Emotional Boosting

Buch Emotional Boosting

Die hohe Kunst der Kaufverführung

Haufe,


Rezension

Klar, dass sich schlecht gelauntes Personal, schlampige Arbeit und eine lieblose Abfertigung der Kunden nicht positiv auf den Verkauf­ser­folg auswirken. Doch auch wenn Qualität und Service stimmen, ist das laut Hans-Georg Häusel nicht ausreichend, um Kunden nachhaltig zu binden. Nur echte, positive Emotionen sorgen für Ver­bun­den­heit mit einem Unternehmen, und die entstehen nicht durch einen einmaligen guten Eindruck, sondern indem man viele kleine Detaileindrücke sys­tem­a­tisch verstärkt (boostet). Zusammen ergeben sie im Idealfall das erwünschte „gute Gefühl“. Viele Elemente des Emotional Boosting sind nicht grundsätzlich neu, doch ihre sys­tem­a­tis­che Verknüpfung mit neueren Erken­nt­nis­sen der Hirn­forschung sorgt für manches Aha-Er­leb­nis. Außerdem beweist Häusel, dass man wis­senschaftliche Fakten durchaus locker und leicht vermitteln kann. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die ihre Kunden wirklich verstehen wollen – um ihnen mehr zu verkaufen.

Take-aways

  • Emotional Boosting bedeutet, an jedem Kun­denkon­tak­t­punkt und in der gesamten Wertschöpfungskette für positive Emotionen zu sorgen und negative zu vermeiden.
  • Emotionen, nicht Funktionen bestimmen den Verkauf­swert eines Produkts.
  • Es gibt ver­schiedene Emo­tion­ssys­teme im Gehirn: ein Balance-, ein Dominanz- und ein Stim­u­lanzsys­tem sowie deren Mischformen.
  • Je nachdem, welches System dominant ist, haben Sie es mit un­ter­schiedlichen Kon­sumenten­typen zu tun: Har­mon­isierer, Offene, Hedonisten, Abenteurer, Performer, Diszi­plin­ierte und Tra­di­tion­al­is­ten.
  • Jeder Typ in­ter­essiert sich für andere Produkte, bevorzugt andere Marken und Pro­duk­t­gestal­tun­gen.
  • Emotional Boosting sollte an möglichst allen Pro­duk­teigen­schaften ansetzen.
  • Es gibt keinen zentralen Kaufknopf im Gehirn, aber viele kleine positive Emotionen bringen am Ende den großen Wet­tbe­werb­svor­sprung.
  • Er­fol­gre­iche Händler entscheiden sich für eine bestimmte Shop­ping­welt, z. B. „Controlled Shopping“ (einfach, übersichtlich) oder „Ex­per­i­men­tal Shopping“.
  • Finden Sie die richtige emotionale Ser­vice-Strate­gie für Ihre Zielgruppe, z. B. „Happy Service“ (überraschende Angebote) oder „Trust Service“ (glasklare Konditionen).
  • Das Personal ist der wichtigste Emotional Booster überhaupt. Das Auftreten der Angestell­ten prägt die Wahrnehmung des gesamten Un­ternehmens.
 

Zusammenfassung

Der Wert der Emotionen

Was immer wir kaufen, es ist nie die rein tech­nisch-funk­tionale Lösung eines Problems, die uns in­ter­essiert. Immer schwingen Emotionen mit. Bestes Beispiel ist das gute alte Wasser. Deutsches Leitungswasser ist von her­vor­ra­gen­der Qualität und löscht für 0,12 Cent pro Dreiviertel­liter den Durst perfekt. Trotzdem verkaufen sich 650 Mal so teure Marken­wasser aus der Flasche für rund 80 Cent her­vor­ra­gend. Den Vogel schießt aber das Szene-Wasser „Bling“ ab: Die Flasche kostet 75 000 Mal so viel wie das kühle Nass aus dem Hahn, nämlich etwa 90 €!

„Emotional Boosting ist Marketing aus der Sicht des Gehirns.“

Der einzige Unterschied zwischen der Billig- und der Luxus­vari­ante sind die Emotionen, die bei Kauf und Konsum entstehen. Das Ganze funk­tion­iert nicht über simple Emo­tion­al­isierung, wie man sie in jedem Werbespot beobachtet. Nach­halti­gen Erfolg kann man nur erzielen, wenn man dafür sorgt, dass der Kunde an allen Kun­denkon­tak­t­punk­ten positive Emotionen hat. Erst ein sys­tem­a­tis­ches Verstärken (Boosting) dieser positiven Emotionen führt letztlich zum Kauf. Es gibt also keinen zentralen emotionalen Kaufknopf im Gehirn, aber viele kleine Veränderungen bringen am Ende den großen Wet­tbe­werb­svor­sprung.

Emo­tion­ssys­teme

Un­ter­suchun­gen an Patienten mit Hirnschäden zeigen: Vernunft und Gefühl sind kein Widerspruch; ohne Emotionen sind überhaupt keine vernünftigen Entschei­dun­gen möglich. Der Mensch ist schlicht nicht in der Lage, die unzähligen In­for­ma­tio­nen rein rational zu gewichten und zu bewerten. Emotionen sind die zentrale, größtenteils automatisch und unbewusst arbeitende Entschei­dungsin­stanz. Es gibt einerseits das Be­loh­nungssys­tem, das anspringt, wenn wir eine positive Erfahrung machen, an­der­er­seits das Schmerz/Ekel/Un­lust­sys­tem, das dafür sorgt, dass wir unangenehme Erfahrungen in Zukunft vermeiden. Beim Emotional Boosting geht es darum, die positiven Emotionen des Kunden zu verstärken und – was noch wichtiger ist – die negativen Emotionen konsequent zu vermeiden. Denn Negatives brennt sich stärker ein als Positives; Geld zu verlieren beispiel­sweise schmerzt mehr, als Geld zu gewinnen Freude macht. Man kann drei große Emo­tion­ssys­teme im Gehirn un­ter­schei­den:

  1. Das Bal­ancesys­tem strebt nach Sicherheit und Stabilität. Es vermeidet Angst, Stress und Un­sicher­heit.
  2. Das Dom­i­nanzsys­tem strebt nach Autonomie, will sich durchsetzen und gewinnen. Auf Macht­losigkeit reagiert es mit Ärger und Wut.
  3. Das Stim­u­lanzsys­tem mag Anregendes und Überraschun­gen, Langeweile dagegen überhaupt nicht.
„Heute weiß man, dass unser ganzes Gehirn mehr oder weniger emotional ist.“

Außerdem gibt es Mischformen: Arbeiten Balance- und Dom­i­nanzsys­tem zusammen, entsteht der Wunsch nach Disziplin und Kontrolle, Stimulanz- plus Dom­i­nanzsys­tem führen gemeinsam zur Sehnsucht nach Abenteuern, und Balance plus Stimulanz erzeugen den Wunsch nach Genuss und Fantasie. Dumm nur, dass sich die An­forderun­gen der einzelnen Emo­tion­ssys­teme oft wider­sprechen. Das Ergebnis sind innere Konflikte. Jeder kennt das schlechte Gewissen nach einer aus­ge­lasse­nen, feuchtfröhlichen Nacht – hier kämpft gerade das Stim­u­lanzsys­tem gegen das Dom­i­nanzsys­tem.

Kon­sumenten­typen

Je nachdem, welches System besonders aktiv ist, kann man un­ter­schiedliche Kon­sumenten­typen iden­ti­fizieren:

  • Har­mon­isierer sind fam­i­lienori­en­tiert und haben einen starken Wunsch nach Gebor­gen­heit.
  • Offene wollen sich wohlfühlen, mögen sanfte Genüsse und sind in­ter­essiert an Neuem.
  • Hedonisten sind spontan, in­di­vid­u­al­is­tisch und suchen ständig nach dem Neuesten.
  • Abenteurer gehen gern Risiken ein.
  • Performer sind ehrgeizig, leis­tung­sori­en­tiert und sta­tus­be­wusst.
  • Diszi­plin­ierte sind pflicht­be­wusst, de­tail­ver­liebt und wenig kon­sumori­en­tiert.
  • Tra­di­tion­al­is­ten wünschen sich Ordnung und Sicherheit und sind wenig zukun­ft­sori­en­tiert.
„Tausend kleine Verbesserun­gen ergeben in Summe einen gewaltigen Vorsprung.“

Jeder Kon­sumenten­typ hat einen anderen Geschmack, mag andere Musikstile und in­ter­essiert sich für un­ter­schiedliche Produkte: Har­mon­isierer und Tra­di­tion­al­is­ten z. B. für Gesund­heit­spro­dukte, Performer eher für Un­ter­hal­tungse­lek­tronik und Autos. Das Gleiche gilt für Marken: Performer mögen Porsche, Har­mon­isierer fahren Ford.

Boost­ing-Ansätze

Emotional Boosting kann an ver­schiede­nen Punkten ansetzen:

  • Functional Boosting: Die meisten Produkte haben mehrere Funktionen. Beim Functional Boosting will man eine dieser Funktionen besonders gut erfüllen. Beispiel Min­er­al­wasser: Staatlich Fachingen ist angeblich besonders gesund, Vittel dagegen besonders belebend. Alternativ kann man objektiv vorhandene Un­ter­schiede besonders betonen. So behauptet beispiel­sweise die amerikanis­che Cor-Seife, aufgrund eines speziellen Wirkstoffs sauberer zu waschen als andere. Die dritte Variante ist es, einen Zusatznutzen zu bieten, etwa Pflegewirkung bei einem Deo.
  • Dis­tinc­tional Boosting: Einerseits will der Mensch sich in die gesellschaftlichen Hi­er­ar­chiesys­teme einordnen, an­der­er­seits sich von der Masse abheben. Genau diese Wünsche können durch Dis­tinc­tional Boosting gezielt verstärkt werden. Dies geschieht beispiel­sweise durch besondere Status- und Exklusivitätsver­sprechen, wie sie etwa bei teuren Markenuhren oder Autos gemacht werden. Alternativ kann man den Wunsch nach In­di­vid­u­alität besonders betonen oder – besonders bei Mode, Kosmetik und Alkoholika – auf erotische Attraktivität setzen.
  • Magical /Mythical Boosting: Speziell Pres­tige­pro­dukte sind oft stark emotional aufgeladen und haben schon fast Fetis­chcharak­ter. Emotionalen Mehrwert bieten die nicht selten erfundenen Geschichten, die sich um ein Produkt ranken.
  • Presential Boosting: Die Optik zählt oft mehr als der Inhalt. Farben, Formen, Geruch und Geschmack, sogar Geräusche senden eine emotionale Botschaft an das Gehirn.
  • Mul­ti­sen­sory Boosting: Die geschickte Gestaltung dieser Elemente spricht alle Sinne der gewünschten Zielgruppe an: Für den Har­mon­isierer müssen es harmonische, sanfte Auf­machun­gen sein, der Performer bevorzugt dagegen markante Designs, gerne in den Powerfarben rot und schwarz. Der Clou daran: Bei einer kon­sis­ten­ten Gestaltung verstärken sich die einzelnen Elemente gegenseitig.
  • Social Boosting: Die gekonnte Nutzung sozialer Mechanismen verstärkt die emotionale Wahrnehmung: Design, das einem men­schlichen Gesicht ähnelt, dezente Berührungen beim Kauf, berühmte Vorbilder, die Nutzung des Her­den­triebs oder Wer­begeschenke führen zu positiven Emotionen. Das Gleiche gilt für eine bildhafte, emotionale und aktive Sprache.
  • Trust-Boost­ing: Bei aller Emotion – auch der Verstand will befriedigt werden. Gütesiegel oder Kun­den­mei­n­un­gen sind gute Argumente für den Kauf und stärken das Vertrauen. Bekannte Marken­ze­ichen stärken das Vertrauen zusätzlich.
  • Han­dling-Boost­ing: Eine funk­tion­ierende Verpackung spielt eine wichtige emotionale Rolle – das weiß jeder, der einmal den Inhalt einer zu flott aufgeris­se­nen Bonbontüte vom Boden aufge­sam­melt hat.
  • Referential Boosting: Schließlich färbt das Drumherum auf die Wahrnehmung des Produkts ab. In einem ungepflegten Umfeld wirkt ein hochw­er­tiges Produkt min­der­w­er­tig und umgekehrt. Oft ist ein hoher Preis wichtig, um den Eindruck von Billigware zu vermeiden.

Shop­ping­wel­ten

Im De­tail­han­del gibt es fünf emotionale Shop­ping­wel­ten, die unabhängig von Branche und Produkt sind. Er­fol­gre­iche Händler entscheiden sich klar für eine dieser Welten und passen sie der eigenen Zielgruppe an.

  • Controlled Shopping: Hier ist alles auf Konstanz und Einfachheit aus­gerichtet. Stress und Un­sicher­heit durch zu viel Auswahl oder eine unübersichtliche Ladengestal­tung werden vermieden. Bewährte Qualität und konstante Außen­darstel­lung sorgen für Vertrauen und Übersichtlichkeit. Beispiel: Aldi.
  • In­spi­ra­tional Shopping: Thematisch struk­turi­erte Warenwelten und kreative Deko­ra­tio­nen sorgen für Inspiration und ein har­monis­ches, sanftes Einkauf­ser­leb­nis. Beispiel: Depot.
  • Efficient & Power-Shop­ping: Riese­nauswahl, Powerfarben, effiziente Warenpräsentation – hier findet man schnell und effektiv das Gewünschte. Beispiel: Media Markt.
  • Ex­per­i­men­tal Shopping: Aus­pro­bieren beim Shopping mit Er­leb­nis­charak­ter, z. B. mit Kältekammer, Wasser­spritzk­abine, Events und spektakulären Out­door-Fil­men – so wird schon der Einkauf zum kleinen Abenteuer. Beispiel: Glo­be­trot­ter.
  • Exclusive Shopping: Exklusivität bis ins Detail, teure Lage, dis­tin­guiertes Personal, hochwertige Ware, exklusive Verkaufsräume. Beispiel: Wempe.
„Wer den großen Kaufknopf im Kun­denge­hirn sucht, wird enttäuscht werden: Den gibt es nämlich nicht.“

Bei der Gestaltung des Ladenlokals sind vielerlei positive Erlebnisse möglich: von der Außenfassade über die Ori­en­tierung/Wegführung, die Warenpräsentation, die Ra­battschilder, das Licht und die Gestaltung des Kassier­vor­gangs. Die Optimierung jedes dieser Punkte steigert den Umsatz um 0,5–2 %.

Ser­vicewel­ten

Auch im Ser­vice­bere­ich gibt es fünf große emotionale Welten:

  • Der Happy Service spricht das Stim­u­lanzsys­tem an, indem er positive Überraschun­gen und ein uner­wartetes Mehr an Service bietet, etwa ein uner­wartetes Upgrade bei der Au­tover­mi­etung.
  • Der Easy Service nimmt dem Kunden lästige, langweilige Arbeiten ab und befriedigt damit sowohl das Stimulanz- als auch das Bal­ancesys­tem.
  • Der Care Service setzt auf persönliche Betreuung des Kunden – eine Wohltat für das Bal­ancesys­tem.
  • Der Trust Service beruht auf Vertrauen und liefert damit Futter für das Balance- und Dom­i­nanzsys­tem. Hier zählen nicht nur absolute Zuverlässigkeit, sondern auch trans­par­ente Konditionen, Kulanz und ehrliche Kom­mu­nika­tion.
  • Der Power und VIP Service richtet sich in erster Linie an das Kontrollbedürfnis: schnell, effizient, immer erreichbar und beim VIP Service außerdem eine Vorzugs­be­hand­lung.
„Unsere Emo­tion­ssys­teme sind wie ein Autopilot, der uns auf richtigem Kurs hält.“

Emotional Boosting ist eine ganzheitliche Umsetzung der Marken­strate­gie eines Un­ternehmens, die das zentrale Markengefühl an jedem Kon­tak­t­punkt und in der gesamten Wertschöpfungskette in­ten­siviert. Im Ser­vice­bere­ich ist das Auftreten des Personals der wichtigste Emotional Booster: Ein fre­undlicher, aufmerk­samer Mitarbeiter sorgt dafür, dass das Unternehmen und seine Leistungen messbar positiver wahrgenom­men als dies bei einem un­fre­undlichen Angestell­ten der Fall wäre.

Über den Autor

Hans-Georg Häusel gehört zu den führenden Experten im Bereich der Mar­ket­ing-Hirn­forschung und des Neu­ro­mar­ket­ings. Sein Be­ratung­sun­ternehmen berät in­ter­na­tionale Marke­nar­tikel­her­steller, Di­en­stleis­ter, Han­del­skonz­erne und Banken. Häusel ist als Vor­tragsred­ner tätig und hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben, darunter Brain View, Think Limbic! und Neu­ro­mar­ket­ing.