Tapferkeit vor dem Chef

Buch Tapferkeit vor dem Chef

So behaupten Sie sich in schwierigen Situationen

Walhalla,


Rezension

Allein, unter der Dusche, da klappt es: Da traut man sich, jedem, der einem in die Quere kommt, gehörig den Marsch zu blasen. Steht dann aber so ein Peiniger vor einem, verlässt einen allzu schnell der Mut. Wer sich über seine eigene Feigheit in solchen Situationen nervt, dem stehen Claudia Harss und Karin von Schumann mit ihrem Tapfer­keits-Coach­ing zur Seite. Zuerst gilt es Ur­sachen­forschung zu betreiben: Eine Selb­st­analyse kann die psy­chol­o­gis­chen Zusammenhänge aufdecken, die feiges Verhalten begünstigen. Wie das dann im Beruf­sall­tag konkret abläuft, zeigt das Buch anhand zahlreicher Prax­is­beispiele – verbunden mit erprobten Methoden, die einen auf heikle Momente vorbereiten und im richtigen Moment Mut machen. Harss und von Schumann kommen zum Glück ohne Psy­cho-Jar­gon aus, schreiben aber gele­gentlich etwas gar kumpelhaft. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Angestell­ten, die ihr Duckmäusertum gegen ein neues Selb­st­wert­gefühl eintauschen möchten.

Take-aways

  • Tapferkeit ist die Fähigkeit, sich schwierigen Situationen zu stellen.
  • Finden Sie heraus, wovor Sie im Berufsleben Angst haben.
  • Suchen Sie sich eine konkrete Situation aus, in der Sie tapfer sein wollen.
  • Steigern Sie mit der Zeit den Schwierigkeits­grad, und belohnen Sie sich.
  • Legen Sie vor einer Zusam­me­nar­beit die gegen­seit­i­gen Erwartungen fest, dann kann niemand übers Ohr gehauen werden.
  • Statt sich von Kritik überfahren zu lassen, bitten Sie selbst frühzeitig um Feedback.
  • Beweisen Sie Loyalität zu Ihren Kollegen. Weisen Sie sie offen auf Fehler hin, aber petzen und intrigieren Sie nicht.
  • Statt innerlich zu kündigen, sollten Sie sich sofort von einer Firma trennen, in der Sie sich dauerhaft unwohl fühlen.
  • Sich gegen unaufhalt­same Änderungen zu sträuben, ist sinnlos.
  • Wenn Ihnen Neuerungen Angst machen, hilft ein genauer Plan, wie Sie sich das nötige Wissen aneignen wollen.
 

Zusammenfassung

Finden Sie Ihre Schwach­stellen

Wahrschein­lich sind Sie weder James Bond noch Hans Hasenfuß – jeder Mensch ist in manchen Situationen tapfer und in anderen nicht. Wer das so nicht akzeptieren will oder das Gefühl hat, zu oft vor dem inneren Schweine­hund zu kuschen, der muss sich zuerst selbst unter die Lupe nehmen. Suchen Sie gezielt nach Ihren Schwach­stellen und halten Sie sie fest. Seien Sie bei der Analyse aber wirklich ehrlich – wer sich in die Tasche lügt, gehört erst gar nicht zu den Tapferen. Also: Vor wem haben Sie Angst?

  1. Vor dem Chef: Dann drücken Sie sich wohl gern vor Un­terre­dun­gen, sind ein Meister im Fehler-Ver­tuschen, schleimen sich beim Vorge­set­zten ein, meckern aber lautstark über ihn, wenn er nicht dabei ist.
  2. Vor Kunden, Kollegen, Mi­tar­beit­ern: Dann drückt sich Ihre Angst folgendermaßen aus: Sie sagen nicht, wenn Ihnen etwas nicht passt, halten bei Teambe­sprechun­gen lieber den Mund, Feedback und Teamgeist sind Ihnen ein Gräuel, In­for­ma­tio­nen behalten Sie erst mal für sich, und Kunden, die Sie den letzten Nerv kosten, kriegen von Ihnen trotzdem noch Stre­ichelein­heiten.
  3. Vor Veränderungen: Um­struk­turierun­gen finden Sie generell schlecht, mit technischen Neuerungen stehen Sie von Anfang an auf Kriegsfuß, Ihr Engagement für Änderungen hört bei der ersten Überstunde auf, Risiko ist etwas für andere, und Sie hätten gerne bis zum Rentenalter den im­mer­gle­ichen Schreibtisch.

Ist Ihr Unternehmen tapfer­keits­fre­undlich?

Haben Sie sich in einem dieser drei Typen wieder­erkannt? Dann sollte als Nächstes die Analyse Ihrer Firma folgen. Werden Flexibilität, Kreativität oder Pi­o­niergeist verlangt, existiert eine positive Fehler- und eine offene Feed­back­kul­tur, gibt es ein echtes Wir-Gefühl und klare, mo­tivierende Un­ternehmen­sziele, dann arbeiten Sie in einem tapfer­keits­fre­undlichen Unternehmen. Tapfer­keits­feindliche Unternehmen dagegen ersticken förmlich an ihrer Bürokratie, können mit Konflikten nicht umgehen und legen keinen Wert auf Kom­mu­nika­tion oder Teamgeist. Die hochtra­ben­den Firmenwerte existieren, wenn überhaupt, auf dem Papier.

„Jeder Mensch, auch der ver­meintlich feige, hat im Grunde einen sehr mutigen Pol in sich.“

Als Tapferer in einem tapfer­keits­feindlichen Unternehmen kämpfen Sie gegen Windmühlen. Zwar können Sie als feiger Mitarbeiter ganz gut mitschwim­men, aber wohl fühlen Sie sich dabei nicht und der James Bond in Ihnen liegt quasi auf der In­ten­sivs­ta­tion. Als Hasenfuß in einem tapfer­keits­fre­undlichen Unternehmen haben Sie dagegen alle Chancen, Ihr Mut-Poten­zial endlich auszuschöpfen. Wenn Sie an sich arbeiten, können Sie ins Lager der Durch­starter wechseln.

Chef, der Allmächtige

Dass der Boss mehr Macht hat als Sie, liegt in der Natur der Sache. So schlimm ist das gar nicht, solange Sie nicht den Duckmäuser spielen und ihn damit zur Macht-Demon­stra­tion reizen. Erst dann legen Chefs Allüren an den Tag. Gut möglich, dass eine dabei ist, die bei Ihnen wie ein K.-o.-Schlag wirkt.

„Die Mi­tar­beit­er­rolle bedient sich in frappanter Weise des Ver­hal­tensreper­toires des angepassten Kind-Ichs.“

Das geht schon los, wenn der Chef Sie bei einem Be­sprechung­ster­min warten lässt, dann erst mal eine Selb­st­darstel­lung abgibt („Mein alter Freund, der In­nen­min­is­ter, und ich …“) oder auf vertraulich macht („Ich sag Ihnen, in der Vor­standssitzung gestern …“). Lassen Sie sich davon ebenso wenig beein­drucken wie von Stirn­run­zeln oder Ins-Wort-Fallen, während Sie Ihr Anliegen vorbringen. Wenn Sie gut vorbereitet ins Gespräch gehen, laufen auch Chef-Tak­tiken wie der Vergleich mit anderen Kollegen, Erpressung („Wenn Sie darauf bestehen, muss ich XY tun“), kurze Abfertigung („Wir behalten das mal im Auge“) oder Beschwich­ti­gun­gen ins Leere. Bestehen Sie auf der Wichtigkeit Ihres Anliegens, aber verkneifen Sie sich unbedingt Wut, die Masche „hilfloses Hascherl“ oder gar Tränen – dann nimmt der Boss Sie gar nicht mehr ernst.

„Sie sollten realistisch abwägen, was die Tapferkeit Sie schlimm­sten­falls kostet.“

Im Grunde spielt der Chef ja auch nur seine Rolle, genauso wie Sie die Ihre. Sein Verhalten kommt, psy­chol­o­gisch gesprochen, aus dem Eltern-Ich (kritisch, strafend, streng oder beschützend) während Sie aus dem Kind-Ich agieren: spontan oder angepasst, weinerlich oder trotzig. Es steht aber nirgends, dass das immer so bleiben muss. Tapferkeit beginnt damit, erwachsen zu werden, sich also aus verkrusteten Ver­hal­tens­mustern der Kindheit zu schälen. Locken Sie das Erwach­se­nen-Ich aus den Tiefen Ihrer Persönlichkeit, das hilft Ihnen rational, vernünftig und problemlösung­sori­en­tiert zu handeln – auf Augenhöhe mit Ihrem Chef.

Keine Harmonie um jeden Preis

Der Kollege am Nebentisch nervt mit endlosen, lautstarken Telefonaten, der Kunde mit Extrawünschen und pampigen Bemerkungen – und was machen Sie? Sie schweigen und lächeln. Aber innen, da fühlen Sie sich wie ein Dampfkessel, der gleich in die Luft fliegt. Denken Sie mal zurück: In Ihrer Familie war vermutlich Harmonie das Maß aller Dinge und wer dagegen aufbegehrte, bekam keinen Gute-Nacht-Kuss. Klar, Harmonie fühlt sich so schön kuschelig an. Im wirklichen Leben aber wird es nie so sein, dass jeder Sie immer lieb hat.

„Viele Mitarbeiter machen sich un­re­flek­tiert ohnmächtiger, als sie sind. Und damit im gleichen Atemzuge ihren Chef mächtiger, als beiden gut tut.“

Es geht nicht um blinde Kampf­bere­itschaft, sondern um in­tel­li­gente Tapferkeit. Drei Regeln, an die Sie sich im Umgang mit Kunden, Kollegen und Mi­tar­beit­ern halten können:

  1. Gegen­seit­ige Erwartungen festlegen: Wenn jeder weiß, was der andere sich unter der Zusam­me­nar­beit vorstellt, und man strittige Bereiche von vornherein klärt, gibt es hinterher kein böses Erwachen, keinen Ver­trauensver­lust. Das komische Gefühl, übers Ohr gehauen zu werden, bleibt aus.
  2. Offen mit Kritik und Feedback umgehen: Es geht um die Sache, deshalb ist gute und faire Kritik wichtig. Vo­raus­set­zung dafür ist, dass das Feedback zeitnah kommt, dass Ich-Botschaften verwendet werden und das Verhalten, nicht der Mensch kritisiert wird. Als Kri­tisierter hören Sie erst mal genau zu, fahren nicht gleich die Krallen aus und fragen nach, was genau mit der Kritik gemeint ist. Noch besser: Sie bitten selbst frühzeitig um ein Feedback.
  3. Sich rechtzeitig ve­r­ab­schieden: Eine Trennung will gut überlegt sein, aber manchmal bleibt nichts anderes übrig, wenn Sie nicht Gefahr laufen wollen, sich psychisch zu ruinieren. An einer Firma, der Sie innerlich bereits gekündigt haben (übrigens: Feigheit pur), sollten Sie ebenso wenig festhalten wie an einem Mitarbeiter, der keine Leistung bringt oder einem Kunden, der für einen Miniauftrag das ganze Team blockiert.

Mut gegenüber Mi­tar­beit­ern, Kunden und Kollegen

Nicht nur untergebene Mitarbeiter kennen Tapfer­keitss­chwächen, auch so mancher Chef kämpft damit. Wenn Sie selbst ein Team leiten, dann drücken Sie sich nicht vor Mi­tar­beit­erge­sprächen, nutzen Sie diese Feed­back-Chance regelmäßig, d. h. mindestens halbjährlich. Halten Sie aber keine Monologe – Chef und Mitarbeiter sprechen gle­ich­berechtigt und zwar möglichst konkret, etwa über einen Auftrag, eine Ar­beitssi­t­u­a­tion, ein Projekt. Geht es um eine Bewertung, dif­feren­zieren Sie: nicht alles kann gut oder sehr gut sein, auch eine mittelmäßige Leistung muss als solche genannt werden. Am Ende steht eine Zielvere­in­barung, damit jede Seite genau weiß, was künftig zu tun oder zu lassen ist.

„Auch ein Team fährt besser, wenn die Tapfer­keit­sregeln zwischen Kollegen gelten.“

Verbiegen Sie sich auch vor einem Kunden nicht. Zwar sollten Sie hier schon ein wenig großzügiger sein und ihn nicht gleich bei der ersten Un­stim­migkeit vor die Türe setzen. Wenn Sie sich aber gar nicht mehr grün sind, ist auch hier die Trennung die bessere Alternative. Vorher allerdings versuchen Sie, sich in die Lage des Kunden zu versetzen, ihm genau zuzuhören und sein Verhalten zu hin­ter­fra­gen. Vielleicht haben Sie zu Beginn ja feige das Kleinge­druckte unter den Tisch fallen lassen oder bei auf­tauchen­den Problemen zu lange mit dem Feedback gewartet.

„Es ginge uns allen besser, wenn wir die Zukunft aktiv und tapfer gestalten, anstatt sie durch Jammern und Verdrängen einigen wenigen Wichtigtuern zu überlassen!“

Tapferkeit unter Kollegen bedeutet letztlich: Loyalität. Jammern Sie nicht über den „fiesen Kerl“ im Nebenzimmer, gehen Sie zu ihm und besprechen Sie sachlich, wo es hakt. Beim Chef zu petzen ist genau so falsch, wie über den Kollegen herzuziehen, während er gerade nicht im Büro sitzt. Ganz mies ist es, jemandem wichtige In­for­ma­tio­nen vorzuen­thal­ten. Wenn Ihr Team in einer brenzligen Situation steckt und Sie der Einzige sind, der das Damok­less­chw­ert bedrohlich schaukeln sieht, dann äußern Sie Ihre Bedenken tapfer und rechtzeitig, auch wenn Sie sich damit kurzfristig unbeliebt machen. Später wird man Sie dafür loben.

Alles Neue ist eine Chance

Mal ehrlich: Die Zukunft in­ter­essiert sich nicht dafür, ob Sie sich vor ihr fürchten oder nicht. Sie kommt sowieso, als de­mografis­cher Wandel, als digitales Zeitalter, oder in Form der Lernge­sellschaft. Es gibt nur eine richtige Strategie im Umgang mit der Zukunft: sich mit ihr zu arrangieren. Gehen Sie aber auch auf ältere Mitarbeiter zu und profitieren Sie von deren Erfahrung. Und wenn Sie selbst schon älter sind, dann miss­brauchen Sie das nicht als Ausrede: Es ist bewiesen, dass auch Menschen in der zweiten Lebenshälfte noch jede Menge Bildung in ihr Gehirn schaufeln können.

„Machen Sie Großinventur und misten Sie irrationale Glaubenssätze, die längst überholt, aber bei Ihnen immer noch hand­lungslei­t­end sind, aus.“

Mit Knock-out-Sätzen wie „Früher war alles besser“ oder „Das machen wir doch immer schon so“ nehmen Sie sich selbst aus dem Rennen. Erinnern Sie sich? Das hat Ihre Oma auch schon gesagt und Sie fanden das ziemlich daneben. Mutige Menschen formulieren ganz anders: Ich kann mein Leben lang dazulernen, vieles ist heute besser und ich kann selber vieles verbessern. Entwerfen Sie einen genauen Plan, nach dem Sie vorgehen, um sich das nötige Wissen anzueignen. Überstürzen Sie dabei nichts und bremsen Sie mutig die un­re­al­is­tis­chen Zeitvorgeben Ihres Chefs.

Tapferkeit nur wollen reicht nicht

Wer sich Tapferkeit aneignen will, muss sie einfach mal aus­pro­bieren. So lernen Sie dazu und können das Gelernte schrit­tweise im Alltag umsetzen. Hier noch die wichtigsten Schritte beim Tapfer­keit­strain­ing:

  1. Finden Sie Ihre Achilles­ferse. Notieren Sie sich, was genau Ihnen Angst macht, was die anderen von Ihnen erwarten, was Ihr Angsthasen­ver­hal­ten hervorruft, aber auch, in welcher Situation Sie richtig mutig waren.
  2. Fassen Sie einen Entschluss. Suchen Sie sich die Situation aus, in der Sie künftig Tapferkeit beweisen wollen, und machen Sie einen konkreten Plan, wann und wie das stattfinden soll und womit Sie sich anschießend belohnen.
  3. Steigern Sie den Schwierigkeits­grad. Zunächst reicht es schon, dass Sie den Kopf heben, Ihrem Gegenüber in die Augen blicken und deutlich sprechen. Später stellen Sie sachliche, lösung­sori­en­tierte Fragen. Schließlich holen Sie aktiv Feedback ein.
  4. Beweisen Sie Ihren Mut. Sagen Sie offen, was Ihnen nicht passt, stellen Sie berechtigte Forderungen, wider­sprechen Sie, wo es angebracht ist, erledigen Sie unangenehme Un­terre­dun­gen sofort, gehen Sie neue Aufgaben beherzt an und trennen Sie sich von allem, was Sie nicht weit­er­bringt.
„Wenn Sie in einer Situation tapfer waren, dann können Sie es auch in jeder beliebigen anderen sein.“

Verpassen Sie Hans Hasenfuß einen Maulkorb und kehren Sie den James Bond in Ihnen heraus. Zivil­courage ist angesagt – weil am Ende nur die Tapferen gewinnen.

Über die Autorinnen

Dr. Claudia Harss ist Coach und Beraterin. Als Geschäftsführerin der Twist Consulting Group begleitet sie Zusam­men­schlüsse und Um­struk­turierun­gen großer Firmen. Dr. Karin von Schumann ist Dipl.-Psy­cholo­gin und arbeitet als Man­age­ment­ber­a­terin mit den Schw­er­punk­ten Kom­mu­nika­tion, Auftreten und Selb­st­mar­ket­ing.