Die Zukunft der IT in Unternehmen

Buch Die Zukunft der IT in Unternehmen

Managing IT as a Business

Frankfurter Allgemeine Buch,


Rezension

In­for­ma­tion­stech­nolo­gie ist ein schnel­llebiges Geschäft. Noch schneller als sich die Technik verändert, wechseln Topmanager ihre IT-Strate­gie – sofern sie überhaupt eine haben. Die Wirtschaftsin­for­matiker Walter Brenner, Andreas Resch und Veit Schulz stellen sich gegen den Trend, dass Konz­ern­lenker ihre IT-Töchter einfach verkaufen. Ob er sich tatsächlich aufhalten lässt, ist fraglich, aber gestützt auf acht Fall­beispiele machen die Autoren plausibel, dass der IT-Di­en­stleis­ter im eigenen Haus durchaus Vorteile hat. Ihre Forderung – nämlich die bessere Führung und Or­gan­i­sa­tion der konz­erneige­nen IT-Töchter – il­lus­tri­eren sie mit vielen Tipps, die sich Praktiker allerdings stel­len­weise etwas konkreter wünschen würden. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Managern, die IT-rel­e­vante Entschei­dun­gen treffen.

Take-aways

  • Konz­erneigene IT-Töchter sind ein Er­fol­gsmod­ell – wenn sie richtig gemanagt werden.
  • Das Outsourcing von IT-Di­en­stleis­tun­gen ist zwar gerade in Mode, lohnt sich aber oft nicht.
  • Externe IT-Di­en­stleis­ter sind meist teurer als gedacht und weniger sachkundig als erhofft.
  • Viele IT-Projekte scheitern, weil sich Topmanager nicht dafür in­ter­essieren.
  • Bringen Sie Ihre IT-Or­gan­i­sa­tion auf Vordermann, statt sie zu verkaufen.
  • Ihre Hand­lungs­felder: Geschäftsmodell, Kun­de­nori­en­tierung, In­dus­tri­al­isierung, In­ter­na­tion­al­isierung, Innovation, Wertschöpfungstiefe.
  • Konzen­tri­eren Sie Ihre IT-Anstren­gun­gen entweder auf den Mut­terkonz­ern oder stellen Sie sie als Di­en­stleis­ter für Drittkunden auf. Einen Mittelweg gibt es nicht.
  • Auch mit einem hauseigenen IT-Di­en­stleis­ter können Sie einzelne Glieder der Wertschöpfungskette auslagern.
  • Die IT-Di­en­stleis­tungs­branche ist prädestiniert für die In­ter­na­tion­al­isierung.
  • Um Erfolg zu haben, benötigen konz­ernge­bun­dene Di­en­stleis­ter viel un­ternehmerische Freiheit.
 

Zusammenfassung

Raus aus dem Keller, hinein in die Chefetage

Viele Fir­men­lenker handeln schizophren. Einerseits nutzen sie intensiv die neuesten Gimmicks und Gadgets der In­for­ma­tions- und Kom­mu­nika­tion­stech­nik: Sie googeln Stel­len­be­wer­ber, pflegen ihr Facebook und sind per Blackberry jederzeit erreichbar. An­der­er­seits behandeln sie ihre firmeneigene IT stiefmütterlich: Sie vernachlässigen die IT-Strate­gie und befassen sich nur widerwillig mit der IT-Or­gan­i­sa­tion. Diese Lust­losigkeit passt nicht nur schlecht zum eigenen Nutzungsver­hal­ten, sondern ignoriert auch die enorme Bedeutung, die die IT für Unternehmen heutzutage hat. Es ist ex­is­tenzbedro­hend, wenn sich das Management weigert, sich permanent und auf höchster Ebene aktuellen IT-Fragen zu stellen.

Der aktuelle Markt der IT-Un­ternehmens­di­en­stleis­ter

Unter IT-Services ist die In­stal­la­tion und Wartung von Hard- und Software sowie die Entwicklung von IT-Lösungen inklusive Beratung für Unternehmen zu verstehen. Der Markt für IT-Services umfasste im Jahr 2008 rund 900 Milliarden US-Dollar und ist derzeit in einer Kon­so­li­dierungsphase. Tra­di­tionellen großen Di­en­stleis­tern wie IBM, HP, Fujitsu, Accenture und – in Deutschland – T-Systems stehen neue Wet­tbe­wer­ber gegenüber, beispiel­sweise Infosys und Wipro aus Indien.

„Unser Credo: Die konz­ernge­bun­de­nen Di­en­stleis­ter sind wet­tbe­werbsfähig, wenn diese Bereiche wie Unternehmen geführt werden.“

All diese externen Anbieter haben in den vergangenen Jahren konz­ernge­bun­dene IT-Di­en­stleis­ter aufgekauft. Deutschland ist Nachzügler, weshalb in den nächsten Jahren viele Übernahmen und Fusionen zu erwarten sind.

Konzerne können ihren IT-Bedarf auch auswärts decken. Ein hoher Drittmark­tan­teil – also Geschäfte mit konz­ern­frem­den Kunden – schützt die hauseigene IT-Tochter nicht davor, verkauft zu werden. Die ThyssenK­rupp-Tochter Triaton etwa hatte einen ungewöhnlich hohen Drit­tkun­denan­teil von 60 %, bevor sie an HP verkauft wurde. Den Ausschlag für solche Entschei­dun­gen geben Strate­giewech­sel des Top­konz­ern­man­age­ments. Die Motive sind vor allem Kostensenkung und Qualitätssteigerung, aber auch mehr Flexibilität und Fokussierung aufs Kerngeschäft. IT wird von Managern häufig als reine Unterstützungs­funk­tion betrachtet, so wie das Marketing. Letzteres wurde von vielen bereits ausgelagert. Warum also nicht auch die IT?

„Sich mit Fragen der IT zu beschäftigen, ist für viele Un­ternehmenslenker eine Qual.“

Die Hoffnungen, die viele mit dem Outsourcing der IT verbinden, erfüllen sich aber nicht immer oder nur teilweise. Wenn externe Di­en­stleis­ter ihre Rechnung stellen, ist die Überraschung oft groß: Es werden Posten abgerechnet, die nicht erwartet wurden. Die Gewinnmarge beträgt bis zu 35 %. Zudem funk­tion­iert die Zusam­me­nar­beit selten reibungslos. Schnittstellen und Ve­r­ant­wortlichkeiten sind zunächst unklar. Die hohe Fluktuation bei den Di­en­stleis­tern begrenzt die Lerneffekte. Zudem beschleicht manchen Kunden das Gefühl, dass Di­en­stleis­ter mit innovativen Lösungen zu geizen beginnen, sobald der Vertrag erstmal geschlossen ist.

Selber managen statt outsourcen

Viele IT-Projekte scheitern, weil die Topmanager es unterlassen, die internen Prozesse so anzupassen, wie es nötig wäre. Er­fol­gre­iche Unternehmen zeichnen sich gemäß einer Studie des Mass­a­chu­setts Institute of Technology (MIT) u. a. dadurch aus, dass sich die Top­man­age­mentebene für IT-Fragen in­ter­essiert und folgende Fragen klärt:

  • Wie hoch soll das IT-Budget sein und welche Geschäftsprozesse sollen davon profitieren?
  • Welche technischen und welche Leis­tungs­stan­dards sollen gelten?
  • Welches Sicher­heit­sniveau – Stichwort Datenschutz – ist nötig?
  • Wer trägt die Ve­r­ant­wor­tung, wenn IT-Projekte scheitern?
„Viele Manager sehen die IT in einer Reihe mit anderen Unterstützungs­funk­tion­alitäten, die nicht selbst im Konzern erbracht werden müssen, sondern von spezial­isierten externen Anbietern übernommen werden können.“

Um diese Fragen für Ihr Unternehmen sachgerecht beantworten zu können, sollten Sie die grundle­gen­den Konzepte der IT verstehen. Sie müssen darüber nicht zum Com­puter-Nerd werden. Technische Fragen können Sie an Experten delegieren, nicht aber die Planung der IT-Strate­gie. Möglicher­weise verschaffen Sie Ihrer Firma genau damit einen Wet­tbe­werb­svor­sprung: Nach Umfragen des Soft­ware­herstellers Oracle befasst sich erst in 30 % der befragten Unternehmen das Top­man­age­ment mit der IT-Strate­gie.

Inhouse ist gut, es geht aber besser

Wenn Sie Ihre IT-Abteilung richtig or­gan­isieren, werden Sie immun gegen die Versuchung, sich den kom­plizierten IT-Kram einfach per Outsourcing vom Hals zu schaffen. Diese Versuchung rührt vermutlich daher, dass die Welt der IT komplex ist, sich rasch wandelt und mit einer für Laien unverständlichen Fachsprache verbunden ist. IT-Fach­leuten wiederum fällt es oft schwer, Verständnis für all die Geschäfte und Prozesse zu entwickeln, in denen ihre Lösungen zum Einsatz kommen. Viele IT-Leiter geben außerdem zu, dass sie Schwierigkeiten haben, ihren Vorge­set­zten zu belegen, welchen Beitrag die IT zum Geschäftserfolg leistet.

„Das Iden­ti­fizieren zukünftiger Kundenbedürfnisse ist eine Kernkom­pe­tenz konz­ernge­bun­dener IT-Di­en­stleis­ter.“

Selbst wenn Ihnen Berater, Analysten oder Fachjour­nal­is­ten das IT-Out­sourc­ing empfehlen: Eine hauseigene IT hat entschei­dende Vorteile für ein Unternehmen. Die Mitarbeiter kennen Details Ihres Unternehmen und dessen Branche. Sensible Daten bleiben im Konzern. Die Abhängigkeit von Externen wird begrenzt. Um diese Vorteile ausspielen zu können, müssen Sie allerdings über Ihren Schatten springen und die IT pro­fes­sionell führen – nämlich so wie ein Unternehmen. Das beginnt damit, dass Sie Ihre IT-Mi­tar­beiter nicht als Kosten­fak­toren behandeln. Stellen Sie sich vor: Bei externen IT-Di­en­stleis­tern sorgt die Arbeit von Fachleuten für Umsätze und Gewinne, weshalb sie dort hohe Wertschätzung genießen. De­mentsprechend attraktiv wirken diese Firmen als Arbeitgeber, mit denen Sie konkur­ri­eren. Investieren Sie deshalb in den Aufbau einer Per­sonal­marke für Ihren konz­erneige­nen IT-Di­en­stleis­ter.

„Wenn die konz­ernge­bun­de­nen IT-Di­en­stleis­ter nicht ihre Hausauf­gaben machen, laufen sie Gefahr, dass in ihren Konzernen untersucht wird, ob nicht radikales Outsourcing eine Alternative wäre.“

Wenn die IT-Abteilung als Unternehmen geleitet wird, kann sie es mit jedem externen Di­en­stleis­ter aufnehmen, sei es beim Datenschutz, bei der Flexibilität oder bei den Kosten. Op­ti­mierungspoten­ziale für Ihre IT gibt es in sechs Hand­lungs­feldern, die im Folgenden skizziert werden. Diese Kat­e­gorisierung basiert auf Erfahrungen der konz­ernge­bun­de­nen IT-Di­en­stleis­ter von Alcoa, Axa, Bertelsmann, Bayer, Canadian Food, Credit Suisse, Lufthansa und Volvo. Deren Di­en­stleis­ter haben sich in mehreren Um­struk­turierun­gen von IT-Zen­tral­abteilun­gen zu konz­erneige­nen Di­en­stleis­tern gewandelt.

1. Geschäftsmodell

Anders als dezentrale IT-Abteilun­gen beliefern konz­ernge­bun­dene Di­en­stleis­ter nicht nur einen Geschäftsbereich des Un­ternehmens, sondern mehrere. Und anders als zentrale IT-Abteilun­gen können sie Drittkunden beliefern und stehen im Wettbewerb mit externen Anbietern. Konz­ernge­bun­dene Di­en­stleis­ter benötigen ein passendes, kon­se­quentes Geschäftsmodell: Entweder sie konzen­tri­eren sich dauerhaft auf ihre Kunden im Konzern, oder aber das Top­man­age­ment betrachtet IT-Services als strate­gis­ches Geschäftsfeld, das evtl. verkauft werden kann, und öffnet sich für Drittkunden. Es gibt keinen Mittelweg. Viele sind beim halb­herzi­gen Versuch, Drittkunden zu bedienen, gescheitert. Bei Drittmark­tak­tivitäten sollten Sie darauf achten, dass die Risiken nicht zu groß werden und dass ein Nutzen auch für den Konz­ernkun­den resultiert, z. B. durch sinkende Stückkosten. Statten Sie Ihren IT-Di­en­stleis­ter mit allen Funktionen eines voll­w­er­ti­gen Un­ternehmens aus, z. B. mit eigenem Controlling und Per­sonal­man­age­ment. Steuern Sie den Di­en­stleis­ter nicht mithilfe des Budgets, sondern leis­tung­sori­en­tiert.

2. Kun­de­nori­en­tierung

Der IT-Di­en­stleis­ter gehört zwar zum Konzern, sollte diesen aber wie einen Kunden behandeln. Diese Kun­de­nori­en­tierung drückt sich darin aus, das Geschäft des Konzerns zu verstehen, präsent zu sein und Vorschläge zu machen – und zwar in einer Sprache, die auch IT-Laien verstehen. Kun­de­nori­en­tierung ist bislang eine Schwäche von konz­ernge­bun­de­nen IT-Di­en­stleis­tern. Ihre Kunden verlangen nicht Hard- oder Software, sondern IT-Unterstützung bei ihren Geschäft­sprozessen. Die Verrechnung der Leistungen muss für den Kunden nachvol­lziehbar sein, damit er diese Kosten steuern kann. Empfehlenswert sind volumenabhängige Preise statt Grundgebühren. Alle befragten IT-Di­en­stleis­ter führen bei ihren Kunden Zufrieden­heit­s­analy­sen durch. Tun Sie es auch.

3. In­dus­tri­al­isierung

Mit In­dus­tri­al­isierung ist der Einsatz von Man­age­men­tkonzepten in der IT gemeint, die in der in­dus­triellen Fertigung bereits erfolgreich sind. Lange Zeit waren maßgeschnei­derte IT-Projekte verbreitet. In Zukunft fragen Kunden eher stan­dar­d­isierten IT-Leis­tun­gen nach, die ef­fizien­ter­weise mit stan­dar­d­isierten Prozessen hergestellt werden. Der Trend geht zu Mod­u­lar­isierung und Au­toma­tisierung, um Skalen­ef­fekte zu erzielen. Oft verhindert die mangelhafte Doku­men­ta­tion in Ex­cel-Tabellen statt in Datenbanken, dass einmal entwickelte Module mehrfach verwendet werden – und Neuen­twick­lun­gen sind teuer. Trennen Sie die Steuerung der IT-Pro­duk­tion von der Steuerung der IT-In­no­va­tion. Mit Ser­vice-Level-Agree­ments vermeiden Sie Probleme wie die Unter- oder Überbe­liefer­ung Ihres Kunden.

4. Wertschöpfungstiefe

Ein hauseigener Di­en­stleis­ter ist natürlich nicht gezwungen, sämtliche Glieder der Wertschöpfungskette in seiner Domäne zu behalten. Das ist im Übrigen im IT-Geschäft auch gar nicht möglich. Welche Teile selbst erbracht und welche wo und wie eingekauft werden, ist eine permanente Op­ti­mierungsauf­gabe. Er­fol­gre­iche IT-Di­en­stleis­ter sind Sourc­ing-Spezial­is­ten. Eine geringe Wertschöpfungstiefe ist aber für sich genommen noch kein Zeichen von Wet­tbe­werbsfähigkeit. Die un­ter­suchten Beispielfir­men haben alle eine relativ hohe Wertschöpfungstiefe. Bei der Beschaffung können Sie durch die Bündelung des Einkaufs deutliche Einsparun­gen erwarten.

5. In­ter­na­tion­al­isierung

Die Konzerne stellen sich immer stärker in­ter­na­tional auf. Für konz­ernge­bun­dene IT-Di­en­stleis­ter heißt das, dass sie sich ebenfalls global orientieren. Die IT-Tochter kann durch ihr Angebot dazu beitragen, Konz­ern­prozesse weltweit zu vere­in­heitlichen. Andersherum profitiert sie von den Erfahrungen der ausländischen Konzerntöchter. In der Praxis stellen allerdings fehlende En­glis­chken­nt­nisse der Mitarbeiter sowie die kulturelle und ge­ografis­che Distanz Hürden dar. Treffen Sie Vorsorge gegen Lücken im Rechtssys­tem und gegen ab­we­ichen­des Geschäftsgebaren, z. B. gegen die Gefahr, dass wech­sel­bere­ite chinesische Mitarbeiter sich ungeniert an Firmendaten bedienen. Nicht jeder Handgriff eignet sich für eine Verlagerung nach Fernost, zumal dort das Bil­dungsniveau niedriger und die Fluktuation beispiel­sweise in Callcentern hoch sein kann. Den pauschalen Widerstand in Ihrer Fir­men­zen­trale gegen ausländische Standorte sollten Sie allerdings brechen.

6. Innovation

Der tech­nol­o­gis­che Wandel in der IT ist rasant. Ohne In­no­va­tion­s­man­age­ment und In­no­va­tions­bud­get können IT-Di­en­stleis­ter nicht Schritt halten. Innovative IT-Di­en­stleis­ter finden heute heraus, was ihr Kunde morgen benötigt, und integrieren diese Entwicklung auf wirtschaftliche Weise in dessen IT-System. Welche In­no­va­tion­sstrate­gie auch immer Sie wählen: Sorgen Sie für aus­re­ichende Freiräume für innovative Projekte. Arbeit an In­no­va­tio­nen konkurriert im Alltag mit der Arbeit am Kun­de­nauf­trag – und hat de­mentsprechend häufig geringere Priorität. Hier muss das Top­man­age­ment gegen­s­teuern. Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, innovative Ideen der Geschäftsführung zu präsentieren. Diese wiederum muss neue En­twick­lun­gen den Kunden und auch der Fachwelt kom­mu­nizieren.

Über die Autoren

Prof. Dr. Walter Brenner ist geschäftsführender Direktor am Institut für Wirtschaftsin­for­matik der Universität St. Gallen. Dr. Andreas Resch ist Experte für IT, Logistik und Services und war mehrere Jahre Chief Information Officer der Bayer AG. Veit Schulz ist wis­senschaftlicher Mitarbeiter an Prof. Brenners Institut.