Nörgler sind wichtig
Sie kennen das: Ein aufgebrachter Kunde ruft im Callcenter an und möchte sich über ein Produkt beschweren. Normalerweise wird der Mitarbeiter am Apparat alles versuchen, um den lästigen Nörgler abzuwimmeln. Beschwerden sind immer der Ausdruck eines Missbehagens und müssen schnellstens niedergebügelt werden. Das stimmt, aber damit ist es nicht getan. Jede Beschwerde eines Kunden ist ein Kommunikationsversuch, der Ihnen und Ihren Mitarbeitern signalisiert: Irgendetwas läuft falsch. Mit einem professionellen Beschwerdemanagement gelingt es Ihnen, die Produkte Ihres Unternehmens auf ein höheres Niveau zu heben. Ihre nörgelnden Kunden sind deshalb die wichtigsten Impulsgeber, deren Hinweise Sie ernst nehmen müssen. Beschwerdemanagement heißt, die Zufriedenheit des Kunden zu sichern, Schwachstellen im Qualitätsmanagement aufzudecken und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern. Die Hauptarbeit liegt dabei aber weniger beim Management, sondern vielmehr bei denjenigen Mitarbeitern, die sich tagtäglich mit Beschwerden auseinandersetzen.
Im Fokus: die Mitarbeiter an der Front
Sie müssen die Mitarbeiter an der Kundenfront für eine kundenorientierte Kommunikation fit machen. Dazu gehört vor allem, dass sie ihren Blickwinkel ändern: Kundenbeschwerden sollen als Chance begriffen werden. Der Kunde wünscht sich im Beschwerdefall, dass sein Anliegen schnell bearbeitet wird, dass er nicht lange nach der richtigen Adresse suchen muss und nicht zigmal weiterverbunden wird. Er wünscht sich, dass der Mitarbeiter seine Beschwerde ernst nimmt und nicht einfach als unbegründet abweist. Er erwartet schnelle Lösungen, keine Schuldzuweisungen, will Sicherheit, Vertrauen und individuelle Behandlung. Vor allem aber: Er will wiederkommen. Sonst würde er sich nicht beschweren!
„Ziel jedes Unternehmens sollte es sein, sich stetig und dynamisch weiterzuentwickeln. Beschwerden sind dazu der entscheidende Antreiber, sozusagen das Schmieröl.“
Wenn Sie der Kundenberater sind, der die Beschwerde des Kunden aufnimmt, spielt schon die erste Gesprächsminute eine große Rolle. Sie entscheidet, ob daraus ein Schlagabtausch oder ein konstruktives Beschwerdegespräch wird. Regel Nummer eins: Hören Sie genau zu, was den Kunden ärgert. Und wenn Sie ihm wirklich nicht helfen können, sagen Sie statt „Da kann ich Sie nur weiterverbinden“ lieber „Gerne verbinde ich Sie mit XY, der sich persönlich um Ihr Anliegen kümmert“ – schon wird aus einer Notlösung ein Expertenrat!
Tipps für ein konstruktives Beschwerdegespräch
Die folgenden Kommunikationstipps werden Ihnen dabei helfen, Ihrem Kunden zu signalisieren, dass Sie ihn ernst nehmen und sich um eine rasche Lösung bemühen:
- Formulieren Sie positiv und vermeiden Sie Floskeln. Negative Formulierungen, die sofort die Gesprächsatmosphäre vergiften, sind zu vermeiden. Statt zu sagen, was Sie nicht tun können, sollten Sie besser sagen, was Sie tun können. Verzichten Sie bei aller Freundlichkeit auch auf Floskeln, die Ihr Gegenüber sofort durchschauen wird. Nicht gut: „Da kann ich Ihnen heute nicht weiterhelfen, der zuständige Mitarbeiter XY hat schon Feierabend.“ Besser: „Ich arrangiere für Sie gleich morgen einen Termin mit Herrn XY.“
- Formulieren Sie aktiv und konkret. Vermeiden Sie Passivkonstruktionen und den unverbindlichen Konjunktiv (könnte, müsste, sollte), sondern sagen Sie klar und deutlich, was Sie tun werden. Nicht gut: „Da müsste überprüft werden, ob Ihre Daten vorliegen.“ Sondern: „Ich werde die Daten sofort überprüfen.“
- Versetzen Sie sich in den Kunden hinein. Formulieren Sie nicht aus Sicht der Firma, sondern aus der Sicht des Kunden und betonen Sie seine Vorteile. Nicht gut: „Es wäre für uns einfacher, wenn sich die Zentrale damit beschäftigt.“ Besser: „Es wäre in Ihrem Sinne, wenn wir den Artikel in die Zentrale schicken: Dort wird er schneller repariert.“
- Hören Sie zu. Viele Gespräche verlaufen im Sand, weil Sie sich nicht auf die Worte des Kunden konzentrieren. Fragen Sie klar nach seinem Problem und vergewissern Sie sich, dass Ihre Ratschläge auch wirklich verstanden werden. Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie nach und spiegeln Sie die Aussage das Kunden („Sie meinen also, dass …“). Wenn Sie den Kunden vor sich haben, achten Sie auf nonverbale Signale: Ein Schulterzucken oder ein zustimmendes Kopfnicken zeigen Ihnen, ob Ihre Botschaft angekommen ist oder nicht.
Wer fragt, führt
Normalerweise werden Sie sich im Beschwerdegespräch immer wieder dabei ertappen, dass Sie abwiegeln oder ausweichen. Statt sich aber völlig in die Defensive zurückzuziehen, sollten Sie lieber Fragen stellen.
„Mit positiven Formulierungen beweisen Sie Souveränität und lenken schwierige Gespräche in eine konstruktive Richtung.“
Mit Fragen führen Sie das Gespräch und lenken es in die richtige Richtung. Fragen geben Ihnen Gelegenheit, nachzudenken und der Kunde wird dazu angeregt, das Kernproblem zu benennen. Unterscheiden Sie zwischen offenen Fragen, bei denen der Kunde das Problem im Satz schildern kann („Wie hat sich die Störung geäußert?“), Feedbackfragen, die das Problem nochmals sachlich zusammenfassen („Habe ich Sie richtig verstanden: Es geht Ihnen um … ?“), geschlossenen Fragen, um ein eindeutiges Ja oder Nein zu erhalten („Haben Sie die Anleitung gelesen?“), Alternativfragen, die dem Kunden die Auswahl lassen („Möchten Sie lieber eine DVD oder einen Gutschein?“) und Suggestivfragen, um Zustimmung klarzustellen („Finden Sie auch, dass das Produkt gegenüber dem Vorgängermodell besser geworden ist?“).
Wenn der Kunde laut wird
Manchmal kommt es vor, dass Sie schon am Ende des Beschwerdegesprächs angekommen sind und der Kunde plötzlich und unerwartet mit einem gravierenden Einwand herausplatzt. In diesem Fall müssen Sie herausfinden, ob es sich um einen echten Einwand oder nur einen Vorwand handelt.
„Sagen Sie dem verärgerten Kunden, was er davon hat, wenn er auf Ihre Vorschläge eingeht.“
Spiegeln Sie dann die Aussagen des Kunden mit der „Echotechnik“, indem Sie beispielsweise sagen: „Habe ich Sie richtig verstanden, es geht darum, dass …“ Wenn Sie einen Alternativvorschlag zur der Forderung des Kunden haben, betonen Sie dessen Vorteile und vergewissern Sie sich der Zustimmung des Kunden. Wenn er eindeutige Fragen wie „Wären Sie zufrieden, wenn ich XY für Sie mache?“ mit einem Ja beantwortet, dürfte es ihm sehr schwer fallen, weiterhin auf seinem Einwand zu beharren.
„Einer Beschwerde in Briefform kommt eine andere rechtliche Relevanz zu als einer ‚nur‘ mündlich geäußerten Beschwerde.“
Wenn der Kunde Sie mit Beleidigungen oder Drohungen überfällt, müssen Sie dennoch ganz gelassen bleiben. Atmen Sie durch, sprechen Sie den Kunden mit Namen an und bitten Sie ihn in ein Nebenzimmer. Die meisten Choleriker beruhigen sich, wenn sie von der „Bühne“, z. B. dem Verkaufsraum mit anderen Kunden, fortgebracht werden. Wenn der Kunde laut wird, sollten Sie umso leiser und ruhiger sein, um Wut- und Schrei-Tiraden zu unterbinden. Persönliche Beleidigungen brauchen Sie sich aber nicht gefallen zu lassen: Hier hilft es, das Gespräch bewusst abzubrechen und auf einen Termin zu vertagen, an dem der Kunde in der Lage und willens ist, ruhig über den Vorfall zu sprechen.
Das Beschwerdegespräch in vier Phasen
Beschwerdegespräche laufen in vier Phasen ab. Sie sollten keine der Phasen überspringen, sonst landen Sie wieder am Anfang und sehen sich erneut mit den oft überzogenen Kundenforderungen konfrontiert.
- Schaffen Sie ein positives Gesprächsklima. Das gelingt Ihnen, indem Sie sofort auf den Kunden reagieren, Verständnis zeigen, aktiv zuhören und ein gemeinsames Ziel – die Lösung des Problems – betonen.
- Analysieren Sie das Problem. Hierbei kommen Ihnen die erwähnten Fragetechniken zugute. Sagen Sie dem Kunden, dass Sie ihm Fragen stellen werden und dann kreisen Sie das Problem verbal ein. Lassen Sie hier alle Emotionen beiseite. Wenn nötig, schreiben Sie mit; das zeigt, dass Sie ernsthaft eine Lösung suchen wollen.
- Suchen Sie eine Lösung. In den allermeisten Fällen sind Kunden mit dem Tausch eines mangelhaften Produktes besonders zufrieden. Für das Unternehmen bedeutet dies jedoch Mehrarbeit, weil der Lieferant kontaktiert und Rückerstattungsformulare ausgefüllt werden müssen. Trotzdem: Wenn der Kunde danach zufrieden ist und wieder kommt, lohnt sich der Aufwand. Nachbesserungen und Reparaturen stoßen meist auf weniger Gegenliebe. Ein Preisnachlass funktioniert höchstens dann, wenn das Produkt nur geringe Mängel aufweist. Die Wandlung ist für das Unternehmen besonders schmerzlich, weil damit der gesamte Kaufvorgang aufgehoben wird.
- Schaffen Sie einen positiven Gesprächsausstieg. Ihr Kunde darf nicht den Eindruck bekommen, dass Sie ihn schnell abwimmeln wollen. Daher sollten Sie sich am Ende des Gesprächs immer noch einmal vergewissern, ob er mit der Lösung zufrieden ist. Bedanken Sie sich und betonen Sie, wie wichtig die Mithilfe des Kunden ist, um das Problem zu lösen.**
Beschwerden am Telefon, per Brief oder Internet
Die meisten Beschwerden werden per Telefon an Sie herangetragen. Achten Sie darauf, dass Ihre Stimme positiv und freundlich klingt. Atmen Sie, bevor Sie den Hörer abnehmen, erst einmal durch, setzen Sie sich gerade hin und sprechen Sie ruhig. Vermeiden Sie Hintergrundgeräusche und andere Ablenkungen. Wenn die Situation kein ungestörtes Gespräch ermöglicht, vereinbaren Sie einen Rückruf. Diesen Termin müssen Sie dann unbedingt einhalten. Keinesfalls sollten Sie zwei parallele Telefongespräche führen und zwischen den Gesprächspartnern hin- und herwechseln.
„Wir assoziieren Tastaturgeräusch automatisch mit der Annahme, der Gesprächspartner würde gerade mit einer anderen Tätigkeit am PC beschäftigt sein.“
Wenn sich ein Kunde nicht mündlich, sondern per Brief beschwert, handelt es sich um eine heikle Beschwerde. Rechtlich sind ein Brief und Ihre Antwort darauf verbindlicher als ein Telefonat und können auch in einem eventuellen Gerichtsverfahren als Beweis gelten. Ihre schriftliche Antwort kann im Bekanntenkreis hergezeigt oder gar an die Medien weitergeleitet werden. Wenn Sie eine schriftliche Beschwerde erhalten, räumen Sie ihr oberste Priorität ein. Trotz der Schriftform gilt: Greifen Sie erst mal zum Telefonhörer und versuchen Sie das Problem mündlich zu klären. Viele Beschwerdefälle lassen sich auf diesem Weg bereits aus der Welt schaffen. Beim Formulieren Ihrer schriftlichen Antwort sollten Sie folgenden Aufbau beachten: Stellen Sie sich mit Ihrem Namen vor, danken Sie dem Kunden für seinen Hinweis auf einen Mangel und entschuldigen Sie sich für die Unannehmlichkeiten. Schreiben Sie sachlich und nicht emotional, ohne jedoch abgebrüht zu wirken. Bieten Sie Lösungen und Alternativen an. Wenn die Beschwerde des Kunden berechtigt ist, ist die Erfüllung seiner Forderung die bloße Pflicht. Die Kür sind Leistungen, Extras oder Angebote, die darüber hinausgehen: Übertreffen Sie seine Erwartungen!
„Das kundenorientierte Unternehmen von heute sieht sich mit einer neuen Macht konfrontiert: dem Internetportal.“
E-Mails gehören zu den beliebtesten Medien, um rasch eine Beschwerde „loszuwerden“. Antworten Sie möglichst schnell, und sei es nur mit einer Eingangsbestätigung. Aus dieser sollte hervorgehen, wer Sie sind, welche Funktion Sie im Unternehmen haben und sie sollte dem verärgerten Kunden ggf. eine Telefonnummer übermitteln, an die er sich wenden kann. Noch ein Tipp zum Schluss: Ignorieren Sie keinesfalls Internet-Foren, in denen Kunden sich über Ihre Produkte beschweren. Das Internet ist das Schweizer Taschenmesser des Kunden, wenn es um Kritik, Beschwerden und auch Beleidigungen geht. Schweigen nützt nichts. Stellen Sie sich den Vorwürfen und entkräften Sie sie, natürlich stets höflich, sachlich und ehrlich. Spezielle Softwarelösungen, z. B. für die Hotelbranche, helfen Ihnen dabei, Beschwerden im Internet ausfindig zu machen. Noch besser: Richten Sie eine Beschwerdeplattform auf Ihrer Webseite ein!