HR Governance

Buch HR Governance

Wirksame Führung und Steuerung des Personalmanagements

Luchterhand,


Rezension

Gemäß den Autoren Martin Hilb und Marcel Oertig ist das Per­sonal­man­age­ment ein wesentlicher Erfolgs-, aber auch Risiko­fak­tor im Unternehmen. Daher sollten sich Auf­sicht­srat und Geschäftsführung ide­al­er­weise selbst um diesen Bereich kümmern. Meist tun sie es aber nicht und würden auch über zu wenig entsprechende Kompetenzen verfügen. Diesem Manko wollen die beiden Autoren mit ihrem Buch abhelfen. Sie machen Geschäftsführern und Aufsichtsräten eine Menge Instrumente schmackhaft, um die Her­aus­forderun­gen rund um das Per­sonal­man­age­ment in den Griff zu bekommen. Dabei legen sie besonderen Wert auf fein aufeinander abgestimmte Man­age­mentmaßnahmen. Die dif­feren­zierten Ausführungen werden mit zahlreichen Grafiken und Schautafeln unterlegt. Leider ist der Sprachstil mitunter relativ abgehoben und von englischen Fach­be­grif­fen durchzogen, was den Lesefluss und die In­for­ma­tion­sauf­nahme teilweise hemmt. BooksInShort empfiehlt das Buch Mitgliedern von Geschäft­sleitun­gen und Auf­sichts­gremien sowie Beratern.

Take-aways

  • Das Per­sonal­man­age­ment ist wet­tbe­werb­sentschei­dend und gehört in die Hände von Auf­sicht­srat und Geschäftsführung.
  • Beide Gremien haben oft geringe Kenntnisse über das Per­sonal­man­age­ment.
  • Der Auf­sicht­srat darf im Hinblick auf die Fachken­nt­nis der Geschäftsleitung nicht unterlegen sein.
  • Er muss so zusam­menge­setzt sein, dass er alle für das Unternehmen wichtigen Kompetenzen, Rollen und sozialen Merkmale abdeckt.
  • Die Rolle des Un­ternehmens als Arbeitgeber trägt maßgeblich zum Un­ternehmen­sim­age bei.
  • Die de­mografis­che Entwicklung erfordert Aufmerk­samkeit und Hand­lungs­bere­itschaft.
  • Die Glob­al­isierung macht eine Anpassung Ihrer Un­ternehmen­skul­tur an die soziale Vielfalt nötig.
  • Ob und wie Sie sich von Mi­tar­beit­ern trennen, kann sich stark auf die Ar­beit­ge­ber­marke auswirken.
  • Machen Sie den Wert des HR-Man­age­ments deutlich, indem Sie ihn regelmäßig messen.
  • Ihr Risiko­man­age­ment muss auch ein Frühwarnsystem für HR-Probleme beinhalten.
 

Zusammenfassung

HR in der Führungsspitze

Per­son­alan­gele­gen­heiten werden viel zu selten auf höchster Un­ternehmensebene abgehandelt, sieht man einmal von öffentlichkeit­srel­e­van­ten Fragen wie Leis­tungs­beurteilung, Honorierung sowie Trennung von Mitgliedern der Geschäftsführung ab. Umfragen zeigen, dass auf der obersten Führungsetage das Fachwissen und die Kompetenz für Per­son­al­fra­gen in der Regel fehlen. Speziell dem Auf­sicht­srat mangelt es oft an Kenntnissen in den Bereichen Ar­beit­srecht und Tarifverträge. Folglich liegt im Hinblick auf das Management des Per­son­al­bere­ichs durch Auf­sicht­srat und Geschäftsleitung einiges im Argen. Die HR-Gov­er­nance versucht, dem abzuhelfen, indem das Thema Human Resources fest in Auf­sicht­srat und Geschäftsleitung verankert wird.

Der Auf­sicht­srat braucht Vielfalt

Ein effektiver Auf­sicht­srat, der eine klare HR-Strate­gie vorgibt, zeichnet sich durch drei Arten von Vielfalt aus:

  1. Vielfalt des Know-hows: Der Auf­sicht­srat muss nach bestimmten Kriterien zusam­menge­setzt sein, damit er seinen Kontroll- und Gestal­tungsauf­gaben erfolgreich nachkommen kann. Erfassen Sie die Kom­pe­tenzbere­iche, um die sich das Auf­sichts­gremium kümmern muss. Erfragen Sie unter den Mitgliedern des Auf­sicht­srats und der Geschäftsleitung sowie unter den Aktionärsvertretern, wie zufrieden sie mit der aktuellen Zusam­menset­zung des Auf­sicht­srats sind. Wichtig ist, dass das Gremium hin­sichtlich seines Know-hows der Geschäftsleitung nicht unterlegen ist. Der Auf­sicht­srat ist besonders effizient, wenn seine Mitglieder komplementäre Kompetenzen abdecken, beispiel­sweise Un­ternehmer­tum und Risiko­man­age­ment. Wichtig ist auch, dass das Gremium in Per­son­alan­gele­gen­heiten bewandert ist.
  2. Vielfalt der Rollen: Ähnlich vielfältig wie die Kom­pe­ten­zverteilung sollte die Verteilung der zentralen Rollen im Auf­sicht­srat sein (z. B. kreativer Denker oder Networker). Dazu sollten sich die Mitglieder zunächst ihrer Rollenstärken und -schwächen via Selb­st­beurteilung bewusst werden. Die einzelnen Mitglieder müssen auch die Qualitäten und Schwächen ihrer Kollegen kennen. In speziellen Fällen kann ein Mitglied zwei Rollen übernehmen oder eine Rolle kann auf mehrere Mitglieder verteilt werden. Auch hier ist es hilfreich, wenn der Auf­sicht­srat komplementäre Ansprüche abdeckt, sodass beispiel­sweise dem Promotor der Controller gegenübersteht oder dem Umsetzer der kritische Denker.
  3. Vielfalt der sozialen Merkmale: Es ist ebenfalls von Belang, dass die im Unternehmen vorhandenen sozialen Merkmale unter den Auf­sicht­sratsmit­gliedern wiederzufinden sind. Dazu schätzt jedes Mitglied seine vorherrschen­den Eigen­schaften ein. Zu diesen sozialen Merkmalen zählen Geschlecht, Nationalität, eine mögliche Behinderung und das Alter. Wenn ein Mitglied beispiel­sweise 60 Jahre alt ist, verfügt es vielleicht über einen reichen Er­fahrungss­chatz, kann aber u. U. In­no­va­tio­nen gegenüber – speziell hin­sichtlich neuer In­for­ma­tion­stech­nolo­gien – verhalten eingestellt sein. Deshalb sollte zu dieser Merk­mal­sausprägung ein Gegenpol im Auf­sicht­srat gefunden werden. Die Diversität im Auf­sicht­srat sollte die Vielfalt im Unternehmen wider­spiegeln. Übertreiben Sie aber den Diversitätsgedanken nicht: Warum sollte etwa ein Amerikaner im Auf­sicht­srat sitzen, wenn das Unternehmen nur in der Schweiz tätig ist?
„Das Ziel der HR-Gov­er­nance besteht in der wirksamen Führung und Steuerung des HR-Man­age­ments auf Boardebene sowie in einer ganzheitlichen Entwicklung und Umsetzung der HR-Strate­gie auf GL-Ebene.“

Die Kunst besteht darin, den Auf­sicht­srat mit seiner begrenzten Zahl an Mitgliedern so zusam­men­zuset­zen, dass er alle wesentlichen Kompetenzen, Rollen und sozialen Merkmale abdeckt. Eine An­forderungs­analyse erweist sich dabei als nützlich. Diese dient ebenfalls als Grundlage zur Erstellung des Profils eines neuen Auf­sicht­sratsmit­glieds. Der Auf­sicht­srat darf weder zu klein noch zu groß sein. Angemessen sind drei Mitglieder bei kleinen, fünf Mitglieder bei mittelgroßen und sieben Mitglieder bei großen Unternehmen. Für Großunternehmen kann es sinnvoll sein, einen repräsentativen Ver­net­zungsrat ins Leben zu rufen, der aus Vertretern wichtiger Anspruchs­grup­pen besteht. Er kann bei bestimmten Vorhaben unter der Führung eines Gestal­tungs- oder Con­trol­lingrats mitarbeiten. Dieser Ver­net­zungsrat ist nicht mit dem tra­di­tionellen Beirat zu verwechseln, dem – wegen mehr Prominenz als Kompetenz mancher Mitglieder – kein gutes Image anhaftet.

Kon­struk­tiv-kri­tis­che Ver­trauen­skul­tur und Vernetzung

Um mögliche Probleme im Verhältnis zwischen Geschäftsleitung und Auf­sicht­srat zu ermitteln, sollte jedes Auf­sicht­sratsmit­glied schriftlich festhalten, was ihm hin­sichtlich der Zusam­me­nar­beit am besten und was ihm am wenigsten gefällt. Entwickeln Sie aufgrund der Ergebnisse für jedes Problemfeld eine Ko­op­er­a­tionsregel. Dieses Verfahren können Sie ebenso in Bezug auf die Zusam­me­nar­beit mit anderen In­ter­es­sen­grup­pen wie Personal, Kunden oder Aktionärsvertreter anwenden.

Das Per­sonal­man­age­ment als Topaufgabe

Ein gutes Per­sonal­man­age­ment ist wet­tbe­werb­sentschei­dend. Es ist nur dann wirklich erfolgreich, wenn Auf­sicht­srat und Geschäftsführung bei dieser wichtigen Aufgabe eng zusam­me­nar­beiten. Die Geschäfts- und die Per­son­alleitung haben die Aufgabe, die vom Auf­sicht­srat er­ar­beit­eten HR-Maßnahmen umzusetzen. Zukünftig stehen die Unternehmen vor dem Problem, dass sie aufgrund der Glob­al­isierung und Dy­namisierung der Wirtschaft hoch qual­i­fizierte und mobile Führungskräfte benötigen, während die de­mografis­che Entwicklung und der abnehmende Bindungswille vieler Mitarbeiter aber gle­ichzeitig für Engpässe bei wichtigen Know-how-Trägern sorgen. Das Per­son­al­we­sen, das sich zukünftig stärker als bisher als strate­gis­cher Partner statt als ad­min­is­tra­tiver Experte po­si­tion­ieren muss, hat vor diesem Hintergrund drei Ker­nauf­gaben. Es muss:

  1. gute Mitarbeiter unterstützen und binden,
  2. sich auf Veränderungen in der Un­ternehmen­skul­tur einstellen und
  3. eine innovative Or­gan­i­sa­tions- und Lernkultur aufbauen.

Steuerung der HR-Kern­prozesse

Folgende zentrale Aufgaben im Per­sonal­man­age­ment müssen Sie auf Geschäft­sleitungsebene gestalten und bewältigen:

  1. Ar­beit­ge­ber­po­si­tion­ierung: Die Rolle von Unternehmen als Arbeitgeber prägt wesentlich deren Er­schei­n­ungs­bild in der Öffentlichkeit. Deshalb ist es auch wichtig, Weit­er­bil­dung anzubieten oder eine bessere Vere­in­barkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Ihre Marke als Arbeitgeber, Ihr Em­ployer-Brand, wird zunehmend ergänzt durch das Em­ployee-Brand­ing: Das Web 2.0 führt nämlich dazu, dass die On­lin­eak­tivitäten Ihrer Mitarbeiter in Blogs, Podcasts und sozialen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn den Ruf Ihres Un­ternehmens in der Öffentlichkeit mit­gestal­ten.
  2. De­mografis­cher Wandel: Die meisten Unternehmen kümmern sich zu wenig um die de­mografis­chen En­twick­lun­gen, die darauf hin­aus­laufen, dass junge Fachar­beit­skräfte rar werden und der Anteil der Mitarbeiter über 50 sich erhöht. Analysieren Sie die Al­tersstruk­tur in Ihrem Unternehmen, und zwar aufgeschlüsselt nach Un­ternehmens­bere­ich und Abteilung. Schließen Sie von der aktuellen Al­tersstruk­tur auf die zukünftige Entwicklung. Bewerten Sie, in welchen Bereichen Sie Hand­lungs­be­darf haben. Wahrschein­lich stehen Sie vor Her­aus­forderun­gen hin­sichtlich der Rekru­tierung junger qual­i­fizierter Mitarbeiter und hin­sichtlich der Weit­er­bil­dung, Versetzung oder Ve­r­ab­schiedung Ihres älteren Personals.
  3. Glob­al­isierung: Im Zuge der Glob­al­isierung werden Unternehmen mit mehreren Veränderung­sprozessen kon­fron­tiert. Sie müssen in­ter­na­tionale Teams bilden, die Un­ternehmen­skul­tur muss der Vielfalt in der globalen und lokalen Belegschaft Rechnung tragen, und Ver­set­zun­gen von Mi­tar­beit­ern über Lan­des­gren­zen hinweg nehmen zu. Diese En­twick­lun­gen erfordern den Aufbau von Kompetenz- und Forschungszen­tren, die Förderung von Tal­ent­man­age­ment und in­ter­na­tionaler Rotation, die Bere­it­stel­lung lokal erfahrener Manager sowie eine globale Zusam­menset­zung der Geschäftsleitung. Dadurch wird es einfacher, die lokalen und globalen Ansprüche miteinander zu vereinbaren.
  4. Kompetenz- und Tal­ent­man­age­ment: Analysieren Sie, welche Kompetenzen Ihr Unternehmen benötigt, damit es seine Strategien optimal umsetzen kann. Eine Lückenanalyse offenbart Ihnen, welche Qualitäten in Ihrem Unternehmen noch fehlen. Beurteilen Sie die Qual­i­fika­tio­nen von Mi­tar­beit­ern nicht danach, was diese über sich selbst mitteilen, sondern danach, wie sie konkret in kritischen Situationen handeln. Der Aufbau und die Zusammenführung von Kernkom­pe­ten­zen bewirken einen Wet­tbe­werb­svorteil.
  5. Per­for­mance-Man­age­ment und In­cen­tivierung: Richten Sie die Entlohnung der Führungskräfte an deren länger­fristi­gen Leistungen aus, an der Nach­haltigkeit der von ihnen bewirkten Un­ternehmensleis­tung sowie daran, inwieweit sie risikobe­grenzt planen und arbeiten. Die leis­tung­sori­en­tierte Vergütung sollte aus drei Komponenten bestehen: einem festen Grundgehalt, einer flexiblen Vergütung und einer flexiblen Ak­tien­beteili­gung.
  6. Re­struk­turierungs­man­age­ment und Tren­nungskul­tur: Die Art, wie Mitarbeiter ve­r­ab­schiedet werden, wirkt sich auf das Image des Un­ternehmens aus, ebenso auf die weggehenden Mitarbeiter und die verbleibende Belegschaft. Zunächst sollten Sie Ihr Bestmögliches unternehmen, Trennungen ganz zu vermeiden. Das fängt bei einer quantitativ und qualitativ gut durch­dachten Rekru­tierung an: Achten Sie darauf, dass die Be­wer­ber­pro­file zur Un­ternehmen­skul­tur passen. Klären Sie im Fall von Stel­len­ab­bau oder Un­ternehmensveränderungen ab, ob es Al­ter­na­tiven zur Entlassung gibt, z. B. den Einsatz von Mi­tar­beit­ern in anderen Un­ternehmens­bere­ichen, Weit­er­bil­dun­gen zwecks höherer Qual­i­fizierung, Umgestal­tung der Tätigkeit oder Umverteilung von Arbeitszeit oder Lohnkosten. Überprüfen Sie ferner das In- oder Outsourcing relevanter Bereiche und greifen Sie Ihren Mi­tar­beit­ern bei einem eventuellen Sprung in die Selbstständigkeit unter die Arme. Kom­mu­nizieren Sie Re­struk­turierungspläne so frühzeitig und offen wie möglich und begründen Sie sie. Unterstützen Sie Mitarbeiter, die gehen müssen, pro­fes­sionell bei der Planung ihrer Zukunft.

Messung des strate­gis­chen Beitrags des Per­sonal­man­age­ments

Vernachlässigtes HR-Man­age­ment zieht verdeckte Kosten nach sich, er­fol­gre­iches hingegen nützt dem Unternehmen mittel- und langfristig. Um die wichtige Rolle des Per­sonal­man­age­ments deutlich zu machen, muss sein Wert in Zahlen gemessen und ausgedrückt werden. Beim In­dus­triekonz­ern Georg Fischer etwa kommt zu diesem Zweck ein HR-Nav­i­ga­tor zum Einsatz, der den Per­son­al­bere­ich in seine wichtigsten kritischen Felder aufteilt: Per­son­al­struk­tur und -kosten, Per­son­al­gewin­nung, Personalführung, Training, Ressourcen und Leistungen. Die Sektoren werden in jedem Jahr nach Hand­lungs­be­darf priorisiert, und für alle kritischen Bereiche werden ein bis zwei Ziele gesetzt (insgesamt maximal zehn), die wiederum je eine oder zwei Maßnahmen nach sich ziehen. Auch das Risiko­man­age­ment des Un­ternehmens sollte Per­son­alan­gele­gen­heiten mit berücksichtigen. Dabei geht es darum, die Risiken zu kennen und ein Früherken­nungssys­tem zu in­stal­lieren. Gefahren für das Unternehmen könnten sich etwa aus einer quan­ti­ta­tiven oder qual­i­ta­tiven Un­ter­deck­ung von Know-how-Trägern, aus Leis­tungs­min­derun­gen durch un­zure­ichen­des Engagement, aus mangelnder Qual­i­fika­tion durch fehlende Aus­bil­dungs­bere­itschaft oder aus Kündigungen durch mangelnde Loyalität ergeben.

Über die Autoren

Martin Hilb ist Professor für Be­trieb­swirtschaft und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Führung und Per­sonal­man­age­ment an der Universität St. Gallen. Marcel Oertig ist Ver­wal­tungsrat­spräsident und Managing Partner der Avenir Consulting AG in Zürich.