Differenzierung im Hyperwettbewerb

Buch Differenzierung im Hyperwettbewerb

Der Schlüssel für das Überleben von Marken

mi-Wirtschaftsbuch,
Erstausgabe:2000
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Neu, besser und jetzt auch mit Jod-S11-Körnchen: Alle wollen sich abheben von der Konkurrenz, alle wollen die Kunden umgarnen, alle brauchen den Erfolg. Deshalb gibt es mit­tler­weile 1001 Ideen und Ansätze im Marketing, wie der Erfolg zu erzwingen sei. In diese Aufgeregth­eit hinein erheben Jack Trout, Steve Rifkin und Lorenz Wied ihre Stimme und bringen mit ihrer Absage an selb­stver­liebte Kreativität die Werber wieder auf den Teppich. Ihre Botschaft in diesem flott zu lesenden Buch ist so klar wie einsichtig: Damit Menschen etwas kaufen, müssen sie zuvor wissen, warum sie gerade dieses Produkt kaufen sollen. Einzi­gar­tigkeit muss erzeugt und vermittelt werden. Die Aufgabe der Werbung besteht darin, dafür zu sorgen, dass diese Botschaft beim Kunden ankommt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. BooksInShort empfiehlt dieses Buch nicht nur Mar­ket­ingspezial­is­ten und Werbern, sondern allen Managern, die sich Gedanken über den Umgang mit Marken machen.

Take-aways

  • Alle Unternehmen wollen ihre Produkte von der Konkurrenz abheben. Aber wie das geht, scheint niemand zu wissen
  • Dabei ist es im Kern ganz einfach: Es muss her­aus­gear­beitet werden, was ein bestimmtes Produkt einzigartig macht.
  • Jedes Produkt ist einzigartig. Deshalb lohnt sich der Aufwand, her­auszufinden, was genau es einzigartig macht.
  • Es gibt ver­schiedene Instrumente, um das entschei­dende Dif­feren­zierungsmerk­mal her­auszuar­beiten.
  • Am einfachsten funk­tion­iert es, wenn ein Produkt komplett neu, deutlich verbessert oder erkennbar aufgewertet ist.
  • Andere Dif­feren­zierungsansätze sind der Preis oder die Tradition.
  • Qualität ist übrigens kein Dif­feren­zierungsmerk­mal. Es ist die Vo­raus­set­zung, um überhaupt am Markt agieren zu dürfen.
  • Wenn das dif­feren­zierende Merkmal beim Kunden angekommen ist, gibt es nichts Schlimmeres, als diese Einzi­gar­tigkeit durch eine Marken­er­weiterung zu verwässern.
  • Schwieriger als das Dif­feren­zierungsmerk­mal her­auszuar­beiten ist es häufig, die Werber dazu zu bringen, dieses Merkmal den poten­ziellen Kunden zu vermitteln.
  • Vergessen Sie alle lustig-kreativen Werbe-Ideen: Wenn ein Produkt Erfolg haben soll, muss das Dif­feren­zierungsmerk­mal betont werden.
 

Zusammenfassung

Besser zu sein ist billiger

Sich abheben von der Konkurrenz. Anders sein. Dieses „Anders“ dem Kunden vermitteln – und so gewinnen. Das sagen alle, es muss also stimmen. Nur eine Frage beantwortet niemand: Wie geht das?

Um zu einer Antwort zu gelangen, ist es notwendig, kurz die Entwicklung der Märkte zu betrachten. Der Markt ist wie eine Amöbe, die sich bei Bedarf teilt. Zum Beispiel gibt es einen Markt für Computer. Ein paar Jahre später hat sich dieser Markt entwickelt und es gibt Spezialmärkte für PCs, für Laptops, für Work­sta­tions, für Notebooks, für Großrechner etc. Der Zuwachs an Anbietern ist dabei keineswegs auf Gebiete beschränkt, wo technische Fortschritte augenfällig sind. Zahnseide etwa kann kaum als innovatives Produkt gelten. Dennoch gibt es in den USA heute mehr als dreimal so viele Zahn­sei­de­pro­dukte wie noch in den frühen 1970er Jahren. Und die Kunden sind gezwungen, aus diesem (Über-)Angebot zu wählen. Sie brauchen Hilfe. Hier kommt das Marketing ins Spiel. Es gibt den Kunden – das ist zumindest das Versprechen – In­for­ma­tio­nen an die Hand, mit deren Hilfe sie die „richtige“ Wahl treffen können.

„Sich zu dif­feren­zieren heißt oft, gegen den Strom zu schwimmen.“

Es nützt nichts, wenn Unternehmen auf das „böse“, weil ma­nip­u­la­tive Marketing schimpfen. Auch ohne Werbung würden Firmen, die Fehler machen, vom Kunden abgestraft werden – es gibt einfach zu viele Al­ter­na­tiven auf dem Markt.

Die einzi­gar­tige Marke

Also muss es das Ziel von Unternehmen sein, sich – bzw. ihre Marke – als al­ter­na­tiv­los zu etablieren. „USP“ lautet der Fachbegriff dafür, „Unique Selling Proposition“ oder „einzi­gar­tige Verkaufsver­sprechen“. Der Unterschied zu den anderen ist es, der die Marke ausmacht. Ohne diese Abgrenzung ver­schwindet die Marke – und damit meist auch das Unternehmen hinter der Marke.

„Wenn Sie Ihre Einzi­gar­tigkeit nicht pflegen, verlieren Sie schnell, was Sie von anderen un­ter­schei­det.“

Menschen brauchen Marken, um sich in der Flut der Möglichkeiten mit gutem Gewissen zu entscheiden. Also ist es das Ziel des Marketings, dafür zu sorgen, dass der Griff des Käufers zum „richtigen“, d. h. gewünschten Produkt geht. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, darüber wird seit Jahrzehnten gestritten. Einiges allerdings gilt un­wider­sprochen: Nicht alle Kunden ticken gleich. Un­ter­schiedliche Menschen können nur durch un­ter­schiedliche Formen der Ansprache erreicht werden. Hingegen kann die USP eines jeden Produkts her­aus­gear­beitet werden. Bei fast identischen Produkten kann das allerdings ziemlich schwierig werden.

„Es gibt nichts, das sich nicht als einzigartig po­si­tion­ieren ließe.“

Der leichteste Weg, um sich von den Wet­tbe­wer­bern abzuheben, besteht darin, das eigene Produkt zu verbessern, aufzuwerten oder gar etwas Neues zu erfinden. Aber: Wenn dieser Weg von Erfolg gekrönt ist, werden es die anderen merken und das Er­fol­gsrezept zu kopieren versuchen.

Auf dem Weg zur er­fol­gre­ichen Dif­feren­zierung müssen Sie vor allem diese drei Fehler vermeiden:

  1. Auf Qualität setzen: Das tun alle anderen auch. Qualität und Kun­de­nori­en­tierung sind mit­tler­weile eine Selbstverständlichkeit.
  2. Auf Kundentreue schwören: Eine US-Umfrage ergab, dass 89 % aller Autofahrer behaupten, zufrieden mit ihrem Auto zu sein. 67 % sagten, sie würden der Marke treu bleiben. Nur 20 % blieben tatsächlich treu.
  3. An Kreativität glauben: Das führt zu nichts sagender Werbung, die niemandem erklärt, worum es überhaupt geht. Käufer wollen, so verblüffend das klingen mag, Information.

Preis, Qualität und Größe

Welche In­for­ma­tio­nen, lautet daher die Frage, brauchen die Kunden und welche verleiten sie zum Kauf?

„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, sein Produkt von dem seiner Wet­tbe­wer­ber abzuheben.“

In Zeiten des verschärften Preiskampfes scheint der Preis zur entschei­den­den Information zu avancieren. Doch das wird auf Dauer nicht funk­tion­ieren. Dif­feren­zierende Einzi­gar­tigkeit wird über den Preis nicht erzeugt. Es wird etwas gekauft, weil es billig ist, nicht weil es das ist, was es ist. Preisvorteile dif­feren­zieren nur dann erfolgreich, wenn sie mit etwas anderem verbunden werden (etwa das un­ter­halt­same Personal bei Southwest Airlines). Son­derange­bots- und Ra­bat­tak­tio­nen sind übrigens komplett sinn- und zweckfrei. Sie binden keine neue Kunden.

„Die meisten Unternehmer haben keine Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen.“

Umgekehrt gilt: Was teurer ist, sollte auch besser sein und dies vermitteln. Qualität verleiht dem Besitzer Prestige.

Mehr ist nicht automatisch besser. Diese Lektion lernen die Supermärkte in den USA gerade. Jahrelang wuchsen sie in die Breite, erweiterten die Pro­duk­t­palette, damit auch jeder alles finden konnte, was ihm in den Sinn kam. Bis die Kunden fest­stell­ten, dass sie sich davon überfordert fühlten. „Too much!“ Sie ve­r­ab­schiede­ten sich von den Megastores und kehrten zurück zu den überschaubaren Supermärkten. Dort bekamen sie zwar nicht alles, aber fast alles, und das, wonach sie suchten, fanden sie wenigstens.

Der Weg zur er­fol­gre­ichen Dif­feren­zierung

Er­fol­gre­iche Dif­feren­zierung beginnt mit Logik – nicht mit Kreativität. Was sich logisch als dif­feren­zieren­des Element aufdrängt, sollte genutzt werden, um die Marke zu po­si­tion­ieren. So einfach ist das – und gerade deshalb bei den kreativen Köpfen so verhasst.

„Kun­den­zufrieden­heit ist nicht dasselbe wie Kundentreue.“

Umgesetzt wird diese simple Erkenntnis in vier Schritten:

  1. Am Marktumfeld orientieren: Die Botschaft muss sinnvoll sein und auf offene Ohren treffen.
  2. Das entschei­dende Dif­feren­zierungsmerk­mal iden­ti­fizieren: Es gilt, das Merkmal zu finden, dass anders ist als bei den anderen. Mit dem Produkt muss das nicht unbedingt etwas zu tun haben.
  3. Beweise liefern: Behaupten allein reicht nicht. Das Alle­in­stel­lungsmerk­mal darf nichts Aus­gedachtes sein.
  4. Die Dif­feren­zierung kom­mu­nizieren: Es setzt sich nicht automatisch durch, was besser ist. Es setzt sich durch, was als besser wahrgenom­men wird. Hier ist mehr also wirklich mehr, auch wenn das Geld kostet.
„Es reicht nicht, seine Kunden zu kennen. Es kommt darauf an, dass die Kunden Ihr Unternehmen kennen und wissen, welche Vorteile es bietet.“

Wer als Erster mit einem neuen Produkt auf dem Markt ist, muss nicht lange nachdenken, worin der dif­feren­zierende Nutzen besteht: Der Pionier hat keine Konkurrenz. Zumindest für eine gewisse Zeit. Wer sich als Pionier auf dem Markt durchsetzt, wird allerdings möglichst auch seine Nachahmer in Schach halten. Der Walkman war nun mal von Sony, und alles andere waren Imitate.

„Der Preis erweist sich oft als kon­trapro­duk­tiv für eine Dif­feren­zierung.“

Es liegt nahe, sich über eine besondere Eigenschaft des Produkts dif­feren­zieren zu wollen. Die Schwierigkeit dabei: Diese Eigenschaft, die sämtliche Konkur­ren­zpro­dukte nicht aufweisen, muss ausfindig gemacht werden. Je wichtiger diese Eigenschaft vom Kunden gewertet wird, desto besser.

Marktführer besitzen eine fast uneingeschränkte Glaubwürdigkeit – eben weil sie Marktführer sind. Wer also die Nummer 1 ist, kann nur einen Fehler machen: dieses Faktum un­ter­schla­gen. Von 25 führenden US-Marken des Jahres 1923 sind 21 noch immer die Nr. 1. Womit bewiesen wäre: Es ist leichter, die Pole Position zu verteidigen als sie zu erreichen. Die Menschen lieben – und kaufen – Sieger. Und sie neigen dazu, das zu kaufen, was die anderen auch kaufen. Stärke entsteht also nicht notwendi­ger­weise über Produkte oder Service, sondern über die Wahrnehmung und Einschätzung der Kunden.

„Die Idee, mit deren Hilfe man sich vom Wettbewerb dif­feren­zieren will, muss einfach und möglichst anschaulich sein und immer und immer wieder in allen Medien auftauchen.“

Je länger Kunden eine Marke kennen, umso vorteil­hafter für sie: Tradition ist ebenfalls ein dif­feren­zieren­der Vorteil. Die Her­aus­forderung besteht darin, Tradition nicht als Kleben an der Ver­gan­gen­heit zu verstehen, sondern als Kompetenz. Diese Kompetenz wird durch die Wandlungsfähigkeit der Marke demon­stri­ert, die heute – versteht sich – topmodern ist.

„Wenn man einen Hit landet, sollten das auch alle mitbekommen.“

Spezial­is­ten haben die Chance, ihre besondere Kompetenz zur Abgrenzung von der Konkurrenz zu nutzen. Das Problem dabei: Wer aus seiner Nische heraus expandiert, untergräbt zugleich sein Image.

Jedes neue Produkt hat etwas Besonderes, über das sich die Entwickler wahrschein­lich lange den Kopf zerbrochen haben. Werber neigen dazu, diese Novität zu ignorieren: zu technisch, zu kompliziert, zu wenig spannend. Sie haben es nicht begriffen: Es geht nicht darum, dass die Kunden diese Novität verstehen, sondern dass sie ihnen als „magische Komponente“ vermittelt wird.

„Seine Brötchen verdient man mit seiner Kernkom­pe­tenz.“

Niemand weiß, woraus das „Fluoristan“ in der Zahncreme Crest besteht oder was das Besondere an den „Trinitron“-Fernsehern von Sony ist. Aber es klingt beein­druck­end. Wer etwas Neues auf den Markt bringt und keine „magische Komponente“ ins Feld führen kann, hat noch eine Alternative: Was neu ist, ist eben neu. Und damit, das muss gar nicht betont werden, auch besser. Wenn die Kunden das auch so sehen und zugreifen – wunderbar! Wieder ein dif­feren­zieren­der Nutzen.

In einer gefährlichen Welt

So weit, so gut. Aber was passiert, wenn die gewählte Dif­feren­zierungsmöglichkeit anschlägt und das Unternehmen wächst und gedeiht? Zwei Gefahren lauern auf wachsende Unternehmen: Entweder bauen sie an allen Ecken und Enden an und verlieren dabei so langsam den Überblick, oder sie sind so geblendet vom eigenen Erfolg, dass sie vergessen, die Ursache dafür – den entschei­den­den Unterschied – zu pflegen, und so ihre Identität verlieren. Wer sich auf neue Geschäftsfelder begibt, verwässert notwendi­ger­weise sein Profil. Diese Wahrheit gilt übrigens auch umgekehrt: Wer sich von Geschäftsfeldern trennt, kann dadurch sein Profil schärfen. Nokia stellt heute keine Gum­mistiefel mehr her.

„Produkte, die mehr können als sie müssen, ver­schwinden schnell wieder von der Bildfläche.“

Bei dieser Gelegenheit noch eine Warnung. Wir leben in Zeiten der Glob­al­isierung, aber das bedeutet nicht, ein stan­dar­d­isiertes Produkt weltweit mit derselben Botschaft bewerben zu können. Ein simples Beispiel: Bier gilt in Westeuropa und den USA als Durstlöscher, in Australien ist es ein Männer-, im be­nach­barten Südostasien jedoch ein Frauengetränk. De­mentsprechend un­ter­schiedlich muss es beworben werden.

Solche Entschei­dun­gen dürfen nicht der Mar­ket­ing-Abteilung überlassen werden. Sie müssen Bestandteil der Strategie des Un­ternehmens sein. Dieses Faktum muss der Führungsriege nicht nur bewusst sein, sie muss es auch umsetzen. Aber genau das ist das Problem: Die meisten Manager wissen nicht, was sie tun und was sie lassen sollten. Deshalb zucken sie davor zurück, wirkliche Entschei­dun­gen zu treffen, wenn es darum geht, die Weichen neu zu stellen. Schließlich haben sie auch an ihre eigene Karriere zu denken. Der Man­age­ment-Vor­denker Peter Drucker nennt das: „die Möglichkeiten von morgen am Altar von gestern opfern“. Geopfert wird damit häufig genug auch die Zukunft des Un­ternehmens. Aber keine Bange: Es stehen schon genügend andere bereit. Sie warten nur auf die Fehler der Konkurrenz und sind begierig darauf, ihre Chance zu nutzen.

Über die Autoren

Jack Trout ist Präsident von Trout & Partners, einer renom­mierten Mar­ket­ingstrate­gie-Agen­tur der USA. Trout gilt als Pionier auf dem Gebiet der Mark­t­po­si­tion­ierung. Von ihm stammen u. a. die Werke Trout über Strategie, Der Mar­ket­ingkrieg und Die Macht des Einfachen. Co-Autor auch des let­zt­ge­nan­nten Buches war Steve Rivkin, ein bekannter Kom­mu­nika­tions­ber­ater. Lorenz Wied ist Berater, Trainer und Autor und arbeitet eng mit Jack Trout zusammen.