Ausgekuschelt

Buch Ausgekuschelt

Unbequeme Wahrheiten für den Chef. Mitarbeiterführung auf dem Prüfstand

Orell Füssli,


Rezension

Huch, was erlaubt sich denn dieser Roland Jäger? Führungskräfte sollen nicht mehr verständnisvoll zuhören und nicht so tun, als seien alle Mitarbeiter gleich? Genau! sagt der streitbare Coach, sie sollen lieber mal ordentlich auf die Pauke hauen. Wie das klingt, macht er gleich selber vor: An knackigen Sprüchen mangelt es seinem Pamphlet wahrlich nicht. Dass diese Kraft­meierei im Ar­beit­sall­tag nicht immer zum Ziel führt, dürfte jedem Leser klar sein – und dem Autor auch. Verübeln kann man ihm die lauten Töne aber nicht: Seine Botschaft steht so konträr zum Mainstream, dass ein bisschen Übertreibung nötig ist, damit sie überhaupt gehört wird. Mit gezielten Pro­voka­tio­nen stichelt Jäger gegen kaum je hin­ter­fragte Ar­beit­side­ale (Kreativität! Loyalität! Solidarität!) und lässt die Luft aus hohlen Wohlfühlphrasen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Führungskräften, die Angst vor dem „harten Hund“ in sich haben und diese überwinden wollen.

Take-aways

  • Führungsbedürftige Mitarbeiter brauchen Kontrolle, keine Stre­ichelein­heiten.
  • Als Chef müssen Sie das Ziel im Auge behalten; verlieren Sie sich nicht in Details.
  • Sprechen Sie Fehlver­hal­ten sofort an.
  • Mitarbeiter brauchen Eigenantrieb; für die Motivation sind Sie nicht zuständig.
  • Durch Kuscheln verwandeln sich einst motivierte Personen zu loyalen Deppen, leis­tungss­chwachen Realisten oder un­ter­forderten Mi­tar­beit­ern, die kündigen.
  • Mitarbeiter müssen lernen, Ve­r­ant­wor­tung für ihr Handeln zu übernehmen.
  • Reagieren Sie auf Fehler sofort. Reaktion – nicht Autorität, Ma­nip­u­la­tion oder Nachsicht – ist das geeignete Mittel zur Mi­tar­beit­erführung.
  • Echte Solidarität im Team entsteht durch die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel.
  • Man­age­ment­meth­o­den wie Kaizen, Six Sigma oder Balanced Scorecard bringen nur dann etwas, wenn sie konsequent angewendet werden.
  • Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in die Entwicklung des Un­ternehmens mit ein.
 

Zusammenfassung

Schluss mit dem Schmusekurs

Ihre Mitarbeiter lieben Sie? Im Büro herrscht so etwas wie Fam­i­lienidylle? Dann ist es höchste Zeit, das zu ändern! Machen Sie Schluss mit dem Schmusekurs. Wenn Sie nämlich genau hinsehen, merken Sie wahrschein­lich, dass man Ihnen auf der Nase herumtanzt und die Ergebnisse alles andere als zufrieden­stel­lend sind. Benehmen Sie sich also wie ein Chef, und das heißt: Kon­trol­lieren Sie Ihre Un­tergebe­nen. Klar: Sie müssen nicht zur Stechuhr zurückkehren und Sie brauchen auch nicht alle Mitarbeiter gleich hart anzufassen. Sie müssen bloß jenen mehr Aufmerk­samkeit zu schenken, deren Verhalten geradezu nach strengerer Führung schreit. Das wider­spricht allem, was Sie über Mi­tar­beit­erführung gelernt haben? Zu allen nett sein, keinen bevorzugen und nur ja niemandem auf den Schlips treten? Genauso sollten Sie aber nicht führen. Ungleiche Behandlung ist angesagt. Ungleich bedeutet nicht unfair, sondern im Gegenteil gerecht und angemessen.

„Mit modernem Management und zeitgemäßer Un­ternehmen­skul­tur hat die blümchenumkränzte Friede-Freude-Eierkuchen-Idylle nicht viel zu tun, eher etwas mit Führungsschwäche.“

Keine Sorge, Ihre Mitarbeiter zeigen Ihnen schon, ob sie die kurze oder die lange Leine brauchen. Führen Sie Einzelgespräche mit ihnen und beobachten Sie sie. Ein Beispiel: Sie haben am ersten Arbeitstag des neuen Mi­tar­beit­ers keine Zeit, ihn einzuweisen. Der eine Typ wird brav auf dem Sessel vor Ihrem Büro auf Sie und Ihre Anweisungen warten – und den ganzen Tag nichts leisten. Der andere Typ aber setzt sich unaufge­fordert an seinen Schreibtisch und verschafft sich erst Mal einen Überblick über das Fir­men-In­tranet. Typ Nummer eins braucht mehr Kontrolle, will an die Hand genommen werden. Typ Nummer zwei fühlt sich am wohlsten, wenn Sie ihn mal machen lassen. Er braucht die Her­aus­forderung.

„Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter ungleich. Ja, ungleich. Nur dann sind Sie gerecht.“

Damit Sie Ihre Mitarbeiter richtig führen, brauchen Sie vor allem eines: ein Ziel. Sie müssen genau wissen, wo Ihre Abteilung hin will. Ihre Aufgabe ist es, dem Team die Richtung vorzugeben, damit dieses Ziel erreicht werden kann.

Harter Hund, starkes Rudel

Auch als „High Potential“ sind Sie nicht vor der Kuschelfalle gefeit. Sie fahren vielleicht ein tolles Auto, haben eine tolle Wohnung, klettern die Kar­ri­ereleiter immer höher – und erliegen schleichend der Ziel- und Wil­len­losigkeit. Dann droht auf einmal die Kürzung des Budgets und damit der Jobverlust. Zweifel, Leere und Per­spek­tivlosigkeit können die Folge sein. Auf dem Kuschelkurs kommen Sie jetzt nicht mehr voran.

„Wenn eine Führungskraft ihre Mitarbeiter motivieren muss, damit die ihren Job tun, dann läuft etwas schief.“

Was tun? Sie müssen die bewusste Entschei­dung treffen, Führungskraft zu sein. Sagen Sie es: „Ich will eine Führungskraft sein.“ Ein bisschen mehr Distanz zu den Mi­tar­beit­ern schadet nicht. Kommt wieder einmal jemand an, der die Zahl in der Spalte X der Zeile Y in einem Excel-Sheet erklärt haben möchte, schicken Sie ihn zu den Leuten, die dafür bezahlt werden, so etwas zu wissen.

„Mi­tar­beit­er­loy­alität ist ein Mythos! Es gibt sie nicht!“

Sie sind für die strate­gis­chen Dinge ve­r­ant­wortlich und dafür, dass das Team gut zusam­me­nar­beitet. Sie müssen nicht alles wissen. Sie müssen nur ein harter Hund werden. Harte Hunde sind diejenigen, die sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst sind, die ihre Ziele fest im Auge behalten und die ihrem Rudel zeigen, wie man Widerstände überwindet und wo es langgeht.

Kein Vertrauen ohne Verbindlichkeit

Stellen Sie sich vor, Sie bitten einen Mitarbeiter, eine Pow­er­point-Präsentation für den nächsten Tag vorzu­bere­iten. Aber zum vere­in­barten Zeitpunkt steht er nicht einmal mit leeren Händen da, sondern ist „bei einem wichtigen Kundengespräch“ und für niemanden erreichbar. Sollen Sie solches Verhalten generös übersehen? Auf gar keinen Fall! Nur Kuschelchefs drücken sich vor einem unan­genehmen Gespräch.

„Es wird das gemacht, was Sie wollen, und fertig.“

Ein Fehlver­hal­ten muss sofort ange­sprochen werden. Warten Sie nicht einen Tag damit. Sonst wundert sich der Mitarbeiter beim nächsten Fehler über Ihren dann ver­meintlich spontanen Wutausbruch und verbündet sich mit seinen Kollegen gegen Sie. Was man sofort bespricht, bleibt eher auf der Sachebene, weil der Konflikt noch nicht emotional aufgeladen ist. Zudem sig­nal­isieren Sie Ihrem Mitarbeiter, dass Sie ihn genau beobachten und Drückebergern keine Chance geben. Natürlich ist Vertrauen wichtig. Doch dazu müssen verbindliche Absprachen getroffen werden, die dann von allen Parteien auch verlässlich eingehalten werden.

Qual­i­fika­tion ist nicht alles

Gegen Akademiker ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Wenn Ihr Mitarbeiter seinen Titel aber gleichsam als Entschuldigung heranzieht, um sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen und sich feiern zu lassen, dann haben Sie ein schlechtes Geschäft gemacht. Viele Akademiker verlangen ein hohes Gehalt, Privilegien, prestigeträchtige Projekte, haben aber kein Prax­iswis­sen vorzuweisen. Dazu glauben sie obendrein, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, und sind sich für „niedere Tätigkeiten“ zu schade. Im Endeffekt bezahlen Sie viel zu viel für die schwache Leistung, die Sie erhalten.

„Kuschlern geht es immer nur um sich selbst.“

Sie sind nicht dazu da, Ihre Mitarbeiter zu motivieren. Zeigt jemand keine Lust, seine Arbeit zu verrichten, dann kürzen Sie ihm in einem ersten Schritt das Gehalt. Ja, richtig gelesen. Machen Sie ihm klar, dass es hier um einen Tauschhan­del geht und er freiwillig auf einen Teil seines Gehalts verzichten darf, wenn er weniger Leistung bringen will. Und für den erwähnten, altklugen Akademiker gibt es ein bewährtes Rezept: Kon­fron­tieren Sie ihn mit einer Situation, die entweder zeigt, welch großartiges Talent wirklich in ihm steckt, oder die ihn scheitern lässt. Ist er un­ein­sichtig und sich zu schade für diese Aufgabe, haben Sie einen guten Grund, ihn zu entlassen.

Kuscheln: Ansteck­ungs­ge­fahr

Ein hoch motivierter neuer Mitarbeiter tritt in ein bestehendes Team ein, in dem sich alle lieb haben. Anfangs macht er Überstunden, ist wiss­be­gierig und übertrifft seine Vorgaben. Doch nach ein paar Monaten merkt er, dass die Idylle im Team ganz schön gemütlich sein kann. Wenn er mal die Füße hochlegt und pünktlich Feierabend macht, erreicht er seine niedrig gesteckten Ziele trotzdem. Willkommen im „Paradies der Mittelmäßigkeit“! Diese Geschichte ist ein Muster­beispiel dafür, was passiert, wenn im Team zu viel gekuschelt wird. Spätestens nach zwei bis drei Jahren ist der ans Kuscheln gewöhnte Mitarbeiter auf eine der folgenden drei Rollen festgelegt:

  1. Der loyale Depp, der aus schlechtem Gewissen seine Leis­tungs­bere­itschaft wieder etwas hochfährt, ohne jedoch sein Potenzial voll auszuschöpfen.
  2. Der Un­ter­forderte, der das Unternehmen, den Bereich oder die Position verlässt, um sich span­nen­deren Aufgaben zu widmen.
  3. Der Realist, der auf seiner faulen Haut liegen bleibt.

Eigen­ver­ant­wor­tung fördern

Ihren Kindern laufen Sie sicher nicht ständig hinterher, um sie vor dem großen Monster der Selbstständigkeit zu schützen. Bei Ihren Mi­tar­beit­ern dürfen Sie das auch nicht: Jeder soll die Suppe, die er sich eingebrockt hat, selber auslöffeln. Lehren Sie Ihre Un­tergebe­nen, Fehler einzugeste­hen. Helfen Sie Ihnen, ihre Aufgaben zu erledigen, indem Sie sich hinter sie stellen – und nicht selbst einspringen, um alles wieder ger­adezu­biegen. Sonst beginnen sie ganz schnell, Ihr Helfer­syn­drom auszunutzen. Ihre Mitarbeiter müssen lernen, Ve­r­ant­wor­tung zu übernehmen. Stoßen Sie sie dabei ruhig ins kalte Wasser, doch passen Sie vom Beckenrand aus auf sie auf.

„Wessen beste Mitarbeiter nach drei Jahren nicht kündigen, der ist ein schlechter Chef.“

Als Chef haben Sie unzählige Aufgaben: Sie sind Beichtvater und Pädagoge, sollen Mo­ti­va­tion­strainer und Richter spielen und dabei noch hellsehen. Gerne wird der Chef auch als wandelnde „Wikipedia“ betrachtet: Sein Kopf voller Details soll allen zur Verfügung stehen, damit man ja nicht selber nachdenken muss. Diese Rollen sind alle Quatsch. In Wahrheit müssen Sie nur eines sein: der Aufklärer. Sie sind dazu da, Irrtümer aufzuklären – z. B. jenen, dass Ihre Mitarbeiter ihre Arbeit an Sie abschieben können und nicht ihr Bestes geben müssen.

Rechtzeitig reagieren

Wie erreichen Sie aber, dass Ihre Angestell­ten das tun, was Sie wollen? Vergessen Sie Autorität, Ma­nip­u­la­tion oder gar Nachsicht. Reaktion heißt das Zauberwort: Zeigen Sie sofort eine Reaktion, sobald ein Mitarbeiter seiner Aufgabe nicht nachkommt oder seine Arbeit schlecht erledigt. Nur so kann er lernen. Wenn Sie zu nachsichtig sind und die Arbeit immer wieder nachkon­trol­lieren müssen, ist es zu spät: Dann sind Sie zu einer überbezahlten Qualitätssicherung geworden und ver­schwen­den das Geld Ihres Un­ternehmens. Vergessen Sie aber trotzdem nicht: Menschen sind keine Maschinen. Ein Mindestmaß an sozialer Kompetenz darf man von Ihnen erwarten. Reaktion auf das Fehlver­hal­ten eines Mi­tar­beit­ers bedeutet nicht Peitschen­hiebe oder Urlaub­ssperre. Die Reaktion muss immer angemessen sein. Zeigen Sie Respekt Ihren Mitmenschen gegenüber und vermischen Sie die Sachebene nicht mit der Beziehungsebene.

Schein­sol­i­darität als Wach­s­tum­skiller

Was passiert, wenn im Team irgendwann nur noch das Wir-Gefühl zählt? Die Gruppe wird eine Schein­sol­i­darität aufbauen und sich dabei immer am Schwächsten im Team orientieren. Mitglieder, die sich verbessern, werden unterdrückt, damit man selbst ja nicht in einem schlechten Licht dasteht. Wachstum ist unter solchen Bedingungen nicht möglich. Echte Solidarität hingegen entsteht dann, wenn alle auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Die Da­seins­berech­ti­gung des Teams wird umgedeutet von „Wir haben uns alle gern“ zu „Wir haben ein Ziel, das wir nur gemeinsam erreichen können“.

Konsequenz ist wichtiger als Kreativität

Balanced Scorecard, Kaizen, Six Sigma, Business Process Reengi­neer­ing – alles Man­age­ment­meth­o­den, die ein Unternehmen vorwärts bringen sollen. Doch wie oft stellt sich die Einführung solcher Instrumente als Flop heraus? Die Schuld liegt nicht bei den Methoden, sondern bei der Inkon­se­quenz der Manager. Jeder neue Oberboss will sich mit anderen In­stru­menten beweisen, während der kürzlich gestartete Im­ple­men­tierung­sprozess des Vorgängers noch am Laufen ist. Das Gleiche gilt für PR-trächtige Un­ternehmensleit­bilder, die sich zwar gut anhören, in der Praxis aber ignoriert werden.

„Wo Schwäche, Inkon­se­quenz und Abhängigkeit regieren, da ist sie nicht weit: Leis­tungs­feindlichkeit.“

Führungskräfte brauchen Selb­st­diszi­plin und Be­har­rlichkeit – viel mehr als Kreativität. Binden Sie Ihre Mitarbeiter bei der Einführung eines neuen Man­age­mentin­stru­ments ein. Und kon­trol­lieren Sie auch hier wieder diejenigen Mitarbeiter, die sich klammheim­lich ausklinken wollen. Sie müssen aktive Überzeu­gungsar­beit im Unternehmen leisten und Angestellte aller Ebenen schulen.

Mit dem richtigen Team ist jede Strategie die richtige

Es hat keinen Sinn, sich vor seinen Mi­tar­beit­ern zu verstecken. Gehen Sie offen auf sie zu und lernen Sie von ihrem Know-how und ihren Ideen. Es ist vollkommen egal, welchen Strate­gieweg Sie einschlagen: Mit den richtigen Mi­tar­beit­ern, dem richtigen Team funk­tion­iert alles.

„Wenn Sie am Ende ein Team aus un­ternehmerisch denkenden Mi­tar­beit­ern haben – und genau solche brauchen Sie! –, sind Sie fein raus.“

Wenn Sie einmal eine schwierige Phase durchlaufen, beziehen Sie die Angestell­ten in den Umgestal­tung­sprozess mit ein. Ihre hoffentlich un­ternehmerisch denkenden Mitarbeiter werden einsehen, warum manch unpopuläre Entschei­dung gefällt werden muss. Übertreiben Sie es mit der Par­tizipa­tion aber nicht, sonst geraten Be­sprechun­gen zu Laberrunden. Klare Ziele und Vorgaben müssen bestehen bleiben.

Über den Autor

Roland Jäger ist selbstständiger Un­ternehmens­ber­ater, Trainer und Coach. Zuvor arbeitete er als Manager für eine Privatbank und ein Be­ratung­sun­ternehmen.