Buyology

Buch Buyology

Warum wir kaufen, was wir kaufen

Campus,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Unzählige Pro­duk­t­flops legen Zeugnis ab von den Grenzen der herkömmlichen Mark­t­forschung. Viel nützlichere Erken­nt­nisse liefern Gehirnscans, behauptet Mar­ket­ing-Guru Martin Lindstrom. Lindstrom hat eine um­fan­gre­iche in­ter­na­tionale Studie über die Wirksamkeit des Neu­ro­mar­ket­ings initiiert und präsentiert in diesem Buch die Resultate. Wie Gehirnscans funk­tion­ieren, wie man sie analysiert und in kluges Marketing umsetzt, wird allgemein verständlich dargelegt. Dazu kommt eine Menge konkreter Tipps, von denen sich viele auch ohne die beschriebe­nen, teuren Gerätschaften nutzen lassen. Zum Glück, denn welcher Mar­ket­ingchef hat schon einen Mag­ne­tres­o­nanz­to­mo­grafen im Büro stehen? Störend ist, dass Martin Lindstrom nicht gerade sparsam mit Eigenlob ist. Aber, das muss man ihm zugestehen: Seine Erken­nt­nisse weisen Marketing und Pro­duk­ten­twick­lung einen neuen Weg. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Marketing-, Werbe- und Pro­duk­t­man­agern, die die herkömmlichen Lehren bereits auswendig können.

Take-aways

  • Die bisherige Mark­t­forschung bildet die Gefühle der Verbraucher un­zure­ichend ab.
  • Bei der bisher um­fan­gre­ich­sten Neu­ro­mar­ket­ing-Studie wurde den Ver­brauch­ern mit neuester Technik direkt ins Gehirn geschaut.
  • Befragungen und Gehirnscans ergeben oft sehr un­ter­schiedliche Ergebnisse.
  • Statt die Lust aufs Rauchen zu drosseln, stimulieren die Warn­hin­weise auf den Zi­garet­ten­schachteln das Suchtzen­trum im Gehirn.
  • Pro­duk­t­platzierun­gen sind nur dann wirksam, wenn sie in die Handlung des Films oder der TV-Sendung eingebunden werden.
  • Spiegel­neu­ro­nen bee­in­flussen die Kaufentschei­dun­gen: Wie die Frau oder der Typ auf dem Plakat wollen Sie auch aussehen.
  • Un­ter­schwellige Botschaften stimulieren das Gehirn stärker als Logos.
  • Produkte sind dann besonders erfolgreich, wenn um sie herum eine quasi-re­ligiöse Welt aufgebaut wird, beispiel­sweise mit Ritualen.
  • Das Gehirn speichert Erlebnisse und damit verbundene Gefühle als „somatische Marker“, die Kaufentschei­dun­gen bee­in­flussen.
  • Nicht Sex sells, sondern die Kontroverse, die um provokante Werbung entsteht.
 

Zusammenfassung

Die bisher größte Neu­ro­mar­ket­ing-Studie

Dass sich die herkömmliche Mark­t­forschung ziemlich oft irrt, beweisen die zahlreichen Flops bei der Entwicklung neuer Produkte. Das Problem: Die Mark­t­forschung bildet nicht das ab, was die Verbraucher wirklich denken und fühlen. Nun tritt das Neu­ro­mar­ket­ing auf den Plan – mit dem Potenzial, eine Revolution anzuzetteln. Den Beweis dafür liefert eine Studie, die an Umfang ihres­gle­ichen sucht und die zeigt, was im Kopf der Konsumenten vorgeht, wenn sie Werbung oder ein Produkt sehen. Dazu wurden die derzeit besten Apparate für Gehirnscans genutzt: ein Mag­ne­tres­o­nanz­to­mo­graf (MRT) und ein Elek­troen­zephalo­graf für die so genannte Steady-State-Topog­ra­phy (SST), bei der Gehirn­wellen in Echtzeit aufgenommen werden.

Der Mensch handelt nicht rational

Der MRT misst die mag­netis­chen Eigen­schaften von Hämoglobin, das den Sauerstoff im Blut trans­portiert. Die Forscher können damit ermitteln, wie viel sauer­stof­fre­iches Blut durch das Gehirn strömt. Strengt sich eine Gehirn­re­gion besonders an, benötigt sie auch besonders viel Blut. Damit lässt sich feststellen, welche Gehirnareale gerade aktiv sind. Die Studie begann 2004, dauerte fast drei Jahre und verschlang ca. sieben Millionen Dollar. Tausende von Probanden, 200 Forscher, zehn Professoren, Ärzte und eine Ethikkom­mis­sion wurden eingebunden.

„Neu­ro­mar­ket­ing ist ein einfaches Instrument, das zu ergründen hilft, was Verbraucher denken, wenn sie einem Produkt oder einer Marke begegnen, und das uns mitunter auch hilft, die hinterhältigen Methoden zu erkennen, die Mar­ket­ingleute zu unserer Verführung benutzen, ohne dass wir es merken.“

Durch die Befragung und einen anschließenden Gehirnscan von Rauchern stellte das Forscherteam fest, dass der Mensch keineswegs so rational handelt, wie er denkt. Denn trotz großer Hinweise auf den Zi­garet­ten­schachteln, dass Rauchen Krebs und andere Krankheiten verursacht, sinkt die weltweite Zahl der Raucher nicht. Auf die Frage, ob die Warnungen abschrecken würden, antworteten die meisten Probanden mit Ja. Der Gehirnscan zeigte jedoch etwas anderes: Die Warnungen aktivierten das Suchtzen­trum im Gehirn. Verspürt der Mensch Verlangen nach etwas, wie Alkohol oder Nikotin, wird dieses Areal von Blut durchströmt. Ist das Suchtzen­trum einmal stimuliert, will es befriedigt werden. In diesem Fall verlangte der Körper nach Nikotin. Das Geld für die Anti-Raucherkam­pag­nen ist also vollkommen fehlin­vestiert.

Pro­duk­t­platzierun­gen müssen integriert sein

Unternehmen geben horrende Summen für das Sponsoring aus, beispiel­sweise von Fernsehsendun­gen. American Idol etwa hat drei Haupt­spon­soren: Cingular Wireless, Ford Motor Company und Coca-Cola. Jedes dieser Unternehmen zahlt schätzungsweise mehr als 26 Millionen Dollar dafür und wird in un­ter­schiedlicher Weise in die Sendung eingebunden. Coca-Cola ist am häufigsten präsent, als Getränk für die Juroren, mit Stühlen und Sofas, die Cola-Flaschen nachge­bildet sind, oder durch Coca-Cola-rote Wände im Vorsingraum. Wer anruft und abstimmen will, kann dies nur von einem Cin­gu­lar-Wire­less-Handy aus tun. Zudem bietet das Unternehmen Live-Mitschnitte als Klingelton an. Ford hingegen ist nicht direkt in die Sendung eingebunden und zeigt sich nur in 30-Sekun­den-Spots.

„Ob es Ihnen gefällt oder nicht, wir alle verhalten uns laufend auf eine Weise, für die es keine eindeutige oder logische Erklärung gibt.“

Laut SST erinnerten sich die Probanden besser an Coca-Cola als an Cingular. Für Ford sah es ganz schlecht aus: Die Probanden konnten nach der Sendung sogar weniger mit dem Markennamen verbinden als davor. Die Coca-Cola-Wer­bung hat Ford einfach aus der Erinnerung verdrängt. Mit dem Einsatz von 26 Millionen Dollar verlor das Unternehmen also noch Mark­tan­teile. Fazit: Pro­duk­t­platzierun­gen sind nur dann wirkungsvoll, wenn sie in die jeweilige Handlung integriert werden, wie es bei Coca-Cola und Cingular der Fall war.

Das will ich auch!

Bei einer Un­ter­suchung von Makaken, einer Affenart, bei der ein ital­ienis­ches Forscherteam her­aus­finden wollte, wie das Gehirn die Motorik steuert, wurden die Spiegel­neu­ro­nen entdeckt. Diese Neuronen werden aktiv, wenn ein Makake bei einem anderen eine Handlung mit einem Objekt beobachtet, und wecken in ihm das Bedürfnis, die Handlung ebenfalls auszuführen. MRT und SST haben gezeigt, dass auch beim Menschen solche Spiegel­neu­ro­nen aktiv sind, wenn er eine Handlung beobachtet. Aus diesem Grund steigen auch Ihnen die Tränen in die Augen, wenn ein armes Mädchen im Film weint. Und: Dank der Spiegel­neu­ro­nen ahmen wir andere Menschen nach. Zum Teil sind sie dafür ve­r­ant­wortlich, dass wir etwas kaufen. Ein Fotomodell in einer Zeitschrift oder auf einem Plakat weckt beim Betrachter das Gefühl, genauso aussehen und wirken zu wollen. Verstärkt wird die kaufauslösende Wirkung durch das Dopamin, eine suchterzeu­gende Substanz, die das Gehirn im Moment des Kaufens ausschüttet.

Logos müssen nicht sein

Eine weitere Erkenntnis der Gehirn­scan-Stu­dien besagt, dass un­ter­schwellige Botschaften wirkungsvoller als Logos sind. Nicht grundlos werden sie von den Zi­garet­ten­her­stellern seit dem Verbot der Tabak­wer­bung im großen Stil genutzt. Statt das Marl­boro-Logo zu verwenden, werden beispiel­sweise Bars im typischen Marl­boro-Rot aus­ges­tat­tet, mit Fliesen, die Teilen des Logos nachemp­fun­den sind. Der Verbraucher assoziiert mit solchen Farben oder typischen Bildern, wie dem eines Cowboys, sofort die Zi­garet­ten­marke und das von ihr propagierte Gefühl der Freiheit. Die Gehirnscans während der Neu­ro­mar­ket­ing-Studie zeigten eindeutig, dass Bilder eines gut aussehenden Cowboys oder eines leuchtend roten Ferraris sofort das Suchtzen­trum im Gehirn stimulieren. Besonders überraschend war, dass die logofreien Bilder stärker stim­ulierten als die Kombination Logos und Bilder auf Zi­garet­ten­schachteln. Das Gehirn ist bei un­ter­schwelli­gen Botschaften weniger wachsam als bei expliziter Werbung. Wenn wir wissen, dass wir es mit Zi­garet­ten­wer­bung zu tun haben, wissen wir auch, dass unsere Gesundheit gefährdet und Rauchen teuer ist. Wir nehmen uns in Acht und sind damit weniger empfänglich für die Werbung.

Rituale und Religion

Mitarbeiter der Imbisskette Subway belegen die Sandwichs immer in der gleichen Reihenfolge. Verbraucher mögen solche Rituale, weil sie etwas Vertrautes inmitten der heutigen Schnel­llebigkeit schaffen. Hinzu kommt bei vielen Ritualen das Zugehörigkeitsgefühl zu all den Menschen, die es ebenfalls pflegen.

„Produkte, die fester Bestandteil eines Pro­gram­min­halts sind, verstärken nicht nur die Erinnerung an das Produkt, sie verringern auch unsere Fähigkeit, uns an andere Marken zu erinnern.“

Rituale sind fester Bestandteil jeder Religion. Dass Marken, die wie eine Religion aufgebaut werden, stärker sind und besser im Gedächtnis haften bleiben als Marken, die nicht mit religiösen Elementen arbeiten, wurde in einer weiteren Gehirn­scan-Un­ter­suchung nachgewiesen. Dabei hat man die Probanden mit Kultmarken wie Apple, Guinness, Ferrari oder Harley Davidson sowie mit religiösen Bildern kon­fron­tiert. Im Vergleich dazu wurden auch emotional schwache Marken wie Microsoft oder BP gezeigt. Ein Ergebnis der Un­ter­suchung war, dass das Gehirn beim Anblick starker Marken viel stärker aktiviert wird als beim Anblick schwacher Marken. Zudem aktivieren starke Marken die gleichen Gehirn­re­gio­nen wie religiöse Bilder – und dies in gleicher Intensität.

Somatische Marker

Sie kaufen Min­er­al­wasser im Supermarkt und entscheiden sich beispiel­sweise für Perrier, weil die Marke für Klasse, Qualität, für Frankreich, gutes Essen und überhaupt für Leben­squalität steht. Dazu müssen Sie Perrier noch nicht einmal getrunken haben. Ihr Gehirn hat alle diese In­for­ma­tio­nen, vermittelt durch Werbung, gespeichert.

„Der Nachah­mungstrieb ist ein wesentlicher Erklärungsfaktor dafür, warum wir kaufen, was wir kaufen.“

Das Gehirn sammelt und archiviert im Lauf des Lebens unzählige Erlebnisse und Erfahrungen. So merkt es sich beispiel­sweise, dass die Berührung eines heißen Kochtopfes Schmerz verursacht. Selbst wenn die Brandblase auf dem Finger längst verheilt ist, bleibt der Zusam­men­hang zwischen Ereignis und Gefühl im Gehirn gespeichert. Dieses Phänomen wird somatischer Marker genannt. Und genau diese abge­spe­icherten Eindrücke sind es, die auch Kaufentschei­dun­gen bee­in­flussen.

Mul­ti­sen­sorik

Unternehmen bemühen sich bewusst darum, solche somatischen Marker im Gehirn der Konsumenten festzuset­zen. Dabei arbeiten sie mit Bildern, Gerüchen, Farben oder Tönen, die As­sozi­a­tio­nen zum Produkt wecken.

„Wer­be­fach­leute bemühen sich, wenn sie unsere Aufmerk­samkeit erregen wollen, um überraschende, ja schock­ierende As­sozi­a­tio­nen zwischen zwei ganz ver­schiede­nen Dingen.“

Der Toi­let­ten­pa­pier­her­steller Andrex beispiel­sweise warb mit einem jungen Labrador und erzielte damit größeren Absatz als Konkurrent Kleenex. Das Hundebaby weckt As­sozi­a­tio­nen zu jungen Familien und kleinen Kindern. Die Gehirn­scan-Ex­per­i­mente haben eindeutig bewiesen, dass Bilder und Gerüche oder Bilder und Töne in Kombination positiver aufgenommen werden, als wenn sie separat betrachtet, gehört oder gerochen werden. Auch die Erinnerung an eine Marke verstärkt sich in der Kombination von Bild und Ton. Entschei­dend ist dabei immer, dass es sich um einen positiven somatischen Marker handelt.

Gehirnscans für Pro­duk­ten­twick­lun­gen

Jahr für Jahr bringen Unternehmen weltweit neue Produkte auf den Markt. Ein Großteil davon floppt. Für viele Unternehmen ist das ein Rätsel, da sie im Vorfeld die Märkte sorgfältig analysiert und die Kunden befragt haben. So fragte die Ford Motor Company die amerikanis­chen Verbraucher nach ihren Wun­schmerk­malen für ein Auto. Diese Wünsche wurden dann im „amerikanis­chen Auto“ berücksichtigt – das aber leider niemand kaufen wollte. Die Erklärung liefert auch hier die Un­ter­suchung der Gehir­nak­tivitäten.

„Der Einzel­han­del der Zukunft? Er wird nach Honig­mel­o­nen, Zitro­nen­gras und Mandarinen duften.“

Bei einer Testreihe zeigte das Forscherteam den Probanden Fernsehsendun­gen. Wiederum un­ter­schieden sich die Be­fra­gungsergeb­nisse im Vorfeld von dem, was im Gehirn tatsächlich passierte. Während z. B. die geplante Sendung Quizmania bei der Befragung negativ bewertet wurde und kaum jemand sie sich ansehen wollte, zeigte das Gehirn beim Betrachten trotzdem starke Aktivitäten. Im Gegensatz dazu war das Gehirn kaum involviert, als sich die Test­per­so­nen die Sendung The Swan anschauten – im Vorfeld befragt hatten sie sich positiv dazu geäußert. Der spätere Erfolg oder Misserfolg der Sendungen gab den Gehirnscans Recht: The Swan wurde ein Flop, während Quizmania nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Australien, Brasilien und anderen Ländern erfolgreich läuft. Unternehmen sind also gut beraten, künftig in die Gehirne der Verbraucher zu schauen, bevor sie ein neues Produkt auf den Markt bringen.

Verkauft Sex wirklich besser?

Viele Unternehmen schwören nach wie vor auf die angeblich verkaufsfördernde Wirkung von Erotik. Zu Recht?

„Die herkömmliche Mark­t­forschung wird an Bedeutung verlieren, während Neu­ro­mar­ket­ing zum wichtigsten Hilfsmittel werden wird, um den Erfolg oder den Misserfolg eines Produkts vorherzusagen.“

Studien haben gezeigt, dass sich Konsumenten später zwar gut an die erotischen Bilder erinnern, jedoch kaum an die damit beworbenen Marken. Die Erotik lenkt also vom eigentlichen Produkt ab, statt es im Gedächtnis des Ver­brauch­ers zu verankern.

Anders ist es mit Kon­tro­ver­sen über erotische Werbung, wie sie beispiel­sweise die Modemarke Calvin Klein ausgelöst hat. Legendär ist die 1980 lancierte Werbung mit der damals 15-jährigen Brooke Shields, die sagte: „Nichts kommt zwischen mich und meine Calvins.“ Weitere provokante Werbespots und Anzeigen folgten später mit anderen Topmodels. Manche Kampagnen mussten wegen der erotischen Darstellung von Teenagern eingestellt werden. Die Medien bauschten das Ganze auf und bescherten dem Unternehmen damit kostenlose Werbung, der Umsatz stieg rasant.

„Irgendwann in der Zukunft wird der Sex in der Werbung sozusagen in den Untergrund gehen. Die Werbung wird subtiler und raf­finierter werden.“

Die Lehre, die sich daraus ziehen lässt: Wenn schon Sex, dann sollte er provokant, aber nicht explizit in der Werbung eingesetzt werden. Weil heute im Grunde schon alles gezeigt wurde, wird die Werbung beim Einsatz von Erotik in Zukunft eher subtil zu Werke gehen müssen. Das Gehirn reagiert stärker, wenn die Fantasie ange­sprochen wird.

Über den Autor

Martin Lindstrom ist ein weltweit gefragter Mar­keting­ex­perte, der Unternehmen wie McDonald’s, Nestlé, American Express und Microsoft berät. Daneben leitet er mehrere eigene Firmen und informiert auf Seminaren und Konferenzen über seine Methoden. Das Time Magazin kürte ihn 2009 für seine Arbeit zum Neu­ro­mar­ket­ing zu einem der 100 ein­flussre­ich­sten Menschen der Welt.