Schweizer Pioniere in Asien
Allein in China und Indien leben heute 2,5 Milliarden Menschen. Im 20. Jahrhundert standen die USA im Vordergrund, doch das 21. wird vermutlich den Asiaten gehören. Unternehmen sollten die Chance, davon zu profitieren, nicht verpassen. Sie können sich von der Geschichte dreier Schweizer Pioniere inspirieren lassen, die getrennt voneinander den asiatischen Markt eroberten, was mehr als 100 Jahre später in die Entstehung des Dienstleistungsunternehmens DKSH mündete.
„Dieses Buch beschreibt die Metamorphose eines traditionell familiengeprägten Handelshauses zu einem hoch spezialisierten, privat gehaltenen globalen Dienstleistungsunternehmen.“
Es lag an den Amerikanern, dass der junge Schweizer Caspar Brennwald Mitte des 19. Jahrhunderts nach Yokohama ging. Die USA schickten eine Kriegsflotte nach Japan, worauf die Japaner 1854 – nicht ganz freiwillig – den „Vertrag über Frieden und Freundschaft“ zwischen den beiden Ländern unterschrieben.
„Junge Schweizer setzten unabhängig voneinander den Fuß auf Territorien des asiatischen Kontinents, gründeten eigene Firmen und legten so auch den Grundstein für den modernen schweizerisch-asiatischen Handel.“
Nun stand es den Amerikanern erstmals frei, den japanischen Markt mit ihren Produkten zu versorgen. Ihrem Beispiel folgten im Jahr darauf Großbritannien, Russland und Holland, die ebenfalls den Handel mit Japan aufnahmen. Die Schweiz hatte zwar bereits seit dem 18. Jahrhundert Uhren nach Japan verschifft, suchte nun aber dringend nach neuen Absatzmärkten für viele andere Produkte.
„Am Vorabend des Ersten Weltkrieges haben sich die Pioniere der Schweizer Handelshäuser erfolgreich in Asien festgesetzt.“
Deshalb sandte man eine Delegation nach Japan – darunter Caspar Brennwald –, der es 1864 gelang, einen Vertrag mit Japan abzuschließen. Brennwald wurde zum Experten für japanische Handelsfragen und lernte den Seidenfabrikanten Hermann Siber kennen. Mit ihm gründete er die Handelsfirma Siber & Brennwald mit Sitz in Yokohama, die Schweizer Erzeugnisse verkaufte.
„An ein ordentliches Geschäften war während des Krieges im Pazifik nicht zu denken.“
1868 bekam der Thurgauer Eduard Anton Keller einen Job bei einem in der philippinischen Hauptstadt Manila ansässigen Handelshaus. Er wurde Partner und 1887 schließlich Eigentümer des Unternehmens, das nunmehr unter Ed. A. Keller & Co. in Manila und Ed. A. Keller-Stürcke in Zürich firmierte.
„Die Kriegshandlungen tangierten praktisch alle Niederlassungen von Schweizer Handelshäusern im Fernen Osten.“
Eine ähnliche Geschichte ereignete sich ungefähr zur gleichen Zeit in Singapur: Dort trat 1871 Wilhelm Heinrich Diethelm, ebenfalls ein junger Thurgauer, seinen Posten bei einem niederländischen Handelshaus an. Auch er arbeitete sich zum Partner hoch und erwarb 35 % der Aktien. In Zürich gründete er die W. H. Diethelm & Co. als Generalagentin der Hooglandt & Co. Singapur.
Die Unternehmen wachsen zusammen
Als Caspar Brennwald 1900 starb, war Hermann Sibers Neffe Robert Hegner-von Juvalta bereits in das Unternehmen eingetreten. Die Firma wurde schließlich in Siber Hegner & Co. umbenannt. 1902 trat das Unternehmen in den 400 Millionen Menschen zählenden chinesischen Markt ein – und fand dort bereits eine Fülle von ausländischen Mitbewerbern vor, denn China war England in den Opiumkriegen Mitte des 19. Jahrhunderts unterlegen und hatte die Seehäfen für den britischen Handel freigeben müssen.
„Der partielle Rückzug der Schweizer Handelshäuser aus dem Fernen Osten war ein Tribut an die veränderte politische Topografie beim Übergang des asiatischen Kontinents von einer kolonialen Vergangenheit in eine Gegenwart der nationalen Selbstbestimmung.“
1906 wurde aus der W. H. Diethelm & Co. eine Aktiengesellschaft. Zwei Jahre später passierte dasselbe mit Ed. A. Keller & Co., was Keller selbst nicht mehr erlebte. Da die beiden Familien befreundet waren, beteiligte sich Diethelm an Kellers Unternehmen. Als 1914 in der nächsten Generation Wilhelm M. Keller Anna Diethelm heiratete, waren die Geschicke der beiden Familien und ihrer Unternehmen ein für alle Mal verbunden.
Krieg und Krisen
Der Erste Weltkrieg bedeutete einen Einschnitt in die asiatische Wirtschaft, die sich bis dahin vorteilhaft entwickelt hatte. Diethelm & Co. Lt. in Singapur bangte vor Konfiszierungen der Schiffsladungen durch das deutsche Militär, die Firma profitierte bei geglückten Transaktionen jedoch von den kriegsbedingt höheren Margen. Siber Hegner & Co. wurde von den Engländern auf die schwarze Liste gesetzt, konnte den Bann aber durch Bittbriefe wieder abwenden und weiterhin in Japan tätig sein.
„Nach nur einem Jahr wurde die Heirat zu dritt in Amerika wieder geschieden und der einst so hoffnungsfroh geschlossene Vertrag wieder aufgelöst.“
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Japan die Handelsrechte in den chinesischen Territorien in der Tasche und war als einzige fernöstliche Nation „alliierte und assoziierte Hauptmacht“. Dies verschaffte dem Geschäft von Siber Hegner neuen Schwung und vier Jahre nach Kriegsende Umsätze in Höhe von 150 Millionen Franken – bis im Jahr 1923 ein gewaltiges Erdbeben mehr als ein Dutzend Gebäude von Siber Hegner in Yokohama dem Erdboden gleichmachte. Das Unternehmen überlebte nur dank großzügiger Bankkredite und seiner starken Marktposition im Rohseidenhandel.
„Im Jahr 1999 wuchsen die Verluste weiter, es waren bereits 14 Millionen Franken. Mir war klar: Nun geht es um das Überleben der Familienfirma.“
Diethelm & Co. kämpfte unterdessen mit großen Verlusten im malaysischen Penang. Hinzu kam der Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929, die den Welthandel auf ein Drittel seines bisherigen Volumens schrumpfen ließ. Ed. A. Keller berichtete im Geschäftsjahr 1930/31 das zweitschlechteste Ergebnis der Firmengeschichte.
„Durch die Addition der Aktivitäten in Fernost entstand das weltweit größte Handelshaus im asiatischen Raum, die drei Schweizer Pionierunternehmen waren nach über 100 Jahren freundschaftlicher Verbundenheit schließlich unter einem Dach vereint.“
Bei Siber Hegner befürchtete man 1931 einen Verlust von 1,9 Millionen Franken; zudem war das Unternehmen nach dem Tod von Robert Hegner-von Juvalta so gut wie führungslos. Es brauchte einen Mann wie Robert Siber Hegner – er musste nach dem Tod Hermann Sibers dessen Nachnamen annehmen, um den Fortbestand des Unternehmensnamens zu sichern –, der eine neue Richtung bestimmte. Er verwandelte Siber Hegner in eine Aktiengesellschaft mit Zentrale in Zürich und holte Wilhelm M. Keller als Großaktionär und Vizechairman an Bord. Damit waren erstmals alle drei Schweizer Handelshäuser personell verbunden.
Umbruch und eine Heirat zu dritt
„Asien den Asiaten“ – das war vor dem Zweiten Weltkrieg das Motto der Kriegstreiber in Japan, die die Kolonialgebiete der Niederländer, Engländer und Amerikaner einnehmen wollten. Der Anschlag der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941, ihre Besetzung Manilas im Januar 1942 und ihre Angriffe auf Hongkong, Singapur und Indonesien – all dies behinderte eine geregelte Geschäftstätigkeit in Asien. Erst die Zündung der amerikanischen Atombomben in Hiroshima und Nagasaki erzwang 1945 die Kapitulation Japans.
„Wer heute in Europa die Zeitung aufschlägt, erhält leicht den Eindruck, dass Asien nur aus China besteht. Dem ist natürlich nicht so.“
Nach dem Krieg lag Europa danieder, in Fernost war vieles im Umbruch, und nur die USA erfreuten sich bester Gesundheit. Einem ungeschriebenen Gesetz folgend, waren sich die drei Schweizer Unternehmen bisher in keinem asiatischen Markt in die Quere gekommen.
Der Markt USA war jedoch für alle drei einfach zu verlockend – aber auch komplex und mit hohen Eintrittsbarrieren versehen. Deshalb wollte man die Marktbearbeitung 1946 gemeinsam in Angriff nehmen. Doch die Firmenkulturen erwiesen sich als nicht vereinbar – das gemeinsame Unternehmen scheiterte nach nur einem Jahr.
Asien wird rot
1949 rief Mao Zedong die Volksrepublik China aus, nachdem die Kommunistische Partei das Ruder übernommen hatte. Überraschenderweise bedeutete dies nicht das Ende für Siber Hegner; das Unternehmen profitierte zunächst sogar vom rasanten Wirtschaftswachstum. Das Aus kam erst Ende der 50er Jahre: Mao Zedong schlug den kommunistischen Weg ein, und Siber Hegner wurde Opfer bürokratischer Schikanen.
„Immer geht es beim Handel in China auch darum, kulturelle Brücken zu schlagen.“
Während Siber Hegner Büros in China schloss, zogen sich auch Diethelm und Ed. A. Keller aus einigen asiatischen Märkten zurück – u. a. aufgrund hoher Importzölle – ein Zeichen der neuen nationalen Souveränität vieler Länder – und der Bestrebungen ihrer asiatischen Handelspartner, den Vertrieb in Asien selbst übernehmen zu wollen.
Die große Transformation
Über die kommenden Jahrzehnte wurde eines immer deutlicher: Die Abhängigkeit von einzelnen Kunden ist existenzbedrohend. Siber Hegner etwa machte zwischen 1965 und 1974 rund 70 % seiner Gewinne aus dem Bereich Konsumgüter nur mit Omega-Uhren. Das erwies sich als verheerend, vor allem als Japan begann, große Mengen an Quarzuhren billig zu verschleudern.
1993 entschloss sich Omega, den Vertriebsvertrag mit Siber Hegner nicht mehr zu erneuern, ein Jahr, nachdem das Unternehmen das schlechteste Geschäftsjahr seiner Geschichte verzeichnet hatte. Siber Hegner war auf das Platzen der japanischen Immobilienblase und die darauf folgende Stagnation der Wirtschaft nicht vorbereit. Zudem gelang es nicht, Synergien zu nutzen, da die einzelnen Sparten Rohstoffe, Technische Produkte und Konsumgüter nicht zusammenarbeiteten.
Dies waren die Rahmenbedingungen, denen sich Jörg Wolle gegenübersah, als er 1990 seine Arbeit bei Siber Hegner begann. 1994 wurde er zum Leiter Technische Produkte befördert. Es gelang ihm zwar, neue Agenturverträge für seine Sparte abzuschließen, doch die Asienkrise ab 1997 machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Das Unternehmen schrieb 1998 Verluste, 1999 ging es bereits ums Überleben.
Der Retter Siber Hegners hieß Ernst Müller-Möhl, ein Investor, der 1999 mittels einer Kapitalerhöhung 30 % des Unternehmens übernahm. Der familienunabhängige Manager Jörg Wolle wurde im Jahr 2000 Konzernchef. Er leitete Kostensenkungsprogramme ein, stärkte den Kundendienst und transformierte Siber Hegner zu einem Spezialisten für Marktexpansionen in Asien. Er beteiligte sich selbst finanziell an der Firma und strich eine ganze Führungsebene, damit er einen besseren Einblick ins operative Geschäft erhielt. Bereits im Jahr 2000 stellten sich Erfolge ein, und im Jahr darauf veröffentlichte Siber Hegner das beste Betriebsergebnis seit 15 Jahren.
2002 fusionierten Diethelm Keller Services Asia und die kleinere Siber Hegner zur DKSH Holding, dem größten Handelshaus im asiatischen Raum mit 4,7 Milliarden Franken Umsatz und 14 600 Mitarbeitern. Damit konnte man Kunden wie Kraft Foods, Beiersdorf, Lindt & Sprüngli, Bayer oder OC Oerlikon ein flächendeckendes Vertriebsnetz und integrierte Dienstleistungen anbieten. Das Unternehmen wuchs und gedieh und erreichte 2007 acht Milliarden Franken Umsatz.
Geschäfte betreiben in Fernost
Asien ist weit mehr als der Gigant China. Oft sind für Markteinsteiger andere asiatische Märkte sogar interessanter. Die kulturellen Eigenheiten können in den einzelnen Staaten ebenso unterschiedlich sein wie in Europa etwa zwischen Russland und Deutschland. Dennoch haben die Länder ein paar Dinge gemeinsam. Familie und Freundschaft haben große Bedeutung. Während Amerikaner für einen Vertragsabschluss ein Heer an Juristen benötigen, reicht in Asien oftmals ein Handschlag. Wichtige Daten werden mitunter vom Astrologen berechnet – Religion und Glaube sind in Fernost allgegenwärtig. Und um den Preis zu feilschen ist nicht verpönt, sondern wird geradezu erwartet. Ein paar Tipps zu einzelnen Ländern:
- China: Für Chinesen zählt in erster Linie der günstige Preis. Um diesen wird hart gekämpft. Machen Sie sich auf dramatische Gesten und Nachverhandlungen von bereits fixierten Punkten gefasst. Beweisen Sie bei Verhandlungen Ausdauer und geben Sie nicht klein bei – sonst werden Sie nicht ernst genommen.
- Japan: Um mit einem Japaner Geschäfte zu machen, müssen Sie erst einige Male mit ihm Tee getrunken haben. Das Vertrauensverhältnis, das dabei aufgebaut wird, und die Qualität Ihres Angebots sind für ihn entscheidender als der Preis. Fallen Sie also bei Verhandlungen nicht mit der Tür ins Haus.
- Indien: Das Kastensystem gibt es zwar offiziell nicht mehr, doch sind Titel sehr wichtig. Da die Inder meist sehr gut Englisch sprechen, sind kulturelle Barrieren nicht so leicht zu erkennen. Schüttelt ein Inder z. B. den Kopf, während Sie sprechen, stimmt er Ihnen zu.