Das synchrone Produktionssystem

Buch Das synchrone Produktionssystem

Just-in-time für das ganze Unternehmen

Vahlen,


Rezension

Vergeudete Ressourcen, wuchernde Lager, Ausschuss und Ver­schwen­dung – gemäß den japanischen Meistern der schlanken und effizienten Produktion müssen Sie all das nicht hinnehmen. Hitoshi Takeda legt dar, wie diesen Problemen beizukommen ist. Er bietet einen vielfältigen, teils de­tail­lierten Überblick über die Säulen einer synchronen Produktion, bei der kostengünstige Mengen in Serie hergestellt werden. Schnell macht er klar, wie wenig hier Kompromisse erwünscht sind. Entweder ver­schreiben sich Unternehmen der neuen Richtung, oder sie werden früher oder später den heutigen Mark­tbe­din­gun­gen nicht mehr gerecht. Unter solchen Beschwörungs­formeln scheint jeder Schritt auf dem Weg zum synchronen Pro­duk­tion­ssys­tem noch be­deu­tungsvoller. Takeda schneidet alle wichtigen Themen an, eine vorherige Grund­ken­nt­nis der Lean-Pro­duc­tion-Be­griffe und -Philoso­phie schadet aber nicht. BooksInShort empfiehlt dieses Buch allen, die einen Neuanfang in den Werkshallen nicht scheuen.

Take-aways

  • Das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem fußt auf einer Man­age­ment­philoso­phie, die japanische Konzerne seit Jahrzehnten erfolgreich prak­tizieren.
  • Oberste Devise: Ver­schwen­dung erkennen und beseitigen.
  • Das gelingt nur mit sauberen, geordneten und perfekt instand gehaltenen Anlagen.
  • Im synchronen Pro­duk­tion­ssys­tem werden alle Stücke einzeln gefertigt, trans­portiert und weit­ergegeben.
  • Die Fließfertigung bedeutet einen konstanten Strom vom Vormaterial bis zum Fertigteil.
  • Nichts ist so schädlich wie Überpro­duk­tion. Losgrößen müssen ebenso wie die Umrüstzeiten minimiert werden.
  • Visuelle und akustische Anzeigen, Hin­weis­ge­ber und Markierun­gen spielen eine zentrale Rolle.
  • Für jeden Ar­beitss­chritt in der Pro­duk­tions­kette müssen Standards definiert werden.
  • Defekte Teile werden nicht einfach aus­ge­tauscht, sondern es wird nach den Ursachen einer Störung geforscht.
  • So wird aus dem ver­schwen­derischen Push-System ein effizientes Pull-System.
 

Zusammenfassung

Ver­schwen­dung erkennen – und beseitigen

Das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem folgt der Just-in-time-Philoso­phie: Alle benötigten Teile werden in notwendiger Stückzahl hergestellt und weit­ergegeben. Nichts wird ver­schwen­det, nichts irgendwo zwis­chen­ge­lagert. Wer sich auf dieses System einlässt, muss daher alle Geschäftsprozesse überdenken und neu or­gan­isieren. Der Lohn: die Weltspitze der eigenen Branche – nach drei bis fünf Jahren, bei Konzernen spätestens nach acht Jahren. Keineswegs ist das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem nur für pro­duzierende Unternehmen geeignet. Es lässt sich in allen Branchen anwenden, denn auch Di­en­stleis­ter – etwa Stadtver­wal­tun­gen oder Krankenhäuser – verfügen über Pro­duk­tion­ssys­teme, und diese ähneln sich viel stärker als oft gedacht.

„Das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem ist eine Strategie zur vollständigen Reform der Un­ternehmen­skon­sti­tu­tion.“

Die Grun­dan­nah­men des synchronen Pro­duk­tion­ssys­tems haben die Man­age­ment­philoso­phie der Nachkriegszeit über den Haufen geworfen. Toyota und andere japanische Unternehmen zeigen seit den 80er-Jahren, wie es gelingt, Ver­schwen­dung zu erkennen, überflüssige Kosten zu eliminieren, Durch­laufzeiten zu verkürzen und so den Gewinn zu erhöhen. Die Produktion ist der Dreh- und Angelpunkt, um auch Entwicklung, Einkauf und Vertrieb zu optimieren. Das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem

  • reduziert die Durch­laufzeiten,
  • sorgt für mehr Qualität durch reduzierte Ausschuss- und Nachar­beit­squote und
  • erhöht die Produktivität jedes einzelnen Mi­tar­beit­ers.

„6 S“ und die geglättete Produktion

Seiri, Seiton, Seisô, Seiketsu, Shitsuke und Shûkan – wer diese sechs „S“ umsetzt, hat bereits viel auf den Weg gebracht, um das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem einzuführen. Gestalten Sie die Ar­beit­sprozesse im Sinne der „6 S“ und Sie erhöhen Qualität, Sicherheit und Produktivität. Eine gute Produktion ist immer ordentlich und sauber und dient als Schaufen­ster für das gesamte Unternehmen. Alles beginnt mit

  • Seiri, dem Aus­sortieren: Je mehr überflüssige Teile sich an der Linie befinden, desto mehr überflüssige Arbeit geschieht.
  • Seiton, das Aufräumen, folgt direkt im Anschluss: Alle Mitarbeiter brauchen einen klaren Überblick.
  • Seisô, das Reinigen, ist der nächste Schritt, denn Prüfen ist gleich Reinigen. Wer bis in die letzten Ecken putzt, entdeckt auch kleinste Mängel und Störungen.
„Alle bisherigen Geschäftsprozesse müssen komplett neu bewertet und einem umfassenden Par­a­dig­men­wech­sel unterworfen werden.“

Sind diese drei „S“ umgesetzt, geht es an

  • Seiketsu, die Erhaltung des geordneten und sauberen Status. Es braucht frische und aufgeräumte Linien. Erhalten wird dieser Zustand durch
  • Shitsuke, die nötige Disziplin. Sie wird von den Arbeitern getragen, muss aber vom Meister eingeführt und koordiniert werden.
  • Shûkan, Gewöhnung, ist erreicht, wenn es allen Mi­tar­beit­ern zur Gewohnheit geworden ist, ihre Aufgaben richtig und exakt durchzuführen.
„Eine beträchtliche Verkürzung der Durch­laufzeiten hat oberste Priorität.“

Am ef­fizien­testen produziert, wer jeden Tag die gleiche Stückzahl an Gütern herstellt. Aus dieser idealen Zahl lässt sich eine Taktzeit ableiten. Sie misst, wie viel Arbeitszeit pro Stück benötigt wird. Will man 10 000 Stück im Monat erzeugen, ergibt sich bei 20 Ar­beit­sta­gen zu je 480 Minuten Arbeitszeit eine Taktzeit von 0,96 Minuten. Wer die angestrebte Taktzeit erreicht, verfügt über eine geglättete Produktion und erreicht damit den Ide­alzu­s­tand für das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem. Denn die geglättete Produktion optimiert die Lagerbestände – und nichts ist schädlicher für das synchrone Pro­duk­tion­ssys­tem als unnötige Lager.

„In einem guten Unternehmen sind mit Sicherheit auch Ordnung und Sauberkeit auf einem hohen Niveau.“

Die Vorstufe der geglätteten Produktion ist die nivellierte Produktion. Hier wird noch nicht die Taktzeit, aber die nötige Tagesteil­menge an erzeugten Produkten erreicht. Um die für die Niv­el­lierung nötigen Umrüstzeiten zu minimieren, bedarf es eines großen Per­son­alein­satzes. Diese Überstunden werden auf lange Sicht aber wieder aus­geglichen. Wer die geglättete Produktion erreicht, reduziert die Her­stel­lungskosten und kann zugleich optimal auf in­di­vidu­elle Kundenwünsche eingehen.

Einzelstückfluss: die magische Ziffer 1

Die magische Ziffer des synchronen Pro­duk­tion­ssys­tems ist die 1 – jedes Stück wird einzeln gefertigt, einzeln trans­portiert und einzeln weit­ergegeben. Dafür müssen die Anlagen so konstruiert werden, dass sie nur Einzelstückfluss zulassen. Statt Losgrößen bestimmter Teile in möglichst hoher Zahl auf Halde zu produzieren, entstehen so in der Fließfertigung Schritt für Schritt fertige Produkte. Der Weg zum synchronen Pro­duk­tion­ssys­tem führt über den Aufbau einer Fließfertigung. Vom Vormaterial bis zum fertigen Produkt muss ein kon­tinuier­licher Fluss herrschen.

„Das Lager ist die Wurzel allen Übels.“

Herkömmliche Pro­duk­tions­be­triebe erleben oft Überschwem­mungen, ohne dass es unmittelbar bemerkt wird: Die Bear­beitungssta­tio­nen liegen ungünstig zueinander, der Pro­duk­tions­fluss ist in­trans­par­ent. Bilden Sie U-Linien: Stellen Sie Maschinen in der Reihenfolge der Arbeitsgänge, aber gegen den Uhrzeigersinn auf – das kommt Rechtshändern entgeg. Prüfen Sie die Durch­laufzeiten in Ihrem Werk. Kurze Durch­laufzeiten ermöglichen es, Märkte zielsicher zu bedienen.

„Unternehmen müssen es schaffen, die benötigten Teile in notwendiger Stückzahl zum geforderten Zeitpunkt in Fließfertigung zu erzeugen.“

Menschliche und maschinelle Arbeit müssen unter allen Umständen voneinander getrennt werden. Alle Beteiligten müssen über die gleiche In­for­ma­tions­ba­sis verfügen. Dafür braucht es ein visuelles Management: optische und akustische Warnsignale in der Produktion, die Arbeiter betätigen und in deren Folge die Meister die Linie anhalten.

Öfter mal umrüsten

Das größte aller Ver­schwen­dungsübel ist dasjenige aufgrund von Überpro­duk­tion, und die wiederum ist gle­ichbe­deu­tend mit Produktion in großen Fer­ti­gungs­men­gen. Sollen die sogenannten Losgrößen schrumpfen, müssen wiederum die Umrüstzeiten verkürzt werden. Das betrifft vor allem die Umrüstvorgänge, bei denen die Pro­duk­tion­slinie angehalten werden muss. Zeit gespart werden kann auch über die Pro­duk­tion­slinie hinaus, nämlich beim Transport zwischen den Linien, der Logistik. Versierte Logistiker manövrieren zwischen Lager und Mon­tagelinie und zwischen den Arbeitsplätzen. Diese Aufgabe können nur fähige Arbeiter erfüllen, die möglichst flexibel auf Veränderungen reagieren können.

„Das wichtigste Ziel des visuellen Managements besteht darin, vor Ort erkennbar zu machen, ob die Situation normal oder gestört ist.“

Kennze­ich­nun­gen werden oft unterschätzt. Doch sie sind wichtig, hauchen sie doch Normen und Standards erst Leben ein. Erstellen Sie ein genaues Handbuch der Adressen, Behälter, Ver­pack­ungsarten. Besonders wichtig in diesem Zusam­men­hang sind zwei Aspekte: Erstens ist der Aus­liefer­ungsplatz kein Aus­liefer­ungslager, denn es gibt kein Lager mehr. LKW werden möglichst direkt am Aus­liefer­ungsplatz beladen, das Aufhäufen fertig montierter Teile fällt weg. Zweitens müssen alle Mitarbeiter den Unterschied zwischen Warenhäusern und Stellflächen begriffen haben: Warenhäuser stellen Teile übersichtlich aus­geschildert bereit und fungieren damit als wichtiger Teil des In­for­ma­tion­s­man­age­ments im synchronen Pro­duk­tion­ssys­tem. In Stellflächen dagegen lagern Teile, die im nachge­lagerten Prozess nicht benötigt werden.

Produktion ohne Spielraum

Ein synchrones Pro­duk­tion­ssys­tem entspricht genau den Bedürfnissen des Marktes. Der Markt – besser gesagt: der Kunde – bestimmt deshalb die Taktzeit der Produktion. Diese Taktzeit erhält man, indem man die Tage­sar­beit­szeit durch die benötigte Tagesstückzahl teilt. Die Produktion verläuft am besten als leichtes Nachziehen hinter der Taktzeit. Keinesfalls darf zu schnell produziert werden. Synchrone Produktion bedeutet immer Produktion ohne Spielraum. Folgt auf das Ende der Produktion des einen Produkts der Beginn für die Herstellung des nächsten, teilt sich also die gesamte Arbeitszeit gemäß der Taktzeit ein, werden die wahren Engpässe in der Produktion sichtbar und können behoben werden. Jedes einzelne Teil muss in der jeweiligen Bear­beitungssta­tion in der Taktzeit gefertigt werden. Hier hilft der „Schrittmacher“: mittels Leuch­tanzeigen, Markierun­gen oder Anzeigetafeln für Pro­duk­tionskenn­zahlen wird sichtbar gemacht, ob der Takt stimmt.

„Der Markt gibt die Taktzeit für die Produktion vor.“

Oberstes Ziel ist, Ver­schwen­dung auszulöschen. Das Stück­zahlen­man­age­ment hilft dabei, es erfasst die Her­stel­lungskosten und senkt diese. Dazu braucht es:

  • die grafische Darstellung des Fak­ten­stands als Diskus­sion­s­grund­lage für das Team,
  • eine kom­pro­miss­lose Einhaltung der Lieferzeiten und
  • eine Stück­zahlen­man­age­ment­grafik, in der die Pro­duk­tion­sstückzahlen stündlich neu und aktuell eingetragen werden.

Standards sorgen für Qualität

Ohne stan­dar­d­isierte Arbeit gibt es kein synchrones Pro­duk­tion­ssys­tem. Für jeden Ar­beitss­chritt, für jeden Be­we­gungsablauf in der Pro­duk­tions­kette müssen Standards geschaffen werden – und zwar immer mit dem Ziel, Be­we­gungsabläufe zu syn­chro­nisieren und Arbeitsabläufe zu verbessern. Die Taktzeit ist bereits das erste Element der stan­dar­d­isierten Arbeit, das zweite Element ist die Be­we­gungsab­folge in Montage und Bearbeitung. Das dritte ein stan­dar­d­isierter und möglichst kleiner Puffer zwischen den einzelnen Stationen.

„Die Produkte sind der Extrakt der Gesamtkon­sti­tu­tion des Un­ternehmens.“

Wie finden Sie nun hierfür Standards? Alle Schritte an jeder Anlage erfassen Sie in einem Grundmuster. Darauf aufbauend gestalten Sie ein Ar­beitsverteilungs­blatt, welches die Ar­beitssi­t­u­a­tion auf einen Blick darstellt. Gle­ichzeitig hält ein Stan­dar­d­ar­beit­splatz die Standards des Meisters für eine Linie fest. In der Ar­beit­san­leitung legt der Meister schließlich exakt dar, wie die stan­dar­d­isierte Arbeit zu erfolgen hat.

„Wir selbst sind es, die die Anlagen zu dem gemacht haben, was sie sind. Anlagen lügen nicht.“

Mangelnde Qualität hat mit mangelnder Vi­su­al­isierung zu tun. Nur wenn jedes un­zure­ichende Teil erkennbar wird, wenn jede Kennzahl, die auf den roten Bereich zusteuert, sichtbar ist, wird Ihre Produktion höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Und nur eine hochqual­i­ta­tive Produktion kann hochqual­i­ta­tive Produkte herstellen. Erkennen Sie Ihre Produkte als Extrakt der Gesamtver­fas­sung Ihres Un­ternehmens. Besser als von Pro­duk­tqualität zu sprechen, ist es also, von Pro­duk­tion­squalität zu sprechen. Dazu müssen die Arbeiter jedes Prozesses bereits den nachge­lagerten Prozess als Kunden sehen – ein Kunde, dem kein man­gel­haftes Produkt geliefert werden darf.

Von Push zu Pull

Wie das Produkt ist auch der Zustand der Anlagen ein Spiegelbild Ihres Un­ternehmens. Wartung heißt nicht einfach nur, auf die Anlagen zu achten, sondern absolute Verfügbarkeit zu jedem Zeitpunkt gewährleisten. Das beginnt mit der Reinigung. Eine Reinigung bedeutet immer auch Prüfung und ist bereits gle­ichzuset­zen mit dem Beheben von Störungen. Tauchen Defekte in einem herkömmlichen Pro­duk­tion­ssys­tem auf, wird das defekte Teil gefunden und aus­ge­tauscht. Im synchronen Pro­duk­tion­ssys­tem genügt das nicht. Hier wird die Ursache ermittelt, die hinter der Störung steckt, damit die Störung nicht wieder auftritt. Nichts anderes ist echtes In­stand­set­zen. Hier kommt Kanban zum Einsatz. Kanban ist eigentlich nur ein Stück Papier mit der Auskunft, was in welcher Form und Stückzahl herange­zo­gen werden soll. Alles in allem ist dieses Werkzeug aber eine Revolution der Produktion. Denn Kanban ersetzt das herkömmliche, ver­schwen­derische Push-System und verwandelt es in eine nachfüllende Produktion, ein Pull-System.

„Kanban ist ein Werkzeug zur Reduzierung der Her­stel­lungskosten.“

Im Push-System schieben sich die Teile vom vor- in den nachge­lagerten Prozess. Die gesamte Produktion fußt also auf Planung und Erwartung. Das Kan­ban­sys­tem dagegen minimiert die Umlaufbestände. Der nachge­lagerte Prozess holt sich aktiv die Teile, die er benötigt, in der geforderten Stückzahl und just in time. Ein solches System rev­o­lu­tion­iert die gesamte Pro­duk­tion­sweise, weil es nur in einer Fließfertigung mit kleinen Losgrößen und geglätteter Produktion funk­tion­ieren kann.

Über den Autor

Hitoshi Takeda gründete nach fast 20 Jahren als Manager in der Au­toin­dus­trie 1990 die SPS Management Consultants. Er berät unter anderem große deutsche In­dus­trie­un­ternehmen rund um seinen Schwerpunkt in­tel­li­gente Au­toma­tisierungssys­teme.