Das Geld

Buch Das Geld

Paris, 1891
Diese Ausgabe: Insel,


Worum es geht

Aufstieg und Fall der Finanzmärkte

Angesichts der Geschehnisse auf den Finanzmärkten in unserer Zeit ist Zolas Roman Das Geld von er­schreck­ender Aktualität. Er schildert den atem­ber­auben­den Aufstieg und Fall einer französischen Bank und führt die Finanzwelt des Second Empire ex­em­plar­isch vor: den geltungssüchtigen Bankinhaber, die Makler und Spekulanten rund um die Pariser Börse, kleine Sparer und verarmte Adlige, die getäuscht werden und in der finalen Spekulation ihre Renten und die Reste ihres Vermögens verlieren, sowie eine mangelhafte Geset­zge­bung, die dem skru­pel­losen Finanzhai zu viele Schlupflöcher für sein ver­brecherisches Treiben lässt. Of­fen­sichtlich wird, wie Börse und Bank manipuliert werden und mit welchem Geschick einzelne Profiteure die Illusionen und die Gier des Publikums für ihre eigenen Zwecke miss­brauchen. Der Roman ist auch ein großes Sittengemälde und ein Spiegelbild der Gesellschaft seiner Zeit. Man stellt fest, dass diese Epoche hin­sichtlich des Fi­nanzge­barens der unseren sehr ähnlich ist. Überdeutlich wird, dass Fi­nanzkrisen nicht vom Himmel fallen, sondern durch klares Fehlver­hal­ten herbeigeführt werden.

Take-aways

  • Das Geld ist die Geschichte eines Fi­nanzskan­dals im Frankreich des 19. Jahrhun­derts.
  • Inhalt: Aristide Saccard gründet eine Bank, die hauptsächlich En­twick­lung­spro­jekte im Orient finanzieren soll. Dem genialen Blender und Spekulanten gelingt es über immer neue Kapitalerhöhungen und Börsengeschäfte, über leichtgläubige Anleger gewaltige Summen einzutreiben. In einer künstlich angeheizten Kursspeku­la­tion verlieren fast alle Anleger ihr Vermögen. Saccard wird angeklagt, doch er setzt sich ins Ausland ab.
  • Der Roman ist Teil des für den lit­er­arischen Nat­u­ral­is­mus bahn­brechen­den Romanzyklus Die Rougon-Mac­quart.
  • Er zeichnet ein wirk­lichkeit­sna­hes Bild der Finanzwelt und ver­schiedener gesellschaftlicher Milieus in Frankreich während des Zweiten Kaiser­re­ichs.
  • Zola nahm den seinerzeit berühmten und fol­gen­re­ichen Zusam­men­bruch einer Lyoner Bank als Vorlage für die Handlung.
  • Vorbild für Saccards Gegen­spieler Gundermann war der französische Bankier James de Rothschild.
  • Die Vorgänge zeigen vor allem auf der psy­chol­o­gis­chen Ebene (Gier, Täuschung, Leichtgläubigkeit) frap­pierende Parallelen mit heutigen Fi­nanzkrisen.
  • Die wirtschaft­slib­erale Politik unter Napoleon III. hatte derartige Börsen­speku­la­tio­nen überhaupt erst ermöglicht; Banken- und Fir­men­zusam­menbrüche waren damals häufig.
  • Der Roman ist in sachlich-nüchterner Sprache geschrieben, weitgehend frei von Symbolik und völlig un­ro­man­tisch.
  • Zitat: „Das Geld, das Geld war sein König, das Geld sein Gott; es stand über dem Blute, über den Tränen und wurde in seiner un­be­gren­zten Macht höher verehrt als alles, was die törichte Menschheit in ihren Vorurteilen hochhält.“
 

Zusammenfassung

Spielkasino Börse

Aristide Saccard, ein Spross der Familie Rougon, verbringt seine Tage im Umfeld der Pariser Börse. Mit seinem Bruder Eugène Rougon, einem mächtigen Staatsmin­is­ter unter Kaiser Napoleon III., ist Saccard seit seinem letzten Fir­men­bankrott völlig zerstritten; Rougon will durch seinen Bruder nicht kom­pro­mit­tiert werden. Nur über den Ab­ge­ord­neten Huret, einen Gefolgsmann Rougons, hält Saccard indirekt Kontakt. Das Second Empire, das Zweite Kaiserreich Frankreichs, strebt 1864 dem Höhepunkt seines politischen Einflusses entgegen, die Weltausstel­lung von 1867 wird bereits vorbereitet. Schon beim Mittagessen in einem Restaurant am Börsenplatz trifft Saccard täglich all die Akteure der Börse. Er saugt Nachrichten und Stimmungen ein, beobachtet die Handlungen und Gesichter der Akteure und ihrer Kunden, der Anleger. An den Tischen im Restaurant geht es nur um Geschäfte, Kaufen oder Verkaufen; Saccard konstatiert eine Atmosphäre wie in einem Spielkasino. Als der schw­er­re­iche jüdische Bankier Gundermann im Restaurant auftaucht und im Vorübergehen spottet, er habe gehört, Saccard wolle sich nach seinem Bankrott aus dem Geschäftsleben zurückziehen, erwidert dieser gereizt, im Gegenteil, er gedenke, eine eigene Bank zu gründen.

Spekulanten der Hölle

An diesem Tag betritt Saccard die Börse nicht, sondern besucht den Inkas­soa­gen­ten Busch, um sich von dessen jüngerem Bruder Sigismund einen Geschäftsbrief aus dem Russischen übersetzen zu lassen. Busch kümmert sich mit rührender Fürsorge um seinen hochge­bilde­ten, schwindsüchtigen Bruder. Der ide­al­is­tis­che Sigismund, ein Brief­part­ner von Karl Marx, beschäftigt sich Tag und Nacht mit dem Entwurf einer Weltordnung, in der alle Menschen arbeiten und alle Güter über Bezugss­cheine gleichmäßig und gerecht verteilt werden, sodass Geld und Wettbewerb abgeschafft werden können. Buschs Profession hingegen besteht darin, scheinbar wertlos gewordene Pri­vatschuld­scheine, Wechsel, Aktien und sonstige Wertpapiere für wenige Sous aufzukaufen und gnadenlos die Schulden einzutreiben. Seine Komplizin bei dem Geschäft ist die fettleibige Frau Méchain, die u. a. die Lebensverhältnisse der Schuldner auskund­schaftet. Außerdem vermietet sie in einem Elendsvier­tel herun­tergekommene Behausungen an die Ärmsten der Armen und treibt diese Mieten ebenfalls rücksichtslos ein. Während Saccards kurzem Besuch fallen Busch einige Wechsel mit der Un­ter­schrift „Sicardot“ in die Hände. Sie stammen von einem Mann, der ver­schwun­den ist, nachdem er bei einer Verge­wal­ti­gung ein Kind gezeugt hatte, das jetzt von der Méchain aufgezogen wird. Anhand der Ähnlichkeit dieses Kindes mit Saccard und eines Schriftver­gle­ichs finden Busch und die Méchain heraus, dass Saccard jener ver­schol­lene Sicardot sein muss.

Spekulanten des Himmels

Seit seinem Bankrott bewohnt der praktisch mittellose Saccard zwei Stockwerke im Stadtpalais der Fürstin Orviedo in der Rue Saint-Lazare. Die schw­er­re­iche junge Fürstin, die gar kein Interesse an einer Vermietung hatte, hat ihm die palas­tar­ti­gen Säle und Gemächer zu einem sehr günstigen Mietzins überlassen. Sie selbst lebt bescheiden im oberen Stockwerk, das sie sich mit zwei anderen Mietern, den Geschwis­tern Hamelin, teilt. Die Fürstin Orviedo ist sehr fromm und hat sich zum Ziel gesetzt, das von ihrem ver­stor­be­nen Gatten in Frankreich und Spanien ergaunerte Vermögen von 300 Millionen Franc durch eine Fülle von mildtätigen In­sti­tu­tio­nen und Stiftungen wie Krippen und Altenheimen wieder an die Armen zurückzugeben. Eine dieser Stiftungen ist das neu eröffnete, mit Marmor, Fliesen und Park geradezu prunkvoll aus­ges­tat­tete „Heim der Arbeit“, eine Erziehungsanstalt für 300 bedürftige Kinder aus schauer­lich­sten Verhältnissen. 100 Millionen hat sie schon verbaut und verbraucht, die restlichen 200 Millionen will sie ebenfalls auf diese Weise verwenden – und nicht etwa anlegen und „verzehn­fachen“, wie ihr Saccard suggeriert. Das Geld soll weg, aber nicht einfach als Almosen verteilt werden. Saccard ist enttäuscht, hat er sich doch bereits als Verwalter der Fürstin und als König der Mildtätigkeit von Paris gesehen. Geschäfte und Speku­la­tio­nen sind seine Lei­den­schaft. Außerdem hegt er mit Judenhass gepaarte Rachegelüste gegen den äußerst vermögenden Bankier Gundermann, der von Saccards Ruin profitiert hat.

Die Geschwister Hamelin

Nach der fre­undlichen, aber bestimmten Abfuhr seitens der Fürstin freundet sich Saccard mit den Geschwis­tern Hamelin an. Georg Hamelin ist Ingenieur und hat sich den glühenden katholis­chen Glauben seines El­tern­hauses bewahrt. Karoline Hamlin ist eine sehr belesene, gebildete Frau, die gele­gentlich als Erzieherin gearbeitet hat. Sie war mit einem gewalttätigen Mann verheiratet, blieb kinderlos und trennte sich mit 26 Jahren von ihm. Jahrelang begleitete sie ihren Bruder bei dessen Na­host-Aufen­thal­ten, die teilweise mit dem Bau des Suezkanals in Zusam­men­hang standen. Beide waren von Syrien, Libanon, Palästina und Ägypten zutiefst beeindruckt und erkannten das wirtschaftliche Potenzial der ori­en­tal­is­chen Provinzen, die unter osmanischer Herrschaft dahindämmerten.

„Der Drang zu kämpfen, im herben Krieg der Spekulation der Stärkste zu sein, die andern aufzufressen, um nicht selbst aufge­fressen zu werden, das war nächst seinem Durst nach Prunk und Genuss der ganze, der einzige Grund seiner Lei­den­schaft für die Geschäfte.“ (über Saccard, S. 76 f.)

Der im Augenblick beschäfti­gungslose Georg Hamelin schmiedet nun großartige, geradezu strate­gis­che Pläne für eine Entwicklung des Orients. In einem ersten Schritt sollen die in sinnloser Konkurrenz schlecht operieren­den Dampf­schiff­fahrts­ge­sellschaften im gesamten Mit­telmeer­raum von Marseille über Piräus bis nach Alexandria zu einem einzigen Unternehmen zusam­mengeschlossen und mod­ernisiert werden. Sodann glaubt er, bei seinen Prospek­tion­sreisen am biblischen Berg Karmel reiche Sil­ber­vorkom­men entdeckt zu haben. Der nächste Schritt wäre der Bau von Eisen­bahn­lin­ien durch Kleinasien, von Kon­stan­tinopel nach Beirut, später nach Damaskus und Bagdad – ein friedlicher Kreuzzug des Geldes mit behördlicher Genehmigung durch den türkischen Sultan. Es wäre eine Erschließung gewaltiger Ressourcen dieser von den Türken vernachlässigten, äußerst fruchtbaren Länder, eine Rückgewinnung des Paradieses. Triumphaler Schlusspunkt könnte eine Wiedergewin­nung Jerusalems für das Abendland sein, eine Verlegung des Papstsitzes dorthin einschließlich der Krönung zum König von Jerusalem sowie die Gründung einer katholis­chen Weltbank.

Die Bank im Hause Orviedo

Saccard erkennt schlagartig ein gewaltiges Betätigungsfeld für sein fi­nanzs­trate­gis­ches und or­gan­isatorisches Genie und macht sich umgehend an die Gründung einer „Banque Universelle“ zur Fi­nanzierung dieses gewaltigen Un­ter­fan­gens. Die Säle im Erdgeschoss des Hôtel Orviedo werden zu Schalterräumen umgebaut. Die Universelle wird als Ak­tienge­sellschaft mit 25 Millionen Franc Grund­kap­i­tal gegründet. Der redliche Hamelin wird Vor­sitzen­der des Auf­sicht­srats, Saccard selbst geschäftsführender Direktor. Eine Reihe von Saccards Bekannten sowie mehr oder weniger zwielichtige Gestalten, manche mit klingenden Adelstiteln, werden in den Auf­sicht­srat berufen. Größere und kleinere Anleger werden gewonnen, gezeichnete, aber nicht bezahlte Aktien werden über Strohmänner als Ein­lagekap­i­tal fingiert. Viele Inhaber kleiner Rentenvermögen legen ihr Geld auf Konten der Bank mit der großartigen Vision an. Saccard bearbeitet auch die Pariser Presse, kauft maßgebliche Börsen­zeitun­gen und lässt mithilfe des gefügigen Chefredak­teurs Junot die Vision der Bank verbreiten. Nachdem Georg Hamelin, aus­ges­tat­tet mit üppigen Bezügen, nach Nahost gegangen ist, lebt Saccard fast eheähnlich mit Karoline im Hôtel Orviedo zusammen. Außer einer kurzen sexuellen Begegnung in einem Moment der Schwäche ist es aber eher eine häusliche Kam­er­ad­schaft als ein emotionales Verhältnis.

„Wenn wir dann die Herren sein werden (...)‚dann richten wir das Palästinische Reich wieder ein und setzen den Papst an dessen Spitze ...‘“ (Hamelin, S. 110)

Zu den vielen kleineren Anlegern in Uni­verselle-Ak­tien zählt auch die dem Hôtel Orviedo unmittelbar benachbarte Gräfin Beauvil­liers, die aus einem völlig verarmten Adels­geschlecht kommt. Vom Fenster ihrer Wohnung aus beobachtet Karoline Hamelin immer wieder, wie die Gräfin und ihre Tochter Alice unter größten Ent­behrun­gen die Fassade von adligem Leben mit Stadtpalais, Diners und Kutschfahrten aufrechter­hal­ten. Die Gräfin hat von dem als Mitgift für ihre Tochter gedachten Geld Uni­verselle-Ak­tien gekauft. Später beleiht und verkauft sie auch das letzte verbliebene Landgut, aus dem sie ihre einzigen Einkünfte bezieht, weil Saccard ihr vorrechnet, wie reich sie durch die Kurssteigerun­gen werde.

„Eine Milliarde Eigentum, mit der man so manövriert, ist eine unüberwindliche Macht.“ (S. 134)

Saccards Erfolg nach der Schlacht von Sadowa// //Die Spekulation eines einzigen Tages bringt Saccard mehrere Millionen ein. Den Tipp bekommt er von Huret, der heimlich eine Depesche auf dem Schreibtisch von Saccards Bruder Rougon gelesen hat. Darin wurde angekündigt, dass im Anschluss an die Niederlage von Sadowa Österreich Venetien abtreten werde und dass es einen Waf­fen­still­stand geben werde. Saccard kennt diese Information als Einziger 24 Stunden vor ihrer Veröffentlichung und kann sein gesamtes Umfeld an Abhängigen, Kommissionären, Strohmännern und dergleichen mo­bil­isieren. Er und seine Leute setzen als Einzige auf Hausse statt auf Baisse und schätzen damit die Börsen­stim­mung, nachdem die Nachricht publik wird, richtig ein. Gundermann dagegen wird von schweren Verlusten getroffen, und Saccard hat endlich das Gefühl, dem Rivalen die Stirn bieten zu können. Kurz danach überschre­itet der Kurs der Uni­verselle-Ak­tie erstmals den Wert von 1000 Franc.

Der vergoldete Bankpalast

Hamelin setzt mit Tüchtigkeit und Erfolg die ersten Schritte seiner großen Pläne im Orient in die Tat um. Saccard sorgt durch seine Presse dafür, dass es bekannt wird. Auf diese guten Neuigkeiten hin strömen der Universelle immer neue Anleger zu, der Aktienkurs steigt weiter. Doch die Vorhaben ver­schlin­gen be­deu­ten­dere Summen. Saccard lässt das Grund­kap­i­tal zweimal verdoppeln, erst auf 50, dann auf 100 Millionen. Innerhalb von drei, vier Jahren ist ein Börsenkurs von 2000 Franc erreicht, die Anleger freuen sich über jährlich steigende Dividenden. Zwar ist der faktische Kap­i­tal­man­gel der Anfangszeit beinahe überwunden. Doch nun, kurz vor der Weltausstel­lung von 1867, lässt Saccard einen neuen, äußerst pompösen Bankpalast in der Rue de Londres errichten. Dadurch entfällt die häusliche Gemein­schaft zwischen Karoline Hamelin und Saccard. Bis jetzt konnte Karoline täglich ein wachsames Auge auf die Universelle haben, was nun vorbei ist. Saccard gibt sich außerdem am Abend den üblichen Vergnügungen der großen Gesellschaft im Kaiserreich hin, mit Theater, Bällen und Frauen. So unterhält er eine auf beiden Seiten gefühllose Liebschaft mit der jungen Baronin Sandorff, die wegen ihrer Spiellei­den­schaft und ihrer Ex­trav­a­ganzen zum Kreis der Börsenspieler zählt. Als Karoline von Saccards Verhältnis mit der Baronin erfährt, ist sie erstmals wirklich gekränkt. Sie hegte doch Gefühle und auch eine Art Bewunderung für Saccard. Verstärkt wird ihre Enttäuschung durch das innere Eingeständnis, dass es in der Bank nicht mit rechten Dingen zugeht und dass sie eine gewisse Mitver­ant­wor­tung trägt.

Höhepunkt und Absturz

Im Jahr der Weltausstel­lung, zu der Kaiser und Könige nach Paris kommen, befindet sich die Stadt, ja ganz Frankreich in Hochstim­mung. Saccard möchte davon profitieren: Er will durch eine nochmalige Kapitalerhöhung auf 150 Millionen sehr viel Geld einnehmen und den Kurs der Aktien, der sich gut über 2000 Franc behauptet, auf 3000 hochdrücken. Hamelin, zur Leitung der außeror­dentlichen Hauptver­samm­lung aus dem Orient angereist, fügt sich trotz seiner Bedenken Saccards Spiel. Die Entwicklung der Geschäfte im Orient hat sich als erfreulich erwiesen, die Aussicht auf die Erhöhung der Stellung Frankreichs in der Mit­telmeer­welt und die Vision von der Stärkung des Papsttums blenden das Publikum. Mit­tler­weile besitzen selbst Landpfarrer und Dienstboten Uni­verselle-Ak­tien. Saccard schürt bei den Anlegern die kühnsten Träume von spielerisch zu erwerbendem Reichtum.

„In großen Zügen, mit seiner glühenden Bered­samkeit, die ein Geldgeschäft zum Dichtermärchen umgestal­tete, setzte er ihm die herrlichen Un­ternehmungen, den sicheren und großartigen Erfolg auseinander.“ (über Saccard und Huret, S. 144)

Weil die Baronin Sandorff bei ihren Stelldicheins mit Saccard heimlich dessen Brieftasche durchstöbert und er sie einmal, als er sie dabei ertappt, ohrfeigt, verrät sie im Winter des Jahres 1867 seinem Rivalen Gundermann, wie prekär es um die Universelle bestellt ist: Praktisch alle Barmittel zur Kursstützung sind aufge­braucht. Blitzschnell organisiert Gundermann über seine Heerschar von Mittelsmännern einen massen­haften Verkauf von Uni­verselle-Ak­tien. Die Börse wird geflutet, einige Eingeweihte können noch rechtzeitig verkaufen, bevor der Kurs abstürzt, aber alle Kleinan­leger verlieren sämtliche Renten und Ersparnisse. Die Mittel der Bank sind aufge­braucht. Saccard hat über 200 Millionen für seine Stützungskäufe verspielt. Nun werden auch die verbotenen Eigengeschäfte und andere Unregelmäßigkeiten ruchbar. Saccard und Hamelin wird der Prozess gemacht, doch während des Ap­pel­la­tionsver­fahrens wird beiden gestattet, auszureisen, Saccard nach Belgien und Georg Hamelin nach Rom. Karoline reist ihrem Bruder nach. Vorher hört sie noch, dass Saccard sich mit­tler­weile in Holland in einem neuen riesen­haften Unternehmen zur Trock­en­le­gung von Sümpfen betätigt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der um­fan­gre­iche Roman gliedert sich in lediglich zwölf Kapitel. Zola schreibt vom Standpunkt eines all­wis­senden Erzählers aus, der Personen oder Szenen einerseits von außen beschreibt, der sich an­der­er­seits aber auch jederzeit in seine Figuren hinein­ver­set­zen kann, um ihre Gedanken und Gefühle zu schildern. Die Erzählzeit erstreckt sich über etwa vier Jahre, von 1864 bis 1868, als das Second Empire den Höhepunkt seiner Macht erreichte. Zolas Werk wird dem Nat­u­ral­is­mus zugeordnet: Es zeichnet mit charak­ter­is­tis­chen Strichen eine möglichst genaue Wiedergabe aller sozialen Milieus und orientiert sich stark an der Wirk­lichkeit, die umfassend und realitätsnah eingefangen werden soll. Daraus ergibt sich ein klarer, natürlicher Stil, der bei aller Recherche und Fak­tenori­en­tierung erzählerisch-ro­man­haft bleibt und nicht ins Berichthafte abgleitet. Das Geld ist weitgehend frei von Romantik und Symbolik.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Die Hauptfigur des Romans, der Bankrotteur und Spekulant Aristide Saccard, ist nach landläufiger Einteilung ein „Bösewicht“. Zola stattet ihn mit den faszinieren­den Zügen eines Blenders und pas­sion­ierten Spielers aus. Seine Lei­den­schaftlichkeit beeindruckt selbst die aufrechte Karoline Hamelin, die ihn um dessen­twillen liebt.
  • Karoline Hamelin ist die eindeutig positive weibliche Hauptfigur: eine warmherzige, gebildete, wel­ter­fahrene und mutige Frau, die auch zu lieben versteht, ohne dabei den Verstand zu verlieren. Sie ist von Anfang an besorgt über die Unrechtmäßigkeiten Saccards und ihres Bruders, und nach dem Börsenkrach sorgt sie sich vor allem um die zahlreichen Opfer unter den Kleinan­legern.
  • Saccards Gegen­spieler ist der jüdische Bankier Gundermann, von Zola dem französischen Bankier James de Rothschild nachemp­fun­den. Gundermann verfügt über enormes Kapital, mit dem er, kühler Logik folgend, rational operiert. Aufgrund seiner soliden Basis kann er finanzielle Verluste verkraften. Er würde sich nie in die Gefahr begeben, sein ganzes Vermögen aufs Spiel zu setzen. Er ist kalt und lei­den­schaft­s­los. Mit seinem Fleiß und seiner Hingabe für die Familie bedient die Figur aber nicht das Klischee des „Finanzjuden“; sein Gegner Saccard hingegen wird als Antisemit charak­ter­isiert.
  • Das Motiv der von Zola in seinem Werk immer wieder the­ma­tisierten „Bestie Mensch“ spiegelt sich in etlichen Figuren des Romans, besonders in der gefühllosen Sex vol­lziehen­den Baronin Sandorff, in Viktor, Saccards un­belehrbarem, wildem Sohn, und auch in Saccard selbst, der skrupellos das Vermögen anderer Menschen verspielt.
  • Der Roman zeichnet ein breit angelegtes Panorama aller Gesellschaftss­chichten des Zweiten Kaiser­re­ichs, von den ärmsten Mietern in den Elends­be­hausun­gen bis zu den Spitzen der Gesellschaft beim Ball im Außen­min­is­terium, vom ide­al­is­tis­chen Weltverbesserer bis zum ko­r­rumpier­baren Jour­nal­is­ten. Die zahlreichen Neben­fig­uren repräsentieren eine Vielzahl ver­schiedener Milieus. Diese soziale Vielfalt ist Ausdruck von Zolas Bestreben, die Wirk­lichkeit literarisch abzubilden.
  • Zola schildert alle Milieus mit einem gleichmäßig kritischen Blick. Er verurteilt keine Figur – weder die fromme Fürstin Orviedo noch die zahlreichen Übeltäter oder die ihren Illusionen verfallenen Anleger.
  • Zum starken Wirk­lichkeits­bezug des Romans tragen auch die Ein­beziehung konkreter his­torischer Ereignisse (Schlacht bei Sadowa, Weltausstel­lung) und die genaue Analyse und Wiedergabe der Abläufe des Börsen­geschehens bei.

His­torischer Hintergrund

Boulevards und Bankenkräche

1852 wurde durch eine Volksab­stim­mung in Frankreich die Kaiser­prokla­ma­tion Napoleons III. bestätigt, der am Ende des Rev­o­lu­tion­s­jahrs 1848 zunächst zum Präsidenten der Zweiten Republik gewählt worden war. Er regierte autoritär, brachte Frankreich aber durch seine Beteiligung am Krimkrieg, seine Unterstützung des ital­ienis­chen Risorg­i­mento und den Umbau von Paris, durchgeführt von Baron Haussmann, zu hohem Ansehen. Damals entstand das Paris der Boulevards, wie wir es heute kennen.

An der Schlacht bei Königgrätz (französisch: Sadowa) am 3. Juli 1866 war Frankreich nicht beteiligt. An diesem Tag brachte die preußische Armee Österreich eine ver­nich­t­ende Niederlage bei. Damit war Preußen die neue deutschsprachige Großmacht. Österreich war so geschwächt, dass es Venetien an Italien abtreten musste. Napoleon III. vermittelte noch eine Volksab­stim­mung darüber, die fast zu 100 % für Italien ausging. Der französische Kaiser hatte damit eine Art Schied­srichter­stel­lung auf dem Kontinent erlangt. Gle­ichzeitig betrachtete Frankreich das erstarkte Preußen mit großem Misstrauen. Trotz seiner Sympathien für die ital­ienis­che Eini­gungs­be­we­gung unterstützte Napoleon III. den Papst militärisch bei der Wieder­her­stel­lung des Kirchen­staats.

Unter Napoleon III. erlebte Frankreich einen wirtschaftlichen Boom und einen Mod­ernisierungss­chub. Eisenbahnen, Häfen und Telegrafen­lin­ien wurden gebaut, in Paris schossen Warenhäuser aus dem Boden. Der Bankensek­tor wurde lib­er­al­isiert, um Geld flüssiger und große Fi­nanzierun­gen leichter zu machen. Napoleon III., als geschickter Populist an die Macht gekommen, hatte durchaus ein Gespür für die sozialen Belange des Volks und der Arbeiter, doch die Profiteure des Aufschwungs blieben dennoch die sich schamlos bere­ich­ern­den großbürgerlichen Schichten, deren Motto Fi­nanzmin­is­ter François Guizot ohne weitere Umschweife geprägt hatte: „En­richissez-vous!“ („Bereichert euch!“) Genau gegen diese damals entstandene bürgerliche Klas­sen­ge­sellschaft hatten Karl Marx und Friedrich Engels 1848 ihr Kom­mu­nis­tis­ches Manifest formuliert. Doch die Oberschicht feierte sich auch im Second Empire un­ver­drossen selbst, auf Bällen und Pfer­derennbah­nen, in Oper und Theater, im endlosen Reigen von Abendge­sellschaften. Die Weltausstel­lung von 1867 bildete einen der Höhepunkte dieser Selb­stin­sze­nierun­gen.

Entstehung

Nach um­fan­gre­ichen Recherchen begann Zola Mitte 1890 mit der Nieder­schrift von Das Geld, die nur ein gutes halbes Jahr in Anspruch nahm. Von November 1890 bis März 1891 erschien der Text in Fort­set­zun­gen in der täglich er­scheinen­den lit­er­arischen Zeitschrift Gil Blas. Die Buchausgabe erschien ebenfalls 1891. Das Geld ist der 18. Roman in dem 20-bändigen Romanzyklus Die Rougon-Mac­quart. Der um­fan­gre­iche Romanzyklus sollte als Gen­er­a­tio­nen- und Fam­i­lien­ro­man ein Epochenbild des Zweiten Kaiser­re­ichs in Frankreich nach dem Vorbild von Honoré de Balzac sein.

Im Second Empire gab es viele Fi­nanzskan­dale und spektakuläre Zusammenbrüche, sodass Zola über reichlich Inspiration und An­schau­ungs­ma­te­r­ial verfügte. Reales Vorbild für den Aufstieg und Fall der fiktiven Banque Universelle war ins­beson­dere die Lyoner Bank L’Union Générale (UG), die auch nur vier Jahre lang bestand. Zola betrieb über diesen zur Zeit der Nieder­schrift knapp zehn Jahre zurückliegenden Krach um­fan­gre­iche Archivs­tu­dien. Auch die UG war sehr schnell sehr erfolgreich. Es handelte sich sozusagen um eine katholische Bank, denn ihr Gründer und Direktor gehörte zum Milieu aus Klerus und Monar­chis­ten; diese bildeten auch die Mehrheit der Ak­tien­in­haber und Sparer. Die UG wurde bewusst als Konkurrenz zu jüdischen Banken gegründet. Durch hohe Eigenkäufe von Aktien wurde der Kurs der Bank nach oben getrieben. Die Rothschilds setzten die große Baisse-Speku­la­tion in Gang, die zum Untergang der UG führte.

Wirkungs­geschichte

Die Wirkungs­geschichte von Das Geld ist sehr eng mit der Wirkungs­geschichte des Romanzyklus Rougon-Mac­quart verknüpft. Innerhalb dieses Zyklus, der einer der um­fan­gre­ich­sten der Weltlit­er­atur ist, nimmt Das Geld nicht so eine her­aus­ra­gende Rolle ein wie Der Totschläger, Germinal oder Nana. Die Gesam­tau­flage des Zyklus lag bei seiner Vollendung 1893 bereits bei einer halben Million Exemplaren, die Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zola erschloss die Lebenswel­ten der Un­ter­schichten und sozialen Randmilieus für die Literatur und bediente sich auch der All­t­agssprache bis hin zum Pariser Argot. Dieser Nat­u­ral­is­mus, der die Wirk­lichkeit, vor allem auch die soziale Wirk­lichkeit, mit aller Direktheit und Härte literaturfähig machte, wirkte weniger auf die Romanciers als vielmehr auf Dramatiker wie Henrik Ibsen, August Strindberg und Gerhart Hauptmann, teilweise auch auf Oper und Film, etwa im Ne­o­re­al­is­mus der Regisseure Luchino Visconti und Vittorio De Sica bis hin zu Rainer Werner Fassbinder.

Über den Autor

Émile Zola wird am 2. April 1840 in Paris geboren, verbringt seine Kindheit aber in Aix-en-Provence. Dort gehört der spätere Maler Paul Cézanne zu seinen Freunden. Zolas Vater, ein ital­ienisch-öster­re­ichis­cher Ingenieur, stirbt 1847. Die Mutter zieht daraufhin wieder nach Paris, wo sie sich als Putzfrau und Schneiderin durchschlägt. Zola fällt in Paris gleich zweimal durchs Abitur. Er arbeitet bei der Zollbehörde als Schreiber, später im Verlag Hachette als Lagerist, dann als Werbeleiter. 1867 gelingt ihm mit seinem Roman Thérèse Raquin der Durchbruch. Im Rahmen des Romanzyklus Les Rougon-Mac­quart (Die Rougon-Mac­quart) schreibt er binnen 24 Jahren 20 Romane. Seine größten Erfolge erzielt er mit L’Assommoir (Der Totschläger, 1877) und La débâcle (Der Zusam­men­bruch, 1892). Nach Germinal (1885) erscheint 1886 L’Œuvre (Das Werk), nach dessen Lektüre Cézanne empört die Fre­und­schaft abbricht, da er sich in dem Text auf un­vorteil­hafte Weise porträtiert sieht. Zola mischt sich auch ins politische Zeit­geschehen ein. Berühmt wird er 1898 für seinen offenen Brief an den Staatspräsidenten Félix Faure mit dem Titel J’accuse („Ich klage an“). Darin bezieht er kritisch Stellung zur Affäre um den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus, der aufgrund gefälschter Beweise als Hochverräter verurteilt wurde. Der Brief beschert Zola eine einjährige Gefängnisstrafe, der er sich jedoch durch die Flucht nach England entzieht, wo er eine de­prim­ierende Exilzeit verlebt. Am 29. September 1902 stirbt Zola in seiner Pariser Wohnung. Als Todesur­sache gilt eine Rauchvergif­tung. Ob es ein Mord oder ein Unfall gewesen ist, bleibt ungeklärt. 1908 werden Zolas sterbliche Überreste ins Pariser Pantheon überführt.