Innovation – was ist das?
Das Wort „Innovation“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Erneuerung“, wird aber im Sinne von „Erfindung“ verwendet. Eine Erfindung allein reicht nicht aus, damit man von einer Innovation sprechen kann. Dazu muss sie sich erst am Markt beweisen. Es gibt zwei Kriterien, nach denen man Innovationen einteilen kann:
- Gegenstandsbereich: Man unterscheidet Produkt- und Dienstleistungsinnovationen (z. B. Kugelschreiber), Prozessinnovationen (z. B. Fließbandarbeit), Sozialinnovationen (z. B. Arbeitslosengeld) und Managementinnovationen (z. B. virtuelle Organisationsformen).
- Neuigkeitsgrad: Radikalinnovationen werfen mitunter das ganze Gefüge einer Branche um. Bei den meisten Innovationen handelt es sich aber um Verbesserungs- oder Routineinnovationen. Ihre Begeisterung angesichts einer selbstreinigenden Bratpfanne wird sich sicher deutlich von jener unterscheiden, die Sie beim Anblick beleuchteter Funktionstasten Ihres Mobiltelefons überkommt.
„Eine Erfindung ist noch keine Innovation.“
Oft entscheiden Innovationen über den Erfolg eines Unternehmens gegenüber seinen Mitbewerbern. Daher sollte der Prozess des Suchens, Bewertens und Umsetzens von Ideen auf systematische Weise erfolgen – etwa mit dem Sechs-Phasen-Modell.
Phase 1: Initiierung
Innovationen können sich entweder intern aus der Unternehmenstätigkeit ergeben – oder extern, wenn man ein Problem oder eine Chance am Markt erkennt. Am Beginn eines jeden Innovationsprozesses klären Sie auf jeden Fall die Situation mithilfe einer SWOT-Analyse ab: Strengths/Stärken, Weaknesses/Schwächen, Opportunities/Chancen, Threats/Gefahren. Im Rahmen der Unternehmensanalyse zur Erkennung der Stärken und Schwächen fragen Sie nach den Vorteilen Ihres Unternehmens gegenüber der Konkurrenz, den Kernkompetenzen und den Verbesserungsmöglichkeiten im Vergleich zu den Mitbewerbern. Berücksichtigen Sie dabei etwa die Daten zur Kundenzufriedenheit, die finanziellen Resultate oder das technologische Know-how. Die anschließende Umweltanalyse, bezogen auf den Markt, die Politik oder die kulturellen Rahmenbedingungen, dient der Ermittlung der Chancen und der Gefahren. Dabei sehen Sie sich die Markttrends, mögliche Bedrohungen und Probleme sowie den Wettbewerb an.
„Unabhängig davon, ob der Innovationsprozess durch externe oder interne Auslöser initiiert wird, muss am Beginn eine systematisch durchgeführte Situationsanalyse stehen.“
Das Ziel dieser ersten Phase ist, eine Vorstellung davon zu bekommen, wo Sie überhaupt nach Innovationsideen suchen sollen. Stecken Sie Suchfelder z. B. mit der marktorientierten Suchfeldbestimmung ab: Welche Bedürfnisse und Probleme haben Ihre Kunden? Gibt es Konkurrenzprodukte, die diese Bedürfnisse besser befriedigen?
„Um ein zielloses Zusammentragen und Bewerten von Ideen zu vermeiden, empfiehlt es sich, zuerst Suchfelder abzustecken.“
Sollten Sie Ihre Kunden nicht kennen, rücken Sie Ihre Nicht-Kunden bzw. neue Zielgruppen mit der kompetenzorientierten Suchfeldbestimmung in den Vordergrund. Ermitteln Sie Ihre Kernkompetenzen – das sind Kompetenzen, die einen echten Wettbewerbsvorteil, hohe Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber, einen hohen Kundennutzen, Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit auf verschiedene Unternehmensbereiche mit sich bringen.
„Es ist wichtig, zu Beginn eine große Anzahl von Ideen zusammenzutragen.“
Eine dritte Möglichkeit, Suchfelder zu eruieren, ist die kundennutzenorientierte Suchfeldbestimmung, bei der Sie den Prozess darstellen, den die Kunden bei der Nutzung Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung durchlaufen. Gibt es hier eine Möglichkeit, etwas zu vereinfachen oder den Spaßfaktor für den Kunden zu erhöhen?
Phase 2: Ideengewinnung
Ein einziger plötzlicher Einfall führt nur selten zu einer Innovation – dafür brauchen Sie vielmehr eine Fülle von Einfällen, sprich: Ideen. Um den Ideen auf die Sprünge zu helfen, bieten sich Kreativitätstechniken wie das Brainwriting oder die Osborn-Checkliste an.
„Die Ergebnisse des Steckbriefs dienen dem Innovationsteam zur Beurteilung der Attraktivität und des Risikos.“
Beim Brainwriting wird im Unterschied zum Brainstorming nicht gesprochen, sondern geschrieben. Die Checkliste nach Alex Osborn schlägt folgende Fragestellungen in Bezug auf ein Produkt vor: Kann ich es vergrößern, dicker, schwerer oder länger machen? Oder wäre es kleiner, niedriger, kürzer oder flacher besser? Sollen wir es umformen, anderen Personen oder Zielgruppen zur Verfügung stellen, es anpassen? Wie wäre es, das Produkt zu verändern, ihm eine neue Farbe, einen neuen Geruch zu verpassen? Kann man es kombinieren oder etwas ins Gegenteil kehren?
„Im Umsetzungsplan werden die logischen Zusammenhänge und Abhängigkeiten von Teilprojekten, Arbeitspaketen oder einzelnen Tätigkeiten dargestellt.“
Um Ideen zu entwickeln, können Sie Workshops mit Kunden veranstalten. Vielleicht wirkt sich das nebenbei positiv auf Ihre Kundenbeziehungen aus. Erwarten Sie aber nicht zu viel: Bei Verbesserungsinnovationen ist die Kundeneinbindung sinnvoll, für radikale Innovationen reicht das Vorstellungsvermögen der Kunden meist nicht aus. Ein betriebliches Vorschlagswesen und die Kundenreklamationen können Ihnen hingegen Ideen liefern. Ideenfindungsworkshops und klassische Marktforschung, Messe- und Konferenzbesuche runden das Bild ab. Gegen Ende der Phase der Ideenfindung sollten Sie sich einer Pinwand mit 50–500 Ideen-Post-its gegenübersehen.
Phase 3: Ideenauswahl und -bewertung
Welche dieser Ideen sind nun wirklich gut? Sortieren Sie zuerst alle doppelten aus und stellen Sie potenzielle Radikalinnovationen separat dar. Nun lassen Sie die Ideen bewerten, etwa in einem Workshop. Jeder der Teilnehmer darf eine bestimmte Anzahl von Punkten vergeben. Die Ideen ohne Punkte, vermutlich insgesamt 50–60 %, werden verworfen, die 30–40 % der Ideen mit wenigen Punkten werden für später aufgehoben und die 5–15 % der Topideen ausformuliert. Dazu können Sie die Osborn-Checkliste zur Hand nehmen. Beschreiben Sie nun die besten Ideen auf jeweils einem DIN-A4-Blatt anhand von qualitativen und quantitativen Kriterien. Vielleicht fügen Sie auch Skizzen hinzu oder fertigen einfache Prototypen an. Es folgt die Bewertung der übrigen Ideen mithilfe des so genannten Paarvergleichs oder des Ideenportfolios. Beim Paarvergleich stellen Sie eine Idee jeder anderen Idee gegenüber und entscheiden, welches Produkt schöner ist oder welches besser schmeckt. Im Rahmen des Ideenportfolios unterscheiden Sie zwischen Radikal-, Verbesserungs- und Routineideen sowie zwischen den Wirkungen der Ideen, prüfen also, ob die Idee der Ertragsgenerierung oder der Kostenoptimierung dient. Die Bewertung der Ideen erfolgt nun unter Einbindung des Managements, externer Fachleute und evtl. auch der Kunden. Als Faustregel gilt, dass nur ein Drittel der Ideen, die weiterverfolgt werden, Routineideen sein sollen.
Phase 4: Grobkonzept
In der Grobkonzeptphase prüfen Sie das Innovationspotenzial der Ideen, indem Sie die Ideenbeschreibungen verfeinern und Innovationssteckbriefe mit einem Umfang von je 4–20 Seiten erarbeiten. Beachten Sie dabei, dass bei Routineinnovationen der Aufwand kleiner und die vorhandenen Informationen zahlreicher sein werden als bei Radikalinnovationen. Der Innovationssteckbrief fasst das Grobkonzept einer Idee zusammen. Die wichtigsten Inhalte sind:
- Marktpotenzial: Ihre Innovation muss kundenorientiert sein. Dafür brauchen Sie eine klare Vorstellung der Zielgruppe. Den potenziellen Markt konkretisieren Sie so: Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Markt, in dem die Innovation von Belang ist. Nehmen Sie dazu Daten aus der Marketingabteilung, von Branchenverbänden, aus externen Markstudien und Statistiken zu Hilfe. Versuchen Sie, den Kunden zu verstehen: Welche Produktmerkmale und -funktionen sind für ihn von größtem Nutzen? Arbeiten Sie eng mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung zusammen. Beurteilen Sie die Wettbewerbssituation, indem Sie die drei größten Konkurrenten ausmachen sowie deren Stärken und Schwächen analysieren. Leiten Sie daraus Erfolgsfaktoren ab.
- Lasten und Pflichten: Bedenken Sie, welche aktuellen und zukünftigen Normen, Richtlinien und Gesetze Sie beachten müssen.
- Technologie: Wenn Ihre Idee sehr technologiegetrieben ist, lassen Sie interne oder externe Experten den Technologielebenszyklus, die Verfügbarkeit der Technologie, die Technologienormen und die Frage analysieren, ob die neue Technologie mit der herkömmlichen in Konkurrenz steht oder alte Technologien ersetzt.
- Partner-Check: Brauchen Sie zur Erstellung eines Konzepts oder zur Umsetzung der Idee Partner, weil Ihr eigenes Unternehmen in bestimmten Bereichen Wissens- oder Kompetenzlücken hat? Welche Formen der Zusammenarbeit stehen zur Auswahl?
- Strategie-Fit: Passt die Innovation zur Unternehmensstrategie?
- Wirtschaftlichkeit: Egal wie viele Informationen Ihnen vorliegen – eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Idee mit Annahmen zum Worst Case und zum Best Case darf nicht fehlen. Beziehen Sie das Unternehmenscontrolling in diese Phase ein.
- Lösungsvarianten: Erstellen Sie im Team verschiedene Lösungsvarianten zur Umsetzung der Idee. Um die beste Variante auszuwählen, fertigen Sie Stärken-/Schwächenprofile der Lösungen an und vergleichen Sie sie miteinander. Sie können die Lösungen auch von einer Expertengruppe beurteilen lassen.
„Es kommt darauf an, dass alle Unternehmensbereiche sich miteinander abstimmen und zusammen an der Umsetzung arbeiten.“
Das Innovationsteam bewertet die Steckbriefe am besten anhand vordefinierter Kriterien nach einer Skala von 1–10. Dann liegt es an der Geschäftsleitung zu entscheiden, welche Innovationsvorschläge nach Gegenüberstellung von Attraktivität und Risiko weiterverfolgt werden. Dabei soll sie aber nur Routineinnovationen mit Routineinnovationen und nicht etwa mit Radikalinnovationen vergleichen.
Phase 5: Umsetzungskonzept
In dieser Phase sammeln Sie Details zu den Lösungen, definieren Meilensteine, erstellen erste Prototypen und bereiten die Umsetzung des Projekts vor. Sie entwerfen einen Projektplan, der die Aufgabenstellung festhält. Das Projekt wird in kleinere Teilprojekte gegliedert, Teilziele werden formuliert, der Zeit- und Ressourcenaufwand geschätzt und die Zuständigkeiten geregelt. Schlussendlich sollten Sie einen ausführlichen Businessplan von etwa 40–100 Seiten in den Händen halten. Darauf basiert das Markteinführungskonzept.
„Nach der erfolgreichen Realisierung und Markteinführung besitzen Radikal- und Verbesserungsinnovationen in den meisten Fällen ein weiteres, oftmals ungenutztes Innovationspotenzial: die Multiplikation.“
Vergessen Sie nicht, Vorkehrungen zu treffen, damit Risiken in den Bereichen Markt, Technologie, Finanzen, Termine oder Umwelt möglichst rasch erkannt, bewertet und vermieden werden. In einem Umsetzungsplan legen Sie fest, wie die Teilprojekte zusammenspielen, in welcher Reihenfolge die Schritte ausgeführt werden und welche Meilensteine wann erreicht werden müssen. Die Geschäftsleitung sieht sich schließlich den Businessplan an und bewertet das Innovationsprojekt anhand der Wirtschaftlichkeit, der Verfügbarkeit von Ressourcen und der Realisierungszeit.
Phase 6: Realisierung, Markteinführung, Multiplikation
Wenn alle Unternehmensbereiche reibungslos zusammenarbeiten und die Vorleistungen erbracht worden sind, können Sie sich über die erfolgreiche Realisierung des Innovationsprojekts freuen. Das Topmanagement sollte die Innovation unterstützen. Schulungen müssen geplant, externe Partner in das Projekt integriert und der Realisierungsfortschritt gemessen werden. Schalten Sie Anzeigen, fertigen Sie Pressemappen und Broschüren an und ergänzen Sie die Website mit Informationen zum neuen Produkt bzw. zur neuen Dienstleistung. Überlegen Sie sich auch Möglichkeiten der Multiplikation, also ob die Radikal- oder Verbesserungsinnovation in anderen Marktsegmenten oder die Technologie in anderen Produkten eingesetzt werden kann.