Der Chef, das Monster
Chefs sind in der Regel nicht sehr beliebt. Bei einer Umfrage der FAZ im Jahr 2007 gab über die Hälfte der Teilnehmer an, mit dem Vorgesetzten unzufrieden zu sein, und klagte über launische, autoritäre oder zu nachgiebige Führungskräfte. Untersuchungen zufolge fühlen sich viele Arbeitnehmer in Deutschland ihrem Arbeitgeber nicht verbunden oder haben bereits innerlich gekündigt. Der deutschen Wirtschaft entsteht durch diese Verweigerungshaltung jährlich ein Schaden in dreistelliger Milliardenhöhe – fast so hoch wie der gesamte Bundeshaushalt im Jahr 2008. Als Chef ist es Ihre Aufgabe, dieses Problem anzugehen. Denn es geht nicht nur um ein besseres Betriebsklima, sondern um einen handfesten wirtschaftlichen Nutzen für Ihr Unternehmen.
Grund zur Klage
Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn Ihre Mitarbeiter über die Arbeit oder über Sie als Vorgesetzten klagen. Bis zu einem gewissen Grad gehört Jammern einfach zum menschlichen Leben. Es erfüllt sogar eine soziale Funktion, denn es wirkt ausgesprochen verbindend. Außerdem geht manches leichter, wenn man sich einmal Luft gemacht hat. Doch wenn das Jammern um sich greift und das Klima vergiftet, sollten Sie etwas unternehmen.
„Nur wenig schweißt einen Kollegenkreis mehr zusammen als ein gemeinsamer ‚Feind‘.“
Denken Sie erst einmal darüber nach, wie oft Sie selbst über etwas jammern, vielleicht sogar über Ihren eigenen Vorgesetzten. Aus welchem Anlass? Fühlen Sie sich manchmal übergangen, in Ihrer Leistung nicht wertgeschätzt? Machen Sie sich bewusst, dass es Ihren Mitarbeitern nicht anders ergeht. Versuchen Sie herauszufinden, was hinter den Klagen steckt. Geben Sie z. B. einem unterforderten Mitarbeiter mehr Spielraum oder lassen Sie einen ewigen Besserwisser eigene Vorschläge ausarbeiten. Wenn Sie jedoch das Gefühl haben, dass jemand nur die Stimmung trüben will, machen Sie in einem Gespräch eindeutig klar, dass es so nicht geht.
Der ideale Chef
Der Umgang mit Autoritäten wird früh gelernt und durch das Verhältnis zu den Eltern oder den Lehrpersonen geprägt. Diese Erfahrungen bestimmen, wie wir später mit Führungspersönlichkeiten umgehen und was wir von ihnen erwarten. Machen Sie sich bewusst, dass jeder Mitarbeiter diesbezüglich seine eigene Vorgeschichte hat und dass sein Verhalten Ihnen gegenüber von Erfahrungen geprägt ist, die mit Ihnen nichts zu tun haben. Wenn man Menschen fragt, wie sie sich den idealen Vorgesetzten vorstellen, so kristallisiert sich ganz unabhängig von Alter und Geschlecht der Befragten immer wieder derselbe Typus heraus: ein Mann in mittleren Jahren, groß, gut aussehend, Vertrauen erweckend. Daneben gibt es drei Archetypen des Anführers: Vater, Held und Visionär. Der Vater kümmert sich fürsorglich um seine Schäfchen und sagt ihnen, was sie zu tun haben. Der Held trifft zielsicher die richtigen Entscheidungen und führt das Unternehmen auch in schwierigen Zeiten gelassen zum Erfolg. Der Visionär gibt Ziele für die Zukunft vor und kann andere dafür begeistern. Auch wenn Sie selbst solchen Rollenbildern weder entsprechen noch entsprechen wollen: Mit Sicherheit haben die meisten Ihrer Mitarbeiter diese archetypischen Bilder im Kopf. Wenn Sie diese Erwartungen erfüllen, gelten Sie als gute Führungskraft.
Die Führungsrolle annehmen
Diese Stereotypen erklären, weshalb sich in den obersten Chefetagen immer noch so wenig Frauen finden: Die Rollenbilder sind männlich, es gibt keine weiblichen Entsprechungen dazu. Trotz aller Bemühungen um Chancengleichheit siegen letztlich alte Traditionen, und sei es nur im Unbewussten. Das heißt: Wenn Sie als Führungskraft erfolgreich sein wollen, müssen Sie den Rollenbildern zumindest teilweise entsprechen. Wahren Sie bei aller Kollegialität immer eine gewisse Distanz zu Ihren Mitarbeitern. Zeigen Sie sich im Berufsalltag souverän und gelassen; Ihre Sorgen und Ängste können Sie im Freundeskreis oder bei einem Coach besprechen, aber nicht mit Ihren Mitarbeitern. Scheuen Sie sich nicht davor, auch die Insignien Ihrer Macht zu zeigen – sei es ein Dienstwagen, ein großes Büro oder ein teurer Füller. Übertreiben Sie es aber nicht. Bleiben Sie immer auf dem Boden, offen für Kritik und holen Sie auch Rat von Außenstehenden ein. Als Frau sollten Sie sich um einen eigenen Führungsstil bemühen, den Sie authentisch leben können. Und gerade für Sie gilt: Akzeptieren Sie Ihre Stellung und machen Sie sich nicht kleiner, als Sie sind.
Veränderungen im Unternehmen
Unternehmen müssen flexibel sein, um konkurrenzfähig zu bleiben. Bei den Mitarbeitern allerdings lösen Veränderungen und Umstrukturierungen Ängste und Widerstände aus. Der Mensch ist so programmiert, dass er gerne beim Altbekannten bleibt, statt Neues auszuprobieren. Darüber hinaus gibt es in der Wirtschaft Beispiele genug, dass Veränderungsprozesse den Mitarbeitern Nachteile bringen – etwa wenn sie mit massivem Stellenabbau verbunden sind. Versetzen Sie sich auch hier in die Lage Ihrer Angestellten: Wie fühlen Sie sich, wenn Ihnen Veränderungsprozesse von oben aufgedrängt werden? Haben Sie es selbst schon erlebt, dass ein Umbau scheiterte? Wie reagieren Sie auf Veränderungen? Binden Sie Ihre Mitarbeiter von Anfang an in den Change-Prozess mit ein. Versuchen Sie nicht, Zeit zu sparen, indem Sie ihnen einfach ein fertiges Konzept präsentieren – Sie werden auf massiven Widerstand stoßen, der Sie nur umso mehr Zeit kostet. Machen Sie deutlich, warum die Veränderungen sein müssen. Sorgen Sie dafür, dass es gerecht zugeht; Ihre Mitarbeiter haben ein feines Gespür dafür. Zeigen Sie Verständnis, wenn jemand Angst hat und sich verweigert. Wenn Sie das Gefühl haben, dass sich die Mitarbeiter Sorgen machen, sprechen Sie sie offen darauf an.
Erfolgreich umstrukturieren
Wenn Entlassungen anstehen, versuchen Sie, den Prozess möglichst fair zu gestalten. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Produktivität eines Unternehmens nach einem Personalabbau kurzfristig ansteigt, dann aber deutlich abnimmt. Die verbleibenden Mitarbeiter registrieren genau, wie das Unternehmen mit den gekündigten Kollegen umgeht. Wenn sie den Eindruck gewinnen, dass dem Unternehmen das Schicksal des Einzelnen egal ist, hat das verheerende Folgen für ihre Motivation.
„Ein schlechtes Betriebsklima kann zu deutlichen Einbußen beim Gewinn eines Unternehmens führen.“
Teilen Sie es Ihren Mitarbeitern persönlich mit, wenn Entlassungen geplant sind, und stehen Sie in der Zeit danach für Gespräche zur Verfügung. Machen Sie keine unnötigen Worte, sondern sprechen Sie klar aus, was Sache ist. Halten Sie die Zeit der Unsicherheit möglichst kurz und gestalten Sie Entlassungen nach Möglichkeit sozial verträglich. Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn Sie in dieser Zeit die Wut der Mitarbeiter zu spüren bekommen, das ist eine ganz normale Reaktion. Stellen Sie unmissverständlich klar, dass die Mitarbeiter keine Schuld an der Situation des Unternehmens tragen – Schuldgefühle bei der Belegschaft sind bei Umstrukturierungen besonders häufig.
Personalentscheidungen treffen
Wenn Sie mit einigen Ihrer Mitarbeiter auf einer einsamen Insel stranden müssten, welche würden Sie auswählen? Möglicherweise die, die Ihnen am sympathischsten sind. Auf den zweiten Blick aber wäre es vernünftiger, jemanden auszusuchen, der weiß, wie man in der Wildnis überlebt – unabhängig davon, ob Sie ihn mögen oder nicht. Bei der Zusammenarbeit im Team und in der Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter spielen Sympathie und Antipathie eine große Rolle, doch davon sollten Sie sich nicht leiten lassen. Häufig sind es irrationale Gründe, weshalb uns jemand sympathisch ist oder nicht. Wenn Sie Abneigung gegen einen Mitarbeiter hegen, fragen Sie sich einmal, was dahinterstecken könnte. Vielleicht erinnert er Sie an jemand anders? Seien Sie sich bewusst, dass Menschen sich nur dann optimal ergänzen, wenn sie unterschiedlich gestrickt sind. Aus diesem Grund sollten Sie in Ihren Teams Menschen mit unterschiedlichen Arbeitsstilen einsetzen. Akzeptieren Sie die Individualität Ihrer Mitarbeiter und versuchen Sie, sie optimal für das Unternehmen zu nutzen.
„Viele Manager sind so sehr bemüht, jegliche Emotion ‚draußen‘ zu lassen, dass sie wie nüchterne Bürokraten und bloße Erfüllungsgehilfen der Shareholder wirken.“
Lassen Sie sich auch in Einstellungsgesprächen möglichst nicht von Ihrer spontanen Sympathie für einen Bewerber leiten. Achten Sie vielmehr darauf, welche Einstellung er mitbringt, ob er für die zukünftige Aufgabe geeignet ist und ins Team passt. Fragen Sie den Bewerber, was ihm im Leben wichtig ist, wen er bewundert und warum, und wie ein idealer Arbeitstag für ihn aussieht. Geben Sie zu den Fragen keine weiteren Erläuterungen und lassen Sie dem Kandidaten Zeit zum Überlegen. Auf diese Weise können Sie viel über einen Menschen erfahren und erkennen, ob er für diese Stelle der Richtige ist.
Ihr Start als Führungskraft
Wenn Sie eine neue Stelle als Vorgesetzter antreten, ist der erste Eindruck entscheidend. Verständlicherweise machen sich Ihre zukünftigen Mitarbeiter Gedanken, wie der oder die Neue wohl sein wird, und versuchen gleich beim ersten Aufeinandertreffen aus jedem Wort und jeder Geste Rückschlüsse auf Ihre Persönlichkeit zu ziehen. Seien Sie darum auf den ersten Auftritt besonders gut vorbereitet. Machen Sie sich im Voraus klar, welches Bild Sie vermitteln wollen. Treten Sie freundlich, aber souverän auf. Setzen Sie dann möglichst bald ein Treffen mit den Mitarbeitern an. Hier stellen Sie sich zuerst selbst vor und erläutern, welchen Führungsstil Sie pflegen, was Sie sich wünschen und was nicht. Seien Sie dabei möglichst konkret, verlieren Sie sich nicht in Allgemeinplätzen. So geben Sie Ihren Mitarbeitern Sicherheit – eine gute Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Anschließend stellen sich auch die Mitarbeiter vor und können Wünsche für die Zukunft äußern. Nehmen Sie alle Wünsche erst einmal entspannt entgegen, auch wenn Sie Ihnen noch so unrealistisch erscheinen. Machen Sie sich in der ersten Zeit im neuen Job aber auch darauf gefasst, dass andere Sie zu Machtkämpfen herausfordern, Mitarbeiter ebenso wie andere Führungskräfte. Lassen Sie sich nicht provozieren, stellen Sie gleich klar, was geht und was nicht. Wenn Sie am Anfang Schwäche zeigen, werden Sie es später umso schwerer haben, sich durchzusetzen.
Mitarbeiter und ihr neuer Chef
Heutzutage bleiben viele Manager nur wenige Jahre an einer Stelle. Oft versuchen sie, in dieser relativ kurzen Zeit alles umzukrempeln. Projekte werden angestoßen und verlaufen im Sand, und der nächste Vorgesetzte hat wieder ganz andere Ideen. Irgendwann sind die Mitarbeiter von den ständig neuen Strategien und Zielen so frustriert, dass sie nur noch blockieren, im Wissen, dass auch der aktuelle Chef bald wieder weg sein wird. Wenn Sie eine neue Stelle als Führungskraft antreten, werfen Sie nicht alles über den Haufen, ohne die Mitarbeiter überhaupt angehört zu haben.
„Vorgesetzte sind auch auf ihre Mitarbeiter angewiesen.“
Bemühen Sie sich, die Vorgeschichte und die Situation im Team zu verstehen. Zeigen Sie Verständnis, wenn Ihre neuen Mitarbeiter von den ständigen Veränderungen die Nase voll haben und sich verweigern. Nur wenn Sie sie als Menschen mit ihren Bedürfnissen wahrnehmen, werden Sie sie für sich gewinnen. Vermeiden Sie in Ihren Reden die typischen Managementfloskeln. Verzichten Sie auf Fachjargon, verwenden Sie nach Möglichkeit deutsche Begriffe und bringen Sie für Ihre Aussagen möglichst konkrete Beispiele. Stellen Sie sich vor, Sie müssten den Sachverhalt einem kritischen Zwölfjährigen erklären – dann werden Sie die richtigen Worte finden.
Mit Fehlern umgehen
Bei allem guten Willen: Jeder Mensch macht Fehler, auch eine Führungskraft. Selbst wenn Sie mit hohen Ansprüchen starten, kann es im Stress des Arbeitsalltags doch immer wieder vorkommen, dass Sie Mitarbeiter anschreien, abwerten, nicht ausreichend informieren oder kein echtes Interesse zeigen. In der Regel wird es Ihnen selbst gar nicht auffallen, wenn Sie ins Fettnäpfchen treten. Achten Sie deshalb auf Warnsignale, etwa wenn die Stimmung im Team schlechter wird, wenn Mitarbeiter Ihnen gegenüber verschlossen sind, öfter erkranken oder sich gar die Kündigungen häufen. Stecken Sie dann nicht den Kopf in den Sand. Denken Sie daran, dass unzufriedene Mitarbeiter nicht nur weniger leisten, sondern auch dem Unternehmen ganz bewusst schaden können. Sprechen Sie es offen an, wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas nicht in Ordnung ist. Gestehen Sie Ihre eigenen Fehler ein und entschuldigen Sie sich – ehrlich und ohne große Worte.