Wenn Wachstum ein Problem ist
Schnelles Wachstum gilt heute als Notwendigkeit für viele Unternehmen. Es ist eine "gesunde" Geschäftsentwicklung zu erreichen und gleichzeitig ein junges Unternehmen zu managen, das Wachstumsraten im dreistelligen Bereich erzielen will. Ein Unternehmen, das zu schnell wächst, läuft Gefahr, Details zu ignorieren und Fehler zu machen. Mehr noch: Unkontrolliertes Wachstum macht das Leben der Manager und Angestellten schwer, und viele beklagen bald, dass ihr Job keinen Spass mehr macht. Jedes Unternehmen sollte deshalb nach nachhaltigem Wachstum streben - ein Begriff, dessen Definition von Unternehmen zu Unternehmen allerdings anders ausfallen kann. Im einen Fall kann es schwierig sein, eine Wachstumsrate von 10 % aufrechtzuerhalten, während ein anderes Unternehmen mit seinen Geschäftszahlen um den Faktor zwei oder drei zulegt. Gleichwohl - schnell wachsende Unternehmen planen und managen ihre Ressourcen meist erfolgreicher als die Konkurrenz.
„Schnelles und nachhaltiges Wachstum sind schwierig. Man arbeitet daran, die Bedürfnisse einer Gegenwart, die nie wirklich existiert, und einer Zukunft, auf die man nicht zählen kann, zu erfüllen.“
Es gibt drei Arten von Wachstum: schrittweises, schnelles und extremes Wachstum. Schrittweises Wachstum kann geplant werden. Wenn ein Unternehmen mit dieser Geschwindigkeit ein Produkt auf den Markt bringt, wird es keine Probleme haben, die Arbeitskräfte so einzuteilen, wie es erforderlich ist. Eine Company, die schnelles Wachstum verzeichnet, wird dagegen mit mehr Herausforderungen konfrontiert. Wenn ein schnell wachsendes Unternehmen z. B. ein neues Produkt lanciert, hat es vermutlich nicht genügend Zeit, um ein angemessenes Verkaufsteam zusammenzustellen. Es wird Kompromisse eingehen, externe Verkäufer nutzen oder Personal anheuern, das unter normalen Umständen seinen Ansprüchen nicht gerecht würde.
„Es ist schwierig, derselbe zu bleiben, während man mit Warp-Geschwindigkeit arbeitet; aber es ist enorm befriedigend, wenn man erfolgreich ist.“
Das Unternehmen, das ein extremes Wachstum verzeichnet, ist in Wirklichkeit nicht mehr Herr seines Wachstums; stattdessen kontrolliert vielmehr umgekehrt das Wachstum das Unternehmen. Ein Unternehmen in diesem Stadium könnte weiterhin bis zur letzten Minute ein neues Produkt entwerfen und perfektionieren. Ein Beispiel für diese Art von Firmen liefert Netscape: Als sein Internet-Browser auf den Markt kam, wurde er zuvor nicht auf eventuelle Fehlfunktionen geprüft. Somit wurden die Kunden zu Beta-Testern des Produktes - und waren von diesem Umstand wegen der hohen Fehlerquote nicht gerade begeistert. Ein weiteres Beispiel stammt aus der Grossturbinenindustrie: Als die Nachfrage das Angebot überflügelte, reduzierten die Hersteller aus Zeiteinsparungsgründen notwendige Produkt-Untersuchungen. Das Resultat war, dass die Käufer selbst die Turbinen testeten und den Eindruck gewannen, dass die Hersteller die eigene Qualitätsprüfung vernachlässigt hatten.
Wachstumsmythen
Die drei Hauptressourcen, die wachsende Unternehmen nutzen, sind Zeit, Menschen und Geld. Diese Ressourcen müssen intelligent und sorgfältig vom Management eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass der Betrieb auf dem Wachstumspfad bleibt - ein Grundsatz, der einige weit verbreitete Mythen über Wachstum entzaubert:
- Wachstum überwindet betriebliche Mängel. Dies ist nicht richtig: Betriebliche Probleme tendieren dazu, durch schnelles Wachstum verschärft zu werden.
- Wachstum entspricht Gewinn. Ein weiteres ökonomisches Ammenmärchen, denn Wachstum ist mit Kosten verbunden, die die Gewinne stark schmälern können.
- Dominante Marktanteile entsprechen Gewinnen. In vielen Fällen ist der Marktführer in einer Branche nicht unter den Top Ten der Profit-Rankings zu finden.
- Wachstum ist gut für die Kunden. In Wahrheit wird Wachstum oft von einem "kurzsichtigen" Unternehmen generiert, das Wachstum für eine Qualität an sich hält und weniger den Nutzen im Blick hat, den das eigene Wachstum für den Kunden bereithält.
Puzzle-Management
Die Puzzle-Managementtheorie besagt, dass das Führen eines Unternehmens dem Zusammensetzen eines Puzzles ähnlich ist. Angestellte versuchen dabei ständig, unterschiedliche Informationsteile in einer Form zusammenzusetzen, die für das Unternehmen sinnvoll erscheint. Der "Box-Top" bildet dabei das wichtigste Werkzeug im Puzzle-Management. Er ist dem Bild auf der Schachtel eines Puzzles vergleichbar. Auf die Geschäftswelt übertragen heisst das, dass die Abbildung des fertigen Puzzles auf der Verpackung ein klares und fokussiertes Bild dessen liefert, was dem Endziel des Unternehmens entspricht. Im Gegensatz zu Vision-Statements oder Mission-Statements ist das Box-Top-Mosaik allerdings eng definiert und begrenzt. Ein Rahmen, der für ein wachsendes Unternehmen, das von einer Unzahl verschiedener Möglichkeiten in unterschiedliche Richtungen gelockt wird, von enormer Bedeutung ist.
„Wachstum, das ohne Vorwarnung ansteigt und stillsteht, ist für das Unternehmen gefährlich. Inkonsistentes, ausser Kontrolle geratenes Wachstum muss vermieden werden.“
So benutzte die europäische Fluggesellschaft SAS einen solchen Box-Top, um sich aus finanziellen Schwierigkeiten zu retten. Als Jan Carlzon CEO von SAS wurde, stritten sich die Manager darüber, ob zwei Millionen Dollar für neue Servierwagen ausgegeben werden sollten. Diejenigen, die dafür waren, meinten, die neuen Wagen würden den Service verbessern, während die Kontrahenten dagegen meinten, dass die Investition zu teuer sei. Carlzon bat um einen Moment des Innehaltens und forderte seine Manager auf, ihm beim Erstellen eines Deckels zu helfen. Dieser stellte SAS als Europas führende Fluglinie für Geschäftsreisende dar. Nachdem das Endziel festgelegt worden war, fiel es den SAS-Führungskräften leicht, die Servierwagenfrage zu beantworten: Neue Wagen würden die Meinung der Geschäftsreisenden über ihr Unternehmen verbessern, und so beschloss SAS, diese zu kaufen.
„Viele Gewohnheiten, die Manager sich angeeignet haben, veranlassen sie dazu, in die Vergangenheit zu investieren anstatt in die Zukunft.“
Für ein junges Unternehmen ist es besonders wichtig, dass der Box-Top sich auf einen kleinen Bereich konzentriert. Denken Sie an Palm: Als das Unternehmen seinen PDA (Personal Digital Assistant) entwarf, hätte es Zeit und Energie für eine endlose Reihe von Möglichkeiten verschwenden können. Aber die Führungskräfte des Unternehmens waren weise genug, ihren Spielraum einzuschränken. Der Box-Top von Palm stellte vier Anforderungen dar, die das Produkt erfüllen sollte: 1. Das Gerät sollte sehr klein sein; 2. es sollte ohne Probleme mit einem PC kommunizieren können; 3. es sollte einfach und schnell sein und 4. last but not least weniger als 300 Dollar kosten. Zur Verdeutlichung schritt einer der Palm-Manager mit einem kleinen Holzstück in seiner Hemdtasche durch das Büro - das Gerät, so das Signal, durfte nicht grösser sein als dieses Stückchen Holz.
Das Erstellen eines realistischen Box-Tops
Box-Tops, die funktionieren, haben einige Gemeinsamkeiten. So kann ein Box-Top dafür stehen, dass ein Unternehmen das Ziel anvisiert, eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Bereich zu dominieren. Andererseits könnte ein Immobilienunternehmen sich vornehmen, alle finanziellen Investitionen binnen eines festgelegten Zeitraums zu amortisieren. Ganz allgemein sind gute Box-Tops in diesem Sinne immer:
- Konkret. Vage Box-Tops vergeuden nur Ressourcen. Es ist die Verantwortung der Führungskräfte, sicherzustellen, dass der Box-Top Zweideutigkeiten ausschliesst.
- Messbar. Setzen Sie das Ziel anhand eines Geldbetrages fest, damit klar ist, wann es erreicht worden ist.
- Erreichbar. Unrealistische Box-Tops sind schlecht für die Moral und vergeuden Ressourcen.
- Klar, mit Hinblick darauf, wo keine Ressourcen eingesetzt werden sollen. Palm Pilot z. B. teilte den Menschen mit, dass sie keine Zeit mit einem PC-Kartenport vergeuden sollten.
- Terminorientiert. Der Box-Top muss festlegen, wann das Ziel erreicht sein soll, damit das Unternehmen einen neuen Box-Top anvisieren und am nächsten Ziel arbeiten kann.
Kapitalbeschaffung
Wenn die Zeit gekommen ist, um Kapital zu beschaffen, hat der Besitzer eines Wachstumsunternehmens zwei Möglichkeiten: das Unternehmen verkaufen oder Risikokapital beschaffen. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile. Der Verkauf eines Unternehmens an einen etablierten Wettbewerber sorgt für Kapital und Stabilität. Im besten Fall wird das Unternehmen zum Intrapreneur: ein gewinnorientiertes Unternehmen, das zu einem grösseren Konzern gehört, jedoch so arbeitet, als sei es unabhängig.
„Manchmal gerät das Wachstum ausser Kontrolle. Dann führen nicht mehr Sie Ihr Unternehmen,sondern das Wachstum steuert Sie.“
Eine zweite Variante ist die Gewinnung von Risikokapitalgebern. Sie stellen wachsenden Unternehmen Kapital, Wissen, Kontakte und Unterstützung zur Verfügung. Diese Option birgt umgekehrt auch einige Nachteile. Denn Risikokapitalgeber haben hohe Erwartungen. Ein Käufer könnte das Wachstum in Ihrem Bereich mit dem im restlichen Unternehmen vergleichen, das beispielsweise zwischen 15 und 20 % liegt. Ein Risikokapitalgeber wird Ihr Wachstum hingegen mit dem anderer Unternehmen in der Branche vergleichen, und dieses kann bei bis zu 150 % liegen. Risikokapitalgeber fordern zudem erhebliche Kontrolle über die Firmen in ihrem Portfolio. Wenn Ihr Unternehmen den Erwartungen der Risikokapitalgeber letztlich nicht entspricht, werden Sie vermutlich durch eine neue Führungskraft ersetzt werden.
Stellen Sie "Köpfe" ein
Neben Geld sind Menschen die wichtigste Ressource für ein wachsendes Unternehmen. Bei wichtigen strategischen Aufgaben sollten Sie daran denken, "Köpfe" einzustellen, nicht Menschen. Es besteht zwischen beiden ein wichtiger Unterschied: Köpfe sind hoch talentierte und erfolgreiche Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt selten und nur schwer zu finden sind. Menschen können en masse eingestellt, Köpfe aber müssen individuell umworben werden. Während Menschen über den traditionellen Arbeitsmarkt angeworben werden können, sind Köpfe oft aus dem gewöhnlichen Geschäftsleben ausgeschieden. Und: Menschen akzeptieren die Kontrolle des Managements, Köpfe eher nicht - während Menschen ihre Arbeit mögen oder nicht, sind Köpfe immer leidenschaftlich bei der Sache.
Potenzielle Beförderung
Natürlich kann nicht jeder, der von einem Wachstumsunternehmen eingestellt wird, ein aussergewöhnlich talentierter Kopf sein. Mit traditionellen Angestellten können wachsende Unternehmen einige teure Fehler vermeiden. Denken Sie an das Thema Beförderung. Die meisten Unternehmen befördern Manager auf der Grundlage dessen, was sie in der Vergangenheit erreicht haben. Vielleicht befördern Sie einen Angestellten aufgrund seiner langen Betriebszugehörigkeit oder weil ein Wechsel ihn beflügeln könnte. In beiden Fällen ist die Beförderung rückwirkend - sie basiert auf dem, was geleistet worden ist. Obwohl dies meistens funkioniert, kann es auch vorkommen, dass neu beförderte Manager den Anforderungen nicht gewachsen sind und sich als unfähig erweisen. Anstelle rückwirkender Beförderungen sollten Sie deshalb eher potenzielle einsetzen, die auf Ihren Vorstellungen davon beruht, was Ihre Angestellten in Zukunft für Sie tun können.
Fortlaufende Bewertungen
Ein weiterer häufiger Fehler betrifft die Einschätzung und Leistungsbewertung der Angestellten. Sie erfolgt gewöhnlich anhand einer jährlichen Einschätzung, die sowohl von Managern als auch Angestellten gefürchtet wird. Die Arbeit eines ganzen Jahres fliesst in eine kurze Besprechung ein. Der Angestellte entwickelt u. U. das Gefühl, dass die Höhe seiner Gehaltserhöhung von subjektiven Massstäben abhängt. In diesem Zusammenhang führt Kritik dazu, die Leistung des Angestellten zu beeinträchtigen - Lob hat dann nur noch eine geringe positive Wirkung. Implementieren Sie deshalb einen fortlaufenden Bewertungsprozess anstelle von jährlichen Bewertungen. Dadurch ermöglichen Sie ein konstantes Feedback, klären Erwartungen und sorgen dafür, dass Gehaltserhöhungen objektiver erscheinen. Fortlaufende Bewertungen verbessern zudem die Leistung, da Manager die Möglichkeit haben, schlechte Leistungen sofort zu korrigieren und nicht erst am Ende eines Jahres.