Besser zu sein ist billiger
Sich abheben von der Konkurrenz. Anders sein. Dieses „Anders“ dem Kunden vermitteln – und so gewinnen. Das sagen alle, es muss also stimmen. Nur eine Frage beantwortet niemand: Wie geht das?
Um zu einer Antwort zu gelangen, ist es notwendig, kurz die Entwicklung der Märkte zu betrachten. Der Markt ist wie eine Amöbe, die sich bei Bedarf teilt. Zum Beispiel gibt es einen Markt für Computer. Ein paar Jahre später hat sich dieser Markt entwickelt und es gibt Spezialmärkte für PCs, für Laptops, für Workstations, für Notebooks, für Großrechner etc. Der Zuwachs an Anbietern ist dabei keineswegs auf Gebiete beschränkt, wo technische Fortschritte augenfällig sind. Zahnseide etwa kann kaum als innovatives Produkt gelten. Dennoch gibt es in den USA heute mehr als dreimal so viele Zahnseideprodukte wie noch in den frühen 1970er Jahren. Und die Kunden sind gezwungen, aus diesem (Über-)Angebot zu wählen. Sie brauchen Hilfe. Hier kommt das Marketing ins Spiel. Es gibt den Kunden – das ist zumindest das Versprechen – Informationen an die Hand, mit deren Hilfe sie die „richtige“ Wahl treffen können.
„Sich zu differenzieren heißt oft, gegen den Strom zu schwimmen.“
Es nützt nichts, wenn Unternehmen auf das „böse“, weil manipulative Marketing schimpfen. Auch ohne Werbung würden Firmen, die Fehler machen, vom Kunden abgestraft werden – es gibt einfach zu viele Alternativen auf dem Markt.
Die einzigartige Marke
Also muss es das Ziel von Unternehmen sein, sich – bzw. ihre Marke – als alternativlos zu etablieren. „USP“ lautet der Fachbegriff dafür, „Unique Selling Proposition“ oder „einzigartige Verkaufsversprechen“. Der Unterschied zu den anderen ist es, der die Marke ausmacht. Ohne diese Abgrenzung verschwindet die Marke – und damit meist auch das Unternehmen hinter der Marke.
„Wenn Sie Ihre Einzigartigkeit nicht pflegen, verlieren Sie schnell, was Sie von anderen unterscheidet.“
Menschen brauchen Marken, um sich in der Flut der Möglichkeiten mit gutem Gewissen zu entscheiden. Also ist es das Ziel des Marketings, dafür zu sorgen, dass der Griff des Käufers zum „richtigen“, d. h. gewünschten Produkt geht. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, darüber wird seit Jahrzehnten gestritten. Einiges allerdings gilt unwidersprochen: Nicht alle Kunden ticken gleich. Unterschiedliche Menschen können nur durch unterschiedliche Formen der Ansprache erreicht werden. Hingegen kann die USP eines jeden Produkts herausgearbeitet werden. Bei fast identischen Produkten kann das allerdings ziemlich schwierig werden.
„Es gibt nichts, das sich nicht als einzigartig positionieren ließe.“
Der leichteste Weg, um sich von den Wettbewerbern abzuheben, besteht darin, das eigene Produkt zu verbessern, aufzuwerten oder gar etwas Neues zu erfinden. Aber: Wenn dieser Weg von Erfolg gekrönt ist, werden es die anderen merken und das Erfolgsrezept zu kopieren versuchen.
Auf dem Weg zur erfolgreichen Differenzierung müssen Sie vor allem diese drei Fehler vermeiden:
- Auf Qualität setzen: Das tun alle anderen auch. Qualität und Kundenorientierung sind mittlerweile eine Selbstverständlichkeit.
- Auf Kundentreue schwören: Eine US-Umfrage ergab, dass 89 % aller Autofahrer behaupten, zufrieden mit ihrem Auto zu sein. 67 % sagten, sie würden der Marke treu bleiben. Nur 20 % blieben tatsächlich treu.
- An Kreativität glauben: Das führt zu nichts sagender Werbung, die niemandem erklärt, worum es überhaupt geht. Käufer wollen, so verblüffend das klingen mag, Information.
Preis, Qualität und Größe
Welche Informationen, lautet daher die Frage, brauchen die Kunden und welche verleiten sie zum Kauf?
„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, sein Produkt von dem seiner Wettbewerber abzuheben.“
In Zeiten des verschärften Preiskampfes scheint der Preis zur entscheidenden Information zu avancieren. Doch das wird auf Dauer nicht funktionieren. Differenzierende Einzigartigkeit wird über den Preis nicht erzeugt. Es wird etwas gekauft, weil es billig ist, nicht weil es das ist, was es ist. Preisvorteile differenzieren nur dann erfolgreich, wenn sie mit etwas anderem verbunden werden (etwa das unterhaltsame Personal bei Southwest Airlines). Sonderangebots- und Rabattaktionen sind übrigens komplett sinn- und zweckfrei. Sie binden keine neue Kunden.
„Die meisten Unternehmer haben keine Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen.“
Umgekehrt gilt: Was teurer ist, sollte auch besser sein und dies vermitteln. Qualität verleiht dem Besitzer Prestige.
Mehr ist nicht automatisch besser. Diese Lektion lernen die Supermärkte in den USA gerade. Jahrelang wuchsen sie in die Breite, erweiterten die Produktpalette, damit auch jeder alles finden konnte, was ihm in den Sinn kam. Bis die Kunden feststellten, dass sie sich davon überfordert fühlten. „Too much!“ Sie verabschiedeten sich von den Megastores und kehrten zurück zu den überschaubaren Supermärkten. Dort bekamen sie zwar nicht alles, aber fast alles, und das, wonach sie suchten, fanden sie wenigstens.
Der Weg zur erfolgreichen Differenzierung
Erfolgreiche Differenzierung beginnt mit Logik – nicht mit Kreativität. Was sich logisch als differenzierendes Element aufdrängt, sollte genutzt werden, um die Marke zu positionieren. So einfach ist das – und gerade deshalb bei den kreativen Köpfen so verhasst.
„Kundenzufriedenheit ist nicht dasselbe wie Kundentreue.“
Umgesetzt wird diese simple Erkenntnis in vier Schritten:
- Am Marktumfeld orientieren: Die Botschaft muss sinnvoll sein und auf offene Ohren treffen.
- Das entscheidende Differenzierungsmerkmal identifizieren: Es gilt, das Merkmal zu finden, dass anders ist als bei den anderen. Mit dem Produkt muss das nicht unbedingt etwas zu tun haben.
- Beweise liefern: Behaupten allein reicht nicht. Das Alleinstellungsmerkmal darf nichts Ausgedachtes sein.
- Die Differenzierung kommunizieren: Es setzt sich nicht automatisch durch, was besser ist. Es setzt sich durch, was als besser wahrgenommen wird. Hier ist mehr also wirklich mehr, auch wenn das Geld kostet.
„Es reicht nicht, seine Kunden zu kennen. Es kommt darauf an, dass die Kunden Ihr Unternehmen kennen und wissen, welche Vorteile es bietet.“
Wer als Erster mit einem neuen Produkt auf dem Markt ist, muss nicht lange nachdenken, worin der differenzierende Nutzen besteht: Der Pionier hat keine Konkurrenz. Zumindest für eine gewisse Zeit. Wer sich als Pionier auf dem Markt durchsetzt, wird allerdings möglichst auch seine Nachahmer in Schach halten. Der Walkman war nun mal von Sony, und alles andere waren Imitate.
„Der Preis erweist sich oft als kontraproduktiv für eine Differenzierung.“
Es liegt nahe, sich über eine besondere Eigenschaft des Produkts differenzieren zu wollen. Die Schwierigkeit dabei: Diese Eigenschaft, die sämtliche Konkurrenzprodukte nicht aufweisen, muss ausfindig gemacht werden. Je wichtiger diese Eigenschaft vom Kunden gewertet wird, desto besser.
Marktführer besitzen eine fast uneingeschränkte Glaubwürdigkeit – eben weil sie Marktführer sind. Wer also die Nummer 1 ist, kann nur einen Fehler machen: dieses Faktum unterschlagen. Von 25 führenden US-Marken des Jahres 1923 sind 21 noch immer die Nr. 1. Womit bewiesen wäre: Es ist leichter, die Pole Position zu verteidigen als sie zu erreichen. Die Menschen lieben – und kaufen – Sieger. Und sie neigen dazu, das zu kaufen, was die anderen auch kaufen. Stärke entsteht also nicht notwendigerweise über Produkte oder Service, sondern über die Wahrnehmung und Einschätzung der Kunden.
„Die Idee, mit deren Hilfe man sich vom Wettbewerb differenzieren will, muss einfach und möglichst anschaulich sein und immer und immer wieder in allen Medien auftauchen.“
Je länger Kunden eine Marke kennen, umso vorteilhafter für sie: Tradition ist ebenfalls ein differenzierender Vorteil. Die Herausforderung besteht darin, Tradition nicht als Kleben an der Vergangenheit zu verstehen, sondern als Kompetenz. Diese Kompetenz wird durch die Wandlungsfähigkeit der Marke demonstriert, die heute – versteht sich – topmodern ist.
„Wenn man einen Hit landet, sollten das auch alle mitbekommen.“
Spezialisten haben die Chance, ihre besondere Kompetenz zur Abgrenzung von der Konkurrenz zu nutzen. Das Problem dabei: Wer aus seiner Nische heraus expandiert, untergräbt zugleich sein Image.
Jedes neue Produkt hat etwas Besonderes, über das sich die Entwickler wahrscheinlich lange den Kopf zerbrochen haben. Werber neigen dazu, diese Novität zu ignorieren: zu technisch, zu kompliziert, zu wenig spannend. Sie haben es nicht begriffen: Es geht nicht darum, dass die Kunden diese Novität verstehen, sondern dass sie ihnen als „magische Komponente“ vermittelt wird.
„Seine Brötchen verdient man mit seiner Kernkompetenz.“
Niemand weiß, woraus das „Fluoristan“ in der Zahncreme Crest besteht oder was das Besondere an den „Trinitron“-Fernsehern von Sony ist. Aber es klingt beeindruckend. Wer etwas Neues auf den Markt bringt und keine „magische Komponente“ ins Feld führen kann, hat noch eine Alternative: Was neu ist, ist eben neu. Und damit, das muss gar nicht betont werden, auch besser. Wenn die Kunden das auch so sehen und zugreifen – wunderbar! Wieder ein differenzierender Nutzen.
In einer gefährlichen Welt
So weit, so gut. Aber was passiert, wenn die gewählte Differenzierungsmöglichkeit anschlägt und das Unternehmen wächst und gedeiht? Zwei Gefahren lauern auf wachsende Unternehmen: Entweder bauen sie an allen Ecken und Enden an und verlieren dabei so langsam den Überblick, oder sie sind so geblendet vom eigenen Erfolg, dass sie vergessen, die Ursache dafür – den entscheidenden Unterschied – zu pflegen, und so ihre Identität verlieren. Wer sich auf neue Geschäftsfelder begibt, verwässert notwendigerweise sein Profil. Diese Wahrheit gilt übrigens auch umgekehrt: Wer sich von Geschäftsfeldern trennt, kann dadurch sein Profil schärfen. Nokia stellt heute keine Gummistiefel mehr her.
„Produkte, die mehr können als sie müssen, verschwinden schnell wieder von der Bildfläche.“
Bei dieser Gelegenheit noch eine Warnung. Wir leben in Zeiten der Globalisierung, aber das bedeutet nicht, ein standardisiertes Produkt weltweit mit derselben Botschaft bewerben zu können. Ein simples Beispiel: Bier gilt in Westeuropa und den USA als Durstlöscher, in Australien ist es ein Männer-, im benachbarten Südostasien jedoch ein Frauengetränk. Dementsprechend unterschiedlich muss es beworben werden.
Solche Entscheidungen dürfen nicht der Marketing-Abteilung überlassen werden. Sie müssen Bestandteil der Strategie des Unternehmens sein. Dieses Faktum muss der Führungsriege nicht nur bewusst sein, sie muss es auch umsetzen. Aber genau das ist das Problem: Die meisten Manager wissen nicht, was sie tun und was sie lassen sollten. Deshalb zucken sie davor zurück, wirkliche Entscheidungen zu treffen, wenn es darum geht, die Weichen neu zu stellen. Schließlich haben sie auch an ihre eigene Karriere zu denken. Der Management-Vordenker Peter Drucker nennt das: „die Möglichkeiten von morgen am Altar von gestern opfern“. Geopfert wird damit häufig genug auch die Zukunft des Unternehmens. Aber keine Bange: Es stehen schon genügend andere bereit. Sie warten nur auf die Fehler der Konkurrenz und sind begierig darauf, ihre Chance zu nutzen.