Die Macht des Herdentriebs
Ihr Nachbar macht es schon lange, Ihr bester Freund und Ihr Bruder tun es ebenfalls (was immer „es“ ist). Damit steigt der soziale Druck, und Sie möchten genauso handeln wie alle anderen. Dieses Prinzip der sozialen Bewährtheit machen sich diejenigen zu eigen, die andere zu einem Kauf überreden wollen. Beispiel Homeshopping: Der Satz „Falls alle Leitungen belegt sind, rufen Sie bitte zu einem späteren Zeitpunkt wieder an“ lässt an fleißige Callcenter-Mitarbeiter denken, die pausenlos Anrufe entgegennehmen. Und das bedeutet, dass viele Leute dort anrufen – der Nachbar, der Freund, der Bruder. Sie auch?
„Überzeugen ist eine Wissenschaft. Zwar wird sie oft als Kunst bezeichnet, doch liegt dieser Annahme ein großer Irrtum zugrunde.“
Das Prinzip der sozialen Bewährtheit lässt sich auch an anderen Orten einsetzen, z. B. im Unternehmen oder in einem Naturschutzpark – überall dort, wo viele Menschen zusammentreffen, die sich an bestimmte Regeln halten sollen. Derjenige, der diese Regeln aufstellt, sollte weniger auf den Fällen herumreiten, in denen die Regeln übertreten wurden. Vielmehr ist es sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass sich fast alle Mitarbeiter, Schüler, Parkbesucher daran halten. Sonst nehmen sich die Angesprochenen nämlich am Ende die Negativfälle zum Vorbild. Und das wollen Sie bestimmt vermeiden.
Wie du mir, so ich dir
Soziale Interaktionen sind ausschlaggebend für das Prinzip der Gegenseitigkeit, der Reziprozität. Wahrscheinlich haben Sie dieses Prinzip schon am eigenen Leib erfahren: Bittet jemand Sie um einen Gefallen, der vorher etwas für Sie getan hat, können Sie schlecht Nein sagen. Schließlich wollen Sie erstens fair sein, zweitens fühlen Sie sich verpflichtet.
„Wenn Menschen nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, neigen sie dazu, sich an dem Verhalten der Menschen in ihrem Umfeld zu orientieren.“
Ein Beispiel: Sie müssen früher aus dem Büro weg, weil Sie einen unverschiebbaren Arzttermin haben. Ihr Chef ist damit einverstanden. Am nächsten Tag fragt er Sie, ob Sie länger bleiben können, um eine dringende Aufgabe zu erledigen. Wahrscheinlich werden Sie nicht ablehnen. Doch aus dieser Regel können Sie noch mehr ableiten: Fragen Sie sich künftig öfter, wem Sie bei irgendetwas helfen können. Dann werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit viele loyale Kollegen und Bekannte auf Ihrer Seite haben, wenn es darauf ankommt.
Gleich und Gleich gesellt sich gern
Eine gute Möglichkeit, Kunden oder Mitarbeiter zu überzeugen, ist, ihre Probleme wirklich zu verstehen. Denn nur wenn jemand nachvollziehen kann, an welcher Stelle es beim anderen hakt, klingt er seriös und überzeugend, wenn er einen Lösungsvorschlag macht. Der junge, technikbegeisterte Kollege wird es wahrscheinlich nicht schaffen, die ältere Mitarbeiterin, die sich vor der neuen Software fürchtet, dafür zu begeistern. Ein Kollege in ihrem Alter dagegen, der bis dahin genauso gearbeitet hat wie sie und der weiß, wo die Vorteile der neuen gegenüber der alten Software liegen, kann sie ihr besser erklären und wirkt damit glaubwürdiger.
„Wer andere überzeugen will, sollte sich klarmachen, dass weniger manchmal auch mehr sein kann.“
Der Erfolg, die Beliebtheit oder die Redegewandtheit eines Menschen spielen beim Überzeugen keine große Rolle. Viel wichtiger ist, dass er der Zielgruppe nahesteht und sich in sie hineinversetzen kann. Das zeigt sich in den Versuchen, aus denen sich das Prinzip „gemeinsam ist man selten einsam“ ableiten lässt. Untersuchungen ergaben tatsächlich, dass die Probanden eher bereit waren, einen per Post zugestellten Fragebogen auszufüllen, wenn der Absender einen ähnlich klingenden Namen hatte wie sie. Aber auch wenn Sie aus der gleichen Stadt kommen, an der gleichen Universität studiert haben oder die Ansichten Ihres Kunden teilen, sollten Sie ihn möglichst bald darauf aufmerksam machen. Denn Gemeinsamkeiten sorgen für Sympathie.
„Einfach nur Panik schüren und den Kundinnen und Kunden vage mitzuteilen, bestimmte Waren oder Dienstleistungen könnten gegen die genannten Bedrohungen wirken, hat womöglich den gegenteiligen Effekt und lässt die Betroffenen in Inaktivität verharren.“
Wenn Sie neue Produkte auf den Markt bringen, können Sie ebenfalls von dieser Regel profitieren. Wählen Sie keinen Namen, der mit Z, X oder Q beginnt. Denn wahrscheinlich gibt es nicht viele Menschen, deren Name dann ähnlich klingt wie das Produkt. Sie sollten aber darauf achten, dass eine Dienstleistung oder ein Produkt einen Namen bekommt, der gut zum Unternehmen passt. Ein Name sollte außerdem einfach auszusprechen sein.
„Clevere Führungspersönlichkeiten bitten erst ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Meinung, ehe sie ihre eigene Position erläutern.“
Es gibt Studien, die belegen, dass Aktien mit leicht aussprechbarem Namen eher an Wert gewinnen als Wertpapiere mit kompliziertem Namen. Andererseits können originelle Bezeichnungen oder solche, die nicht ganz eindeutig sind, für bessere Geschäfte sorgen, denn sie regen zumindest dazu an, über sie zu sprechen, und das kann sich verkaufsfördernd auswirken.
Von Mund zu Mund
Hilfreich ist es natürlich, wenn andere für Sie werben. Wenn jemand Ihre Kompetenzen im Gespräch mit einer anderen Person lobt, sorgt diese Mund-zu-Mund-Propaganda dafür, dass Ihr Wert steigt. Besonders toll ist es, wenn Dritte ungefragt ein Loblied auf Sie anstimmen. Wenn sich aber niemand findet und Sie unbedingt diese Form der Werbung benötigen, können Sie auch dafür bezahlen. Oder Sie nutzen diese Alternative: Hängen Sie Ihre Diplome, Preise, Zertifikate gut sichtbar in Ihrem Büro oder in Ihrer Praxis auf. Sie haben einen ähnlichen Effekt.
„Wer einen Nachteil seines Produkts offen erwähnt, wird als ehrlich und vertrauenswürdig wahrgenommen.“
Vertrauen schaffen Sie außerdem, indem Sie Fehler eingestehen – oder auch kleine Nachteile Ihres Produkts oder Ihrer Dienstleistung. Welchen Autokäufer wird es beispielsweise stören, dass das Licht im Kofferraum etwas dunkel ist, wenn der Wagen nur wenig Benzin verbraucht? Wenn Sie einen solchen kleinen Nachteil einräumen, wird man Ihnen gerne glauben, dass das Auto auch die genannten Vorteile hat. Ähnlich verhält es sich, wenn Sie die Schuld für eine Panne auf sich nehmen. Denn dazu gehört Mut, und die meisten Kunden werden dadurch Respekt vor Ihnen gewinnen. Wen man respektiert, dem vertraut man auch – selbst wenn er gerade einen Fehler gemacht hat.
Gruppendynamik bewusst einsetzen
Gibt es in Ihrem Unternehmen zu wenig Innovationen? Keine guten Ideen? Haben Sie schon einmal Ihre Mitarbeiter gefragt, ob ihnen etwas Besseres einfällt? Gute Führungskräfte fragen erst im Team nach, bevor sie ihre eigenen Ideen präsentieren. Aber Achtung: Auch falls es so aussieht, als ob alle im Team einer Meinung wären – haken Sie nach. Häufig ist Gruppendynamik schuld daran, dass es keine Widersprüche und Diskussionen gibt. Schließlich haben Menschen in Gruppen den Wunsch, gut miteinander auszukommen.
„Natürlich sollten Sie nichts erfinden, was Sie angeblich mit anderen gemeinsam haben, nur um deren Zustimmung zu erwirken.“
Viel zu häufig vergessen Chefs, ihren Mitarbeitern Gehör zu schenken. Und Mitarbeiter nehmen oft Anweisungen hin, ohne sie zu hinterfragen. So sind schon Flugzeuge abgestürzt, weil der Pilot nicht auf den Kopiloten gehört hat. Studien weisen diese so genannte „Captainitis“ auch für soziale Berufe beispielsweise in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen nach.
Ist weniger mehr?
24 verschiedene Marmeladen im Angebot können den größten Gourmet überfordern. Eine Studie zumindest zeigt, dass der Absatz eines Supermarkts um 27 % höher war, als er nur noch sechs verschiedene Geschmacksrichtungen anbot. Doch es kann auch anders herum laufen.
„Indem wir anderen im Team, im Kollegen- oder Bekanntenkreis helfen, schaffen wir eine soziale Verpflichtung, die dazu beitragen wird, dass sie uns in Zukunft helfen oder unterstützen werden.“
Ein Eisdielenbesitzer in Vancouver, der über 200 verschiedene Eissorten anbietet, macht ein hervorragendes Geschäft. Die Gründe dafür: Es ist erstens ungewöhnlich, eine so große Zahl unterschiedlicher Eiscremesorten bereitzuhalten. Das hat für Neugier gesorgt. Zweitens scheinen die meisten Kunden die ungewöhnlichen Eissorten zu mögen, und drittens ist eine große Auswahl dann von Vorteil, wenn die Kunden genau wissen, was sie wollen, es aber nur an wenigen Stellen bekommen. Trotzdem sollten Sie darüber nachdenken, ob für Sie eine Verringerung des Angebots sinnvoll sein könnte. Immerhin benötigen Sie dann auch weniger Lagerfläche und Rohstoffe.
„Preist jemand anders dem Publikum Ihre Vorzüge und hervorragenden Fachkenntnisse an, wirkt dies meist Wunder, wenn es darum geht, Dritte davon zu überzeugen, auf Sie zu hören und Ihren Sachverstand wertzuschätzen.“
Weniger ist auch dann mehr, wenn Sie Ihren Kunden das Gefühl geben, etwas zu verlieren, wenn sie eine bestimmte Dienstleistung nicht nutzen. Der Grund dafür ist die so genannte Verlustaversion. So verpassen viele Aktienbesitzer den richtigen Moment, um Wertpapiere gewinnbringend zu verkaufen. Ist der Börsenkurs jedoch erst stark gefallen, wollen sie die Aktien nicht mehr verkaufen, weil sie in diesem Moment den Verlust realisieren. Und Verlust möchte eigentlich niemand machen. Darum sollten Sie Ihre Kunden häufiger darauf aufmerksam machen, dass sie etwas verpassen – etwa die Chance auf 20 % Rabatt – oder dass sie täglich einen Euro verlieren, solange sie nicht eine bestimmte Energiesparmaßnahme durchführen lassen. Solche Aussagen regen zum Kauf an.
Die goldene Mitte
Das Einfachste oder Billigste soll es selten sein. Das Teuerste dagegen kostet oft zu viel. Darum suchen viele Konsumenten den goldenen Mittelweg, und der liegt zwischen dem Minimum und dem Maximum, das sie sich leisten können. Kommt nun ein neues elektronisches Gerät auf den Markt, das nur wenig mehr kann als sein Vorgänger, dafür aber deutlich teurer ist, kann es sein, dass der Vorgänger plötzlich häufiger verkauft wird – sofern er noch zu haben ist. Ähnlich verhält es sich mit der Weinkarte im Restaurant: Vermutlich werden die sehr teuren Weine nur selten verkauft. Würde der Restaurantbesitzer sie deswegen von der Karte streichen, so verschöbe sich die goldene Mitte weiter nach unten, und damit würde er unter dem Strich deutlich weniger Umsatz mit Wein machen. Auch im Unternehmen ist die goldene Mitte oft der richtige Weg.
„Je persönlicher eine Bitte vorgetragen wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass man eine positive Antwort erhält.“
Sie wollen eine Fortbildung besuchen, die ziemlich teuer ist? Dann schlagen Sie Ihrem Chef doch drei verschiedene vor: eine sehr günstige, die nicht ganz abdeckt, was Sie brauchen, und eine, die etwas zu teuer ist und bei der Sie überdies Dinge lernen, die Sie im Arbeitsalltag kaum einsetzen können. Die goldene Mitte, Ihre favorisierte Fortbildung, sollte dann preislich zwischen diesen beiden Optionen liegen. Vermutlich wird es Ihrem Chef schwerfallen, sie Ihnen zu verwehren.
Einem geschenkten Gaul ...
Wenn Sie Ihren Kunden kleine Geschenke machen, sollten Sie sie nie als kostenlos bezeichnen. Sonst haben Ihre Kunden das Gefühl, sie seien wertlos. Vielmehr ist es wichtig, den Wert des Geschenks hervorzuheben, etwa so: „Als Dank für Ihre Bestellung bekommen Sie eine Software im Wert von 70 € gratis dazu.“ Bieten Sie als Gastgeber in einem Restaurant Schokolade in einem großen Korb am Ausgang an, so freut sich zwar der Besucher, aber Sie haben nichts mehr davon. Geben Sie stattdessen mit der Rechnung zwei Süßigkeiten dazu, ist nicht nur der Kunde entzückt, sondern auch Sie profitieren davon in Form eines höheren Trinkgeldes.
„Die Wirkung eines Geschenks ist größer, wenn es unerwartet kommt und persönlich ist.“
Interessantes Studienergebnis: Bei einer kleinen Süßigkeit steigt das Trinkgeld um etwa 3 %, bei zwei Bonbons oder Schokoladenstücken pro Person sogar um 14 %. Um 23 % stieg das Trinkgeld, wenn der Kellner zur Rechnung eine Süßigkeit reichte, vom Tisch wegging, sich umdrehte und zum Tisch zurückging, um ein weiteres Bonbon dort zu lassen. Daraus lässt sich der Schluss ziehen: Je persönlicher und überraschender ein Geschenk ist, desto größer ist seine Wirkung.
„Verpflichtungen, die wir aktiv und bewusst eingehen, wirken sehr viel nachhaltiger als solche, denen wir bloß passiv zustimmen.“
Für die gleiche Branche, also Restaurantbesitzer, ist noch ein anderer Tipp von Nutzen. Sie müssen immer damit rechnen, dass Gäste zwar einen Tisch reservieren, dann aber einfach nicht erscheinen. Das führt unter Umständen zu einem Verdienstausfall – übrigens nicht nur in Restaurants, sondern auch in Arztpraxen und Friseursalons. Der Tipp für all diese Berufsgruppen: Fragen Sie Ihre Kunden: „Könnten Sie bitte anrufen und den Termin absagen, wenn Sie ihn nicht wahrnehmen werden?“ Danach machen Sie eine Pause, sodass der Kunde sich verpflichtet fühlt, eine Antwort zu geben. Hat er einmal mit Ja geantwortet, also ausdrücklich zugestimmt, sich in einer bestimmten Situation sozial zu verhalten, wird er sich mit großer Wahrscheinlichkeit daran halten. In einer Studie zu diesem Thema sank die Rate der reservierten Tische, die nicht besetzt wurden, von 30 auf 10 %.