Führung ist keine Schönwetteraufgabe
Führung dient der Orientierung der Mitarbeiter und der Konfliktlösung im Business-Alltag. Die folgenden Beispiele aus der Praxis zeigen, dass das Ideal von Führung oftmals nicht erreicht wird:
- Im Zuge einer Neuorganisation will eine Führungskraft alles perfekt machen, verliert aber den Überblick. Sie kann diese Schwäche gegenüber den Mitarbeitern nicht eingestehen und sorgt so für Verunsicherung.
- Eine offenherzige Führungskraft überschüttet ihre Mitarbeiter häufig mit „Dear all“-Mails. Die notwendigen Informationen werden dadurch weder zielgerichtet weitergegeben noch ernst genommen.
- Eine Führungskraft schließt sich dem Jammerzirkel ihrer Mitarbeiter über „die da oben“ an, statt eigene Ziele für die Abteilung zu verfolgen oder Veränderungen zu bewirken.
- Angesichts einer bevorstehenden Umorganisation flüchtet sich eine Führungskraft in Geheimniskrämerei. Das nonverbale Verhalten weicht spürbar von den gesprochenen Verlautbarungen ab.
„Menschen wollen ihre Talente und Neigungen einbringen können und für ein bedeutsames Ziel und nicht nur für den Gewinn arbeiten.“
In diesen Beispielsfällen aus der Alltagserfahrung, die sich beliebig erweitern ließen, führt das Verhalten der Führungskraft zu Orientierungsverlust bei den Mitarbeitern. Orientierung zu geben ist aber die zentrale Führungsaufgabe.
Führung durch Orientierung
Wenn Sie anderen Menschen Orientierung geben wollen, müssen Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie selbst wollen. Führung ist mehr als das Durchreichen der Umsatzvorgaben aus der Konzernspitze an die Mitarbeiter. Die Menschen, denen Sie eine Leistung abfordern, wollen und müssen den Sinn ihrer Arbeit erkennen können. Dann sind sie auch viel motivierter, als wenn es ihnen nur um Lohn und materielle Vorteile geht. Manche Firmen bedienen sich daher visionärer Erklärungen zur Motivation ihrer Mitarbeiter. Die eigene Überzeugung und Begeisterung glaubwürdig zu vermitteln, wirkt aber mit Sicherheit ansteckender. Im Alltag ist schon viel gewonnen, wenn Führungschaos und Willkür vermieden werden und die Mitarbeiter spüren, dass sie sich auf Sie als Chef verlassen können. So gewinnen Sie auf natürliche Weise Autorität und schaffen eine Atmosphäre des Vertrauens.
„Wer Menschen nachhaltig motivieren will, muss ihnen die Möglichkeit geben, mit anderen zu kooperieren und Beziehungen positiv zu gestalten.“
Vertrauen ist einer der Schlüssel zur Führung durch Orientierung. Gegenseitiges Vertrauen steigert die Loyalität und die Leistungsbereitschaft und ermöglicht das unerlässliche Feedback in beide Richtungen. Daraus können sich, wenn die Dinge anders laufen als geplant, auch frühzeitige Warnsignale ergeben. Sie müssen aber kritisieren und Grenzen setzen können, ohne dass es zu Vertrauensverlusten kommt. Als Führungskraft sind Sie auch Dienstleister für Ihre Mitarbeiter. Neben den materiellen Ressourcen, die Sie ihnen für die Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung stellen müssen, begleiten Sie Ihre Mitarbeiter, bringen ihre Potenziale zur Entfaltung und fördern ggf. sogar ihre Karriere.
Menschen so ansprechen, wie sie sind
Sich in jeder Situation auf die Persönlichkeit eines Mitarbeiters einzustellen, ist wesentlicher Bestandteil der Führungskunst. Es geht nicht darum, anderen etwas vorzuspielen. Sie müssen sich verständlich machen und auf die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen eingehen. Das schafft Vertrauen und fördert die Stärken Ihrer Mitarbeiter. Hilfreich sind Persönlichkeitstypisierungen. Auch Sie selbst gehören mit Sicherheit einer der folgenden Gruppen an:
- Logiker brauchen Daten, Zahlen, Fakten und klare Strukturen. Sie arbeiten systematisch, detailgenau und verlangen viel Feedback und Anerkennung für ihre Arbeit. Bei Stress und Unordnung neigen sie zu Überkontrolle und delegieren schlecht. Wenn nötig und möglich, liefern Sie einem Logiker weitere Information.
- Beharrer orientieren sich stark an ihren Werten und Meinungen. Sehen sie diese bestätigt, agieren sie sehr engagiert. Auch sie benötigen viel Anerkennung. Im Konfliktfall neigen sie zu überkritischen Reaktionen, die bis zum Moralisieren gehen können. Durch besonders qualitätsvolle Anerkennung („Ein wirklich wertvoller Beitrag!“) können die Beharrer wieder eingebunden werden.
- Empathiker sind einfühlsam und integrierend, aber auch stimmungsabhängig. Sie benötigen vor allem Anerkennung ihrer Person. Weil sie es allen recht machen wollen, sind sie im Zweifel nicht entscheidungsfreudig. Einen Empathiker unterstützen Sie, wenn Sie Ihre besondere persönliche Nähe zu ihm betonen.
- Rebellen oder Klassenclowns sind spontan, kontaktfreudig und humorvoll. Sie benötigen spezielle Reize für ihr kreatives Potenzial – dann sind sie zu Höchstleistungen fähig.
- Träumer vermögen vor allem komplexe Aufgaben zu lösen. Ein Träumer braucht Ruhe und eine Rückzugsmöglichkeit, um eine Aufgabe zu erledigen, sowie eine klare Definition derselben. Ab und zu sollten Sie nachsehen, ob er Hilfe benötigt.
- Macher sind zupackend, sehr anpassungsfähig und handlungsorientiert; u. U. sind sie aber auch manipulativ und wälzen gerne Arbeit und Schuld auf andere ab. Sie brauchen sowohl die echte Herausforderung als auch klare Ansagen. Diese gehören ebenfalls zur Führung durch Orientierung.
Grundkomponenten von Führung
Zwei anschauliche Vergleiche aus dem nichtökonomischen Bereich zeigen, was Führung bedeutet. Zum einen weist Führung Parallelen zur Kindererziehung auf. Kinder brauchen Vertrauen und das Gefühl von Sicherheit. Man muss ihnen Werte und Regeln vorgeben und vorleben, aber auch auf ihre Bedürfnisse eingehen. Kinder brauchen Orientierung, sinnvolle Aufgaben und Grenzen. Bei ihnen handelt es sich um Verhaltensgrenzen, im Unternehmen dagegen meist um Kompetenzgrenzen. Zum anderen gleicht Führung dem Lenken eines Pferdes. Wenn der Reiter es mit dem Zügel einfühlsam und eindeutig anleitet, gehorcht es eher, als wenn er es mit der Peitsche vorwärtstreibt.
„Egal wie eine Entscheidung zustande kommt – es ist Aufgabe der Führungskraft, für Entscheidungen zu sorgen.“
Dies sind einige wichtige Grundkomponenten von Führung:
- Mitmenschlichkeit: Sie gewinnen Autorität und Akzeptanz, wenn Sie sich als einfühlsam und authentisch erweisen und Ihre Mitarbeiter respektieren. Wenn Sie Mitmenschlichkeit zeigen, erwecken Sie Vertrauen; zugleich entwickelt sich Ihr Zutrauen zu dem Leistungsvermögen Ihrer Mitarbeiter und es entsteht eine offene Atmosphäre, die im Konfliktfall Kritik aushält.
- Achtsamkeit: Vermeiden Sie allzu eingeschliffene Routinen, Denkgewohnheiten und Vorurteile. Achtsamkeit erhält den Respekt und die Lebendigkeit der Beziehungen.
- Überzeugung: Sie können andere nur überzeugen, wenn Sie selbst von den Firmenzielen, Arbeitsmethoden und dem praktischen Sinn einer Teamhierarchie überzeugt sind.
- Macht: Als Führungsperson üben Sie Macht aus. Durch Ihre Fachkompetenz und die Ihnen übertragenen Aufgaben sind Sie bevollmächtigt. Ihre Machtinstrumente zur Steuerung von Verhalten sind Belohnung (Geld, Karriere), Bestrafung (von der Nichtbeachtung bis zur Entlassung), persönliche Beziehung, Expertenwissen und Information. Der Gebrauch der Macht ist legitim – schließlich sollen sinnvolle Ziele erreicht werden. Der Missbrauch von Macht durch Manipulation oder Ausbeutung dagegen ist es nicht. Verwechseln Sie nicht Vollmacht mit Allmacht. Wenn Sie von Ihrer Macht nicht richtig Gebrauch machen, reagieren Ihre Mitarbeiter destruktiv mit innerer Kündigung, Dienst nach Vorschrift oder Opferhaltung bis zum Gegenangriff.
- Gutes Vorbild: Zum professionellen Führungshandeln gehört die selbstkritische Reflexion des eigenen Tuns und Verhaltens. Fassen Sie Kritik nicht als Majestätsbeleidigung auf. Sie können nicht Wasser predigen (z. B. Sparmaßnahmen) und Wein trinken (z. B. Boni oder Luxusgeschäftswagen). Bedenken Sie: Auch ein negatives Vorbild wirkt.
„Sorgen Sie dafür, dass Ihre Gedanken, die zu einer Entscheidung geführt haben, verständlich sind.“
Werkzeuge der Führungskraft
- Visionen geben der Arbeit aller in einem Unternehmen ein übergeordnetes Leitbild und verleihen ihr einen Sinn. Nicht: Wir behauen Steine und verdienen damit unseren Lebensunterhalt, sondern: Wir errichten eine Kathedrale. Die Kunst besteht im Herunterbrechen dieses Leitbilds auf die einzelnen Bereiche. Lautet ein Leitbild „Kundenfreundlichkeit“, so bezieht sich das eben auch auf die Kollegen aus den Abteilungen ohne direkten Kundenkontakt. Fehlt eine solche übergreifende Vision, ist es Ihre Sache als Führungskraft, für Ihre Abteilung eine Bereichsvision zu entwickeln.
- Ziele sind Orientierungspunkte par excellence. Sie sind Resultate, keine Maßnahmen. Gemäß der allgemein anerkannten SMART-Regel sollen sie spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminierbar sein – also denkbar konkret. Beispiel: eine genau bezifferte Umsatzsteigerung beim Kunden XY innerhalb eines Jahres ist ein konkretes Ziel, das vom Mitarbeiter akzeptiert werden kann. Die Zielsetzung ermöglicht auch ein sachliches Urteil über die Leistung des Mitarbeiters, verbunden mit Anerkennung und Belohnung im Erfolgsfall. Ergeben sich Schwierigkeiten auf dem Weg zum Ziel, ist es Ihre Aufgabe als Führungskraft, den Mitarbeiter zu unterstützen. Aber lassen Sie sich die Aufgabe nicht zurückdelegieren! Ziele können auch Qualitätsziele, Karriereziele, Verhaltensziele usw. sein.
- Kontrolle und Feedback gehen Hand in Hand. Beide geben Orientierung. Kontrolle sollten Sie als Gelegenheit sehen, Interesse an der Arbeit Ihres Mitarbeiters zu zeigen und ihm Anerkennung für seine Leistung zu zollen. Bei Abweichungen können Sie rechtzeitig eingreifen. Kontrolle sollte kontrolliert geschehen, nicht willkürlich. Anerkennendes Feedback muss immer ausgesprochen und darf nicht einfach übergangen werden. Dasselbe gilt für kritisches Feedback. Das ist natürlich schwieriger, aber diesen Aspekt auszublenden, wäre reine Führungsschwäche. Hilfreich beim Feedback sind die Besinnung auf die verschiedenen Persönlichkeitstypen und der Beginn mit etwas Positivem, also einer Anerkennung. Tragen Sie Feedback und Kritik immer in der Ich-Form vor und beziehen Sie sie auf einen konkreten Anlass. Kritik darf nicht generalisierend oder moralisierend sein.
- Mitarbeiterinformation heißt: Sie müssen dafür sorgen, dass Sie verstanden werden. Gegebenenfalls verwenden Sie Grafiken und Bilder oder anschauliche Beispiele und Anekdoten. Stellen Sie sich im Einzelgespräch auf den Persönlichkeitstypus Ihres Mitarbeiters ein. Was braucht er? Welche Sprache versteht er?
- Organisieren und Delegieren sind weitere originäre Führungsaufgaben. Anhand von Organigrammen, Stellenbeschreibungen, Stellvertreterplänen, Dienstplänen usw. setzen sich Ihre Mitarbeiter über Aufgaben und Funktionen ins Bild. Als Führungskraft dürfen Sie auch die Schattenhierarchien Ihres Unternehmens nicht ignorieren. Es gibt z. B. mächtige Herstellungsleiter oder EDV-Spezialisten, die nicht zur offiziellen Geschäftsleitung gehören. Mit einer profunden Aufgabenübertragung geben Sie Ihrem Mitarbeiter ein Stück Freiheit und Verantwortung und drücken zugleich Ihre Wertschätzung aus. Stellen Sie sicher, dass er Ziele und Hintergründe verstanden und akzeptiert hat. Vor allem in der Anfangsphase müssen Sie hinter ihm stehen und ihn begleiten oder einarbeiten.
- Entscheidungen geben allen Mitarbeitern Orientierung. Aber sie dürfen natürlich nicht heute so und morgen so sein – Konsequenz ist wichtig, auch wenn es mal schnell gehen muss und eine falsche Entscheidung besser ist als gar keine. Sorgen Sie stets dafür, dass Ihre Entscheidungen nachvollziehbar bleiben.