Vielfalt ist ein Gewinn
Das Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz wird schon seit vielen Jahren heiß diskutiert, und nach wie vor haben es Frauen, ältere Menschen, Ausländer, Behinderte oder Homosexuelle in der Arbeitswelt nicht leicht. Doch immerhin rückt langsam Diversity-Management ins Blickfeld, d. h. ein bewusster Umgang mit den individuellen Eigenarten der Mitarbeiter und der Versuch, sie für das Unternehmen zu nutzen, statt die Betroffenen abzuwerten.
„Diversity oder ‚soziale Diversität‘ bezeichnet ganz grundsätzlich die Vielfalt der Zusammensetzung einer Gesellschaft oder eines Unternehmens.“
Diversity-Management kann einem Unternehmen viele Vorteile bringen. So werden Teams innovativer und produktiver, wenn Menschen mit unterschiedlicher Prägung zusammenarbeiten. Ein Unternehmen, das sich ernsthaft mit dem Thema Diversity beschäftigt, entwickelt zudem mehr Sensibilität für die individuellen Bedürfnisse seiner Kunden und kann sein Angebot besser auf sie abstimmen. Ebenso kann es im globalen Wettbewerb eher auf kulturelle Unterschiede eingehen. Diversity-Management nutzt dem Image des Unternehmens, dieses wird als Arbeitgeber attraktiver und hat dadurch eine größere Auswahl an Bewerbern.
Männerarbeit und Frauenarbeit
In jeder menschlichen Gemeinschaft herrscht Arbeitsteilung. Wer, gemessen an Alter und Gesundheitszustand, arbeitsfähig ist, leistet seinen Beitrag. Nach der traditionellen Rollenverteilung gehen Männer einer Erwerbsarbeit nach, während sich die Frauen ohne Bezahlung um Haushalt und Kinder kümmern. Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges geändert, auch Frauen beanspruchen ihren Platz im Berufsleben. Doch die Gleichberechtigung ist in der Arbeitswelt noch nicht wirklich durchgesetzt: So gibt es noch immer traditionelle Frauen- und Männerberufe, und Erstere sind in der Regel deutlich schlechter bezahlt. Es lässt sich sogar nachweisen, dass ein Beruf an Prestige verliert, sobald der Frauenanteil steigt. Ähnlich ist das Bild in der Unternehmenshierarchie: Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert.
Diversity-Management bei der Personalauswahl
Diversity-Management beginnt bei der Personalauswahl. Wenn Sie kreative Teams bilden wollen, dürfen Sie Ihre Mitarbeiter nicht nach Schema F auswählen. Holen Sie bewusst Frauen und Männer, Ältere und Jüngere sowie Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund ins Boot. Formulieren Sie die Stellenausschreibung geschlechtsneutral und erwähnen Sie Aspekte, die den Arbeitsplatz für Frauen attraktiv machen, etwa Kinderbetreuung oder die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten.
„Erst durch den bewussten Umgang mit Diversity – mit Diversity-Management – kann Vielfalt als Chance und Ressource sowohl des Unternehmens wie der einzelnen Mitarbeitenden genutzt werden.“
Schon das Vorstellungsgespräch ist anfällig für Diskriminierung – etwa wenn die Fragen an Frauen und Männer unterschiedlich ausfallen. Versuchen Sie, das Vorgehen bei allen Bewerbern zu standardisieren. Konzentrieren Sie sich auf die Punkte, die für die Tätigkeit wichtig sind, und lassen Sie persönliche Informationen, etwa zu Hobbys oder Kindern, außen vor. Falls möglich, sollten immer wenigstens drei Personen am Gespräch teilnehmen. In manchen Ländern ist die erste Runde eines Bewerbungsverfahrens inzwischen sogar anonymisiert: Um Diskriminierung zu vermeiden, werden Angaben über Geschlecht, Alter oder Nationalität noch nicht bekannt gegeben.
Beurteilung und Entlohnung
Auch bei Personalgesprächen und Mitarbeiterbeurteilungen lauern Fallen, was Diskriminierung betrifft. Studien haben gezeigt, dass Führungskräfte generell besser beurteilt werden als Mitarbeiter auf den unteren Hierarchieebenen, Männer besser als Frauen, Jüngere besser als Ältere, Einheimische besser als Ausländer mit lückenhaften Sprachkenntnissen. Da liegt der Verdacht nahe, dass die Beurteilungen nicht ganz frei von Vorurteilen und Stereotypen sind. Kontrollieren Sie, ob Sie vorurteilsfrei beurteilen, und ziehen Sie nach Möglichkeit Dritte hinzu.
„Mit der Feminisierung eines Berufes geht immer auch ein Status- und damit Einkommensverlust einher.“
Achten Sie darauf, dass Frauen und Männer den gleichen Lohn erhalten, und setzen Sie sich für ein transparentes Entlohnungssystem ein. Traditionell macht der Mitarbeiter Karriere, der viel Zeit im Unternehmen verbringt und sich auch für Überstunden nicht zu schade ist. Doch auch dadurch werden Frauen, die eher Teilzeit arbeiten, schnell benachteiligt. Ermöglichen Sie deshalb auch Führungskräften Teilzeitarbeit. Gehen Sie bei Entlassungen nicht nach dem bekannten Schema vor, zuerst bei den Teilzeitstellen anzusetzen und die zu 100 % arbeitenden „Ernährer“ im Unternehmen zu belassen.
Diversity-Management in Teams
Wenn in einem Team die Zusammenarbeit gut klappt, können die Mitglieder sich gegenseitig zu Höchstleistungen treiben. Umgekehrt lässt sich beobachten, wie die Leistungsfähigkeit rapide sinkt, wenn die Chemie nicht stimmt. Üblicherweise arbeiten Menschen dann gut zusammen, wenn sie viel gemeinsam haben und eine ähnliche Herkunft, Lebenssituation etc. teilen. Doch in so einem Fall denken auch alle in ähnlichen Bahnen, und darunter leidet die Kreativität des Teams. Bilden Sie als Führungskraft deshalb heterogene Teams und achten Sie auf gute Kommunikation, damit Spannungen schnell ausgeräumt werden können. Sorgen Sie dafür, dass Unterschiede nicht einfach unter den Teppich gekehrt, sondern akzeptiert werden.
„Life domain balance“ und Familienfreundlichkeit
Der Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Lebensbereichen, englisch „life domain balance“, wird in der heutigen Arbeitswelt immer wichtiger. Menschen engagieren sich vielfältig neben dem Beruf, etwa in Familie und Ehrenämtern, und brauchen dieses Engagement als Ausgleich. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter dabei, indem Sie flexible Arbeitszeitmodelle fördern, aber auch einfach indem Sie sich für die Lebenssituation Ihrer Angestellten interessieren und auf sie eingehen. Treffen Sie zudem Maßnahmen zur Verbesserung der Familienfreundlichkeit: Bieten Sie etwa flexiblere Arbeitszeiten an, Kinderbetreuung oder eine Kantine, die Essen zum Mitnehmen offeriert.
Ältere und Behinderte einbinden
Die Bevölkerung in Europa altert. Entsprechend werden ältere Menschen in Zukunft auch in der Arbeitswelt eine größere Rolle spielen. Umso wichtiger ist es, sie als Arbeitnehmer zu respektieren und zu integrieren. Ältere Menschen sind weniger flexibel als junge, dafür bringen sie mehr Lebenserfahrung und Gelassenheit mit. Achten Sie darauf, dass gerade auch diese Arbeitnehmergruppe mit Weiterbildungsmaßnahmen gefördert wird, damit sie mit ihrem Wissen auf dem aktuellen Stand bleibt.
„In keinem Wirtschaftszweig entspricht der Frauenanteil in der Unternehmensleitung auch nur annähernd dem Frauenanteil an allen Erwerbstätigen.“
Engagieren Sie sich für ein Gesundheitsmanagement im Unternehmen, das auf die Belange Älterer Rücksicht nimmt. Jede Generation hat ihre spezifische Prägung und bestimmte Werte, die für sie wichtig sind. Schaffen Sie in Ihrem Unternehmen ein Bewusstsein für diese Unterschiede und fördern Sie die Toleranz untereinander, um die Zusammenarbeit von Jüngeren und Älteren zu verbessern. Auch Menschen mit Behinderungen sollten nach Möglichkeit ins Arbeitsleben integriert werden. Die Anforderungen an den Arbeitsplatz sind je nach Art und Ausmaß der Behinderung verschieden. Ideal sind in der Regel feste Arbeitszeiten und stabile Arbeitsbedingungen.
Kulturelle Unterschiede und sexuelle Orientierung
In einer global ausgerichteten Wirtschaft wird die Zusammenarbeit mit Menschen anderer Kulturen immer wichtiger. Außerdem finden sich auf dem Arbeitsmarkt viele Menschen mit Migrationshintergrund – nicht selten in Tätigkeiten, für die sie eigentlich überqualifiziert sind, weil ihre Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden oder die Sprachkenntnisse nicht ausreichen. Nehmen Sie bewusst auch Menschen mit Migrationshintergrund in Ihre Förderprogramme für Führungskräfte auf und bieten Sie wenn nötig Sprachkurse an.
„Erst ein Einweben in den Alltag – also in die wichtigen Prozesse – bringt die Chancengleichheit zum Leben.“
Unterbinden Sie die Diskriminierung homosexueller Mitarbeiter konsequent und fördern Sie stattdessen einen offenen Umgang mit dem Thema. Obwohl sich in den letzten Jahren viel geändert hat, scheuen sich Homosexuelle oft noch, sich am Arbeitsplatz zu outen, und viele Vorgesetzte trauen sich nicht, das Thema offen anzusprechen. Verzichten Sie im Einstellungsverfahren auf die Frage nach dem Familienstand und achten Sie darauf, dass Vergünstigungen für Ehepartner ebenso für eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften gelten.
Diversity-Bewusstsein
Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur. Ein Teil davon ist schriftlich festgehalten, etwa in Stellenbeschreibungen oder Handbüchern, und öffentlich. Der weitaus größere Teil sind ungeschriebene Regeln. Alle kennen sie, auch wenn niemand offen darüber spricht. Wenn Ihnen hier diskriminierende Strukturen auffallen – wenn z. B. grundsätzlich nur Vollzeitbeschäftigte befördert werden – sollten Sie etwas tun.
„Überlegungen jenseits von Stereotypen verbessern die Qualität Ihrer Produkte und Dienstleistungen und können Ihnen entsprechende ökonomische Vorteile bringen.“
Das Thema Diversity-Management, insbesondere der Einsatz für eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Unternehmen, stößt häufig auf Widerstand. Für die einen sind Frauen in Führungspositionen fehl am Platz, für die anderen ist das Thema Gleichstellung schon überholt. Nehmen Sie diese Widerstände ernst und versuchen Sie zugleich, Ihre Haltung mit Fakten zu belegen: Weisen Sie nach, dass Frauen noch immer unterrepräsentiert sind und dass von wirklicher Gleichstellung noch lange keine Rede sein kann. Machen Sie deutlich, dass die traditionellen Geschlechterrollen rein historisch bedingt, aber nicht biologisch begründet sind – und dass sich sonst in unserer Gesellschaft auch niemand mehr an Traditionen aus der Steinzeit orientiert.
Diversity-Management als Aufgabe des Unternehmens
Wenn Diversity-Management erfolgreich umgesetzt werden soll, ist es am günstigsten, es gleich im Leitbild und in der Strategie des Unternehmens zu verankern. Die Verantwortlichen für Diversity-Management sollten in der Unternehmenshierarchie möglichst weit oben angesiedelt sein, um wirklich etwas bewegen zu können. Wichtig ist auch die Frage nach der Finanzierung: Ein eigenes Budget schafft Spielräume. Sorgen Sie dafür, dass messbare Gleichstellungsziele, etwa die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen auf 25 %, in die Unternehmensziele mit aufgenommen werden. Gehen Sie dabei jedoch behutsam vor und berücksichtigen Sie die Gegebenheiten in den einzelnen Abteilungen. Versuchen Sie nicht, einfach Ihre Wunschvorstellungen durchzusetzen, sondern erarbeiten Sie gemeinsam mit den Beteiligten realistische Ziele.
„Kommunikation generiert Wirklichkeit, und sozialer Wandel ist immer ein Effekt von Kommunikation.“
Untersuchen Sie die interne und externe Kommunikation des Unternehmens auf Diversity-Aspekte. Welches Männer- bzw. Frauenbild wird z. B. in Werbung und Prospekten vermittelt? Finden sich Stereotype? Ist die Sprache geschlechtergerecht oder diskriminierend? Achten Sie auch beim Umgang mit den Kunden auf versteckte Diskriminierung. Wie sehen Sie Ihre Kunden? Wenden Sie sich beim Verkauf von technischen Produkten an Männer, bei Kosmetika an Frauen, ganz den traditionellen Rollenbildern entsprechend? Oder gehen Sie Ihre Zielgruppen differenzierter an? Werden Sie für dieses Thema sensibel und arbeiten Sie auf Veränderungen hin.