Die faire Kündigung

Buch Die faire Kündigung

Erfahrungen und Praxistipps für Vorgesetzte

Orell Füssli,


Rezension

Kündigungen gehören zum Ar­beit­sall­tag. Das heißt aber nicht, dass pro­fes­sionell damit umgegangen wird. Die Tragweite eines solchen Ereignisses wird von den meisten verdrängt, vor allen von denjenigen, die die Kündigung aussprechen. Der Autor führt ein­dringlich vor Augen, was sich bei einer Kündigung psychisch abspielt. Die Vermutung, nur der entlassene Mitarbeiter könne trau­ma­tisiert werden, wird gründlich widerlegt: Der Vorgesetzte schlittert leicht in die Täterrolle, und der Rest der Mannschaft bleibt verstört zurück. Das Buch zeigt ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit zahlreichen Prax­is­beispie­len und in angenehm lockerem Stil, wie das alles zusammenhängt und welche Schäden für die Beteiligten entstehen können. Die am Schluss angebotene Checkliste für eine faire Kündigung liefert ein leicht anwendbares Instrument, um sofort richtig handeln zu können. BooksInShort empfiehlt das Buch jedem Vorgesetzen und Per­son­alver­ant­wortlichen, der auch die unan­genehm­ste aller Man­age­men­tauf­gaben meistern will.

Take-aways

  • Eine un­pro­fes­sionelle Kündigung trau­ma­tisiert nicht nur den Gekündigten, sondern evtl. auch den Vorge­set­zten und das zurückbleibende Team.
  • Wer gekündigt wird, fühlt sich hilflos und aus­geliefert – daraus kann ein Trauma entstehen, das einen geglückten Neuanfang verhindert.
  • Weil eine Kündigung einen Mitarbeiter hart trifft, macht diese Führungsauf­gabe vielen Vorge­set­zten Angst.
  • Auch wenn der Chef aus dem Tren­nungs­ge­spräch scheinbar als Sieger hervorgeht, fühlt er sich oft schuldig, und u. U. endet das Jahre später im Burnout.
  • Wenn Sie wissen, wie Teams funk­tion­ieren, können Sie eine Kündigung so gestalten, dass sie nicht einen Massenex­o­dus nach sich zieht.
  • Einfach weit­er­ma­chen wie bisher ist keine brauchbare Strategie zur Traumabewältigung.
  • Sich erinnern, darüber reden, den eigenen Beitrag erkennen, Gefühle zulassen und das Beste draus machen – das ist der Weg aus dem Trauma.
  • Sagen Sie im Kündi­gungs­ge­spräch ehrlich, woran es liegt, und gestehen Sie auch eigene Fehler ein. Das wahrt die Würde des Gekündigten.
  • Die Anerkennung der Leistungen des Mi­tar­beit­ers ist ein ganz wesentlicher Aspekt bei einer Kündigung.
  • Fair kündigen bedeutet, den Mitarbeiter mit Respekt zu behandeln.
 

Zusammenfassung

Die Angst vor dem Scher­ben­haufen

Sie ist ungefähr so alltäglich wie die Eheschei­dung, und genau wie diese kann sie zu einem gefühlsmäßigen Horrortrip werden: die Kündigung. Und das nicht nur für denjenigen, der den Job verliert, sondern auch für den Vorge­set­zten und die Kollegen. Der Chef hat es in der Hand, ob aus der Trennung ein Scher­ben­haufen oder ein Neuanfang für alle Beteiligten entsteht. Viele Vorgesetzte wollen das Kündi­gungs­ge­spräch so rasch wie möglich durchziehen, die unangenehme Aufgabe schnell hinter sich bringen. Dann dauert es oft lange, bis der Kol­lat­er­alschaden behoben ist. Durch die harte Trennung trau­ma­tisiert, finden die Gekündigten häufig jahrelang keinen neuen Job, die Vorge­set­zten werden von Schuldgefühlen heimgesucht und das übrig gebliebene Team schleppt sich emotionslos durch den Ar­beit­sall­tag. Solche Dramen können Sie vermeiden, wenn Sie Kündigungen fair gestalten und daraus eine Chance für die Zukunft machen. Erlernen Sie Methoden, mit denen Ent­las­sun­gen sich zwar nicht vermeiden lassen, die sie aber in sanfte Bahnen lenken, ohne die Psyche der Beteiligten zu ruinieren.

Das Dilemma der Chefs

Kündigen zählt zu den Führungsauf­gaben – nur leider werden CEOs, Unternehmer und Per­son­alchefs so gut wie gar nicht darauf vorbereitet. Aber der Tag X kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, und dann stehen Sie da und wissen nicht, wie Sie die Sache mit Anstand bewältigen sollen. Gerade wenn es Ihre erste Kündi­gungssi­t­u­a­tion ist und Sie nicht schon aus eigener Erfahrung lernen konnten, erleben Sie Stress pur, und das ist keine stabile Aus­gangspo­si­tion für ein gutes Tren­nungs­ge­spräch.

„Eine gute Trennung respektiert die Würde des Betroffenen, kann vom Gegenüber akzeptiert werden und ermöglicht eine Neuori­en­tierung.“

Für den Gekündigten geht es oft ums nackte Überleben: Er verliert – zumindest im Augenblick – sein Einkommen, seinen Lebenssinn und die Zugehörigkeit zum Unternehmen. Sie ziehen ihm in jeder Beziehung den Boden unter den Füßen weg, und weder Sozial­pro­gramme noch Out­place­ment können das wettmachen. Verständlich, dass dem Vorge­set­zten die Angst im Nacken sitzt, wenn er diese Hiob­s­botschaft überbringen muss, vor allem bei struk­turellen Kündigungen, bei denen viele Mitarbeiter auf einmal auf die Straße gesetzt werden. Es gab schon CEOs, die bei solchen Gele­gen­heiten als Geisel genommen wurden.

So erleben es die Mitarbeiter

Zunächst ist der Entlassene natürlich, vorsichtig ausgedrückt, nicht so gut auf den Chef zu sprechen. Mancher Kündigung geht Mobbing voraus. Dann ist sie für den Betroffenen keine bloße Enttäuschung, über die er mit der Zeit hinwegkommt, sondern eine trau­ma­tis­che Verletzung, die pro­fes­sionell behandelt werden muss. Die Bedingungen für ein Trauma, z. B. das Überraschende, Lebens­bedrohliche, Unauswe­ich­liche, das Gefühl des Aus­geliefert­seins, können bei einer Kündigung durchaus gegeben sein. Der Betroffene reagiert mit Verwirrung, Erin­nerungslücken, Antrieb­slosigkeit und entsprechen­den körperlichen Symptomen wie Magen-, Herz- und Kreis­lauf­prob­le­men, Kopf­schmerzen und Schlaf­prob­le­men.

Auch das Team leidet

Jeder im Unternehmen hat seinen Platz und gehört in irgendeiner Form zu einer Gruppe und in ein System. Menschen brauchen die Gruppe, das war schon immer so: Allein können Sie weder ein Mammut erlegen noch große Projekte stemmen. Eine Kündigung bringt so ein System gewaltig ins Wanken. Es braucht nur ein Hauch von Un­gerechtigkeit über der Kündigung zu liegen, und schon reagiert das Team mit Dienst nach Vorschrift, innerer Kündigung oder im schlimmsten Fall mit Sabotage. Der unfair Gekündigte wird als noch immer zum Team gehörig angesehen, und wenn Sie Pech haben, folgt ihm sogar der ein oder andere.

„Es muss möglich sein, sich in der Arbeitswelt von einem Mitarbeiter zu trennen.“

Es ist immens wichtig, die Gründe für eine Kündigung zu the­ma­tisieren, und zwar in positiver Weise. Wenn Sie dem Team ehrlich erklären, dass Sie z. B. mit dem Kollegen schlicht nicht auskommen konnten, seine Leistung aber in Ordnung war, kann die Gruppe das akzeptieren, und das System bleibt intakt. Sagen Sie dagegen nichts oder stellen den Mitarbeiter womöglich vor dem Team bloß, wird dieses Ihnen den Krieg erklären. Was hier abläuft, nennt man systemische Psychologie. Vorgesetzte müssen lernen, damit umzugehen, weil Systeme feste Regeln haben und die Sys­temteil­nehmer unbewusst danach handeln.

Trauma mal drei

Mancher Mitarbeiter spürt längst, dass sein Stuhl wackelt oder dass er selbst lieber die Firma wechseln würde. Anstatt sich aber zu einem kon­struk­tiven und offenen Gespräch zusam­men­zuset­zen, wurschteln alle Beteiligten so lange weiter, bis es zum Eklat kommt. Dann hagelt es Schuldzuweisun­gen, Kränkungen, Demütigungen, und der Vorgesetzte schlittert in die Rolle des Täters, anstatt kon­trol­liert zu agieren. Der Moment, in dem der Mitarbeiter erkennt, dass es keinen Ausweg gibt, ist der, der den Vorge­set­zten ebenfalls voll trifft und mit trau­ma­tisiert.

„Das sichere Einkommen, der Lebenssinn und die Zugehörigkeit sind evo­lu­tion­s­geschichtlich die wichtigsten Vo­raus­set­zun­gen für ein einigermaßen sicheres Lebensgefühl.“

Zudem wird durch eine schlecht durchgeführte Kündigung auch das Team trau­ma­tisiert. Eigentlich hat die Natur es recht sinnvoll ein­gerichtet: Stößt einem Rudelmit­glied etwas zu, geraten die anderen in Panik und werden besonders aufmerksam. Das kann Leben retten. In einem Team laufen ähnliche Mechanismen ab. Die Leute fühlen sich bedroht – schließlich weiß man ja nie, wer der nächste sein wird. In der Folge verbringen die Zurück­ge­bliebe­nen ihre Zeit vor allem damit, sich mit anderen zu verbünden, In­for­ma­tio­nen zu sammeln und ihren Bereich abzusichern. Damit sind sie so beschäftigt, dass ihre Ar­beit­sleis­tung rapide sinkt.

Das Trauma überwinden

Reden ist das beste Gegenmittel – nur stellt das gerade für Männer die höchste Hürde dar. Sie haben von klein auf gelernt, sich zusam­men­zureißen und den Helden zu spielen, koste es, was es wolle. Doch weder für Vorgesetzte, die ein Kündi­gungs­ge­spräch emotional belastet, noch für einen Gekündigten, der nach dutzenden von Bewerbungen noch immer keine neue Stelle hat, ist das eine brauchbare Strategie. Dieses Handeln nach der Devise „Ärmel hochkrem­peln, Problem lösen und weit­er­ma­chen“ taugt bestenfalls für alltägliche Stress­si­t­u­a­tio­nen, aber sicher nicht zur Traumabewältigung.

„Jede Kündigung hat Auswirkun­gen auf diejenigen, die bleiben, denn jede Kündigung ist eine Botschaft an die ,Überlebenden‘.“

Genauso falsch wäre es, die aufkeimenden Emotionen zu unterdrücken. Ihre Gefühle sind wichtige Hinweise auf den Weg, den Sie künftig einschlagen sollten, und damit auf die Lösung Ihres Problems. Auch wenn es Ihnen momentan hilft, das innere Schlacht­feld zu ignorieren, tun Sie sich auf Dauer damit keinen Gefallen. Lassen Sie Ihre Gefühle zu und nehmen Sie sie an. Das ist die einzige Möglichkeit, aus der See­le­nachter­bahn auszusteigen.

„Weiß der Mitarbeiter, was auf ihn zukommt, dann kann er sich innerlich vorbereiten, er kann eigene Strategien entwickeln, sich anstrengen oder sich nach einer neuen Perspektive umsehen.“

Eine gute Idee ist, sich das Erlebte von der Seele zu reden. Die so genannte objektive Wahrheit spielt dabei keine Rolle, vielmehr geht es darum, wie Sie die Geschichte erlebt haben, wie sie für Sie einen Sinn ergibt. Sie haben so die Chance, die Situation noch mal nachzuer­leben und Ihre Gefühle dabei zu erforschen. Das erleichtert es Ihnen, das Geschehen zu verstehen. Damit Sie sich nicht als der ultimative Verlierer fühlen, vergleichen Sie Ihre Lage ruhig mit jemandem, dem es noch schlechter geht, das tröstet und bauch­pin­selt das Selb­st­wert­gefühl.

„Dem of­fen­sichtlich trau­ma­tisierten Mitarbeiter soll so schnell wie möglich wieder die eigene Autonomie zugestanden werden, indem man ihm Wahlmöglichkeiten anbietet.“

Der Königsweg aber, um das Trauma zu überwinden, ist das so genannte „Resilient Coping“. Diese Strategie setzt darauf, ganz realistisch wahrzunehmen, was passiert ist, und dann nicht in Selb­st­mitleid zu vergehen, sondern zu handeln, nach praktischen Lösungen zu suchen. Auch müssen Sie die Situation neu bewerten, z. B. indem Sie sich klar machen, dass Sie in bestimmter Weise selbst zur Eskalation beigetragen haben. Natürlich tut das zuerst weh, dennoch müssen Sie den Schmerz zulassen, den Tatsachen ins Auge sehen – und dann das Erlebnis umbewerten. Das Ganze hatte sicher einen Sinn, und jetzt heißt es, daraus zu lernen. Einfach ist das allerdings nicht und oft ist pro­fes­sionelle Hilfe nötig. Scheuen Sie sich nicht, einen Experten aufzusuchen, bevor Sie in eine Trauma-End­loss­chleife geraten.

So kündigen Sie fair

Es wird nie ohne Kündigung gehen. Es kann aber ohne Trauma gehen, und das ist das Ziel. Jeder Gekündigte muss die Chance bekommen, in einem anderen Unternehmen neu anzufangen. Sorgen Sie dafür, dass in Ihrem Unternehmen eine Kündi­gungskul­tur herrscht, die rücksichtlose Kahlschläge vermeidet. Eine Kündigung muss und darf für niemanden zum Trauma werden. Folgende Checkliste hilft Ihnen:

  1. Bei ersten Schwierigkeiten: Reden. Ob die Leistung nicht stimmt oder die Chemie, oder ob sich struk­turelle Veränderungen anbahnen, immer muss das Thema sofort offen und ehrlich auf den Tisch. Wird dann eine Kündigung nötig, trifft es den Mitarbeiter wenigstens nicht wie ein Blitzschlag.
  2. Die wahren Gründe nennen. Verstecken Sie sich nicht hinter faden­scheini­gen Argumenten. Glob­al­isierung und Wirtschaft­skrise sind nie wirklich der Grund für eine Kündigung, das glaubt Ihnen sowieso keiner.
  3. Das Großvater­prinzip. Reden Sie mit Ihrem Chef, falls Sie einen Mitarbeiter aus An­tipathiegründen loswerden wollen. Der „Großvater“ als nicht direkt beteiligter Dritter entschärft die Situation, sieht die Dingen anders oder hat evtl. eine Lösung.
  4. Anerkennung aussprechen. Leistungen und Talente des Mi­tar­beit­ers sind ein ganz wichtiger Punkt im Tren­nungs­ge­spräch. Die gegen­seit­ige Wertschätzung darf nicht fehlen, wenn eine Trennung allen Beteiligten gerecht erscheinen soll.
  5. Das Gespräch vorbereiten. Zuerst gehen Sie noch mal in sich und klären, weshalb Sie den Mitarbeiter tatsächlich entlassen. Überdenken Sie die Folgen für Ihre Kunden, Geschäftspartner und für den Rest der Mannschaft. Planen Sie einen Ausgleich, also ein Out­place­ment- oder Weit­er­bil­dungsange­bot. Bringen Sie all das zu Papier und halten Sie sich im Gespräch an dieses Skript, um nicht in lange Diskus­sio­nen abzudriften und sich in Recht­fer­ti­gun­gen zu verstricken.
  6. Bleiben Sie fair. Das fängt schon damit an, eine Kündigung nicht vor Weihnachten, dem Wochenende, den Ferien oder dem Feierabend auszus­prechen. Beraumen Sie etwa eine Stunde für das Gespräch an, inkl. der Zeit, die Sie hinterher zur Reflexion brauchen. Das Gespräch führen Sie selbst, evtl. kann ein Per­son­alvertreter anwesend sein, aber keinesfalls eine ganze Reihe von Leuten, denen der Mitarbeiter sich aus­geliefert fühlt. Achten Sie während des Gesprächs genau auf die Reaktionen des Mi­tar­beit­ers, lassen Sie Tränen zu, geben Sie ihm Zeit, aber ziehen Sie das Gespräch als formellen Akt durch. Möchte der Mitarbeiter das weitere Vorgehen bei einem anderen Termin besprechen, ist das in Ordnung, denn das gibt ihm Eigen­ver­ant­wor­tung zurück und federt den trau­ma­tis­chen Prozess ab.
  7. Gemeinsam kom­mu­nizieren. Das Team, und manchmal auch die Öffentlichkeit, will wissen, was los ist. Was nach außen kom­mu­niziert wird, darüber einigen Sie sich mit dem Gekündigten. Auch darüber, ob er die Nachricht überbringt oder es Ihnen überlässt. Im Idealfall machen Sie das zusammen. Lassen Sie die Finger davon, schmutzige Wäsche zu waschen, und formulieren Sie immer so, dass jeder sein Gesicht bewahrt.
„Das Team weiß ja eh, worum es geht, es will nur wissen, ob man fair miteinander umgeht.“

Es bleibt dabei: Kündigen zählt zu den schwierig­sten Man­age­men­tauf­gaben. Aber wenn Sie fair sind und die Sache mit Respekt angehen, bleibt kein Trümmerfeld zurück, sondern Menschen, die wissen, dass es weitergeht, und die keine Angst vor der Zukunft haben.

Über den Autor

Charles Meyer studierte Or­gan­i­sa­tion­spsy­cholo­gie, Literatur und Philosophie. Als Journalist war er für die Weltwoche und die Han­del­szeitung tätig. Heute bietet er als Un­ternehmens­ber­ater und Coach in Workshops und Seminaren Hil­festel­lung in den Bereichen Strate­gieen­twick­lung, Teamkon­flikte und Kar­ri­ereschritte an.