Die Rolle des Controllings in der Krise
Im Nachhinein ist man immer schlauer. Die Krise hat vielen Unternehmern und Managern deutlich gemacht, wie wichtig vorbeugende Maßnahmen sind. Das entscheidende Mittel zur Risikominimierung ist effektives Controlling. Richtig angewandt, stellt es die Kosten laufend auf den Prüfstand. Ganzheitliches Controlling informiert darüber hinaus frühzeitig über neue Entwicklungen an den Märkten und mögliche Risiken. In der aktuellen, von externen Faktoren verursachten Weltwirtschaftskrise wird offensichtlich, wie wichtig diese ständige Marktbeobachtung ist. Die Arbeit der Controller ist gerade in Krisenzeiten der Schlüssel, um Unternehmen wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
„Die Ursachen der aktuellen Krise sind vorrangig im Umfeld der Unternehmen zu finden, also den exogenen Krisenfaktoren zuzuordnen.“
Welche Maßnahmen dabei eingesetzt werden, hängt von der Art der Krise ab. Je nach Firma muss entweder die Liquidität gesichert, die Strategie kundenfreundlicher gestaltet oder die Produktion optimiert werden – oder es gilt sogar alle diese Bereiche gleichzeitig zu bearbeiten. Die Tätigkeit der Controller wird darum in den kommenden Jahren unabhängig von der unternehmerischen Ausrichtung den Geschäftsalltag prägen, mit den Themen Kostenmanagement und Produktivitätssteigerung als zentrale Aufgaben. Die Unternehmen werden allerdings nur dann optimal von den Controllern profitieren, wenn das Management deren Bedeutung anerkennt und eine enge Zusammenarbeit mit ihnen anstrebt.
Integrierte Unternehmenssteuerung
In der Wirtschaftswissenschaft werden Unternehmenskrisen gemeinhin in vier Phasen unterteilt:
- Die Entwicklung beginnt zunächst mit einer strategischen Schwäche.
- Bei längerem Anhalten zieht diese Schwäche eine Erfolgskrise mit sinkenden Gewinnen nach sich.
- Auf Dauer kann dies in Liquiditätsschwierigkeiten münden.
- Wenn diese sich wiederum verschärfen, bleibt als letzter Ausweg oft nur die Insolvenz.
„Da der Erfolg einer Strategie zum großen Teil nicht von ihrer Güte an sich, sondern vielmehr von ihrer erfolgreichen Umsetzung abhängt, ist es notwendig, eine entsprechende Methode zur Operationalisierung der Strategie anzuwenden.“
Mit einer integrierten Unternehmenssteuerung könnte man die Probleme von jeder dieser Phasen frühzeitig erkennen und beheben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Unternehmer und Manager ihr Geschäft einer umfassenderen Betrachtung unterziehen. Integrierte Unternehmenssteuerung bedeutet weit mehr als das bloße Erfassen von Kennzahlen. Der Ansatz beinhaltet eine vertikale und eine horizontale Dimension. In der vertikalen geht es darum, die Spannungen zwischen der strategischen Ausrichtung und dem konkreten Alltagsgeschäft zu überbrücken. Die Planung in der horizontalen Dimension dagegen vereint anhand der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Cashflow-Kalkulationen die operativen Tätigkeiten mit den Investitions- und Finanzierungsaktivitäten. Erst die ganzheitliche Sicht beider Dimensionen ermöglicht der Führungsequipe, in jeder Situation angemessene Entscheidungen zu treffen.
Kurzfristige Sparmöglichkeiten
Wird eine Krise im Unternehmen spürbar, hilft zunächst nur eine konsequente Kostenreduktion. Dafür ist in den meisten Betrieben durchaus Spielraum vorhanden, ihn aber zu nutzen, erfordert einen Spagat: Die Kosten müssen unter der Prämisse gesenkt werden, dass die Kundenfreundlichkeit nicht leidet. Idealerweise beginnt der Prozess daher mit einer Kundenanalyse: Mit welchen Kunden wird welcher Umsatz erwirtschaftet und wie aufwändig ist ihre Betreuung?
„Die Personalkosten stellen in vielen Unternehmen einen der größten Kostenblöcke dar. Diese bei Kostensenkungsmaßnahmen nicht zu berücksichtigen wäre sträflicher Leichtsinn.“
Stehen die A-, B- und C-Kunden fest, lassen sich die Einsparpotenziale in den verschiedenen Bereichen oft leicht aufdecken. Im Vertrieb können Sie z. B. die Zusammenarbeit mit Handelsvertretern reduzieren, beim Personal sparen, Marketingaktivitäten gezielter auswählen oder Ihren Internetauftritt optimieren. In der Produktion lässt sich durch den geringeren Termindruck während der Krise der Ausschuss senken, die Lager können verkleinert oder ausgelagerte Fertigungen wieder in den Betrieb integriert werden. Das Einsparpotenzial des Logistikbereichs erstreckt sich von der Neuberechnung der Touren und der Versandkosten über die Optimierung der Lieferzeiten bis zum Abbau des Fuhrparks. Schließlich lassen sich in der Informationsverarbeitung Kosten senken: Wartungsverträge können neu verhandelt, Schulungen von eigenen Mitarbeitern angeboten oder die Einführung neuer Software sorgfältiger geprüft werden.
Mittelfristige Sparmöglichkeiten
Neben diesen kurzfristigen Maßnahmen bestehen zudem in vielen Betrieben zahlreiche Möglichkeiten, die Kosten dauerhaft zu reduzieren. Um diese Potenziale zu nutzen, müssen strategische Fragen geklärt werden, für den Vertrieb z. B. die folgenden: Wie sollen das Unternehmen und seine Produkte künftig vermarktet werden? Rentiert es sich, Marketingmaßnahmen an externe Partner zu vergeben? Könnte eine umsatzabhängige Bezahlung die Leistung der Verkäufer steigern?
„Eine deutliche bzw. stetige Verringerung des Eigenkapitals kann als Anlass zur Durchführung einer Überschuldungsprüfung und letztendlich zur Einleitung von Gegenmaßnahmen bei einer drohenden Überschuldung dienen.“
Die Produktionsleiter und die Entwickler müssen untersuchen, ob eine Verringerung des Sortiments sinnvoll ist, ob es günstigere Herstellungsmaterialen gibt (ohne die Qualität zu schmälern) oder ob flexibler produziert werden kann. Das größte Sparpotenzial der Informationstechnologie liegt in der Software: Eine Lösung, die alle Unternehmensbereiche verbindet, lohnt sich. Weitere Möglichkeiten, die Unternehmenskosten zu senken, sind die Verhandlung neuer Kreditkonditionen, die Einführung alternativer Finanzierungsmethoden (z. B. Leasing) und der Abbau von Personal.
„Die Personalkosten können durchaus durch geeignete Maßnahmen reduziert werden. Diese Maßnahmen müssen nicht in Kündigungen bestehen.“
Ein wesentliches Einsparpotenzial, das sehr häufig vernachlässigt wird, stellen die Gemeinkosten dar. Darunter werden alle Aufwendungen verstanden, die nicht einer einzigen, sondern mehreren oder allen Kostenstellen zugeordnet werden können. Bestes Beispiel sind die Ausgaben für die Verwaltung. Um das Sparpotenzial in diesem Bereich dauerhaft auszuschöpfen, ist eine Gemeinkostenwertanalyse notwendig, die die Kosten transparent macht und sie ins Bewusstsein der Belegschaft hebt.
Zahlungsfähig bleiben
Das A und O der Krisenbewältigung ist die Sicherung der Liquidität. Für Firmen ist die Liquidität nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil sie bestimmt, zu welchen Konditionen ein Unternehmen Fremdkapital am Markt aufnehmen kann. Kurzfristig können Sie die Liquidität über eine Ein- und Ausgabenplanung sichern. Dabei muss auf den Tag oder die Woche genau festgelegt werden, wann zugesagte Kredite in Anspruch genommen und Rechnungen spätestens gezahlt werden. Die längerfristige Zahlungsfähigkeit wird durch eine monatliche oder sogar jährliche Planung gesichert. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Kapitalbeschaffung. Berechnet wird die Liquidität anhand der Cashflow-Kalkulationen, die wiederum mithilfe der Bilanzdaten ermittelt werden.
Personal sinnvoll abbauen
Den größten Kostenblock in fast allen Unternehmen bilden die Lohnzahlungen. In Krisenzeiten ist ein Personalabbau deshalb unabhängig von allen anderen Einsparpotenzialen fast immer unausweichlich. Die entscheidende Frage ist, wie die Personalkosten gesenkt werden können, ohne die Motivation der Belegschaft und damit die Wachstumschancen des Unternehmens zu beeinträchtigen. Dies gelingt Ihnen, wenn betriebsbedingte Kündigungen immer nur den allerletzten Schritt darstellen. Bevor es an die Substanz der Belegschaft geht, sollten Sie jene Maßnahmen überprüfen, die in auftragsstarken Zeiten hohe Kapazitäten sicherten. Sie können Leiharbeitsverträge beenden, befristete Arbeitsverträge nicht mehr erneuern, freiwillige Lohnzahlungen wie Boni streichen, bezahlte Überstunden abbauen sowie Kurzarbeit einführen. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat erleichtert den Personalabbau.
Forschung und Entwicklung als Wachstumsmotor nutzen
Krisen lösen bei Unternehmensführern oft reflexartig eine ganze bestimmte Reaktion aus: Die Kosten für Forschung und Entwicklung werden gekürzt. Angesichts der meist hohen Ausgaben von mindestens 3–5 % des Umsatzes ist diese Reaktion nachvollziehbar, aber in der Regel schneiden sich die Unternehmen damit ins eigene Fleisch. Denn kurzsichtige Senkungen der F&E-Ausgaben ziehen gewöhnlich eine langfristige Wettbewerbsschwächung des Betriebs nach sich. Das Unternehmen verliert seine innovative Kraft; neue, technisch aufwändige Produkte, die oft Jahrzehnte der Erprobung benötigen, werden nicht mehr entwickelt. Statt die F&E-Ausgaben kurzfristig drastisch zu senken, sollte das Controlling in Krisenzeiten dafür sorgen, die Produktivität der Abteilung zu steigern. Entsprechende Maßnahmen sind vor allem ein effizienter Personaleinsatz, eine genaue Nutzungsprüfung der einzelnen Forschungsprojekte sowie eine intensivere Abstimmung der Produktentwicklung mit der allgemeinen Strategie.
„Das Gemeinkostenmanagement vieler Unternehmen zeigt Mängel aufgrund struktureller Gegebenheiten und mentaler Blockaden.“
Ein Beispiel für einen vorbildhaften Umgang mit den F&E-Ausgaben in Krisenzeiten ist der Technologiekonzern Giesecke & Devrient. Der Spezialist für den Banknotendruck und die Herstellung von Chipkarten hat ein umfassendes Reporting installiert, mit dem er die Effizienz seiner F&E-Aktivitäten laufend im Blick hat und in schwierigen Phasen alle seine Projekte ohne große Einschnitte der aktuellen Situation anpassen kann. Dazu gehören Maßnahmen wie eine genaue Stundenerfassung für jedes Projekt, eine detaillierte Berichterfassung mithilfe moderner Software sowie eine umfassende Planung der gesamten F&E-Abteilung, die sämtliche Einzelaktivitäten einschließt.
Effizienter Einsatz von Software
Als wirksames Mittel zur Realisierung von Einsparpotenzialen bieten sich PC-gesteuerte Kostensenkungsprogramme an. Kleine und mittlere Unternehmen, die oft keine allzu komplexen Datensätze verarbeiten müssen, setzen idealerweise auf die Programme Excel und Access. Die an sich leicht zu bedienende Software ist allerdings zeitaufwändig und durch das kontinuierliche Eingeben via Tastatur sehr fehleranfällig. Größere Firmen steuern ihr Controlling daher lieber mit Standardsystemen wie SAP, die sämtliche Unternehmensprozesse miteinander vernetzen und alle Daten per Knopfdruck laufend zum Abruf bereitstellen. Nachteil dieser Software ist ihre stark vereinfachende Abbildung der Abläufe anhand statistischer Berechnungen.
„Controlling ist Zusammenarbeit zwischen Personen.“
Eine Alternative bilden so genannte analytische Systeme wie das Online Analytical Processing (OLAP). Sie stellen hohe Anforderungen an die Nutzer, aber ihre Programmierung kann auf individuelle Firmenbedürfnisse zugeschnitten werden, weshalb sie große Kostensenkungspotenziale bieten.
Egal welches Programm Sie verwenden: Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz sind klare Ziele, konkret bezifferte Einsparpotenziale, die ständige Kontrolle der Umsetzung einzelner Maßnahmen sowie eine kontinuierliche Berichterstattung. Entscheidend ist letztlich, wie der Einsatz des Programms in alle Unternehmensabläufe eingebunden ist. Nur wenn das Realisieren von Einsparpotenzialen in der gesamten Belegschaft zur Selbstverständlichkeit wird, sind wirtschaftliche Krisen auf Dauer keine Bedrohung für den Fortbestand Ihrer Firma.