Einer muss der Chef sein

Buch Einer muss der Chef sein

So werden Sie die Führungskraft, die Ihr Team braucht

Redline,


Rezension

Die Mitarbeiter einer Videothek versammeln sich rauchend vor der Tür und lassen die Kunden im Laden allein. Man­age­ment-Be­rater Bruce Tulgan stellt diese Szene in seinem Buch voran, um seine Grundthese gleich klarzustellen: Eine Führungskraft muss täglich ihre Mitarbeiter kon­trol­lieren und ihnen über die Schulter schauen – tut sie das nicht, nimmt sie schw­er­wiegende Probleme billigend in Kauf. Der erfahrene Branchen­fuchs un­ter­stre­icht das mit zahlreichen weiteren Beispielen aus der Praxis. Vor allem sie machen das Buch interessant und ab­wech­slungsre­ich. Leider wiederholen sich die Botschaften, die er daraus ableitet, öfter als es dem Lesefluss gut tut. Auch sind die präsentierten Man­age­men­tansätze zwar vielfach erprobt, aber vielleicht doch nicht immer ganz zeitgemäß: Implizit wird vo­raus­ge­setzt, dass der Chef seinen Un­tergebe­nen fachlich voraus ist – und gerade das ist ja heute immer weniger der Fall. BooksInShort empfiehlt das Buch vor allem dem Führungsnach­wuchs, aber auch alten Hasen, die manchmal das Gefühl beschleicht, sie würden die Tuchfühlung zu ihrem Team verlieren.

Take-aways

  • Als Führungskraft müssen Sie aktiv sein, Ihre Mitarbeiter kon­trol­lieren und täglich Einzelgespräche führen.
  • Nur wenn Sie sich als Chef intensiv einbringen, lassen sich schw­er­wiegende Probleme wie Rück­r­u­fak­tio­nen vermeiden.
  • Als Führungskraft sollten Sie keinesfalls versuchen, ein Freund zu sein. Private Dinge sind nicht Teil des Mi­tar­beit­erge­sprächs.
  • Befinden sich die Beschäftigten an einem anderen Einsatzort, müssen Sie telefonisch oder per E-Mail ständigen Kontakt halten.
  • Wenn Mitarbeiter Fehler machen, greifen Sie so früh wie möglich ein.
  • Erwartungen und Ziele sind wichtig. Das erhöht die Leis­tungs­bere­itschaft.
  • Geben Sie klare Anweisungen, messen Sie die Leistung Ihrer Mitarbeiter und führen Sie ein Leis­tungsverze­ich­nis.
  • Selbst exzellente Mitarbeiter brauchen Aufmerk­samkeit. Nicht­beach­tung de­mor­al­isiert.
  • Je mehr Sie als Chef steuern und kon­trol­lieren, desto besser wird das Gesamtergeb­nis.
  • Wer erstklassig arbeitet, soll dafür belohnt werden. Wer nicht die erwartete Leistung bringt, muss schlechter gestellt werden.
 

Zusammenfassung

Sich täglich um die Mitarbeiter kümmern

Eine Führungskraft ist nur dann gut, wenn sie sich intensiv um jeden einzelnen Mitarbeiter kümmert. Nur so kann sie Probleme von vornherein vermeiden, und die Leistung des gesamten Teams steigt, wenn sie diese Grundregel befolgt. Wer sich nicht um die Beschäftigten kümmert, senkt Moral und Motivation. Die Beschäftigten müssen wissen, dass ihre Ar­beit­sleis­tung wichtig ist. Fragen Sie ständig nach, erkundigen Sie sich bei jedem Mitarbeiter, was gerade läuft. Je engagierter Sie sind, desto bessere Ergebnisse erzielt Ihre Mannschaft. Sie müssen eine Kultur des Überprüfens und Helfens schaffen. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Mitarbeiter, formulieren Sie Ziele und besprechen Sie ganz konkret bestimmte Herange­hensweisen. Gibt es mit einem Mitarbeiter Probleme, ist er beispiel­sweise unpünktlich oder produziert er zu viele Fehler, so regeln Sie das in direktem Austausch mit dem Betroffenen. Je schwächer die Leistung eines Beschäftigen, desto mehr müssen Sie sich dieser Person zuwenden. Bleibt die Ar­beit­sleis­tung permanent mangelhaft, müssen Sie im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung aussprechen.

Jeden Tag ein bisschen managen

Statt Ihre Man­age­men­tauf­gaben als Zeitfresser zu betrachten, der Sie von Ihrer „echten Arbeit“ abhält, wenden Sie sich ihnen jeden Tag aktiv zu und lassen Sie sie zur Gewohnheit werden. Folgende tägliche Man­age­men­tauf­gaben sollten Ihnen in Fleisch und Blut übergehen:

  • Coaching/Mi­tar­beit­erge­spräche: Ihre wichtigste Aufgabe als Führungskraft sind Einzelgespräche. Klären Sie in Gesprächen unter vier Augen regelmäßig ab, ob der Mitarbeiter seine Aufgaben erfüllt, wo es Probleme gibt und wie der Ar­beitsablauf verbessert werden kann. Besprechen Sie mit dem Mitarbeiter die einzelnen Schritte zur Optimierung der Ar­beit­sleis­tung. Mindestens fünf, maximal 15 Minuten soll jedes Vier­au­genge­spräch dauern. Wenn nötig, vereinbaren Sie tägliche Treffen mit einem Mitarbeiter. The­ma­tisieren Sie Schwach­punkte ganz offen – Sie können sicher sein, dass die Leistung des Mi­tar­beit­ers sich dann sehr schnell verbessert. Aber Achtung: Seien Sie nie arrogant oder gemein. Fokussieren Sie in diesen Gesprächen strikt auf die Arbeit bzw. die Leistung, niemals auf persönliche Dinge. Ihr intensives Nachhaken macht dem Mitarbeiter deutlich, wie wichtig er für die Firma ist. In der Folge steigen seine Moral und sein Engagement.
  • Der Blick über die Schulter: Am meisten lernen Sie als Führungskraft über interne Arbeitsabläufe, wenn Sie sich vor Ort anschauen, wie Ihre Mitarbeiter ihre Arbeit verrichten. Wie ist der Umgang mit den Kunden? Welcher Umgangston herrscht vor? Wie schnell werden Anfragen bearbeitet? Diese Beobach­tun­gen direkt vor Ort bringen deutlich mehr Erken­nt­nisse als etwa Kun­den­be­fra­gun­gen. Begleiten Sie z. B. den Ver­trieb­smi­tar­beiter auch einmal zu einem Kun­denbe­such.
  • Tägliche Aufze­ich­nun­gen: Wenn Sie die Vere­in­barun­gen mit Ihren Un­tergebe­nen täglich notieren, hilft Ihnen das, den Überblick zu behalten. Ihre Aufze­ich­nun­gen verraten, ob vereinbarte Fristen oder Budgets eingehalten wurden. So lassen sich später auch Bonuszahlun­gen recht­fer­ti­gen. Mithilfe Ihrer Notizen können Sie Ihre Erwartungen mit der tatsächlichen Ar­beit­sleis­tung am besten vergleichen. Je de­tail­lierter Ihre Aufze­ich­nun­gen sind, desto hilfreicher. Allein die Tatsache, dass die Gespräche aufgeze­ich­net werden, erzeugt auf beiden Seiten einen enormen Druck, die Vere­in­barun­gen einzuhalten.
  • Performance-Im­prove­ment-Plan: Erstellen Sie de­tail­lierte Auf­gaben­lis­ten, die Schritt für Schritt abgear­beitet werden müssen, und diszi­plin­ieren Sie damit die Mitarbeiter. Er­staunlicher­weise erhöht so ein trans­par­enter Plan in mehr als 50 % der Fälle die Leistung jedes einzelnen Team­mit­glieds. Dieser Plan bietet sich ins­beson­dere für Mitarbeiter an, die sich nicht an Vere­in­barun­gen halten. Ide­al­er­weise notieren Sie zu Wochen­be­ginn die Erwartungen an jeden einzelnen Mitarbeiter und gleichen sie dann später mit den Handlungen ab.
  • Belohnung und Sanktion: Wer im Betrieb engagiert und exzellent arbeitet, muss belohnt werden. Die Be­loh­nungsan­reize motivieren zu mehr Leistung. Bonuszahlun­gen oder Son­derurlaub sind klassische Belohnungen. Begehen Sie aber nicht den Fehler, alle Beschäftigten gleich zu behandeln. Sanktionen sind ebenso notwenig wie Belohnungen: Zu den negativen Kon­se­quen­zen zählt, dass früher ein­gerichtete Son­der­be­loh­nun­gen (flexible Ar­beit­szeiten etc.) gestrichen werden. Engen Sie die Hand­lungs­frei­heit von Leis­tungsver­weiger­ern ein. Drohen Sie im Ernstfall mit Entlassung, wenn sich keine Besserung abzeichnet. Allein die Drohung sollte ihre Wirkung nicht verfehlen.

Bestimmte Führungsmod­elle meiden

Es gibt neuere Führungsansätze, die mit „Engagement“ beziehungsweise „Empowerment“ bezeichnet werden. Das Problem ist, dass sie auf der irrigen Annahme basieren, mehr Freiheit würde mehr Leistung nach sich ziehen. Manager spielen in diesen Ansätzen nur die Rolle des netten Moderators, der jedem Mitarbeiter die Arbeit zuteilt, die ihm angenehm ist. Hi­er­ar­chiebil­dung soll vermieden werden. Diese Theorie funk­tion­iert in der Praxis nicht. Es gibt nun mal Arbeiten, die unangenehm sind, und auch die müssen erledigt werden. Es gibt immer gewisse Zwänge und Grenzen, in denen wir uns bewegen müssen. Alles in allem führen diese neuen Führungsmeth­o­den lediglich zu einer Vernachlässigung der Mitarbeiter. Ein anderer Ansatz ist „Management by Objectives“ (Management durch Zielvere­in­barun­gen). Hier werden den Mi­tar­beit­ern auf allen Ebenen überge­ord­nete Ziele (meist Zahlen) vorgegeben. Weil die Be­fehls­kette und die einzelnen Ar­beitss­chritte den Mi­tar­beit­ern aber oft nicht klar sind, ist diese Methode ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Auch das von Jack Welsh, dem langjährigen Vor­stand­schef von General Electric, propagierte „Forced Ranking“ hat Schwächen. So sollen die Mitarbeiter einmal jährlich in Leis­tungskat­e­gorien eingeteilt werden. Ohne kon­tinuier­liche Beurteilun­gen und stetiges Messen und Doku­men­tieren ist dieses System jedoch unfair und un­durch­sichtig.

Klassische Fehler vermeiden

Wer als Vorge­set­zter mit einem Un­tergebe­nen befreundet ist, der sollte dies bei der Arbeit nicht in den Vordergrund stellen. Sie müssen Ihre Rolle als Chef permanent ausfüllen – auch gegenüber Freunden.

„Seien Sie der Vorgesetzte, der seine Mitarbeiter auf Erfolgskurs bringt und sie entsprechend belohnt. Wenn Sie das machen, werden die besten Mitarbeiter immer für Sie arbeiten wollen.“

Geben Sie den Mi­tar­beit­ern Fristen. Am Tag x muss das Projekt abgeschlossen sein. Es ist wichtig, dass Sie immer konkrete Schritte und Vorge­hensweisen besprechen. Zuviel Spielraum schadet nur. Wer etwa bei einem Projekt den Zeitpunkt der Fer­tig­stel­lung offen lässt, läuft Gefahr, dass das Projekt nie abgeschlossen wird. Fragen Sie immer wieder nach der Vorge­hensweise, nach den Einzelschrit­ten und ob Sie helfen können. Auch wenn in vielen Betrieben fälschlicher­weise darauf verzichtet wird: Erstellen Sie de­tail­lierte Leis­tungsverze­ich­nisse.

Einmischen, kritisieren, engagieren, belohnen

Passivität ist Gift für jeden Betrieb. Zu viel Freiheit für die Mitarbeiter ist schädlich. Konflikte sollten aktiv ausgetragen werden – auf sachlicher, be­trieb­s­be­zo­gener Ebene. Selbst bei ver­meintlich kleinen Problemen ist es ratsam, so früh wie möglich durchzu­greifen, um drohende größere Schwierigkeiten im Keim zu ersticken.

„Übernehmen Sie ab dem ersten Tag die Führung. Der erste Tag ist immer heute.“

Leis­tungss­chwache Mitarbeiter müssen Sie aktiv einbinden. Wenn Sie hier nicht nachhaken, bleiben diese Mitarbeiter faul. Seien Sie da ganz strikt! Wenn negative Ver­hal­tensweisen auftreten, müssen Sie als Führungsper­son dem Betroffenen mitteilen, dass Sie das nicht dulden werden. Auch gute Mitarbeiter brauchen übrigens immer wieder die Aufmerk­samkeit des Chefs – das steigert die Leistung weiter. Wer gute Arbeit macht, ohne dass sie entsprechend honoriert wird, der resigniert und sucht sich womöglich einen neuen Job.

Als Per­for­mance-Coach agieren

Chefs sollten Charisma und eine ansteckende Lei­den­schaft besitzen. Sprechen Sie geradlinig, offen und ehrlich über Ihre Arbeit. Eine gewisse Autorität ist wichtig, ebenso spielt die Art und Weise, wie Sie kom­mu­nizieren, eine große Rolle. Spielen Sie weder den „bad guy“ noch den guten Kumpel, sondern seien Sie der Trainer, der Coach Ihrer Mannschaft. Ein aufrichtiger, klarer und fordernder Ton ist maßgeblich. Unerschütterliche Be­har­rlichkeit und En­thu­si­as­mus spornen die Mitarbeiter an, mehr zu tun.

Man­age­ment­land­karte erstellen

Um den Überblick zu behalten, sollten Sie auf einem Blatt Papier alle Mitarbeiter kurz beschreiben. Überschreiben Sie die Spalten mit „Wer“, „Warum“, „Was“, „Wie“, „Wo“ und „Wann“. Ziel dieser Liste ist es, Sie jederzeit daran zu erinnern, wie Sie den Personen auf der Liste helfen können, sich weit­erzuen­twick­eln. Je besser jemand ist, desto mehr Ve­r­ant­wor­tung soll die Person erhalten. Und je mehr Sie über die Leute in Ihrer Mannschaft wissen, desto besser können Sie Entschei­dun­gen treffen.

Flexibel sein, Sonderwünsche zulassen, Hilfe anbieten

Wenn ein Mitarbeiter mit einem Son­der­wun­sch an Sie herantritt, zahlt es sich in der Regel aus, darauf einzugehen. Ins­beson­dere bei den Leis­tungsstarken ist eine Son­der­be­hand­lung ratsam. Das erhöht deren Zufrieden­heit. Wenn beispiel­sweise ein Beschäftigter an einem bestimmten Wochentag aus familiären Gründen immer früher nach Hause gehen möchte, können Sie das gegen einen Zeitaus­gle­ich an einem anderen Tag gestatten. Auch können Sie dem Wunsch nach einer besonderen Büroausstat­tung (etwa einer Couch im Ar­beit­sz­im­mer) durchaus nachkommen − selbst wenn es sich um eine Marotte handelt.

„Kein Problem ist zu klein, dass man es übersehen darf; oft schwelen kleine Probleme vor sich hin und wachsen sich zu großen Problemen aus.“

Je flexibler Sie sich als Führungskraft erweisen, desto größer wird die Bindung des Bittstellers an das Unternehmen. Steigt die Zufrieden­heit, steigen auch Motivation, Arbeitszeit und Gesamtleis­tung des Ar­beit­nehmers. Hilfreich ist, für gute Leistungen Son­derurlaub zu geben. Überdies sollten Sie Weit­er­bil­dun­gen anbieten und Son­derzahlun­gen gewähren. Je flexibler Sie auf Wünsche reagieren können − etwa bei der Stan­dort­wahl, beim Auf­gabe­num­fang, bei der Auswahl des Kol­le­genkreises etc. −, desto besser.

Diese Maßnahmen sofort umsetzen

Eine Stunde sollten Sie täglich für Mi­tar­beit­erge­spräche reservieren. Da pro Mitarbeiter zwischen fünf und 15 Minuten nötig sind, können mindestens vier Gespräche am Tag geführt werden. Notieren Sie alle Absprachen und Kri­tikpunkte. In den Gesprächen geht es strikt um die Arbeit, für private Belange reicht die Zeit nicht. Treffen Sie jeden Mitarbeiter mindestens einmal pro Woche. Diese Termine sind unantastbar! Teamtreffen haben ihre Berech­ti­gung, Einzelgespräche sind jedoch viel wichtiger. Richten Sie ein System zur Leis­tungsmes­sung ein und informieren Sie Ihren eigenen Vorge­set­zten über Ihre Schritte. Heben Sie dabei hervor, dass es Ihnen um die Leis­tungserhöhung und Steigerung der Zufrieden­heit Ihres Teams geht. Anschließend informieren Sie die anderen Führungskräfte und schließlich die Mitarbeiter.

Prozesse regelmäßig anpassen

Nach etwa sechs Wochen werden Sie bereits eine bessere Vorstellung davon haben, wer was wann wie und wo macht. Wenn Sie etliche Einzelgespräche geführt und Leis­tungsno­ti­zen gemacht haben, müssen die ersten Veränderungen folgen. Eventuell müssen Sie sogar einen Mitarbeiter entlassen. Verschieben Sie, wo nötig, Aufgaben und Ve­r­ant­wortlichkeiten und entscheiden Sie, wer besonders gefördert und entwickelt werden soll, wer ein Leis­tungsver­weigerer ist und wer Son­der­regelun­gen und Boni verdient hat.

Über den Autor

Der Berater Bruce Tulgan schult seit Jahrzehnten amerikanis­che Führungskräfte. Die Liste seiner Kunden reicht vom Kranken­ver­sicherer Aetna über den Einzelhändler Walmart bis hin zur US-Armee. Tulgan ist in den Vereinigten Staaten ein gefragter Redner.