Die Grenzen der Gleichberechtigung
Theoretisch stehen Frauen in westlichen Gesellschaften alle Karrieremöglichkeiten offen. Viele von ihnen können alles vorweisen, was man für ein erfolgreiches Berufsleben braucht: eine hervorragende Ausbildung, Erfahrung, Know-how und Soft Skills. Trotzdem stoßen sie irgendwann an eine Glasdecke, wenn sie auf der Karriereleiter weiter nach oben wollen. Schlimmer noch: Männliche Kollegen nehmen weibliche Vorgesetzte oft nicht ernst, selbst wenn sie sich in der Hierarchie weit unter ihnen befinden. Frauen haben nur eine Möglichkeit: Sie müssen die maßlose männliche Selbstüberschätzung mit Arroganz abschmettern. Das beginnt mit einem angemessenen Revierverhalten. Der moderne Mann hat nämlich sein Verhalten seit der Steinzeit nicht wesentlich verändert. Er platziert sein Auto auf den Firmenparkplätzen neuer Mitarbeiterinnen, läuft grußlos durch das Büro, um an den eigenen Arbeitsplatz zu gelangen, oder legt seine Tasche auf den Schreibtisch der Kollegin. Ob das bewusst oder unbewusst geschieht – Männer verletzen das Territorium ihrer Kolleginnen und Kollegen und üben auf diese Weise ganz subtil Macht aus. Vernunft und große Worte sind da zwecklos. Sie müssen Ihr Revier mithilfe von körpersprachlichen Signalen und Taten verteidigen. Eine besonders entschlossene weibliche Führungskraft rief z. B. kurzerhand den Abschleppservice, als am ersten Arbeitstag ein Auto auf ihrem namentlich gekennzeichneten Firmenparkplatz stand.
Ohne Worte
Kommunikation am Arbeitsplatz funktioniert auf drei Ebenen:
- Der High Talk ist sachlich und intellektuell und befasst sich mit einem beruflich relevanten Thema.
- Beim Small Talk geht es weniger um Inhalte, als um den Austausch emotionaler Botschaften.
- Move Talk ist die Körpersprache, also Mimik, Gesten und Veränderungen in der räumlichen Distanz.
„Die Verletzung des Reviers, das einem Mächtigeren zusteht, rächt sich meistens ziemlich schnell. Was Jupiter darf, darf ein Ochse noch lange nicht.“
Am meisten erreichen Sie mit Move Talk, gefolgt vom Small Talk. Wenn Sie angegriffen werden, sollten Sie immer auf der gleichen Ebene antworten oder auf die nächst wirksamere ausweichen. Versuchen Sie niemals, mit einem psychologisch fundierten Fachvortrag gegen eine emotionale Breitseite anzugehen. Wenn ein Kollege Sie auf dem Niveau des Small oder Move Talk angreift, dann zeigen Sie ihm ruhig den Mittelfinger. Das hilft im Zweifel mehr als eine ärgerliche Replik. Untersuchungen belegen, dass inhaltliche Aspekte in den ersten Minuten einer Kommunikation nur eine geringe Rolle spielen, während Stimme und Körpersprache alles entscheiden. In einer idealen Welt wäre es zwar umgekehrt. Die berufliche Wirklichkeit aber zwingt Sie dazu, durch Move und Small Talk einen Rahmen zu schaffen, der gewährleistet, dass Sie auf fachlicher Ebene überhaupt gehört werden. Ihre Körpergröße spielt dabei nur eine geringe Rolle. Auch objektiv kleine Menschen können durch ihre innere und äußere Haltung kommunikatives Statusbewusstsein ausdrücken.
Aggressionen abfangen
Manchmal kommt ein Angriff so überraschend, dass sich das Opfer kaum zu helfen weiß. Eine junge Professorin präsentierte z. B. vor einem fünfköpfigen Männergremium ein gut durchdachtes, innovatives und solide finanziertes Projekt. Ein Kollege fragte sie im Anschluss daran lächelnd nach dem aktuellen Wetterbericht. Was tun? Am besten wäre eine schlagfertige Antwort, etwa so: „Keine Ahnung, aber für Sie sieht das Wetter gar nicht gut aus.“ Aber das muss nicht sein. Schweigen, ein durchdringender Blick und dann ein Lächeln genügen zunächst, um den Angreifer zu verunsichern. So gewinnen Sie Zeit, um nach der passenden Antwort zu suchen. Wenn Sie dagegen plötzlich einem jähzornigen, brüllenden Mann gegenüberstehen, machen Sie sich bewusst, dass Sie wahrscheinlich nur aus Versehen in die Schusslinie geraten sind und die Ursache seines Zorns ganz woanders liegt.
Unterschwellige Botschaften
Sprechen Sie immer dem Inhalt angemessen. Eine ernsthafte Kritik dürfen Sie nicht mit freundlichem Small Talk beginnen, um keine Steilvorlage für Ausweich- und Abwehrstrategien zu liefern. Die scheinbar unterlegene Partei ist nämlich nicht automatisch im Nachteil. Oft wird gejammert, damit der Gegner es erst gar nicht auf einen Streit ankommen lässt. Wenn Sie das Gefühl haben, einfach nicht zu Ihren männlichen Kollegen durchzudringen, versuchen Sie Folgendes: Gerade hinsetzen, den Abstand zum Gesprächspartner verringern, Blickkontakt halten und schweigen. Nichts bringt einen Macho schneller in die Defensive als absichtliche, geschickt platzierte Pausen. Das erlebte auch die Chefeinkäuferin einer deutschen Textilfirma, die vor den Herren des osteuropäischen Tochterunternehmens einen Vortrag über technische Neuerungen hielt. Die Männer fläzten sich in ihren Sitzen und überschütteten sie mit sexistischen Kommentaren. Beim wiederholten Durchspielen der Situation mit Sparringspartnern tat die Frau etwas ganz Entscheidendes: Als ein besonders unverschämter Kollege seine Frage wieder mit „Honey“ beendete, blickte sie ihn lange wortlos an, ging dann zu seinem Stuhl, sah grinsend auf ihn herab, wiederholte ihren letzten Satz und schloss mit einem so genannten emotionalen Stopper: „Did you get it – Schätzchen?“
Eine andere Sprache
Frauen sprechen eine andere Sprache als Männer. Das fängt bereits in der Kindheit an: Mädchen bemühen sich meist, ein kommunikatives Gleichgewicht zwischen Freundinnen herzustellen, während die Sprache den Jungen dazu dient, Statuskämpfe auszutragen. Im Beruf führen diese Unterschiede dazu, dass Frauen oft den Kürzeren ziehen. Sie müssen daher eine weitere Fremdsprache erlernen, selbstverständlich ohne sich diese gänzlich zu eigen zu machen. So kommunizieren Sie wirkungsvoll, damit Mann Sie besser versteht:
- Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Benutzen Sie im Einzelgespräch mit Männern oft die Wörter „ich“ und „mein“, wenn von Ihrer Leistung die Rede ist.
- Vermeiden Sie Konjunktive. Statt „Ich würde das tun“ sagen Sie lieber „Ich werde das tun“.
- Geben Sie Fehler oder Unwissen nicht ohne Not zu. Männer machen schließlich auch andere oder die Umstände verantwortlich oder täuschen permanent Kompetenz vor, selbst wenn sie keine Ahnung haben. Fehler einzugestehen deuten sie als Schwäche.
- Nehmen Sie eine aggressive Streitkultur nicht persönlich. Männer können sich im Meeting bis aufs Messer bekämpfen und anschließend gemeinsam einen trinken gehen. Es handelt sich um eine Art rituellen Kampf.
Die Entdeckung der Langsamkeit
Für Männer ist es enorm wichtig, sich innerhalb einer Hierarchie zu verorten. Sie müssen wissen, woran sie sind, wer über und wer unter ihnen steht. Das Ganze ist ein sportlicher Wettkampf, der die Grundlagen für eine ernsthafte, sachbezogene Zusammenarbeit schafft. Weibliche Führungskräfte sollten ihren männlichen Kollegen deshalb deutlich zeigen, wer das Sagen hat. Lassen Sie sie in Ihr Arbeitszimmer kommen, statt auf sie zuzugehen. Fragen Sie im Konfliktfall langsam und bestimmt, wer im Betrieb die Chefin ist. Machtbotschaften, egal ob verbale oder nonverbale, folgen dem Gesetz der Langsamkeit. Eilen Sie niemals zur Sitzung, auch wenn Sie sich verspätet haben. Sprechen Sie umso langsamer, je mehr Sie zu sagen haben. Hilfskräfte müssen hasten, weil jemand sie vor sich hertreibt – Chefinnen nicht! Vorsicht ist bei kalkulierten Machtspielchen angesagt. Wenn ein ranggleicher Geschäftspartner Sie bei einem vereinbarten Termin z. B. unter dem Vorwand eines Telefongesprächs lange warten lässt, dann ist das kein Zufall. Er möchte Ihnen zeigen, wer in dem Geschäft die Konditionen diktieren kann. Reagieren Sie so, wie er es am wenigsten von einer Frau erwartet: Stehen Sie einfach auf und gehen Sie.
Machtspiele mitspielen
Männer haben meistens Spaß an Machtspielen unter Kollegen. Das ist für sie tatsächlich ein Spiel. Viele Frauen können das nicht nachvollziehen und kämpfen vergeblich dagegen an. Warum spielen Sie zur Abwechslung nicht einfach mal mit? Streicheln Sie notfalls das Ego eines männlichen Mitarbeiters, wenn es Ihnen die Arbeit erleichtert. Allerdings müssen Sie klare Grenzen setzen: Sexuelle Belästigungen jeder Art sind Grenzüberschreitungen. Sie müssen sich laut und für alle ersichtlich wehren, selbst wenn Ihnen dadurch der Jobverlust droht.
„Bevor wir Kulturtechniken gelernt haben, waren wir Lebewesen mit archaischen Reflexen. Diese aber bleiben wir auch mit Bildung.“
Analysieren Sie Ihre äußere Erscheinung: Ist Ihre Kleidung der Stellung in der Firma angemessen? Gehen Sie immer noch wie zu Studienzeiten ungeschminkt ins Büro? Äußerliche Machtsymbole sind im beruflichen Kontext sehr wichtig. Das mag man bedauern, ändern lässt es sich aber nicht. Natürlich sollen Sie sich nicht verkleiden und eine Maske aufsetzen. Kleiden und schminken Sie sich so, dass Ihr Selbstbewusstsein steigt, ohne dass Sie mädchenhaft oder aufreizend wirken. Lassen Sie sich von männlichen Kommentaren über eine vermeintliche „Kriegsbemalung“ nicht abschrecken. Krieger verlangen Respekt! Hier noch ein paar Tipps zum Thema Machtsymbole:
- Fordern Sie, was Ihnen in Ihrer Stellung zusteht, egal ob es sich um Auslandseinsätze, einen angemessenen Dienstwagen, das neueste Handymodell oder die korrekte Funktionsbezeichnung handelt.
- Schaffen Sie sich und pflegen Sie außerberufliche Netzwerke, auch durch den bewussten Einsatz der Visitenkarte. In einer Umfrage hielten 21 % der Männer in gehobenen Führungspositionen „nicht direkt berufsorientierte Aktivitäten“ für einen zentralen Erfolgsfaktor – unter den Frauen keine einzige.
- Nutzen Sie Ihre Funktionsbezeichnung als Stütze: Für xy sind Sie zuständig und für nichts anderes. Viele Frauen fühlen sich auch noch dafür verantwortlich, ein harmonisches Klima im Betrieb zu erhalten. Das macht sie leicht manipulierbar.
- Machen Sie sich Ihre berufliche Rolle bewusst und spielen Sie sie ruhig mit einem Augenzwinkern. Am Ende des Tages, in der Familie und mit Freunden, dürfen Sie wieder Sie selbst sein.
In dünner Luft atmen
Männer bevorzugen im Beruf Partner, die ihre Sprache sprechen – und das sind fast immer die Exemplare der männlichen Spezies. Sie loben zwar die Teamfähigkeit und die Sozialkompetenz ihrer Kolleginnen in den höchsten Tönen – und lassen sie dann trotz bester Qualifikationen in Teams versauern. Die berühmten Soft Skills werden so zum Bumerang. Ganz im Gegensatz zu jungen Männern reagieren Mädchen verwundert bis irritiert, wenn ihnen Führungsfähigkeiten bescheinigt werden. Schließlich haben Manager einen üblen Ruf. Allzu oft missbrauchen sie ihre Macht, indem sie Mitarbeiter entwürdigen oder sich illegal bereichern.
„Wenn die Firmenbüros neu eingeteilt werden, dann werde sofort tätig – nicht erst, wenn du dich im Keller wiederfindest!“
Macht an sich ist aber nichts Schlechtes, vor allem dann nicht, wenn sie auch andere ermächtigt. Gerade Frauen sind darin Spitze. Allerdings wird die Luft mit jedem Karriereschritt dünner. Sie werden da oben nur überleben, wenn Sie zunächst sich selbst die Sauerstoffmaske anlegen, bevor Sie anderen helfen. Schließlich können Sie es nicht allen recht machen, von allen geliebt werden und gleichzeitig Ihre eigenen Ziele durchsetzen. Der Preis der Macht ist eine gewisse Einsamkeit. Wenn Sie gerne Verantwortung übernehmen, ist er nicht zu hoch.