Gehen Sie dahin, wo es eng ist
Wenn Sie überdurchschnittlich erfolgreich sein wollen, müssen Sie dorthin gehen, wo es einen Engpass gibt. Das ist der Kern der Engpasskonzentrierten Strategie (EKS). Dort werden Sie eine Nische finden – und darin können Sie sich profilieren.
Lernen Sie von der Natur: Sie zeigt Ihnen erstens, dass sich Spezialisierung auszahlt, und zweitens, wie sich Nischen besetzen lassen: mit langen Hälsen etwa, die auch die hohen Blätter erreichen. Oder mit langen Zeigefingern, mit denen sich die leckeren Krabbeltiere unter der Borke erwischen lassen. Auf das richtige Werkzeug kommt es an. Setzen Sie konsequent auf Ihre Stärken: Nur diese lassen sich so weit entfalten, dass Sie damit die Nische ausfüllen können und die Bedürfnisse Ihrer Kunden so gut befriedigen, dass die bestenfalls gar nicht um Sie herumkommen.
Keine Nabelschau
Richten Sie Ihr Augenmerk auf Ihre Kunden. Deren Engpass und die Frage, wie Sie ihn beheben, werden über Ihren Erfolg entscheiden. Das ist nicht dasselbe wie die beliebte Fokussierung auf das Kerngeschäft. Statt Angestammtes einfach weiterzuführen, sollten Sie in die Zukunft blicken. Es geht um die Konzentration Ihrer Kräfte auf das Wesentliche an der entscheidenden Stelle. Erst dann kann sich Fokussierung lohnen, egal ob als Unternehmer, Führungskraft, Angestellter, Freiberufler oder Selbstständiger.
„Einerseits gibt es überall Probleme, Widerstände und Engpässe, andererseits bieten gerade diese Probleme ungeheure Chancen.“
Der Blick auf Ihr Kerngeschäft allein bringt Sie auf der Suche nach sinnvollen Aktivitäten nicht weiter, denn diese Sicht geht in die Vergangenheit und richtet sich zudem auf Ihren eigenen Bauchnabel. Stattdessen sollten Sie einen Blick nach außen wagen – eben dorthin, wo der Engpass der für Sie Erfolg versprechenden Kunden liegt. Um den Begriff „Engpass“ ganz zu verstehen, können Sie ebenfalls von der Natur lernen. Oft ist es ein einziger Faktor, der das Wachstum von Organismen behindert. Diesen Engpass zu beseitigen, bringt den größten Erfolg. Alles andere ist Energieverschwendung. Wo erkennen Sie einen Flaschenhals? Wo herrscht Druck, den Sie zu Ihrem Nutzen und dem der Kunden beseitigen können? Dort müssen Sie hin.
Die immateriellen Werte zählen
Um zielgerichtet zu handeln, brauchen Sie vor allem Sachverstand, nicht Produktionsmittel wie Maschinen oder Gebäude. Strategien, Ideen, Know-how, die Motivation Ihrer Mitarbeiter und das Vertrauen Ihrer Kunden – das ist Ihr wichtigstes Kapital. Das Schöne daran: Wissen ist das einzige Kapital, das sich nicht abnutzt, sondern vermehrt, wenn Sie es richtig einsetzen. Im Sinne der EKS bedeutet das, dass Sie sich auf die für Ihr anvisiertes Ziel wichtigen Dinge konzentrieren und die dafür nötigen Ressourcen nutzen bzw. sie durch Weiterbildung, Innovation oder Kooperation schaffen. Wichtig: Bei EKS geht es um Nutzen-, nicht um Gewinnmaximierung. Wenn Sie anderen Nutzen bringen, werden sich die Gewinne von allein einstellen.
Analyse der Ist-Situation
Um in die EKS einzusteigen, müssen Sie trotz allem den Blick zunächst auf sich lenken. Schließlich müssen Sie ja wissen, welche Stärken Sie haben, von welchen Zielen und Motiven Sie getrieben sind und was Ihre Werte sind. Methodisch wichtig: In allen Phasen der Spezialisierung sammeln Sie Ihre Ideen zunächst einmal ungefiltert, und dies immer auf Papier. Dann erst gewichten und entscheiden Sie. Das Ziel im ersten Schritt: Herausfinden, wo der für Sie erfolgversprechendste Weg liegt, was also Ihr Spezialgebiet ist und welche Zielgruppe den größten Nutzen daraus ziehen und diesen auch entlohnen kann.
Was können Sie und wen interessiert das?
Als Erstes müssen Sie sich über Ihre Stärken klar werden. Fahnden Sie nach vorhandenem Wissen, Innovationen oder ausgeprägten Neigungen. Auch eine Inventur der von Ihnen bereits gelösten Probleme sollten Sie vornehmen. Da Sie nicht allein auf der Welt sind, gehört dazu natürlich auch, dass Sie sich mit Ihren Wettbewerbern vergleichen. Die Leitfragen sind stets: Was können Sie besser? Und welche Entwicklungsengpässe gibt es, die Sie mithilfe Ihrer speziellen Stärken lösen können? Natürlich sollten Sie berücksichtigen, welche Trends Ihre Entwicklung voranbringen und welche sie hemmen.
„In vernetzten Systemen kommt es nicht darauf an, möglichst große Kräfte einzusetzen, sondern die vorhandenen Kräfte auf den jeweils wirkungsvollsten Punkt zu richten.“
In dieser Phase der EKS liegen Ihre Stärken noch unsortiert vor Ihnen – und das ist gut so. Nur in manchen Fällen drängt sich schon jetzt eine Spezialisierung auf. Haben Sie Geduld: Selbst eine wirklich tolle Stärke muss sich auf dem Markt erst bewähren. Suchen Sie als Nächstes eine Erfolg versprechende Nische, eine Nische, die genug „Speck“ enthält, dass Sie davon leben können. Das Schöne bei der EKS: Die Praxis gehen Sie mit Versuch und Irrtum an. Sie brauchen keine umfassenden Marktstudien zu erstellen und setzen auch nicht gleich alles auf eine Karte. Haben Sie eine aussichtsreiche Zielgruppe und Nische gefunden, umwerben Sie und bedienen Sie diese.
Die Möglichkeiten der Spezialisierung
An dieser Stelle im EKS-Prozess sollten Sie die Spezialisierungsmöglichkeiten kennen lernen: So können Sie Ihre Stärken z. B. auf ein Produkt konzentrieren – seien es Atomkraftwerke oder zahnärztliche Leistungen. Auch Rohstoffe, Know-how und Methoden wie Lageroptimierung oder Laseroperationen kommen infrage. Zudem haben Sie die Möglichkeit, spezialisierte Dienstleistungen anzubieten, z. B. die Reinigung von Hightechlabors oder Büroräumen. Die einzige mitunter riskante Spezialisierung ist die auf einzelne Produkte. Haben Sie das aber erkannt, können Sie das Risiko abfedern.
„Aufschlussreicher als die Analyse dessen, was man tut, ist die Analyse der Probleme, die man bei Kunden oder im Berufsleben erfolgreich gelöst hat.“
Eine Unternehmerin, die Abrechnungsdienstleistungen für Zahnarztpraxen anbot, ging das Risiko ein, dass die Gesetze eines Tages vereinfacht werden könnten. Das war wenig wahrscheinlich, hätte aber dazu geführt, dass sie auf ihren Produkten und dem dazugehörigen Weiterbildungsangebot sitzen geblieben wäre. Die gelernte Zahnarzthelferin löste dieses Problem, indem sie den Engpass ihrer Kunden ausmachte – undurchschaubare Abrechnungsmodalitäten mit teuren Fehlerquellen –, dann das dahinterliegende „konstante Grundbedürfnis“ identifizierte und es bediente: das Bedürfnis nach unternehmerischem Erfolg. So bietet die Unternehmerin mittlerweile auch Seminare zum Marketing von zahnärztlichen Leistungen, Praxis-Controlling und Qualitätsmanagement an.
„Nach wie vor ist die EKS die einzige Strategie, die zur bedingungslosen Konzentration der Kräfte rät und auf Spezialisierung setzt.“
Eine reine Produktstrategie birgt also Risiken, kann sich aber auch umso mehr lohnen, da sie die größten Chancen bietet. Das Beispiel eines Malerbetriebs aus dem württembergischen Kornwestheim zeigt, wie diese Strategie funktionieren kann. Von diesem Betrieb stammt heute ein Großteil der Markierungen in Sportstätten weltweit. Die Nachfrage stimmt, weil die im Wettkampfbereich notwendigen millimetergenauen Arbeiten mit besonders robusten Lacken und Kunststoffen eben nur ein Spezialist liefern kann.
Investieren Sie Ihre Energie intelligent
Als Nächstes müssen Sie Ihre Zielgruppe bestimmen. Ergründen Sie, wer Interesse daran haben könnte, seine drängenden Probleme von Ihnen lösen zu lassen. Fragen Sie sich das auch in Bezug auf Ihre bestehenden Kunden. Was fehlt ihnen? Wo hapert es für sie? Wie können Sie ihnen helfen? Sie können diese Fragen ruhig direkt stellen. Sammeln Sie Engpässe auf dieselbe Weise wie zuvor die Stärken und Zielgruppen – schriftlich und zunächst ungefiltert. Dann kommt es darauf an, die entsprechenden Bedürfnisse intelligent zu bedienen. Das wird sich eher auszahlen, als Ihre Energie in weniger lohnenswerte Bereiche zu investieren. So selbstverständlich das klingt – die wenigsten Menschen halten sich daran.
Weiterentwicklung und Kooperation
Bei allen Spezialisierungsfeldern kommt es letztlich darauf an, dass Sie Ihr Angebot kontinuierlich weiterentwickeln und anreichern. Das Ziel bleibt hingegen dasselbe: das hinter dem Engpass liegende Grundbedürfnis Ihrer Zielgruppe zu erfüllen. Dabei helfen Ihnen mit Bedacht gewählte Innovationen und Kooperationen.
„Nur die Spezialisierungen machen Sinn, die in eine reale Bedarfslücke zielen.“
Der Gründer eines erfolgreichen Franchisesystems für günstige Eigenheime hat sich mit der Zeit darauf spezialisiert, die Häuser nicht nur zu verkaufen, sondern sie auch zu bauen oder zu sanieren und den Kunden die für den Kauf benötigte Finanzierung anzubieten, verbunden mit einer auf dem Markt einmaligen Kalkulationssicherheit. Als Bonbon bietet das Unternehmen unverschuldet in Not geratenen Kunden über eine Stiftung eine kostenlose Schuldnerberatung. Mit seinen Erfahrungen als gelernter Finanzbeamter und ehemaliger Immobilienmakler entwickelt der Unternehmensgründer sein Angebot ständig weiter und versorgt seine Partner mit dem nötigen Know-how. Die Franchisenehmer besorgen den Vertrieb. Bauunternehmer können Lizenzpartner werden. Mit zunehmender Erfahrung erhöhen die Kooperationspartner ihre Leistung und bei steigenden Gewinnen können sie sogar die Preise senken.
Richtig innovieren
Als Spezialist werden Sie durch Innovation immer besser – indem Sie sich darum kümmern, Ihre eigenen Engpässe zu beseitigen, die Sie daran hindern, Ihren Kunden das bestmögliche Angebot zu machen. Da das nur zielgerichtet geht, hilft es nicht, Ihre Schwächen schon zu Beginn der EKS-Phasen zu suchen. Zu dem Zeitpunkt kennen Sie Ihr Ziel ja noch gar nicht so genau. Wenn Sie es dann aber klar vor Augen haben, stellt sich vermeintlicher Entwicklungsbedarf u. U. als bedeutungslos dar und es kristallisieren sich ungeahnte Schwächen an ganz anderer Stelle heraus.
Verzettelungsgefahr
Wenn Sie als Spezialist laufend besser werden, kann folgendes Problem auftauchen: Ihre Kunden schätzen Sie so sehr, dass sie am liebsten alles aus einer Hand von Ihnen haben möchten. Irgendwann wird es für Sie im Erfolgsfall darum gehen, Ihrer gewählten Spezialisierung treu zu bleiben. Natürlich sollen und müssen Sie diese ergänzen, wo es Sinn macht. Aber wo das nicht der Fall ist, weil Sie sich sonst verzetteln, sollten Sie sich passende Partner suchen. Das steigert den Wert Ihres Angebots und ist erfolgversprechender als die weiter verbreitete Alternative: Verdrängungswettbewerb.
„Kooperationen im Sinne der EKS sind nur solche Kooperationen, deren Ziel es ist, gemeinsam einen überzeugenden Nutzen für eine spezielle Zielgruppe zu entwickeln.“
So hat eine Schreinerin, die den von den Eltern geerbten Schreinerbetrieb auf Vordermann brachte, ihre Erfahrungen dazu genutzt, ein neues Unternehmen zu gründen, das anderen Schreinerbetrieben Beratung anbietet. Den erfolgversprechendsten Ansatz sah sie in der Optimierung des Lagermanagements ihrer Kunden. Keine große Sache damals: Die Unternehmerin brauchte zunächst nur ihre Internetseite anzupassen, um den Kunden ein entsprechend konzipiertes Angebot zu machen. Der nächste Schritt bestand darin, in ihrem Feld immer besser zu werden und aus den vielen für das Lagermanagement vorhandenen Lösungen die für Schreinerbetriebe Geeignetsten herauszusuchen. Für Kunden, die darüber hinaus Hilfe in Sachen Marketing, Kommunikation oder Maschinenoptimierung suchten, fand die Beraterin eigens spezialisierte Anbieter. Das waren ehemalige Konkurrenten. Jetzt spezialisierten und ergänzten sich plötzlich alle – mit gemeinsamem Erfolg.