Orientierung geben in schwierigen Zeiten

Buch Orientierung geben in schwierigen Zeiten

So führen Sie Ihre Mitarbeiter durch den Wandel

Redline,


Rezension

Keine Frage, Un­ternehmensführung ist eine komplexe An­gele­gen­heit. Die öster­re­ichis­chen Autoren dieses Buches verdeut­lichen die Grund­kom­po­nen­ten und Instrumente von Führung sowie die Wech­sel­wirkun­gen zwischen führen und geführt werden. Sie kombinieren ihre Be­ratungser­fahrung mit gesundem Men­schen­ver­stand, womit ihnen eine an­schauliche Gesamt­darstel­lung des Phänomens gelingt – immer mit Blick auf die zu führenden Menschen. Unnütze Ab­strak­tio­nen bleiben dem Leser weitgehend erspart, hin und wieder aber gleiten die Autoren leider in eine etwas gar trockene Sem­i­nar­sprache ab. BooksInShort empfiehlt das Buch vor allem Führungskräften der mittleren Ebene – als umfassenden Grundkurs und Werkzeugkas­ten.

Take-aways

  • Er­fol­gre­iche Führung setzt voraus, dass man sich über seine Ziele im Klaren ist.
  • Führung gibt anderen Menschen Ori­en­tierung und erweckt Vertrauen.
  • Rah­menbe­din­gun­gen schaffen, Werte vorleben, Entfaltung ermöglichen: das motiviert.
  • Sprechen Sie Ihre Mitarbeiter auf eine Art und Weise an, die zu deren Persönlichkeit passt.
  • Natürliche Autorität gewinnen Sie nur durch Authentizität, Einfühlsamkeit und den Respekt, den Sie Ihren Mi­tar­beit­ern ent­ge­gen­brin­gen.
  • Als Führungskraft üben Sie Macht aus. Verwechseln Sie Ihre Vollmacht nicht mit Allmacht.
  • Das Leitbild Ihres Un­ternehmens konkretisieren Sie in messbaren Zielen. Vereinbaren Sie deren Erreichen mit Ihren Mi­tar­beit­ern.
  • Konkrete Ziele dienen der Kontrolle, der Anerkennung, dem Feedback und ggf. der sachlichen Kritik.
  • Umfassende Information der Mitarbeiter ist eine Führungsauf­gabe.
  • Ihre Entschei­dun­gen – das Ori­en­tierungsmit­tel schlechthin – sollten transparent sein.
 

Zusammenfassung

Führung ist keine Schönwet­ter­auf­gabe

Führung dient der Ori­en­tierung der Mitarbeiter und der Konfliktlösung im Busi­ness-All­tag. Die folgenden Beispiele aus der Praxis zeigen, dass das Ideal von Führung oftmals nicht erreicht wird:

  • Im Zuge einer Neuor­gan­i­sa­tion will eine Führungskraft alles perfekt machen, verliert aber den Überblick. Sie kann diese Schwäche gegenüber den Mi­tar­beit­ern nicht eingestehen und sorgt so für Verun­sicherung.
  • Eine of­fen­herzige Führungskraft überschüttet ihre Mitarbeiter häufig mit „Dear all“-Mails. Die notwendigen In­for­ma­tio­nen werden dadurch weder ziel­gerichtet weit­ergegeben noch ernst genommen.
  • Eine Führungskraft schließt sich dem Jam­merzirkel ihrer Mitarbeiter über „die da oben“ an, statt eigene Ziele für die Abteilung zu verfolgen oder Veränderungen zu bewirken.
  • Angesichts einer bevorste­hen­den Umor­gan­i­sa­tion flüchtet sich eine Führungskraft in Geheimniskrämerei. Das nonverbale Verhalten weicht spürbar von den gesproch­enen Ver­laut­barun­gen ab.
„Menschen wollen ihre Talente und Neigungen einbringen können und für ein bedeutsames Ziel und nicht nur für den Gewinn arbeiten.“

In diesen Beispielsfällen aus der All­t­agser­fahrung, die sich beliebig erweitern ließen, führt das Verhalten der Führungskraft zu Ori­en­tierungsver­lust bei den Mi­tar­beit­ern. Ori­en­tierung zu geben ist aber die zentrale Führungsauf­gabe.

Führung durch Ori­en­tierung

Wenn Sie anderen Menschen Ori­en­tierung geben wollen, müssen Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie selbst wollen. Führung ist mehr als das Durchre­ichen der Um­satzvor­gaben aus der Konz­ern­spitze an die Mitarbeiter. Die Menschen, denen Sie eine Leistung abfordern, wollen und müssen den Sinn ihrer Arbeit erkennen können. Dann sind sie auch viel motivierter, als wenn es ihnen nur um Lohn und materielle Vorteile geht. Manche Firmen bedienen sich daher visionärer Erklärungen zur Motivation ihrer Mitarbeiter. Die eigene Überzeugung und Begeis­terung glaubwürdig zu vermitteln, wirkt aber mit Sicherheit ansteck­ender. Im Alltag ist schon viel gewonnen, wenn Führungschaos und Willkür vermieden werden und die Mitarbeiter spüren, dass sie sich auf Sie als Chef verlassen können. So gewinnen Sie auf natürliche Weise Autorität und schaffen eine Atmosphäre des Vertrauens.

„Wer Menschen nachhaltig motivieren will, muss ihnen die Möglichkeit geben, mit anderen zu kooperieren und Beziehungen positiv zu gestalten.“

Vertrauen ist einer der Schlüssel zur Führung durch Ori­en­tierung. Gegen­seit­iges Vertrauen steigert die Loyalität und die Leis­tungs­bere­itschaft und ermöglicht das unerlässliche Feedback in beide Richtungen. Daraus können sich, wenn die Dinge anders laufen als geplant, auch frühzeitige Warnsignale ergeben. Sie müssen aber kritisieren und Grenzen setzen können, ohne dass es zu Ver­trauensver­lus­ten kommt. Als Führungskraft sind Sie auch Di­en­stleis­ter für Ihre Mitarbeiter. Neben den materiellen Ressourcen, die Sie ihnen für die Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung stellen müssen, begleiten Sie Ihre Mitarbeiter, bringen ihre Potenziale zur Entfaltung und fördern ggf. sogar ihre Karriere.

Menschen so ansprechen, wie sie sind

Sich in jeder Situation auf die Persönlichkeit eines Mi­tar­beit­ers einzustellen, ist wesentlicher Bestandteil der Führungskunst. Es geht nicht darum, anderen etwas vorzus­pie­len. Sie müssen sich verständlich machen und auf die ver­schiede­nen Bedürfnisse der Menschen eingehen. Das schafft Vertrauen und fördert die Stärken Ihrer Mitarbeiter. Hilfreich sind Persönlichkeit­styp­isierun­gen. Auch Sie selbst gehören mit Sicherheit einer der folgenden Gruppen an:

  • Logiker brauchen Daten, Zahlen, Fakten und klare Strukturen. Sie arbeiten sys­tem­a­tisch, detailgenau und verlangen viel Feedback und Anerkennung für ihre Arbeit. Bei Stress und Unordnung neigen sie zu Überkon­trolle und delegieren schlecht. Wenn nötig und möglich, liefern Sie einem Logiker weitere Information.
  • Beharrer orientieren sich stark an ihren Werten und Meinungen. Sehen sie diese bestätigt, agieren sie sehr engagiert. Auch sie benötigen viel Anerkennung. Im Kon­flik­t­fall neigen sie zu überkri­tis­chen Reaktionen, die bis zum Moral­isieren gehen können. Durch besonders qualitätsvolle Anerkennung („Ein wirklich wertvoller Beitrag!“) können die Beharrer wieder eingebunden werden.
  • Empathiker sind einfühlsam und in­te­gri­erend, aber auch stim­mungsabhängig. Sie benötigen vor allem Anerkennung ihrer Person. Weil sie es allen recht machen wollen, sind sie im Zweifel nicht entschei­dungs­freudig. Einen Empathiker unterstützen Sie, wenn Sie Ihre besondere persönliche Nähe zu ihm betonen.
  • Rebellen oder Klassen­clowns sind spontan, kon­tak­t­freudig und humorvoll. Sie benötigen spezielle Reize für ihr kreatives Potenzial – dann sind sie zu Höchstleis­tun­gen fähig.
  • Träumer vermögen vor allem komplexe Aufgaben zu lösen. Ein Träumer braucht Ruhe und eine Rückzugsmöglichkeit, um eine Aufgabe zu erledigen, sowie eine klare Definition derselben. Ab und zu sollten Sie nachsehen, ob er Hilfe benötigt.
  • Macher sind zupackend, sehr anpassungsfähig und hand­lung­sori­en­tiert; u. U. sind sie aber auch manipulativ und wälzen gerne Arbeit und Schuld auf andere ab. Sie brauchen sowohl die echte Her­aus­forderung als auch klare Ansagen. Diese gehören ebenfalls zur Führung durch Ori­en­tierung.

Grund­kom­po­nen­ten von Führung

Zwei an­schauliche Vergleiche aus dem nichtökonomischen Bereich zeigen, was Führung bedeutet. Zum einen weist Führung Parallelen zur Kinder­erziehung auf. Kinder brauchen Vertrauen und das Gefühl von Sicherheit. Man muss ihnen Werte und Regeln vorgeben und vorleben, aber auch auf ihre Bedürfnisse eingehen. Kinder brauchen Ori­en­tierung, sinnvolle Aufgaben und Grenzen. Bei ihnen handelt es sich um Ver­hal­tens­gren­zen, im Unternehmen dagegen meist um Kom­pe­ten­z­gren­zen. Zum anderen gleicht Führung dem Lenken eines Pferdes. Wenn der Reiter es mit dem Zügel einfühlsam und eindeutig anleitet, gehorcht es eher, als wenn er es mit der Peitsche vorwärtstreibt.

„Egal wie eine Entschei­dung zustande kommt – es ist Aufgabe der Führungskraft, für Entschei­dun­gen zu sorgen.“

Dies sind einige wichtige Grund­kom­po­nen­ten von Führung:

  • Mit­men­schlichkeit: Sie gewinnen Autorität und Akzeptanz, wenn Sie sich als einfühlsam und authentisch erweisen und Ihre Mitarbeiter re­spek­tieren. Wenn Sie Mit­men­schlichkeit zeigen, erwecken Sie Vertrauen; zugleich entwickelt sich Ihr Zutrauen zu dem Leis­tungsvermögen Ihrer Mitarbeiter und es entsteht eine offene Atmosphäre, die im Kon­flik­t­fall Kritik aushält.
  • Achtsamkeit: Vermeiden Sie allzu eingeschlif­f­ene Routinen, Denkge­wohn­heiten und Vorurteile. Achtsamkeit erhält den Respekt und die Lebendigkeit der Beziehungen.
  • Überzeugung: Sie können andere nur überzeugen, wenn Sie selbst von den Fir­men­zie­len, Ar­beitsmeth­o­den und dem praktischen Sinn einer Teamhier­ar­chie überzeugt sind.
  • Macht: Als Führungsper­son üben Sie Macht aus. Durch Ihre Fachkom­pe­tenz und die Ihnen übertragenen Aufgaben sind Sie bevollmächtigt. Ihre Machtin­stru­mente zur Steuerung von Verhalten sind Belohnung (Geld, Karriere), Bestrafung (von der Nicht­beach­tung bis zur Entlassung), persönliche Beziehung, Ex­perten­wis­sen und Information. Der Gebrauch der Macht ist legitim – schließlich sollen sinnvolle Ziele erreicht werden. Der Missbrauch von Macht durch Ma­nip­u­la­tion oder Ausbeutung dagegen ist es nicht. Verwechseln Sie nicht Vollmacht mit Allmacht. Wenn Sie von Ihrer Macht nicht richtig Gebrauch machen, reagieren Ihre Mitarbeiter destruktiv mit innerer Kündigung, Dienst nach Vorschrift oder Opfer­hal­tung bis zum Gege­nan­griff.
  • Gutes Vorbild: Zum pro­fes­sionellen Führung­shan­deln gehört die selb­stkri­tis­che Reflexion des eigenen Tuns und Verhaltens. Fassen Sie Kritik nicht als Majestäts­belei­di­gung auf. Sie können nicht Wasser predigen (z. B. Sparmaßnahmen) und Wein trinken (z. B. Boni oder Luxusgeschäftswagen). Bedenken Sie: Auch ein negatives Vorbild wirkt.
„Sorgen Sie dafür, dass Ihre Gedanken, die zu einer Entschei­dung geführt haben, verständlich sind.“

Werkzeuge der Führungskraft

  • Visionen geben der Arbeit aller in einem Unternehmen ein überge­ord­netes Leitbild und verleihen ihr einen Sinn. Nicht: Wir behauen Steine und verdienen damit unseren Leben­sun­ter­halt, sondern: Wir errichten eine Kathedrale. Die Kunst besteht im Herun­ter­brechen dieses Leitbilds auf die einzelnen Bereiche. Lautet ein Leitbild „Kun­den­fre­undlichkeit“, so bezieht sich das eben auch auf die Kollegen aus den Abteilungen ohne direkten Kun­denkon­takt. Fehlt eine solche übergreifende Vision, ist es Ihre Sache als Führungskraft, für Ihre Abteilung eine Bere­ichsvi­sion zu entwickeln.
  • Ziele sind Ori­en­tierungspunkte par excellence. Sie sind Resultate, keine Maßnahmen. Gemäß der allgemein anerkannten SMART-Regel sollen sie spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und ter­minier­bar sein – also denkbar konkret. Beispiel: eine genau bezifferte Um­satzsteigerung beim Kunden XY innerhalb eines Jahres ist ein konkretes Ziel, das vom Mitarbeiter akzeptiert werden kann. Die Zielsetzung ermöglicht auch ein sachliches Urteil über die Leistung des Mi­tar­beit­ers, verbunden mit Anerkennung und Belohnung im Erfolgsfall. Ergeben sich Schwierigkeiten auf dem Weg zum Ziel, ist es Ihre Aufgabe als Führungskraft, den Mitarbeiter zu unterstützen. Aber lassen Sie sich die Aufgabe nicht zurück­delegieren! Ziele können auch Qualitätsziele, Kar­ri­ereziele, Ver­hal­tensziele usw. sein.
  • Kontrolle und Feedback gehen Hand in Hand. Beide geben Ori­en­tierung. Kontrolle sollten Sie als Gelegenheit sehen, Interesse an der Arbeit Ihres Mi­tar­beit­ers zu zeigen und ihm Anerkennung für seine Leistung zu zollen. Bei Ab­we­ichun­gen können Sie rechtzeitig eingreifen. Kontrolle sollte kon­trol­liert geschehen, nicht willkürlich. An­erken­nen­des Feedback muss immer aus­ge­sprochen und darf nicht einfach übergangen werden. Dasselbe gilt für kritisches Feedback. Das ist natürlich schwieriger, aber diesen Aspekt auszublenden, wäre reine Führungsschwäche. Hilfreich beim Feedback sind die Besinnung auf die ver­schiede­nen Persönlichkeit­stypen und der Beginn mit etwas Positivem, also einer Anerkennung. Tragen Sie Feedback und Kritik immer in der Ich-Form vor und beziehen Sie sie auf einen konkreten Anlass. Kritik darf nicht gen­er­al­isierend oder moral­isierend sein.
  • Mi­tar­bei­t­er­in­for­ma­tion heißt: Sie müssen dafür sorgen, dass Sie verstanden werden. Gegebe­nen­falls verwenden Sie Grafiken und Bilder oder an­schauliche Beispiele und Anekdoten. Stellen Sie sich im Einzelgespräch auf den Persönlichkeit­sty­pus Ihres Mi­tar­beit­ers ein. Was braucht er? Welche Sprache versteht er?
  • Or­gan­isieren und Delegieren sind weitere originäre Führungsauf­gaben. Anhand von Or­gan­i­gram­men, Stel­lenbeschrei­bun­gen, Stel­lvertreterplänen, Dienstplänen usw. setzen sich Ihre Mitarbeiter über Aufgaben und Funktionen ins Bild. Als Führungskraft dürfen Sie auch die Schat­ten­hier­ar­chien Ihres Un­ternehmens nicht ignorieren. Es gibt z. B. mächtige Her­stel­lungsleiter oder EDV-Spezial­is­ten, die nicht zur offiziellen Geschäftsleitung gehören. Mit einer profunden Aufgabenübertragung geben Sie Ihrem Mitarbeiter ein Stück Freiheit und Ve­r­ant­wor­tung und drücken zugleich Ihre Wertschätzung aus. Stellen Sie sicher, dass er Ziele und Hintergründe verstanden und akzeptiert hat. Vor allem in der An­fangsphase müssen Sie hinter ihm stehen und ihn begleiten oder einarbeiten.
  • Entschei­dun­gen geben allen Mi­tar­beit­ern Ori­en­tierung. Aber sie dürfen natürlich nicht heute so und morgen so sein – Konsequenz ist wichtig, auch wenn es mal schnell gehen muss und eine falsche Entschei­dung besser ist als gar keine. Sorgen Sie stets dafür, dass Ihre Entschei­dun­gen nachvol­lziehbar bleiben.

Über die Autoren

Elisabeth Haber­leit­ner ist als Un­ternehmens­ber­a­terin, Coach und Trainerin tätig. Elisabeth Deistler begleitet Führungskräfte im Rahmen von Lehrgängen und Coaching. Gerhard Ratz ist Berater für Strategie-, Or­gan­i­sa­tions- und Per­son­alen­twick­lung.