Als Fremder in den arabischen Golfstaaten
Die arabischen Golfstaaten – die Vereinigten Arabischen Emirate, Qatar, Bahrain und Kuwait – waren lange Zeit englische Kolonien und erhielten erst 1971 ihre Unabhängigkeit. Noch sind die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland recht begrenzt, aber das kann sich bald ändern: Die groĂźen Erdölvorkommen und der damit verbundene WirtschaftsÂboom machen die Länder als Geschäftspartner interessant.
„Wer als Deutscher in den Arabischen Emiraten erfolgreich Geschäfte machen will, muss dafür sorgen, so schnell wie möglich viele persönliche Kontakte zu knüpfen.“
So locken die arabischen Golfstaaten zurzeit viele ausländische Arbeitskräfte an. In Dubai z. B. stammen inzwischen ĂĽber 80 % der Einwohner aus anderen Ländern. Das bedeutet auch: Wer dort arbeitet, hat es nicht nur mit Golfarabern zu tun, deren Kultur sich erheblich von der unseren unÂterÂscheiÂdet, sondern mit Menschen aus vielen unÂterÂschiedlichen Kulturen. Entsprechende Kompetenzen können erÂfolÂgsentscheiÂdend sein.
Keine Geschäfte ohne kulturelles Verständnis
Jeder Mensch wächst in einer bestimmten Kultur auf, er ĂĽbernimmt schon als Kind deren Normen und VerÂhalÂtensvorschriften und hält sie dann fĂĽr selbstverständlich, ohne darĂĽber nachzuÂdenken. Doch jede Kultur hat ihre eigenen Normen, und was im einen Land als höflich gilt, kann im anderen völlig unmöglich sein.
„Die von deutscher Seite gewohnt strikte ArÂbeitÂseinÂteilung und ArÂbeitÂshalÂtung, die sich auf TheÂmeninÂhalte festlegt und auf eine auf sachliche Aspekte bezogene KomÂmuÂnikaÂtion setzt, kann in den Golfstaaten irritieren.“
Als Tourist bestaunt man in der Regel die BesonÂderÂheiten einer fremden Kultur, ohne sich wirklich darĂĽber Gedanken zu machen. Doch wenn Sie in einem anderen Land geschäftlich erfolgreich sein möchten, wenn Sie vielleicht sogar längere Zeit dort leben, erhalten solche UnÂterÂschiede ein ganz anderes Gewicht.
„Innerhalb der Gesellschaft der Golfstaaten herrscht eine klare soziale Ordnung, die Männern und älteren Menschen eine höhere soziale Achtung einräumt.“
Sie werden in einem fremden Land keinen Erfolg haben, wenn Sie die Kultur Ihrer Geschäftspartner nicht verstehen. Setzen Sie sich deshalb aktiv und möglichst frĂĽhzeitig mit der fremden Kultur auseinander. So vermeiden Sie unangenehme ĂśberraschunÂgen und schaffen die Basis, auf der geschäftlicher Erfolg ĂĽberhaupt erst möglich ist.
Vorsicht mit Kritik
In den arabischen Golfstaaten spielen GrupÂpenÂzugehörigkeit und Hierarchie eine ganz andere Rolle als in Deutschland. Ein Araber empfindet sich nicht nur als Individuum, sondern auch als Repräsentant seiner Familie, seines Stammes, seiner Nation oder Religion. Entsprechend wird er darauf achten, sich in der Ă–ffentlichkeit korrekt zu verhalten. MöglicherÂweise hat Ihr arabischer Geschäftsfreund nichts dagegen, in Deutschland mal ein Bier trinken zu gehen. Dennoch sollten Sie ihn in seiner Heimat niemals in ein Restaurant einladen, in dem Alkohol und SchweineÂfleisch angeboten werden. Denn wenn er sich nicht an die musÂlimÂisÂchen SpeisegeÂbote hält, wirft das nicht nur auf ihn ein negatives Licht, sondern auch auf seine ganze Familie.
„Vor allem bei geschäftlichen Aktivitäten kommt dem verÂwandtschaftlichen Netzwerk auch im modernen WirtschaftÂsleben nach wie vor eine groĂźe Bedeutung zu.“
Wundern Sie sich nicht, wenn ein arabischer Kollege ĂĽber einen anderen Araber schimpft, aber sehr unterkĂĽhlt reagiert, sobald Sie ihm Recht geben. Als Ausländer gelten Sie als AuĂźenstehender, der nicht das Recht hat, einen Araber zu kritisieren. Tun Sie es dennoch, wird sich Ihr GegenĂĽber verpflichtet sehen, sich auf die Seite seines Landsmannes zu stellen. Denken Sie daran, dass Männer in der Hierarchie grundsätzlich höher stehen als Frauen und ältere Menschen höher als jĂĽngere. Wenn Sie beispielÂsweise als Frau in einen VerkehrsunÂfall verwickelt sind, den ein älterer, angesehener Araber verursacht hat, kann das recht kompliziert werden, weil der höher gestellte Mann vor Ihnen nicht komÂproÂmitÂtiert werden darf. Aber keine Angst – die Schuldfrage wird die Polizei dennoch gerecht entscheiden.
Der Geschäftspartner, mein Freund
Viele Missverständnisse entstehen dadurch, dass GeschäftsÂbeziehunÂgen bei Golfarabern nicht streng vom Privatleben getrennt werden. Anders als wir unÂterÂscheiÂden sie nicht zwischen geschäftlichen und privaten Kontakten. Auch ein Geschäftskontakt gilt als persönliche Beziehung, der Geschäftspartner wird als Freund angesehen und entsprechend behandelt. Dabei bedeutet FreÂundÂschaft fĂĽr Araber nicht unbedingt Zuneigung, sondern gegenÂseitÂige UnterstĂĽtzung.
„Wurde zunächst eine persönliche Beziehung etabliert und eine VerÂtrauensÂbaÂsis geschaffen, liegen die besten VoÂrausÂsetÂzunÂgen fĂĽr eine erÂfolÂgreÂiche GeschäftsÂbeziehung vor.“
Wenn Sie versuchen, Ihren Kontakt auf das rein Geschäftliche zu beschränken, wie in Deutschland üblich, wirkt das auf einen Araber unhöflich. Achten Sie deshalb darauf, zuerst einen persönlichen Kontakt aufzubauen, ehe Sie auf Geschäftliches zu sprechen kommen. Scheuen Sie sich nicht, persönliches Interesse an Ihrem Gegenüber und seiner Familie zu zeigen. Wenn Sie in einem Gespräch das Gefühl haben, dass die Stimmung zwar positiv ist, aber niemand auf Ihre geschäftlichen Anliegen eingeht, machen Sie sich nicht zu viele Sorgen. Es kann gut sein, dass Sie letztlich doch das bekommen, was Sie möchten. Denn wenn der persönliche Kontakt stimmt, wird man Ihre geschäftlichen Wünsche gerne berücksichtigen. Umgekehrt werden Ihre arabischen Geschäftspartner auch von Ihnen erwarten, dass Sie sie als Freunde behandeln und sich für ihre Anliegen einsetzen.
Ein anderes Zeitverständnis
In unserem Kulturkreis ist es selbstverständlich, Termine einzuhalten und Aufgaben nacheinanÂder abzuarÂbeiten. In der Kultur der arabischen Golfstaaten dagegen ist es völlig normal, eine Tätigkeit fĂĽr eine andere zu unÂterÂbrechen. Wundern Sie sich daher nicht, wenn Ihr Gesprächspartner während des Gesprächs mit Ihnen Telefonate entÂgeÂgenÂnimmt oder weitere Gäste empfängt. Das ist nicht unhöflich, sondern ĂĽblich. Seien Sie nicht verärgert, wenn er zu einem Termin zu spät kommt, das ist völlig normal. Wenn etwa jemand aus der Familie Hilfe braucht oder man einen Freund auf der StraĂźe trifft, dann ist es selbstverständlich, sich erst dafĂĽr Zeit zu nehmen; der Termin kann warten.
„Im Geschäftsleben ist es fĂĽr Golfaraber eine beÂfremdliche Vorstellung, Berufliches und Persönliches zu trennen.“
Aber Vorsicht: Deutsche haben auch in den Golfstaaten den Ruf, besonders pĂĽnktlich zu sein. Deshalb sollten Sie sich selbst nicht die Freiheit nehmen, genauso spät zu erscheinen wie Ihre arabischen Gesprächspartner. Wenn Sie bei BeÂsprechunÂgen versuchen, eine feste TageÂsorÂdÂnung einzuhalten und durch eine Diskussion Lösungen zu erarbeiten, werden Sie wenig Erfolg haben. In den arabischen Golfstaaten ist es nicht ĂĽblich, Probleme auszudÂiskuÂtieren. Schwierige Themen spricht man entweder gar nicht an oder erwähnt sie nur kurz und lässt sie dann ruhen, bis sich eine Lösungsmöglichkeit eröffnet.
IrÂriÂtierende GastÂfreÂundÂschaft
Stellen Sie sich vor, Sie sind als Ausländerin in einem arabischen Golfstaat mit Ihrem Auto unterwegs und werden von einem Polizisten wegen einer GeschwindigkeitsĂĽbertretung angehalten. Der Polizist verwickelt Sie in ein Gespräch und bittet Sie schlieĂźlich um Ihre private TeleÂfonÂnumÂmer. Weckt das in Ihnen ein ungutes GefĂĽhl? WahrscheinÂlich zu Unrecht: Der Mann freut sich einfach nur darauf, Sie einzuladen und einen ausländischen Gast bei sich zu Hause empfangen zu dĂĽrfen.
„Es ist im arabischen Privat- wie auch Geschäftsleben wichtig, sich die Forderungen, die an einen herangeÂtraÂgen werden, zunächst einmal in Ruhe anzuhören.“
Die GastÂfreÂundÂschaft der Araber ist sprichwörtlich. Kein Araber wird sich nachsagen lassen, nicht gastÂfreÂundlich gewesen zu sein, das gilt als Schande. Ausländer werden als Gäste im Land angesehen, und entsprechend wird man Sie bei Ihrem Aufenthalt in den arabischen Golfstaaten empfangen.
Allerdings kann diese GastÂfreÂundÂschaft manchmal recht verwirrend sein. Ein Golfaraber wird alles tun, um einem Gast seine GroĂźzĂĽgigkeit zu demonÂstriÂeren. Wenn Sie bei einem Gastgeber einen wertvollen Gegenstand bewundern, fĂĽhlt er sich verpflichtet, Ihnen diesen zu schenken. Die GastÂfreÂundÂschaft geht bis in geschäftliche Beziehungen hinein: Wenn Sie als Ausländer irgendwo Räume angemietet haben, gelten Sie ebenfalls als Gast – mit der Konsequenz, dass Ihr Gastgeber das Recht hat, Sie z. B. spontan umzuquartieren, weil er andere RäumÂlichkeiten fĂĽr geeigneter hält. Damit möchte er Ihnen nur etwas Gutes tun.
„In den Augen der Golfaraber gibt es viele entschuldÂbare GrĂĽnde dafĂĽr, dass sich ein geplanter Tagesablauf immer wieder verschiebt.“
Bleiben Sie gelassen und bringen Sie seiner GastÂfreÂundÂschaft nach Möglichkeit Wertschätzung entgegen. Um solche ĂśberraschunÂgen zu vermeiden, bauen Sie besser schon im Vorfeld einen persönlichen Kontakt auf. In informellen Gesprächen können Sie vorsichtig eigene WĂĽnsche äuĂźern und erhalten Hinweise, was Ihr GegenĂĽber plant.
FeingefĂĽhl statt KonÂfrontaÂtion
In Deutschland wird in geschäftlichen Dingen sehr direkt komÂmuÂniziert. In den Golfstaaten ist das anders. FĂĽr Golfaraber ist es vor allem wichtig, das Gesicht zu wahren. Ablehnung und Kritik werden nur sehr verschlĂĽsselt geäuĂźert, niemals direkt, das wäre unhöflich.
„Die Golfaraber sind stolz auf ihre GastÂfreÂundÂschaft und gelten traÂdiÂtionell als besonders hilfsbereit und groĂźzĂĽgig.“
Wenn Ihr arabischer Geschäftspartner eine Bitte an Sie richtet und Sie diese rundweg ablehnen, wird er sehr gekränkt reagieren. Selbst wenn Sie die Bitte unmöglich erfĂĽllen können, sagen Sie nicht einfach Nein. Versprechen Sie ihm, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um ihm entÂgeÂgenÂzukomÂmen. Wenn Sie nichts tun können oder wollen, lassen Sie die Sache dann einfach auf sich beruhen. Ihr arabischer Partner wird diese Botschaft verstehen.
„Was der arabische Gesprächspartner sagt und was er meint, kann unÂterÂschiedlich sein. Nicht selten ist ein ZwisÂchen-den-Zeilen-Lesen notwendig.“
Ă„hnlich ist es mit Kritik: MöglicherÂweise wird ein Golfaraber auch auf Nachfrage keine offene Kritik an Ihnen äuĂźern – dann aber indirekte Wege der Kritik nutzen, z. B. anonyme Fragebögen. Anders als vielleicht vermutet ist das kein Zeichen von Falschheit, sondern arabische Höflichkeit Ihnen gegenĂĽber. Stellen Sie sich darauf ein, vermeiden Sie KonÂfrontaÂtioÂnen und achten Sie auf die leisen Zwischentöne.
Klare Anweisungen
Hierarchien spielen in den arabischen Golfstaaten eine groĂźe Rolle. Das beginnt in der Familie, wo Frauen grundsätzlich weniger zu sagen haben als Männer, und setzt sich in der Gesellschaft fort, wo die verÂschiedeÂnen Schichten klar voneinander abgegrenzt sind. So genieĂźen Sie als Ausländer und Gast zwar manche Vorteile, stehen aber in der Hierarchie recht weit unten. Ă„rgern Sie sich nicht darĂĽber, sondern versuchen Sie, möglichst viele persönliche Kontakte zu knĂĽpfen. Sobald man Sie als Freund wahrnimmt, wird man Sie entsprechend behandeln.
„Das islamische Recht ist ein Bestandteil der islamischen Religion.“
Vom HiÂerÂarÂchiedenken sind auch die Unternehmen geprägt. Anders als in unserem Kulturkreis werden EntscheiÂdunÂgen grundsätzlich von oben nach unten getroffen und von den MiÂtarÂbeitÂern nicht hinterfragt. Wenn Sie also in einem Golfstaat fĂĽr einen einÂheimisÂchen Chef arbeiten, mĂĽssen Sie damit rechnen, dass er Ihnen seine EntscheiÂdunÂgen aufzwingt und keine Diskussion zulässt – selbst dann, wenn er Sie vorher um Ihre Meinung gebeten hat. Falls Sie hingegen der Chef sind, versuchen Sie nicht, VeÂrÂantÂworÂtung zu delegieren und EntscheiÂdunÂgen Ihren MiÂtarÂbeitÂern zu ĂĽberlassen. Diese werden sehr irritiert sein, denn sie erwarten klare Anweisungen von Ihnen, nichts weiter. Wenn Sie versuchen, europäische KonÂvenÂtioÂnen durchzusetÂzen, werden Sie nur IrÂriÂtaÂtioÂnen und Ă„rger auslösen.
Die Wurzeln der arabischen Kultur
Historisch gesehen, ruht die arabische Kultur auf zwei Säulen, dem Islam und dem Beduinentum. UrsprĂĽnglich wurden nur die Beduinen als Araber bezeichnet. Auch wenn heute die wenigsten Araber tatsächlich von Beduinen abstammen, ist die Gesellschaft stark von ihrer Kultur geprägt: In der WĂĽste kann man als Einzelner nicht ĂĽberleben, man braucht die Gruppe, die einen unterstĂĽtzt und Schutz gewährt. Aus diesem Grund spielt in den arabischen Ländern die GrupÂpenÂzugehörigkeit bis heute eine so groĂźe Rolle.
„In der beduinisÂchen Gesellschaft ist nicht der Einzelne, sondern die Gruppe die Grundlage der sozialen GemeinÂschaft.“
Was den Islam betrifft, so erstrecken sich dessen Vorschriften – anders als im Christentum oder Judentum – nicht nur auf das Privatleben der Gläubigen, sondern sie bilden auch die Grundlage der staatlichen Gesetze. Das hat zur Folge, dass viele Rechtsvorschriften in den arabischen Ländern ausÂgeÂsprochen statisch sind, denn die religiösen Gebote, auf denen sie beruhen, sind sakrosankt. Neben den religiös begrĂĽndeten Gesetzen kennen die arabischen Golfstaaten aber auch kodÂiÂfiziertes Recht, das sich an den RechtsÂgrundsätzen der westlichen Welt orientiert.