viele Frauen – fälschlicher­weise – mit „ausrasten“ übersetzen. Das jedoch schnürt die Frau in die Opferrolle ein. Eine passende, mit einem überlegenen Lächeln garnierte Replik hilft mehr und beweist die eigene Souveränität. Wenn das nicht ausreicht: Zum Chef gehen und − in Deutschland − das Allgemeine Gle­ich­stel­lungs­ge­setz (AGG) erwähnen. Der Vorgesetzte wird dem Möchte­gern-Casanova schon ein paar Takte sagen.

„Büros gleichen einem kleinen Gemeinwesen mit eigener Kultur, eigenen, meist ungeschriebe­nen Regeln und Ritualen.“

Zudringlich können auch harmlosere Of­fen­herzigkeiten wirken. Die wenigsten Kollegen möchten sich gern erzählen lassen, wie grässlich der Besuch der Schwiegermut­ter war, was der Arzt vorhin di­ag­nos­tiziert hat und was für einen Schwachkopf sich die Tochter als Freund ausgesucht hat. Bitte verstehen Sie das nicht falsch: Es geht nicht etwa darum, das Privatleben komplett auszuschließen. Aber weniger ist im Büro mehr. Denn was einem Kollegen – vielleicht sogar „im Vertrauen“ – erzählt wird, kann schnell die Runde machen. Und bei den Empfängern ganz anders ankommen als be­ab­sichtigt. Rascher lässt sich der eigene Ruf nicht ruinieren. Übrigens können Sie auch aktiv etwas tun für den eigenen Ruf. Durch gute Arbeit? Ja, auch. Aber auch ganz einfach durch das Mittagessen mit den Kollegen. Darauf verzichten viele Angestellte unverständlicher­weise. Fast jeder Dritte mümmelt sein Essen am Schreibtisch vor sich hin, jeder Vierte lässt diese Mahlzeit gar aus – kein Wunder, dass die deutsche Mit­tagspause durch­schnit­tlich nur 20 Minuten dauert. Das ist zu kurz, ungesund (mangelnde Bewegung, mangelnde Ablenkung) und überdies ungeschickt. Wer das tut, vergibt nämlich die Chance, neue Kontakte zu knüpfen und alte zu vertiefen. Schlau ist es, sich bewusst mit Kollegen, denen man selten begegnet, oder auch mit Kunden fürs Mittagessen zu verabreden. So dient die Mahlzeit nicht nur der Nahrungsauf­nahme, sondern vor allem dem aktiven Netzwerken.

Die lieben Kollegen (und die anderen)

Die Auswahl an Kollegen und damit an un­ter­schiedlichen Charakteren ist nicht eben klein. Über einige kann man sich aufregen – bloß, was bringt das? Konflikte. Stillschweigend ignoriert, schwelen sie oft im Hintergrund weiter. Klüger ist es, den Konflikt mit dem jeweiligen Kollegen anzus­prechen. Gelassen, ruhig im Ton und taktvoll in den gewählten Worten, in entspannter Atmosphäre unter vier Augen. Schließlich muss es neben der Kon­flik­t­bere­ini­gung stets Ziel des Gesprächs sein, mit dem Kollegen auch künftig zusam­me­nar­beiten zu können.

„Das persönliche Image un­ter­schei­det Sie von Kollegen wie von Konkur­renten, macht Sie un­ver­wech­sel­bar.“

Nervt ein bestimmter Kollege nur noch, ist es schlau, Konflikten vorzubeugen, indem Sie den jeweiligen Stein des Anstoßes in dieses Schema einordnen und ihn typgerecht behandeln:

  • Der Blender kann nichts – außer sich selbst gut vermarkten. Umgang: Ap­plaudieren und ignorieren.
  • Der Bulldozer ist ein lautstarker Macher. Umgang: Da er keine Grauzonen kennt, ist man entweder für oder gegen ihn. Im Zweifels­fall besser für ihn.
  • Der Bürokrat denkt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Umgang: Unordnung ängstigt ihn, stetes Füttern mit Details beruhigt ihn.
  • Der Choleriker äußert seine Pro­fil­neu­rose durch Brüllen. Umgang: Argumente bringen nichts. Sinnvoller ist es, selb­st­be­wusst die Ruhe zu bewahren.
  • Die Diva ist egozen­trisch, sensibel und nachtragend. Umgang: vorsichtig.
  • Der Intrigant setzt Gerüchte und Lügen in die Welt, um Konkur­renten aus dem Weg zu räumen. Umgang: Privaten Kontakt auf Null fahren, Anwürfe sofort richtig­stellen.
  • Der Karrierist will schnellstmöglich nach oben, ohne Rücksicht auf Verluste. Umgang: Fernhalten. Ist er der direkte Boss, ist absolute Loyalität gefragt.
  • Der Kumpel ist höflich, hilfsbereit und harmlos. Umgang: alles easy.
  • Die Mimose kriegt nichts auf die Reihe und macht die anderen dafür ve­r­ant­wortlich. Umgang: Nie kritisieren. Und nie auf die Opfermasche reinfallen.
  • Der Parasit wälzt Unan­genehmes auf andere ab und heimst Lorbeeren für fremde Arbeit ein. Umgang: nur vor Zeugen. Und alles frühzeitig schriftlich festhalten.
  • Der Routinier weiß, wie der Hase läuft. Umgang: Zuhören und Wertschätzen.
  • Der Schleimer ist abhängig vom Wohlwollen des Chefs. Umgang: Ihm vermitteln, wie sehr die Übernahme dieser speziellen Aufgabe den Chef erfreuen wird.
  • Der Schweigsame mag kein Geschwätz. Umgang: Nutzen Sie seinen messer­schar­fen Verstand, wenn Sie Unterstützung bei Ihren Analysen brauchen.
  • Die Sensible hört zu und hilft gern, verträgt aber leider keinerlei Kritik. Umgang: Die Bean­stan­dun­gen ganz vorsichtig verpacken.
  • Der Streber rackert sich von früh bis spät ab. Umgang: Zuwendung tut ihm gut.
  • Das Tratschmaul weiß alles und erzählt auch alles. Umgang: ambivalent. Klatsch ist spannend, aber Klatschbasen gelten als wenig vertrauens- und beförderungswürdig.
  • Der Wankelmütige ändert seine Meinung und seine Laune im Stundentakt. Umgang: Wenn’s arg nervt, können ein Gespräch und die Bitte um Rücksicht helfen.
  • Der Weiberheld hat andere Prioritäten als das Arbeiten. Umgang: So lange wie möglich ignorieren. Im Ernstfall strikt abweisen und ihm seine Grenzen aufzeigen.
  • Der Wirbelwind ist dynamisch und aggressiv. Umgang: Keine Angriffsfläche bieten und ihn machen lassen.
  • Die Zicke ist ein launisches und selb­stver­liebtes Lästermaul. Umgang: Ignorieren.
  • Der Zweifler versucht, jeden Ansatz zur Veränderung auszusitzen. Umgang: Als Berater einbinden und ihn zumindest mit seinen Zweifeln zu Wort kommen lassen.
  • Der Zyniker hat einen wachen Geist, zeigt sich eloquent und mit bissigem Humor. Umgang: Solche Typen muss man pflegen, so anstrengend sie auch sein mögen.
„Kritik ist, wenn man es netter sagt als man es meint.“

Wahrschein­lich fällt es Ihnen verblüffend leicht, Ihre Kollegen dieser Typologie zuzuordnen. Umgekehrt bedeutet das: Auch die Kollegen ordnen Sie einer Rubrik zu, haben ein bestimmtes Verständnis von Ihnen. Das persönliche Image und die damit verbundene Reputation sind der wichtigste Kar­ri­ere­fak­tor und sollten deshalb selbst gestaltet werden.

Was mal gesagt werden muss

Ein wichtiger Aktivposten ist Ihr Umgang mit Kritik – als Kri­tisierter ebenso wie als Kritiker. Je positiver und offener das Eingehen auf die Kritik und die Kritiker, desto besser für die eigene Karriere. Studien belegen: Nicht die „Yes, Sir“-Attitüde des Ein­schleimers führt am sichersten nach oben, auch nicht pro­fes­sionelles Netzwerken. Sondern: Hil­fs­bere­itschaft. Wer seine Kollegen unterstützt, sig­nal­isiert Kompetenz und Ein­satzfreude und erntet dafür geradezu un­ver­mei­dlich Beliebtheit im Kol­le­genkreis. Und solche motivierten Mitarbeiter mit positiver Ausstrahlung befördert jeder Chef gern. Also Obacht, wenn morgen der Wecker klingelt: alles eine Frage der Einstellung.

Über den Autor

Jochen Mai leitet das Ressort „Beruf + Erfolg“ beim Magazin Wirtschaftswoche. Der Dipl.-Volkswirt ist auch Verfasser von Die Kar­riere-Bibel.