Gibt es eine Kreditklemme?
In Zeiten des billigen Geldes wurden Mittelständler von den Banken umworben. Heute ist es umgekehrt: Sie müssen bei den Banken Klinken putzen und dabei hoch professionell vorgehen, um eine Chance zu haben. Vielen fällt das nicht leicht, denn die Wut auf die Banker ist groß: Seit Beginn der Baisse gab es 120 Krisenfälle weltweit mit geschätzten vier Billionen US-Dollar (4 000 000 000 000!) an Verlusten durch faule Kredite. Angesichts der desaströsen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft werden Banker schnell als Gangster in Nadelstreifen verurteilt. Doch Vorsicht: Die meisten von ihnen sind im klassischen Bankgeschäft tätig. Mit Kasino-Kapitalismus hat das nichts zu tun. Viele von ihnen müssen selbst um ihren Arbeitsplatz fürchten. Anstatt ihn pauschal zu verurteilen, sollten Sie Ihren Bankberater als Partner behandeln.
„Wenn wir laut Umfragen an einem Punkt angekommen sind, an dem nur noch Prostituierte und Kriminelle unbeliebter als Banker sind, dann hat die öffentliche Wahrnehmung äußerst gefährliche Züge angenommen.“
Aber gibt es nun eine Kreditklemme oder nicht? Noch Mitte Januar 2008 hatten die meisten Unternehmen davon laut einer Umfrage kaum etwas bemerkt. Doch schon im März kam eine Studie zum Ergebnis, dass die Finanzierungssituation vieler Unternehmen „angespannter denn je“ sei. Viele Unternehmer sehen sich mit immer neuen Hürden konfrontiert: höheren Zinsen, neuen Sicherheitsforderungen, komplizierten Verträgen oder auch ständig wechselnden Ansprechpartnern. Deshalb gilt:
- Schaffen Sie Vertrauen: Die Krise ist zuallererst eine Vertrauenskrise. Zeigen Sie Ihrem Banker, woran Sie glauben und wofür Sie als Unternehmer einstehen.
- Jetzt erst recht: Gehen Sie zu Ihrer Bank, auch wenn die Bilanzen schlecht sind und die Zukunft düster aussieht. Entwickeln Sie mit Ihrem Berater tragfähige Konzepte.
- Bereiten Sie sich sorgfältig vor: Nur so können Sie Ihre Ernsthaftigkeit beweisen.
- Finanzkommunikation ist Chefsache: Kompetente Mitarbeiter sind zur Unterstützung da. Am besten fixieren Sie alle wichtigen Abläufe schriftlich.
Die Bankenlandschaft ändert sich
Immer mehr Banken stehen unter dem staatlichen Rettungsschirm – gemessen an der Bilanzsumme aus dem Jahr 2007 sind es in Deutschland mittlerweile 51 %. Unter den Landesbanken haben sich viele massiv verspekuliert. Sie überleben entweder nur mithilfe massiver Staatsunterstützung oder sie verschwinden vom Markt. Die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken sind zwar vor den schlimmsten Auswüchsen der Finanzkrise verschont geblieben, aber angeschlagen. Und die vor der Krise munter expandierenden Auslandsbanken haben sich rar gemacht. Fazit: Das Angebot potenzieller Kreditgeber ist dünn geworden.
„Denn eines darf man nie vergessen: Es gibt kein Recht auf Kredit. Jede Kreditentscheidung ist auch künftig immer eine Einzelfallentscheidung.“
Was als Finanzkrise begann, wird in der Realwirtschaft erwartungsgemäß im dritten und vierten Quartal 2009 voll durchschlagen. Das Rating vieler Unternehmen wird sich verschlechtern, die Banken werden mehr in die Risikovorsorge investieren. Auch auf dem Immobilienmarkt ist keine Entspannung in Sicht. Vor allem gewerblich und industriell genutzte Immobilien verlieren rapide an Wert. Das bedeutet neue Risiken für Banken, deren Kredite mit Immobilien abgesichert sind. Höhere Risiken, das heißt höhere Zinsen für Kreditnehmer. Und das, obwohl die EZB ihren Leitzins seit Anfang Oktober 2008 von 4,25 % auf den historischen Tiefpunkt von 1,0 % gesenkt hat.
„Eine schlechte Vorbereitung kann schnell als mangelnder Respekt gewertet werden. Oft heißt es dann: ,Sie stehlen mir meine Zeit.‘ – Und wer gibt einem ,Dieb‘ schon Kredit?“
Bisher profitieren von den niedrigen Zinsen allerdings nur Unternehmen mit guter Bonität oder solche, die kurzfristige Kredite in Anspruch nehmen. An Kunden mit längerfristigen Krediten wurden sie kaum weitergegeben. Bemühen Sie sich um ein besseres Rating und eine günstige Besicherung. Der Zinsunterschied zwischen zwei Ratingklassen kann bis zu 2 % ausmachen.
Eine Bank für alle Fälle
Prüfen Sie, ob Sie bei Ihrer Bank noch an der richtigen Adresse sind:
- Verfolgt sie eine nachhaltige Strategie? D. h. wird es sie noch lange geben?
- Ist sie wirklich mittelstandsorientiert? Oder wirbt sie nur damit?
- Redet sie offen über Risiken und Rating? Oder verlangt sie das nur von Ihnen?
- Senkt sie den Zinssatz auch für Sie, wenn er sich allgemein nach unten bewegt?
- Schaffen ihre Berater einen echten Mehrwert für Sie?
- Ist Ihre Bank fit in Sachen Globalisierung und öffentliche Fördermittel? Kann sie Ihnen bei der Devisenkurssicherung helfen und einen Antrag bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stellen?
„Ein professionell agierender Unternehmer kommuniziert immer offensiv, egal ob Krise oder nicht.“
Prüfen Sie jetzt Ihre Kreditverträge und Ihre Sicherheiten. Sie sollten sich peinlichst korrekt verhalten, damit Ihre Bank keinen Vorwand findet, Ihnen teure Nachbesserungen anzuhängen oder gar bestehende Kreditlinien zu streichen. Vermeiden Sie Überziehungen und überwachen Sie Ihre Covenants (Vereinbarungen zur Einhaltung von Finanzkennzahlen) mit Hilfe von Frühwarnindikatoren. Gehen Sie lieber zu früh zu Ihrem Berater als zu spät, und bereiten Sie alle Unterlagen nutzerfreundlich auf.
So bleiben Sie liquide
Vor der Krise war es nicht üblich, sich gegen Forderungsausfälle zu versichern. Heute, da eine Kreditversicherung für viele Unternehmen existenziell wichtig ist, ist sie nur noch schwer zu bekommen. Wer eine hat, klagt über dramatisch steigende Prämien und Laufzeitverkürzungen. Die Schadensfälle im ersten Quartal 2009 haben sich im Vorjahresvergleich bereits verdreifacht. Im Exportgeschäft bietet sich die staatliche Hermes-Deckung an, wenn Sie keinen privaten Versicherer finden. Kümmern Sie sich auch um Ihr Währungsmanagement, denn die Volatilität der Währungen untereinander ist stark gestiegen. Nicht selten machen diese Schwankungen den Unterschied zwischen einem gutem Geschäft und dem Unternehmensbankrott aus. Ähnliches gilt für Rohstoffe: Wenn Sie mit diesen handeln oder sie verarbeiten, sollten Sie sich gegen schwankende Preise absichern. Das ist zwar nicht billig, lohnt sich langfristig aber immer.
„Was zählt, ist am Ende immer ein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell.“
Optimieren Sie Ihre Bilanzen jetzt, selbst wenn Sie 2009 längst abgeschrieben haben. Sie sollten Lagerbestände und wenn nötig auch Ihre Produktvielfalt abbauen, berechtigte Forderungen eintreiben und Ihre Verschuldung herunterfahren. Nur so können Sie die Weichen für bessere Zeiten stellen. Wenn der Liquiditätsbedarf steigt, sollten Sie zunächst alle Möglichkeiten der Innenfinanzierung ausschöpfen, bevor Sie neue Kredite aufnehmen. Analysieren Sie Ihr „Working Capital Management“: Haben Sie ein geeignetes IT-Managementsystem? Wer ist dafür zuständig? Können Sie Zahlungsverzögerungen Ihrer Kunden durch gezielte Maßnahmen verhindern? Überarbeiten Sie auch Ihr Forderungsmanagement. Das Gesamtvolumen zu spät bezahlter Rechnungen beträgt in der EU zwei Billionen Euro – Geld, mit dem Unternehmen für ihre Kunden Bank spielen.
Alternative Finanzierungskonzepte
Haben Sie auf Mezzanine-Finanzierungen gesetzt (eine Mischform zwischen Fremd- und Eigenkapital)? Dann sollten Sie sich frühzeitig über Anschlussfinanzierungen Gedanken machen, bevor die ersten Tranchen 2011 auslaufen. Denn der Markt für alternative Finanzierungen aller Arten liegt brach. Immer mehr Unternehmen verlieren ihren Investment-Grade (Rating von AAA bis BBB-) und drohen in den Non-Investment-Grade abzurutschen.
„Wenn Verknappung droht, muss man sich vorher eindecken. Dieses alte ,Eichhörnchenrezept‘ gilt auch im Kreditgeschäft.“
Es lohnt sich, einmal über „Reverse Factoring“ nachzudenken: Hierbei werden nicht wie beim klassischen Factoring nur die Forderungen des Unternehmens gegenüber seinen Kunden, sondern auch die des Lieferanten von einer Factoring-Gesellschaft vorfinanziert. Auch der Private-Equity-Markt ist stark eingebrochen. Langfristig kommt jedoch kein mittelständisches Unternehmen mehr daran vorbei. Sie müssen vor allem eine überzeugende Wachstumsstory vorlegen, um Investoren zu überzeugen – heute mehr denn je.
Der Staat als Retter?
Der KfW stehen 15 Milliarden Euro aus den Konjunkturpaketen I und II als Kredithilfen für den Mittelstand zur Verfügung. Von einem Andrang auf das Geld kann bisher keine Rede sein. Denn die Kreditvergabe ist an strenge Bedingungen geknüpft: Unternehmer können nur durch die Finanzkrise verursachte, vorübergehende Schwierigkeiten geltend machen. Ihr Betrieb musste am 1. 7. 2008 gesund gewesen sein, um überhaupt in die engere Auswahl zu gelangen. Und: Billigzinsen oder andere Vorteile gibt es nicht. Es gelten marktübliche Konditionen, und der Antrag wird über die eigene Hausbank gestellt. Leider scheuen viele Banker den Verwaltungsaufwand und das Restrisiko von meist 10 %, das sie zu schultern haben. Darüber hinaus sind die KfW-Kredite oft günstiger als die des eigenen Hauses. Das ermutigt die Bankberater nicht unbedingt, Ihnen bei der Beantragung von Fördermitteln zu helfen. Im Folgenden ein paar Tipps zum Thema Förderprogramme:
- Regionale Bürgschaftsbanken bieten über die Konjunktur-Sonderprogramme der Bundesländer Kredite für Mittelständler – oft zu besseren Konditionen als die KfW.
- Die „Bürgschaft ohne Bank“ ist eine Bürgschaft für Existenzgründer, die geleistet wird, ohne dass die Hausbank einen Kredit gewährt.
- Einige Förderprogramme verfolgen auch einen „guten Zweck“: z. B. Energiesparinnovationen oder kommunale Investitionen in strukturschwachen Regionen.
- Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie fördert gezielt innovative Ideen und Investitionen.
- Die Europäische Investitionsbank (EIB) fördert Investitionen, die mit den Zielen der Europäischen Union im Einklang stehen. Die Vergabe erfolgt in Form von indirekten Darlehen über Partnerinstitute, z. B. die DZ Bank.
„In Deutschland muss ein Gläubiger inzwischen durchschnittlich fast 40 Tage warten, bis seine Rechnung beglichen wird und kann dabei noch froh sein, dass sein Kunde nicht in Italien sitzt. Denn die Italiener lassen sich inzwischen mehr als die doppelte Zeit, nämlich drei Monate!“
Für alle Programme gilt: Nichts geht ohne ein zukunftsfähiges Konzept. Suchen Sie den Rat eines Experten und fordern Sie auch Ihren Banker heraus. Lassen Sie sich nicht abwimmeln, nur weil für ihn vielleicht nicht viel dabei herausspringt.
Mit Relationship-Banking zum Erfolg
Die Beispiele der im vergangenen Jahr gescheiterten Unternehmen wie Schiesser, Märklin oder Karmann beweisen: Die Banker sind keinesfalls an allem schuld. Schließlich kämpften diese Unternehmen schon lange vor der Krise mit großen Problemen und konnten keine schlüssigen Konzepte vorlegen, als es hart auf hart ging. Die Finanzkrise brachte nur das Fass zum Überlaufen.
„Die Zeiten sind vorbei, wo die Verschuldung eines Unternehmens in schwindelerregende Höhen gehoben werden konnte.“
Arbeiten Sie deshalb an Ihrer „Erfolgsstory“. Sie müssen einen roten Faden vorweisen, der sich durch gutes Management, die richtige Strategie, gute Produkte, Marktpositionierung, Kundenpotenzial und Organisation zieht. Analysieren Sie diese Faktoren für potenzielle Kapitalgeber. Entwickeln Sie unterschiedliche Zukunftsszenarien. Darunter können auch negative sein, denn Ehrlichkeit schafft Vertrauen. Beweisen Sie, dass Sie über leistungsfähige Controlling-Instrumente mit Frühwarnindikatoren verfügen. Ihre Botschaft muss lauten: Sie halten das Steuer fest in der Hand – auch ein starker Sturm wird Sie nicht unterkriegen. Wenn Sie noch keinen haben, schaffen Sie in Ihrem Unternehmen einen Beirat und gewinnen Sie eine erfahrene Persönlichkeit als Sparringpartner. Oft ist die viel beschworene Kreditklemme in Wirklichkeit nämlich eine Kommunikationsklemme.
„Wichtigste Konsequenz der Finanzkrise ist für Europa, dass jeder Zweifel an der Bedeutung und Relevanz von Ratingagenturen für die Finanzmärkte ausgeräumt wurde.“
Gehen Sie jetzt in die Offensive. Überzeugen Sie Kreditgeber mit Ihrer unternehmerischen Vision, Organisation und Kommunikation. Das Zauberwort gegen zugedrehte Geldhähne heißt Relationship-Banking. Nutzen Sie es!