Chaotics

Buch Chaotics

Management und Marketing für turbulente Zeiten

mi-Wirtschaftsbuch,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Man soll Krisen­warnsignale frühzeitig zu erkennen versuchen? Das ist nun wirklich kein neuer Tipp. Auch die Szenar­ien­analyse haben die Autoren Philip Kotler und John Caslione nicht erfunden. Die Ver­hal­tensweisen, die die beiden im Rahmen ihres „Chaotics-Man­age­mentsys­tems“ für Krisen­zeiten empfehlen, sind trotzdem die Lektüre wert – weil sie auf luftige Ermahnungen verzichten und konkret werden: Kosten senken nach dem Rasenmäherprinzip? Ganz schlecht. Mar­ketingaus­gaben? Jetzt erst recht erhöhen! IT? Auslagern! Die Autoren führen den Leser von den Makrotrends, die Un­sicher­heit in den Märkten auslösen, zu den Empfehlun­gen auf Mikroebene, in die einzelnen Bereiche des Un­ternehmens. Checklisten und Grafiken helfen, sich zurechtzufinden. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Un­ternehmenslenkern, Einkauf­sleit­ern, Finanzchefs und Mar­ket­ingver­ant­wortlichen.

Take-aways

  • Chaos wird in Zukunft nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in der Wirtschaftswelt sein.
  • Tech­nol­o­gis­cher Fortschritt, In­no­va­tio­nen, Schwellenländer, Hy­per­wet­tbe­werb, Staatsfonds und die Glob­al­isierung tragen zu wachsender Un­sicher­heit bei.
  • Pauschale Kürzungen während der Krise gefährden das Wachstum.
  • Kunden, Lieferanten und Ver­trieb­spart­ner haben ein langes Gedächtnis – behandeln Sie sie daher auch in der Krise gut.
  • Das Chaotics-Man­age­ment­mod­ell besteht aus einem Frühwarnsystem und der Entwicklung von Schlüssel­szenar­ien.
  • Empfohlene Ver­hal­tensweise im Bereich Finanzen: Bleiben Sie Ihren verlässlichen Banken treu.
  • Bereich Herstellung: Senken Sie Lagerbestände und erhöhen Sie Überstunden.
  • Bereich Einkauf: Konzen­tri­eren Sie sich auf wenige Lieferanten, um Größenvorteile zu nutzen.
  • Bereich Personal: Stellen Sie hoch qual­i­fiziertes Personal ein und trennen Sie sich von Mi­tar­beit­ern mit schwachen Leistungen.
  • Bereich Marketing: Legen Sie den Fokus auf das Kernkun­denseg­ment.
 

Zusammenfassung

Eine neue Phase der Weltwirtschaft

Der tech­nol­o­gis­che Fortschritt, der uns In­for­ma­tio­nen in Sekun­den­schnelle rund um den Erdball schicken lässt, und die Glob­al­isierung, die ein Netz gegen­seit­iger Abhängigkeiten spinnt: Beide Phänomene sorgen für sinkende Kosten, doch zugleich erhöhen sie die Ver­wund­barkeit der Unternehmen, wie die Krise von 2009 gezeigt hat. In turbulenten Zeiten werden ganze Branchen in Mitlei­den­schaft gezogen, und die Zahl der ökonomischen Schocks nimmt zu – Chaos wird in Zukunft zum Nor­malzu­s­tand. Folgende Faktoren erhöhen das Gefahren­niveau:

  • Tech­nol­o­gis­cher Fortschritt: Die In­for­ma­tion­stech­nolo­gie ist die Grundlage der weltweiten Vernetzung. Das Internet hat die Gesetze des Handels verändert, Meinungen können in Sekun­den­schnelle aus­ge­tauscht werden. „Disruptive Tech­nolo­gien“ lösen vorhandene Tech­nolo­gien ab und rev­o­lu­tion­ieren so den Markt, wie z. B. die Dig­i­tal­fo­tografie, E-Books oder Musik­down­loads.
  • Der Aufstieg der Schwellenländer: Länder außerhalb der USA und Europas fordern die Vor­ma­cht­stel­lung ebendieser Mächte heraus. Staaten wie Brasilien, Russland, Indien, China und die Ölförderländer im Nahen Osten mausern sich von Außenseitern zu ern­stzunehmenden Kräften der Weltwirtschaft.
  • Hy­per­wet­tbe­werb: Wenn In­no­va­tio­nen ständig den Status quo neu definieren, ist für nachhaltige Wet­tbe­werb­svorteile kein Platz mehr. Unternehmen müssen ihre Wet­tbe­werb­spo­si­tion laufend neu aufbauen.
  • Staatsfonds: Dies sind staatliche In­vest­ment­fonds, die Billionen von Dollars verwalten. Sie sind unsagbar potent, zuweilen un­durch­sichtig und provozieren pro­tek­tion­is­tis­che Ver­hal­tensweisen in den westlichen Märkten.
„Wir behaupten, dass Turbulenzen, ja starke Turbulenzen mit dem daraus folgenden Chaos, allen Risiken und massiver Un­sicher­heit künftig der Nor­malzu­s­tand der Wirtschaft sind.“

Diese En­twick­lun­gen bringen nicht nur ein erhöhtes Risiko mit sich – also einschätzbare Un­sicher­heit –, sondern auch echte Un­sicher­heit, die sich nicht versichern lässt. Der Bericht Global Trends 2025: A Transformed World des National In­tel­li­gence Council zeichnet das Bild einer Welt voller Chaos und Gewalt. Die Un­sicher­heit könnte aufgrund der Verbreitung von Nuk­lear­waf­fen, der wachsenden Weltbevölkerung, des Kli­mawan­dels und der Zahl der politisch instabilen Länder zunehmen. Kon­junk­turzyklen sind kaum noch vorherse­hbar, und unter den Ver­brauch­ern macht sich Furcht breit.

„Wir plädieren nicht für kon­ser­v­a­tive Risikover­mei­dung, sondern für einen wachen, klugen Ansatz, der das Unternehmen vor den zerstörerischen Kräften der Turbulenz schützt und trotzdem mutig seine Interessen vorantreibt.“

Wenn nichts mehr prog­nos­tizier­bar ist, macht es keinen Sinn, eine Un­ternehmensstrate­gie für den Aufschwung und eine für den Abschwung in der Schublade zu haben. Denn das regelmäßige Auf und Ab der Märkte wird immer wieder durch un­vorherge­se­hene Turbulenzen gestört.

Sie können aber auch nicht einfach jedes Risiko vermeiden. Ihr Unternehmen braucht eine Strategie, um sein Überleben zu sichern. Diese muss Sie in die Lage versetzen, Turbulenzen und die damit verbundenen Ver­wund­barkeiten und Chancen rasch zu erkennen.

Falsche Reaktionen

Vermeiden Sie im Krisenfall diese häufigen Fehler:

  • Zuteilung der Ressourcen ohne Rücksicht auf Strategie und Kultur: Entschei­dun­gen in Krisen­zeiten müssen den gewandelten Kun­den­er­wartun­gen Rechnung tragen. Behalten Sie dabei die zentralen Werte Ihres Un­ternehmens im Auge.
  • Pauschale Kürzungen über alle Bereiche: Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip schwächen Ihr Unternehmen langfristig. Streichen Sie Jobs und Ressourcen punktgenau, und zwar so, dass sie beim nächsten Aufschwung immer noch Marktführer bleiben bzw. werden können.
  • Schnellschüsse: Fähige Mitarbeiter zu entlassen und das Forschungs­bud­get auszu­radieren, mag die Zahlungsfähigkeit kurzfristig erhöhen. Gründen Sie Ihre Entschei­dun­gen aber nicht nur auf dem Hier und Jetzt. Das zukünftige Wachstum muss immer gesichert bleiben.
  • Einschnitte bei Marketing, Branding und Pro­duk­ten­twick­lun­gen: Gerade in Krisen­zeiten ist Marketing von größter Bedeutung. Vermeiden Sie Einschnitte, sonst räumen Sie das Feld für Ihre Mitbewerber.
  • Falsche Preis­gestal­tung und Kun­denser­vice: Natürlich sollten Sie Ihren Kunden in der Krise die Kaufentschei­dung für Ihr Produkt durch Spezialange­bote erleichtern. Hüten Sie sich aber vor Preiss­chlachten! Überlegen Sie lieber, wie sich Ihr Angebot durch Zusat­zleis­tun­gen oder neue Produktgrößen aufwerten lässt. Kümmern Sie sich um jene Kunden, die nicht auf Schnäppchen aus sind, sondern für Fachwissen bezahlen.
  • Mangelnde Wertschätzung für Lieferanten und Ver­trieb­spart­ner: Wenn Sie in der Krise Ihre Geschäftspartner vergraulen, stehen Sie im Aufschwung plötzlich allein da. Bieten Sie Ihren Partnern Schulungen an, fragen Sie sie nach Vorschlägen zur Pro­duk­tverbesserung und konzen­tri­eren Sie sich auf wenige Lieferanten.

Das Chaotics-Mod­ell

Entschei­dun­gen, bei denen Sie nur auf ihr Bauchgefühl hören, sind in der Krise ebenso fehl am Platz wie der gewöhnliche Strate­gieansatz, wonach man mit Pla­nungsmod­ellen versucht, die Zukunft vorherzusagen. Sie brauchen stattdessen ein Frühwarnsystem für außeror­dentliche Chancen und Gefahren sowie eine Szenar­ien­pla­nung mit Vertei­di­gungs- und An­griff­sstrate­gien.

„Die In­for­ma­tion­stech­nolo­gie gehört zu den treibenden Faktoren der Glob­al­isierung, sie hat die weltweite Ver­flech­tung extrem beschle­u­nigt.“

Mit dem Frühwarnsystem lassen sich sowohl Warn­hin­weise erkennen als auch Schwach­stellen iden­ti­fizieren. Erziehen Sie Ihre Belegschaft zur Wachsamkeit – den meisten unliebsamen Überraschun­gen in den Unternehmen gingen nämlich Warnsignale voraus, doch wurden diese von den Ve­r­ant­wortlichen nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Fragen Sie sich, wo es im Unternehmen blinde Flecken gibt, ob Sie sich an anderen Branchen ein Beispiel nehmen können und welcher Ihrer Konkur­renten die Warnsignale wohl am besten wahrnimmt.

„Es gibt nicht eine Strategie für alle. Und genau deshalb sind generelle Kürzungen so unange­bracht.“

Befragen Sie als Geschäftsführer Ihre Führungskräfte und Fachleute sowie interne und externe Stakeholder zu deren Einschätzung der weiteren Entwicklung. Aus den Schlüssen, die Sie daraus ziehen, planen Sie Schlüssel­szenar­ien – mindestens je eines für den schlimmsten, den besten und den wahrschein­lich­sten Fall.

„Die Rezession erzwingt längst überfällige Veränderungen in den Abläufen.“

Achten Sie bei der Szenar­ien­pla­nung auf die An­wen­dungs­bere­iche und Analy­sezeit­punkte – schließlich haben sich die Gegeben­heiten in der Ver­gan­gen­heit rasant verändert. Ermitteln Sie Trends, Turbulenzen und chaotische Kräfte der Branche. Jedem Ihrer Szenarien ordnen Sie nun angemessene strate­gis­che Reaktionen zu. Danach beurteilen Sie sowohl die positiven als auch die negativen Seiten jedes Szenarios und gewichten sie nach deren Ein­trittswahrschein­lichkeit.

„Natürlich muss sich jedes Unternehmen, das für Kunden mit weniger Geld in der Tasche attraktiv bleiben will, sehr genau überlegen, welche Möglichkeiten infrage kommen und wie sich die entsprechen­den Maßnahmen auswirken würden.“

Bedenken Sie, dass weder Sie noch jemand anders die Zukunft vorhersagen kann. Wenn Sie also eine strate­gis­che Richtung wählen, dann mischen Sie Chancen und Risiken so, wie sie für Ihr Unternehmen und Ihren Risikoap­petit angemessen sind. Mit der gewählten Strategie sollten Sie auf ver­schieden­ste Vorfälle adäquat reagieren können.

„Ihre Kunden werden sich wahrschein­lich ändern, deswegen müssen auch Sie sich ändern.“

Die Chaotics-Man­age­ment-Ver­hal­tensweisen

  • Finanzen: Kürzen Sie Dividenden und verschieben Sie Aktienrückkäufe, Preisan­hebun­gen und einen eventuellen Börsengang. Lagern Sie IT-Di­en­stleis­tun­gen und alle nicht zum Kerngeschäft gehörenden Tätigkeiten aus. Versorgen Sie den Vorstand schneller mit In­for­ma­tio­nen, besuchen Sie Un­ternehmen­snieder­las­sun­gen häufiger und akquirieren Sie andere Firmen, wenn der Kaufpreis niedrig ist. Bleiben Sie Ihren verlässlichen Banken und Investoren treu, statt neue Fi­nanzierungspart­ner­schaften einzugehen.
  • Herstellung: Analysieren Sie die Kosten­struk­tur. Kürzen Sie die In­vesti­tio­nen für Kapazitätser­weiterun­gen, prüfen Sie die Ver­sandter­mine und die Lagerbestände. Lagern Sie das Logistik- und Liefer­ket­ten­man­age­ment aus. Bieten Sie funktionsübergreifende Schulungen und Boni für Produktivitätsgewinne an. Überstunden und der Lagerum­schlag müssen erhöht werden.
  • Einkauf: Nutzen Sie Größenvorteile, indem Sie sich auf einige wenige Lieferanten konzen­tri­eren. Beurteilen Sie die Lieferanten in puncto Qualität, Service, Pünktlichkeit und Preis­gestal­tung. Geschätzte Lieferanten erfahren nun eine bevorzugte Behandlung. Lassen Sie die Beziehung zu ihnen aber nicht zu kuschelig werden!
  • Personal: In der Krise sinkt die Ar­beitsmoral. Sie bietet aber auch eine Gelegenheit, sich von Problemfällen zu trennen. Sie sollten zwar weiterhin neue Mitarbeiter einstellen und sie schulen, für den Fall, dass die Konjunktur wieder anzieht. Doch sollten die Ein­stel­lungskri­te­rien strikter sein – immerhin ist es in der Krise leichter, bestens aus­ge­bildetes Personal zu finden. Kom­mu­nizieren Sie offen mit Ihren Mi­tar­beit­ern und geben Sie den Spitzen­tal­en­ten einen guten Grund zu bleiben. Mit Beförderungen sollte aber erst einmal abgewartet werden.
  • Marketing: Krisen­zeiten sind Zeiten für neue Geschäftsmodelle und Mar­ket­ingstrate­gien. Der Verkauf orientiert sich mehr denn je an genau definierten Zielgruppen. Doch Achtung, der Markt hat sich verändert: Verbraucher sind bestens informiert, greifen zu billigeren Hausmarken statt zu Marken­pro­duk­ten und kaufen im Internet. Für Ihr Unternehmen heißt das: Kosten senken und Ser­vi­cepakete schnüren. Ob Sie kleinere Portionen fürs gleiche Geld anbieten, die Preise senken, dem Produkt ein Extra hinzufügen oder bei der Qualität des Produktes sparen, müssen Sie in jedem Fall einzeln abwägen. Was tun die Wet­tbe­wer­ber? Konzen­tri­eren Sie sich auf Ihre Kernkunden und versuchen Sie, bessere Geschäfte mit ihnen zu machen. Das Augenmerk liegt auf Treueak­tio­nen, Kun­denkon­tak­ten und Ver­hand­lungs­geschick. Budgetieren Sie genügend Mittel für die Mark­t­forschung. Und gefährden Sie Ihre Pre­mi­um­marken nicht, indem Sie Ihre Produkte bzw. Di­en­stleis­tun­gen zu Dump­ing­preisen ver­schleud­ern. Nutzen Sie lieber die Gelegenheit, schwache Marken abzustoßen.

Chaotics-Man­age­ment im­ple­men­tieren

In fünf Schritten verankern Sie diese Chaotics-Man­age­ment-Ver­hal­tensweisen im Unternehmen:

  1. Stellen Sie sicher, dass Ihre aktuelle Geschäftsstrate­gie und Ihr Geschäftsmodell angemessen sind.
  2. Fragen Sie sich, ob Sie Ihre Strategie auch in chaotischen Zeiten umsetzen können.
  3. Analysieren Sie alle Un­ternehmens­bere­iche auf Veränderungs­be­darf.
  4. Im­ple­men­tieren Sie die Chaotics-Ver­hal­tensweisen.
  5. Bewerten Sie die Ver­hal­tensweise immer wieder neu und ändern Sie sie bei Bedarf.

Über die Autoren

Philip Kotler ist Professor an der Kellogg School of Management und gilt als Mar­ket­ing-Guru. Er erhielt die Ehren­dok­torwürde von zwölf US-Uni­ver­sitäten und schrieb über 30 Bücher, darunter Die 10 Todsünden im Marketing und das Stan­dard­w­erk Mar­ket­ing-Man­age­ment. John A. Caslione berät Unternehmen wie ExxonMobil, IBM oder General Electric in strate­gis­chen Fragen. Er ist pro­movierter Jurist und hat einen MBA.