Globalisierung geht auch die mittelständische Wirtschaft an
Globalisierung bedeutet für die mittelständischen Unternehmen eine Intensivierung des Wettbewerbes "draussen" in der Welt. Asien ist dabei ein ernst zu nehmender Partner. Im Laufe der letzten 15 Jahre hat der Kontinent einschliesslich Japan seinen Anteil an den Weltexporten auf ein Drittel ausdehnen können. Erfolg für das Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) ist aber nur gegeben, wenn man sich mit anderen, fremden Kulturkreisen auseinander setzt und sich auf neue Wirtschaftssysteme und Unternehmensphilosophien einstellt.
„Nicht fehlende Informationen sind das Problem, sondern die Verarbeitung und Bewertung.“
Ziel muss sein, sich von einem reinen Exporteur zu einem Kooperationspartner zu entwickeln. Asiatische Partner sind an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert. Ihr Wunsch ist es, Partner zu finden, die sie mit Technologie und Kapital zur Fortentwicklung ihres Unternehmens und zum Ausbau der regionalen Marktposition unterstützen können. Finanzielles und investives Engagement sind ebenso wichtig wie ein persönliches Vertrauensverhältnis. Die entscheidende Frage ist, ob die eigene Unternehmenspolitik der Unternehmen die finanziellen und personellen Kapazitäten tragen und durchhalten kann. Nicht kurzfristige Gewinnerzielung ist die richtige Strategie, sondern mittel- und langfristig den Markt zu erschliessen und zu sichern.
Einstiegsmöglichkeiten sind vielfältig
Die Einstiegsmöglichkeiten in den asiatischen Markt sind abhängig von Land und Branche vielfältig. Asien ist ein heterogener Kontinent. Es ist nicht ratsam, Erfahrungen auf dem japanischen Markt auf Hongkong oder Vietnam zu übertragen. Das Wohlstandsgefälle ist in keinem Teil der Welt grösser. Die Spannweite reicht von einem Pro-Kopf-Einkommen von 36 000 $ eines Japaners bis zu Ländern wie Bhutan, Bangladesch oder Myanmar, deren Pro-Kopf-Einkommen bei nur 300 $ im Jahr liegen. Dennoch gibt es eine gewisse Logik für wichtige erste Schritte. Es ist zunächst sinnvoll zu klären, ob ein Engagement auf dem asiatischen Markt eine Alternative zu bereits bestehenden aussenwirtschaftlichen Kontakten in Europa oder Amerika ist und nicht nur ein Markt für Gelegenheitsgeschäfte. Wichtig ist, sich genauestens über die Situation vor Ort zu informieren. Aber nicht fehlende Informationen sind das Problem, sondern die Art und Weise, mit den vorhandenen Erkenntnissen umzugehen. Was wirklich relevant ist, lässt sich am besten vor Ort klären. Eine Informationsreise durch Asien ist unerlässlich. Die Wirtschaftsministerien der einzelnen Bundesländer bieten dafür Delegationsreisen an.
„Die KMU muss umdenken und bereit sein, sich von einem reinen Exporteur zu einem Kooperationspartner zu entwickeln.“
Nach einer Reise muss der Firmenchef klären, ob er in einem der besuchten Länder Perspektiven für seine Produkte sieht. Dabei sollte sich eine Entscheidung zunächst auf ein Land oder zumindest auf eine kleine Anzahl von Ländern beschränken. Bedenken sollte man, dass viele Länder mit Umweltverschmutzung, Verkehrsproblemen und politischen Krisen kämpfen. Auch in den Gepflogenheiten vor Ort gibt es Unterschiede. Achtet man in Japan auf Tradition und langfristige Zusammenarbeit, so sind die Geschäftsleute in Hongkong oder Singapur dagegen auf schnelles Verdienen aus. Als Anlaufzeit sollten Sie drei Jahre kalkulieren. Die Führungskraft vor Ort sollte vorurteilslos auf die anderen Gesellschaftsstrukturen zugehen und sich intensiv mit den Geschäftsgepflogenheiten des Landes auseinander setzen.
Informieren Sie sich gezielt
Ist die Entscheidung für ein Asienengagement gefallen, sollte an erster Stelle die gezielte Sammlung konkreter Informationen stehen, die primär zwei Fragestellungen betreffen:
- Was muss ich über meine zukünftigen Geschäftspartner in Asien wissen?
- Wer hilft mir in Deutschland und in Asien bei der Vorbereitung und Umsetzung meiner geschäftlichen Interessen?
„Im Laufe der letzten 15 Jahre hat Asien einschliesslich Japan seinen Anteil an den Weltexporten auf etwa ein Drittel ausdehnen können, während der amerikanische Kontinent insgesamt seinen Anteil nur halten konnte und Europa Anteilsverluste hinnehmen musste.“
Es empfiehlt sich, einführende Literatur über Gesellschaftsstrukturen und Geschäftsgepflogenheiten in Asien zu lesen. Ein reichhaltiges Informationsangebot stellt überdies die Bundesstelle für Aussenhandelsinformationen in Köln zur Verfügung. Asienneulinge sollten sich als Erstes einen Ansprechpartner ihres eigenen Bundeslandes suchen. Eine Alternative zu Delegationsreisen sind Messen. Sie sind für die Darstellung eigener Produkte und Projekte ein wirkungsvoller Weg zur Erschliessung neuer Märkte und Kunden. Die kostengünstigste Möglichkeit ist die Beteiligung an einer Fachmesse innerhalb Deutschlands, die bessere Variante allerdings ist, direkt vor Ort an einer Messe teilzunehmen. Durch ein persönlich gestaltetes Rahmenprogramm oder einen anschliessenden Aufenthalt vor Ort hat das KMU die Möglichkeit, sich ein Bild von den Marktchancen seines Produktes zu machen. Für Neulinge empfehlen sich Messegemeinschaftsbeteiligungen, die vom Bund, den Ländern und Wirtschaftsverbänden angeboten werden und mit vielfältigen Förderungsmöglichkeiten verbunden sind. Ansprechpartner in den Ländern sind die Wirtschaftsministerien, die IHKs sowie die Wirtschaftsförderungsgesellschaften.
„Partner auf den asiatischen Wachstumsmärkten erwarten nicht nur eine gute Qualität der Produkte zu einem angemessenen Preis und einen jederzeit funktionsfähigen After-Sales-Service. Ihre Geschäftspolitik besteht primär darin, sich durch einen ausländischen Partner einen Technologie- und Kapitaltransfer zur Fortentwicklung ihres Unternehmens zu sichern.“
Nahezu alle Länder bieten eine finanzielle Förderung von Aussenwirtschaftsberatung an. Sinnvoll ist die Kontaktaufnahme mit den in Deutschland ansässigen diplomatischen Vertretungen der asiatischen Länder. Informationen und Beratungen können auch direkt vor Ort beschafft werden. Ansprechpartner dort sind die deutschen diplomatischen Vertretungen oder die Aussenhandelskammern. Erst wenn Sie auf dieser Basis Ihre Marktchancen realistisch einschätzen können, sollten ausländische Consultants, Anwaltspraxen oder Marktforschungsinstitute beauftragt werden.
Auch die Europäische Union dient als Partner im Asiengeschäft
Die EU hat in Kuala Lumpur, Cogen, Singapur und Beijing so genannte Technologiefenster eröffnet. Dort werden Informationen über Technologien, Märkte, Gesetzgebung, Investitionsmöglichkeiten und sonstige Daten gesammelt, die bei der Einschätzung der Marktchancen und der Findung eines geeigneten Partners hilfreich sein können. Für die Gründung von Joint Ventures bietet das EU-Programm ECIP (European Community Investment Partners) Zuschüsse; die Möglichkeiten einer Antragstellung in Deutschland sind allerdings begrenzt. Für gemeinschaftliche Initiativen ist das ASIA-Invest-Programm von Bedeutung. Über das Programmangebot der EU kann man sich in den Euro-Info-Centres, von denen es über 30 Büros in Deutschland gibt, informieren.
Gemeinschaftliche Initiativen senken das Risiko
Für ein Unternehmen, dass in Asien Fuss fassen will, empfiehlt sich eine gemeinschaftliche Initiative zur Markterschliessung. Die Kontaktaufnahme hierzu kann auf Messen oder Delegationsreisen stattfinden. Ein weitere Form der Kooperation ist die Errichtung eines Firmengemeinschaftsbüros im Ausland oder die Beteiligung an einem Firmenpool. Beide Gemeinschaftsinitiaven können aus den Aussenwirtschaftsförderungsprogrammen einiger Länder finanziell unterstützt werden. Bei der Zusammensetzung der Büros oder Pools ist darauf zu achten, dass die teilnehmenden KMU "zueinander passen". Daher ist es ratsam, dass die Initiativen durch einen neutralen Dritten organisiert werden, z. B. durch eine Industrie- und Handelskammer.
„Die überall zu hörenden und zu lesenden Warnungen, dass gerade die asiatischen Märkte- und Geschäftspartner eine besonders intensive und nachhaltige Pflege und Betreuung erwarten, sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden.“
Eine effiziente Möglichkeit zum Aufbau eines Netzwerkes als Gemeinschaftsinitiative oder auch allein ist die Einmietung in eines der "Deutschen Häuser". Das "Vorzeigeprojekt" in Singapur ist ein idealer Standort für die Bearbeitung des südostasiatischen Marktes. Sind die ersten Kontakte geknüpft und die Entscheidung für eine Markterschliessung gefallen, folgt mit der Umsetzung der schwierigere Teil der Marktbearbeitung. Die Pflege der angeknüpften Geschäftsbeziehungen erfordert eine häufige Anwesenheit vor Ort. Dazu müssen die verschiedenen Alternativen geprüft werden:
- ständige Reisen nach Asien,
- Beauftragung eines Agenten,
- Errichtung einer Repräsentanz oder eines Vertriebsbüros,
- Gründung einer Filiale oder eines Gemeinschaftsunternehmens.
„Man sollte also wissen und auch beherzigen, dass in Asien nicht immer ein nüchterner, rationaler Verhandlungsstil, die besseren Konditionen und die besseren Argumente über den Geschäftserfolg entscheiden, sondern dass Konsensdenken, das persönliche Vertrauensverhältnis und das ‚Gesicht wahren’ bzw. ‚das Gesicht nicht verlieren’ von ausschlaggebender Bedeutung sein können.“
Alle Möglichkeiten sind mit hohem Kostenaufwand verbunden. Daher ist die sicherste Alternative ein gemeinschaftliches Projekt. Wenn der Weg von dem KMU in jedem Fall alleine bestritten werden soll, ist die Prüfung der finanziellen Kapazitäten des Unternehmens ebenso unerlässlich wie die ständige Kontaktpflege mit den Ansprechpartnern vor Ort.
Woher kommt das nötige Geld?
Ist das Auslandsgeschäft für das KMU Neuland, werden in bisher unbekanntem Masse Kosten auf es zukommen. Die wesentlichen Kostenkategorien sind die Anlauf- oder Vorlaufkosten, die Investitionskosten und die Personalkosten. Da dies laufende Kosten der Betriebsführung sind, ist es denkbar, dass dafür eine Aufstockung des Betriebsmittelkredits notwendig ist. Dafür müssen evtl. Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden. Dafür stehen dem KMU zwei öffentliche Förderungsprogramme zur Verfügung: die Zinszuschussprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt und das Beratungs- und Finanzierungsprogramm der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in Köln. Eine Alternative zur Fremdfinanzierung ist Beteiligungskapital. Prüfen Sie, ob die in Frage kommenden Beteiligungsgesellschaften dafür interessante Partner sind.
„Es gehört wohl zu den wesentlichen Besonderheiten der Kommunikation mit Asiaten, dass sie nicht gerne zugeben, wenn sie etwas nicht verstanden haben.“
Schritte zur Markterschliessung - Eine Checkliste
- Persönliche Erfahrungen vor Ort sind unerlässlich. Dabei empfehlen sich Delegationsreisen und die Teilnahme an einem Messegemeinschaftsstand.
- Prüfen Sie, ob genügend Betriebskapital da ist, um den Schritt nach Asien zu wagen.
- Kalkulieren Sie mittel- bis langfristig, auch mit der Konsequenz einer Zusammenarbeit bis hin zum Joint Venture.
- Informieren Sie sich genauestens über die Zielregion, am besten mit Fachliteratur.
- Bauen Sie sich bereits in Deutschland ein Informationsnetzwerk auf. Beginnen sollten Sie mit den Ansprechpartnern Ihres Bundeslandes. Erweitern Sie das Informationsnetz bis zu den Repräsentanten asiatischer Länder in Deutschland.
- Vervollständigen Sie Ihr Netzwerk mit Ansprechpartnern vor Ort.
- Prüfen Sie nach Gesprächen mit potenziellen Geschäftspartnern Ihre Marktchancen vor Ort. Wenn Sie sich der Sache nicht hundertprozentig sicher sind, sollten Sie die Bemühungen lieber abbrechen.
- Gemeinschaftliche Initiativen senken nicht nur die Markterschliessungskosten, sondern bieten auch eine Ausdehnung Ihres eigenen Informationsnetzes.
- Wenn Sie allein den Markt erschliessen möchten, prüfen Sie die ausländischen Knotenpunkte Ihres Netzwerkes. Fehler in der Wahl Ihrer Geschäftspartner und Repräsentanten könnten zum vorzeitigen Abbruch Ihres Engagements führen.
- Prüfen Sie, ob es sinnvoll ist, einen landes- und markterfahrenen Berater einzuschalten.
- Bevor Sie mit einem asiatischen Geschäftspartner einen Vertrag abschliessen, sollten Sie sich im Klaren darüber sein, welche finanziellen Verpflichtungen Sie eingehen. Informieren Sie sich über mögliche Finanzierungen und Förderungen der Bundesländer und der EU. Erwägen Sie auch eine Zusammenarbeit mit einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft.
„Häufig muss man feststellen, dass Unternehmer den Eintritt in eine von ihnen bisher fremde Gedankenwelt ohne gründliche Vorbereitung mit zu viel Improvisationen und zu geringen Kenntnissen über die Denkweisen der Menschen, mit denen sie Geschäfte machen wollen, durchführen.“
Gehen Sie ohne Vorurteile und Überheblichkeit in die Verhandlungen mit Ihren asiatischen Geschäftspartnern. Beachten Sie, dass viele Asiaten ebenso raffinierte Geschäftsleute sind wie Sie selbst.
Der 1938 in Kiel geborene Autor Dr. Peter Janocha gilt als angesehener Experte für Aussenwirtschaftspolitik mit dem Schwerpunkt Asien. Janocha hat seine Erfahrungen auf dem asiatischen Kontinent auf vielen Reisen gesammelt. Er ist seit 1984 Vorsitzender der Deutsch-Japanischen Gesellschaft.